Book Title: Ludwig Alsdorf
Author(s): Klaus Bruhn
Publisher: Klaus Bruhn
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Page #1 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Foto: Rosemarie Clausen, Hamburg Ludwig Alsdorf 8. 8. 1904 -- 25. 3. 1978 Page #2 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Ludwig Alsdorf (1904--1978) Von KLAUS BRUHN, Berlin Am 25. Marz 1978 verstarb im Kreiskrankenhaus von Buchholz im Alter von 73 Jahren LUDWIG ALSDORF, Der Gelehrtentradition von HERMANN JACOBI, HEINRICH LUDERS, ERNST LEUMANN und WALTHER SCHUBRING eng verbunden, diente er der Indologie ein halbes Jahrhundert. Er war zweiundzwanzig Jahre lang als ordentlicher Professor an der Universitat Hamburg tatig und hatte massgeblichen Anteil am Ausbau des Seminars fur Kultur und Geschichte Indiens. Er verfugte uber eine gute Kenntnis des modernen Indien und trug entscheidend zur Verbreitung von Indienkenntnissen auch im ausserakademischen Bereich bei.. LUDWIG ALSDORF wurde am 8. August 1904 in Laufersweiler (bei Kirchberg im Hunsruck) als Sohn des Pfarrers Hermann Alsdorf und der Emilie Alsdorf (geb. Chelius) geboren. Nach dem Besuch des LudwigsGymnasiums in Saarbrucken immatrikulierte er sich 1922 an der Universitat Heidelberg, wo er zwei Semester lang bei CHRISTIAN BARTHOLOMAE Vergleichende Sprachwissenschaft und bei HEINRICH ZIMMER Indologie studierte. 1923 wechselte er nach Hamburg uber, wo er das Studium der Indologie bei WALTHER SCHUBRING fortsetzte und 1928 mit einer von SCHUBRING angeregten Arbeit aus dem Bereich des Jainismus abschloss. Im Winter 1929 ging ALSDORF auf SCHUBRINGS Rat hin nach Berlin zu HEINRICH LUDERS. Durch die Vermittlung von LUDERS eroffnete sich ihm im Jahr darauf die Moglichkeit, fur anderthalb Jahre (Oktober 1930 bis Mai 1932) als Lektor fur Deutsch und Franzosisch an die Universitat Allahabad zu gehen, deren ViceChancellor damals GANGANATH JHA war. ALSDORF nutzte den Indienaufenthalt in mehr als einer Weise. Er photographierte Handschriften, die er fur seine bereits in Arbeit befindliche Habilitationsarbeit benotigte, vertiefte seine Sanskrit-Kenntnisse bei einem Pandit und bereiste ganz Indien, Burma und Ceylon. 1932 kehrte er nach Deutschland zuruck und schloss 1934 in Berlin die Arbeit an seiner Habili. tationsschrift ab. Das wiederum jainistische Thema ging auf eine 1928 von JACOBI gegebene Anregung zuruck. Die Habilitation erfolgte 1935 an der Friedrich-Wilhelms-Universitat zu Berlin - noch unter Mitwirkung des kurz zuvor zwangsweise emeritierten LUDERS. ALSDORF 1 ZDMG 129/1 Page #3 -------------------------------------------------------------------------- ________________ KLAUS BRUHN nahm dann regelmassig an dem Kranzchen' teil, das LuDERS als Ersatz fur seine offizielle Lehrtatigkeit durchfuhrte. Nach mehrjahriger Dozententatigkeit wich ALSDORF 1938 dem in Berlin auf ihn ausgeubten politischen Druck und habilitierte sich um nach Munster (Westf.). 1940 veroffentlichte er den Band Indien in der Weltpolitischen Bucherei'. Aufgrund dieses Buches erhielt er 1941 nach kurzem Kriegsdienst bei der Besatzungstruppe in Frankreich einen Ruf in das Auswartige Amt. Dort gehorte er bis Kriegsende dem nach Ankunft von Subhas Chandra Bose gegrundeten Sonderreferat Indien" an. In Berlin erhielt er gleichzeitig einen Lehrauftrag an der damaligen Auslandswissenschaftlichen Fakultat der Universitat. 1944 erhielt er an derselben Fakultat einen Ruf auf ein neuerrichtetes Extraordinariat fur Volksund Landeskunde Indiens'. Da die Auslandswissenschaftliche Fakultat nach dem Krieg nicht wiedererrichtet wurde, war ALSDORF zunachst stellungslos und daruber hinaus durch Ausbombung auch wohnungslos. Er verbrachte daher die erste schwierige Zeit zusammen mit seiner Familie bei bauerlichen Verwandten in Oberdreis im Westerwald. 1948 konnte er an seine alte Universitat Munster als Gastprofessor zuruckkehren, und 1950 erreichte ihn ein Ruf auf den damals noch einzigen Lehrstuhl des Seminars fur Kultur und Geschichte Indiens an der Universitat Hamburg. Dort wurde er nach STEN KONOW (1914-1920) und WALTHER SCHUBRING (1920-1950) dritter Amtsinhaber. ALSDORFS Wohnsitz wurde jetzt Sprotze, ein Dorf in der Nahe von Buchholz (sudlich von Hamburg). 1953/1954 war ALSDORF Dekan der ehem. Philosophischen Fakultat der Universitat Hamburg. 1961 lehnte er einen an ihn ergangenen Ruf auf den Lehrstuhl fur Indische Philologie am Sudasien-Institut der Universitat Heidelberg ab. -- ALSDORF war seit 1950 Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, seit 1958 Mitglied der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e.V. in Hamburg, seit 1 Mitglied der Deutschen Unesco-Kommission, seit 1967 Mitglied der Danischen Akademie der Wissenschaften (Kgl. Danske Videnskabernes Selskab), seit 1968 Editor-in-Chief des Critical Pali Dictionary (CPD) und seit 1977 korrespondierendes Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften. 1977 wurde ihm von der Asiatic Society die S.C. Chakravarty Medal fur seine Studien im Bereich der indischen Sprachen verliehen. -- 1972 wurde ALSDORF emeritiert. Er hielt jedoch noch bis zum Wintersemester 1977/78 Lehrveranstaltungen ab. Im Marz 1978 zog er sich auf einer Ceylon-Reise einen zunachst harmlosen Insektenstich zu, dessen gefahrliche Folgen auch nach der Ruckkehr nach Deutschland noch nicht gleich erkennbar waren. Es ergaben sich dann jedoch bald Komplikationen, die uber eine Lungenembolie in Page #4 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Ludwig Alsdorf (1904-1978) wenigen Tagen den Tod herbeifuhrten. Die plotzliche Wende hat ALSDORF langeres Leiden erspart. Fur die Familie, die Freunde und die Kollegen im In- und Ausland war der ganzlich unerwartete Tod ein umso schwererer Schlag. ALSDORFS Vielseitigkeit macht es schwer, seine Forschungsleistung in gedrangter Form zu wurdigen. Da uberdies eine Zusammenstellung seiner Veroffentlichungen bis zum Jahre 1974 bereits existiert (vgl. LUDWIG ALSDORF: Kleine Schriften Wiesbaden 1974 [GlasenappStiftung. Bd. 10.]) kann es im Folgenden nur darum gehen, die wichtig. sten Tatsachen herauszustellen. Die Zeit vor dem Krieg bildet die erste Phase in ALSDORFS Forschungstatigkeit. Die Dissertation des Dreiundzwanzigjahrigen trug den Titel Der Kumara pala pratibodha. Ein Beitrag zur Kenntnis des Apabhramsa und der Erzahlungsliteratur der Jainas. Der Untertitel kann zugleich als Uberschrift uber nahezu alle Veroffentlichungen der Periode von 1928 bis 1939 gelten. Es folgte als Habilitationsschrift Harivamsaprana. Ein Abschnitt aus der Apabhramsa-Welthistorie Maha. purana Tisatthimahapurisagunalamkara. Hier bildete die Entdeckung, dass die in den Harivamsa-Abschnitt der Jaina-Mythologie hineingehorende).Vasudevahindi des Sanghadasa nichts weniger darstellt als ,,eine neue Version der verlorenen Bphatkatha des Gunadhya", ein zusatzliches Faktum. Im ubrigen folgen beide Arbeiten in der Anlage den entsprechenden vorausgegangenen Veroffentlichungen JACOBIS (Bhavisatta Kaha und Sanatkumaracarita). Ein 1933 erschienener Aufsatz uber RICHARD PISCHELS Materialien zur Kenntnis des Apabhramsa ist nicht zuletzt deswegen interessant, weil er zeigt, mit welcher Sicherheit sich ALSDORF schon damals zu philologischen Fragen ausserte. Die umfangreicheren Apabhramsa-Studien folgten 1937. Im Kriege musste die eigentliche Forschungstatigkeit unterbrochen werden. Immerhin erschien 1940 Indien (Geschichte der englischen Indienherrschaft und der indischen Unabhangigkeitsbewegung), 1942 das noch heute als einzige Gesamtdarstellung gern benutzte Buch Deutsch-Indische Geistesbeziehungen und 1943 Indien und Ceylon (eine kurzgefasste Landeskunde). Die Tatigkeit nach 1945 hat sich nicht organisch entwickelt. Mehrere Umstande fuhrten dazu, dass ALSDORF sich mit den verschiedensten Arbeiten zu befassen hatte, die - obschon freiwillig ubernommen - seinen Entscheidungsspielraum bei der Forschung spurbar einengten. Der Varuna und das CPD frassen seine Zeit, die grosse Landeskunde (1955) konnte nicht von heut auf morgen geschrieben werden. Und wahrend alte Vorhaben wie die Vasudevahindi fordernd neben ihm standen, ergaben sich aus dem Lehrbetrieb und aus anderen An Page #5 -------------------------------------------------------------------------- ________________ KLAUS BRUHN lassen immer neue Moglichkeiten des Forschens, die er nicht ungenutzt vorbeigehen lassen wollte. Der aus dem LUDERS-Nachlass herausgegebene Varuna beschaftigte ALSDORF bis 1959, dem Erscheinungsjahr des zweiten Bandes. Die ,Vorbemerkungen' (Band I) und das erheblich langere , Vorwort' (Band II) sind sorgfaltiger Lekture schon deswegen wert, weil sie zu den wenigen Veroffentlichungen zahlen, die ein personlich-autobiographisches Element enthalten. LUDERS, so erfahren wir, hatte beide Bande des Varuna zusammen veroffentlichen wollen. Er, scheute eine Vorveroffentlichung des schon zu Lebzeiten fertigen Bandes, den im Falle seines vorzeitigen Todes ALSDORF herausgeben sollte. Dieser, Fall trat ein. 1943 starb LUDERS, und die Zeitumstande brachten es mit sich, dass das Manuskript zunachst in den Stahlschrank der Berliner Akademie wanderte, von wo es spater nach einem wegen der Bombenangriffe bei Kulturschatzen ublichen Verfahren) in das Salzbergwerk Wintershall, also an einen zunachst sicheren Ort gebracht wurde. Dies geschah, ,,ohne dass die im Kranzchen wiederholt angeregte Photokopie gemacht gewesen ware". Im Juli 1945 wurde das Salzbergwerk geplundert. Die Koffer mit LUDERS' Nachlass ,,wurden wegen ihres Wertes als Transportmittel geraubt, der den Raubern gleichgultige Inhalt verstreut". Immerhin landete schliesslich doch noch ein wirres und reduziertes Bundel auf ALSDORFS Schreibtisch in Oberdreis. Im Vorwort erwahnt ALSDORF neben vielem anderen ,,Ansatze zu Textformulierungen, Skizzen und Konzepte, alles mit Vorliebe geschrieben auf Makulatur jeder denkbaren Herkunft (und durch diese gelegentlich datierbar)". Gleich einem geschickten Restaurator musste ALSDORF das Ganze wieder zusammensetzen - und daruber hinaus zusammenfugen, was noch gar kein Ganzes gewesen war. Zugleich raumte er nach getaner Arbeit ein: ,,Wir haben [1959] zwanzig, dreissig und mehr Jahre alte Ausfuhrungen vor uns, die der heutige Leser in manchem als veraltet empfinden muss." Wissenschaftlicher Durchbruch oder immerhin wichtiges Hilfsmittel der Forschung, das letzte Wort steht den Spezialisten zu. Dass kein Veda-Forscher an dem fast 800 Seiten starken Doppelband vorbeigehen kann, ist gleichwohl unumstritten. 1957 veranlasste ALSDORF auf dem 24. Internationalen OrientalistenKongress in Munchen im Rahmen der Sektion Indologie eine Entschliessung ,,that the said Academy [the Royal Danish Academy) with the assistance of the Royal Danish Government will take the necessary steps for a resumption of the work on the Critical Pali Dictionary and ensure its speedy completion." Das von der Danischen Akademie betreute Unternehmen war nach dem Erscheinen eines Page #6 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Ludwig Alsdorf (1904-1978) ersten Bandes (Buchstabe Kurz-a) durch den Tod der beiden Herausgeber H. SMITH (Lund) und D. ANDERSEN (Kopenhagen) ins Stocken geraten. Die weitere Entwicklung im einzelnen zu schildern, ist hier kaum der Ort. Projekte dieser Grossenordnung sind eigentlich an institutionelle Voraussetzungen gebunden, wie sie sich im Falle der Indologie hochstens in Indien selbst herstellen lassen. Auf ALSDORF kam jedenfalls die schwierige Rolle eines Koordinators und Mitarbeiters zu, der er sich in unterschiedlicher offizieller Funktion (zuletzt als Editor-in-Chief) bis kurz vor seinem Tode unterzogen hat. Neun weitere Faszikel (bis upakkama) wurden zu seinen Lebzeiten veroffentlicht, ein zehnter erscheint posthum (das Korrekturexemplar wurde von ALSDORF noch durchgesehen), ein elfter wird spater folgen. ALSDORF gebrauchte einmal die Formulierung ,,das Unternehmen blickt noch in eine sehr weite Zukunft". Er hat die Schwierigkeiten, die sich trotz intensiver Zusammenarbeit von Pali-Spezialisten aus verschiedenen Landern ergaben, fruh erkannt, und er hat gespurt, dass seiner Wirkungsmoglichkeit hier deutlicher als je zuvor eine Grenze gezogen war. Betrachtet man die Geschichte der alteren deutschen Indologie, so ist ALSDORFS 1955 beim Georg Westermann Verlag erschienene ,Landesund Kulturkunde' (so der Untertitel) eine bemerkenswerte Leistung. Es ist ein modernes Buch, und es ist mit Fleiss und Umsicht geschrieben von einem Manne, dessen Hauptverantwortung auf einem anderen Gebiet lag. Es spricht fur das Werk, dass der Verleger spater noch einmal an ALSDORF herantrat mit der Bitte, eine Neubearbeitung anzufertigen. ALSDORF musste diesmal ablehnen, nicht zuletzt deswegen, weil die Zeit inzwischen fortgeschritten war. Eine ,Landes- und Kulturkunde ist heute vielleicht noch aktueller als damals, aber angesichts des erweiterten Kenntnisstandes waren derartige Unternehmen jetzt wohl nur bei einer Beschrankung auf jeweils einen Teilraum durchfuhrbar und wissenschaftlich zu verantworten. Die Vasudevahindi war eine Entdeckung im doppelten Sinne. Zum einen lag hier eine neue Version der Brhatkatha vor, zum anderen handelte es sich um das alteste geschlossene Erzahlwerk der Jainas, von der altertumlichen Sprache und Metrik einmal ganz abgesehen. Den Umstanden nach mussten die Kollegen, die in den dreissiger Jahren von dem Fund horten, annehmen, die Aufarbeitung der Vasudevahindi wurde ALSDORFS Lebenswerk werden. Nun hat der Entdecker seinen Fund keineswegs verbo rgen gehalten, sondern dem Text eine Reihe von Untersuchungen gewidmet, vielleicht auch schon das meiste gesagt, was sich nach einer ersten Einarbeitung in den Text an grundsatzlich Wichtigem sagen liess. Gleichwohl ist es zu einer kompakten und deutlich sichtbaren Veroffentlichung nie gekommen. Auch hat die inter Page #7 -------------------------------------------------------------------------- ________________ KLAUS BRUHN nationale Indologie nur allmahlich von der Angelegenheit Kenntnis genommen, obwohl die erste englischsprachige Mitteilung zu dem Thema bereits in BSOAS 8 (1935/37) erfolgte. Da der Gedanke an die Vasudevahindi-Arbeit ALSDORF nie verlassen hat, war es sinnvoll, das Thema an dieser Stelle anzuschneiden. Tatsachlich hat er aber nach dem Krieg