Book Title: Die Entwicklung Des Ksanikatvanumanam Bei Dharmakirti
Author(s): Ernst Steinkellner
Publisher: Ernst Steinkellner
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Page #1 -------------------------------------------------------------------------- ________________ DIE ENTWICKLUNG DES K SANIKATVANUMANAM BEI DHARMAKIRTI Von Ernst Steinkellner, Wien Bereits 1935 hat Professor FRAUWALLNER die Ansicht vertreten, dass Dharmakirti bei der Weiterbildung des Augenblicklichkeitsbeweises (ksanikatvanumanam) eine entscheidende Rolle gespielt hat, doch hat bis heute niemand diese Anregung aufgenommen und die beiden aus der klassischen Zeit buddhistischer Logik und Ontologie bekannten Beweise, das von FRAUWALLNER so genannte vinasitvanumanam (,,Schluss aus dem Verganglichsein") und das sattvanumanam (,,Schluss aus dem Seiendsein"), in ihrem historischen Verhaltnis zueinander untersucht. Auch der Umstand, dass dasjenige Werk, auf das sich Darstellungen von Dharmakirtis Auffassung zu einem bestimmten Problem immer noch hauptsachlich stutzen, der Nyayabinduh, fur eine Beschreibung von Dharmakirtis Lehren nicht nur ganz allgemein vollig unzureichend ist, sondern auch fur das ksanikatvanumanam im besonderen AK Abkurzungen: Abhidharmakosah. TS Tattvasangrahah, (Gaekwad's O. S. 30, 31) Baroda 1926. NV Nyayavarttikam, (Calc. S. S. 18, 29) Calcutta 1936-1944. PVI Pramanavarttikam, Kapitel I, (Serie Orientale Roma 23) Roma 1960. PV II, III, IV Pramanavarttikam, Kapitel II, III, IV, Patna 1938. PVin Pramanaviniscayah, Peking edition, Tokyo 1955ff., Vol. 130, Nr. 5710. PVSV Pramanavarttikasvavsttih, s. PV I. PVSVT Pramanavarttikasvavrttitika, Allahabad 1943. VN. Vadanyayah, Patna 1935-1936. HB Hetubinduh, in: Dharmakirti's Hetubinduh, Teil I, Wien 1967 (zitiert wird nach der Seitenzahlung mit Sternchen). HB II Dharmakirti's Hetubinduh, Teil II, Ubersetzung und Anmerkungen, Wien 1967. 1 E. FRAUWALLNER, Dharmottaras Ksanabhangasiddhih. Text und Ubersetzung. WZKM 42, 1935, p. 217: ,,Erstens folgerte man die Augenblicklichkeit der Dinge daraus, dass sie unabhangig von ausseren Ursachen ihrem eigenen Wesen nach verganglich sind. (Ich nenne diese Schlussfolgerung vinasitvanumanam.) Zweitens suchte man ihre Augenblicklichkeit aus ihrem Sein abzuleiten. (Die Inder nennen dies sattvanumanam.) ... Das vinasitvanumanam finden wird bereits in Vasubandhus Abhidharmakosah voll ausgebildet. Es herrscht zunachst vollkommen vor und wird noch von Dharmakirti ausfuhrlich behandelt und mit neuen Grunden gestutzt. Bei Dharmakirti finden wir aber auch schon das sattvanumanam. Und zwar ist diese Art der Beweisfuhrung mit ihren Grundanschauungen so fest im Gedankenkreis Dharmakirtis verwurzelt, dass ich sie auf ihn selbst zuruckfuhren mochte." Page #2 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 362 ERNST STEINKELLNER kein Material enthalt 2, hat dazu beigetragen, dass die Entwicklung dieses Beweises noch immer nicht geklart ist. Es ist auch kein fruchtbarer Umweg, fur diese Problematik auf den Tattvasangrahah des Santaraksita mit dem Kommentar des Kamalasila oder, noch schlimmer, gar auf gegnerische Literatur z. B. Vacaspatimisras Polemiken - auszuweichen. In ihrer enzyklopadischen Art der Darstellung ist die sthirabhavapariksa Santaraksitas (TS p. 131, 12-166, 5), in der die Traditionen beider Beweise sehr geschickt ineinander verwoben sind, zwar bewundernswurdig, doch fur eine saubere Erkenntnis der Entwicklung des ksanikatvanumanam kaum ein geeigneter Ausgangspunkt. Und Vacaspati richtet sich nicht nur gegen eine schon fortgeschrittene Stufe der Beweisfuhrung - sein Hauptgegner ist bereits Dharmottara, sondern gibt auch wie andere Polemiker von seiten des Nyaya oder der Jainas die buddhistischen Lehren nur mangelhaft und zum Teil schief wieder. Dabei ist die Materiallage gerade fur diesen Beweis und den entscheidenden Schritt von seiner Gestalt als vinasitvanumanam zum sattvanumanam ausserordentlich gunstig. Das sattvanumanam, das vor Dharmakirti nicht bekannt ist, ist seiner logischen Form nach untrennbar mit der durch Dharmakirti erneuerten buddhistischen Logik verