Book Title: Gott Urbild Der Emanzipierten Existenz Im Yoga Des Patanjali Author(s): Gerhard Oberhammer Publisher: Gerhard Oberhammer View full book textPage 2
________________ 198 G. Oberhammer tiv verwirklicht ist. Prüft man diese Selbstinterpretation des Yoga auf ihren objektiven Gehalt, so gewinnt man die Überzeugung, daß es sich bei ihm um eine bestimmte Form der „Seinsmystik" handelt und daß die Lehre von der „Emanzipation" eine falsche metaphysische Deutung der „mystischen" Erfahrung ist. Diese beiden Gedanken müssen, wenigstens in ihrem grundsätzlichen Ansatz, als notwendige Voraussetzung der vorliegenden Untersuchung ausgelegt werden. Eine kurze Darstellung der wesentlichen Struktur der yogischen Versenkung läßt deutlich erkennen, in welchem Sinne hier von einer ,, Seinsmystik” gesprochen werden kann, und zwar sowohl vom Objekt dieser „Mystik" aus gesehen, wie von der Art der in ihr gegebenen Erkenntnis: „Jene Versenkung (yogah = samadhih), die, wenn das Denkorgan (cetaḥ) punktförmig (ekágram) ist, den Gegenstand erleuchtet, die Befleckungen (kleçah) zerstört, die Bindungen der Werke löst und die Unterdrückung (nirodhah) [aller psychischen Vorgänge ] einleitet, wird die mit Erkenntnis versehene' (sam prajnatah) genannt. Diese ist begleitet von Vitarka (Erwägung), Vicara (Reflexion), Ananda (Wonne) und Asmita (Ich-heit) .........." „Vitarka ist das grobe Genießen (abhogah) eines Erkenntnisgegenstandes (cittasya alambane). Vicara ist das verfeinerte (Genießen), Ananda ist Freude und Asmita ist ,Einheit-Bewußtsein' (ekâtmika samvit). Hierin (nämlich in der mit Erkenntnis versehenen Versenkung) ist die erste [Stufe der] Versenkung, welche von [allen diesen] vieren begleitet ist, die mit Vitarka versehene; die zweite, welcher [von diesen vieren der Vitarka fehlt, ist die mit Vicara versehene; die dritte, welcher [von den verbliebenen dreien] der Vicara fehlt, ist die mit Ananda versehene; die vierte, welcher. [von den verbliebenen zweien) der Ananda fehlt, ist reine Ich-heit' (asmita). Alle diese [Stufen der mit Erkenntnis versehenen] Versenkung stützen sich auf einen Gegenstand (salambanah) ....... Die ,erkenntnislose Versenkung' (aprajnataḥ samadhih) besteht im Verbleiben der Dispositionen [einer empirischen Existenz] (samskáraçeşah) und im Stillgelegt-Sein (nirodhah) des Denkorgans (cittam), wenn alle psychischen Vorgänge zur Ruhe gekommen sind. Das Mittel zu ihrer Erlangung ist vollkommene Enthaltung (param vairâgyam). Denn die ,Bemühung um Beständigkeit' (abhyasah) kann, sofern diese auf einen Gegenstand gestützt ist, nicht als für deren Verwirklichung [geeignet] betrachtet werden; und so wird [der Bemühung um Beständigkeit] die , Erlöschungsvorstellung' (viramapratyayah) als Stütze zugrunde gelegt, welche nicht auf Reales gerichtet ist. Diese ist gegenstandsleer (arthaçúnyah). Das Denkorgan nun, welches durch eine derartige Bemühung um Beständigkeit' konditioniert ist, hat keinen Gegenstand als Stütze und wird gleichsam nicht-existent. Dies ist dann die erkenntnislose Versenkung ohne Keim."5 „Welches ist nun, da das Denkorgan in diesem Zustand kein eigenes Objekt besitzt, die Seinsweise (svabhavah) des Geistes, der das erkennende Subjekt des Denkorgans ist ? – Die Erkenntniskraft (citiçaktih) west wie im Zustand der Emanzipation (yatha kaivalye) in ihrer eigenen Form (svarûpapratistha). Ist aber das Denkorgan wieder rege geworden, dann ist sie, obwohl [an sich] so seiend, nicht so." 3 Vgl. S. 198f. und Anm. 8 dieses Aufsatzes. 4 Diese Darstellung ist dem Kommentar des Vyasa zu den Yogasutren p. 8, 2-5 entnommen. Ich zitiere diesen Kommentar nach: Patañjala-YogasutraBhasya-Vivaranam of Sankara-Bhagavatpada. Crit. ed. with Introduction by Polakam Sri Rama Sastri and S. R. Krishnamurti Sastri (Madras Government Oriental Series 94), Madras 1952. Im Folgenden abgekürzt YBh. 5 YBh 47, 4-49, 6. 6 YBh 13, 2-8.Page Navigation
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11