nur selten Gelegenheit gehabt, sich dem Werk erneut zuzuwenden. Die Zeit, die ihm nach Abzug der oben genannten Projekte verblieb, um frei zu forschen und seine Moglichkeiten als Forscher zu entfalten, verwandte er auf andere Dinge. Die Asoka-Inschriften, in die ihn LUDERS in Berlin eingefuhrt hatte, die Jatakas - ebenfalls ein Thema, das bei LUDERS eine erhebliche Rolle gespielt hatte - und das metrische Uttaradhyayanasutra des Jaina-Kanons waren die Texte, denen sich ALSDORF vorrangig zuwandte. Dazu traten Themen wie der Vegetarismus und die Pali-Metrik, bei denen ein breiteres Textmaterial zum Ausgangspunkt gewahlt wurde. Es ist schwierig, diese Arbeiten unter einigen wenigen Gesichtspunkten zu ordnen und zu wurdigen, und dass dies nicht geht, ist gerade charakteristisch fur die hier zur Rede stehende Periode. ALSDORF hat seinen zweiten Lehrer LUDERS immer wieder als einen Meister der philologischen Methode geschildert: ,,In besonderem Masse besass LUDERS, was er selbst als die wichtigste Eigenschaft eines Philologen zu bezeichnen liebte: das Gefuhl fur das Wahrscheinliche. Es wurde geubt in Verbindung mit einer Methode, die keine Kompromisse kannte und sich in ihrer Konsequenz keine Erleichterungen gestattete." Dies Bekenntnis schliesst aber nicht aus, dass ALSDORF durchaus seinen eigenen Weg ging. Es reizte ihn zu zeigen, dass umfangreiche Texte und Textschichten, bei denen ein gewisser Forschungsstand bereits erreicht war, bei eindringender Analyse plotzlich ein anderes Aussehen gewannen. Es reizte ihn auch, im Vorubergehen auf Themen hinzuweisen, an denen die Forschung bisher vorbeigegangen war. Er sah auch zu. viel, als dass er es sich hatte leisten konnen, jedem Fund eine grosse Forschungsarbeit zu widmen oder jede methodische Beobachtung systematisch zu explizieren. ALSDORFS Verhaltnis zu den Texten war pragmatisch. Was fur ihn zahlte, war nicht so sehr das Sammeln von Materialien als vielmehr der schnelle Zugriff, der oft uber Jahrhunderte irrender Uberlieferung hinweg die richtige Lesart wiederherstellte. Sprachgefuhl, sprachwissenschaftliche Schulung und ein eminentes Gespur fur Metrik waren dabei die wichtigsten Helfer. Aber trotz der hohen Bedeutung, die das Ubersetzen fur ihn hatte, erschopfte sich seine Philologie doch nicht im Ubersetzen. So hatte er ein ausgepragtes Fingerspitzengefuhl fur den Mentalitatsunterschied der Verfasser von Jataka-Vers und Page #8 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Ludwig Alsdorf (1904-1978) Jataka-Prosa, und er war auch einer der ersten, der an einem ausgewahlten Beispiel die Begriffsakrobatik der Jaina-Dogmatiker demonstrierte. Dieses reiche Sensorium -- verbunden mit einer kritischen und der Forschung forderlichen Sympathie fur das alte wie das neue Indien - ermoglichte es ihm, mehr zu sehen als andere. Die Leistung eines Wissenschaftlers erschopft sich nicht im publi. zierten Werk. Es ware jedenfalls im Falle von LUDWIG ALSDORF unbillig, die Verdienste um die Lehre unerwahnt zu lassen. Er verstand es, mit seinem Vortrag Kollegen und Schuler, Indologen und Aussenstehende zu fesseln. Ein grosseres Fach hatte ihm grossere Wirkungsmoglichkeiten eroffnet, und eine grossere Zahl von Schulern hatte seinem wissenschaftlichen Werk starkere und fruhzeitige Beachtung gesichert. Aber es ist nutzlos, jetzt uber ein mogliches. Mehr an Wirkung zu spekulieren. ALSDORF hat getan, was in seinen Kraften stand und was zu tun ihm die Umstande vergonnten. Sein Werk liegt jetzt in den Handen anderer, und andere mussen vollenden, was er unvollendet hinterliess.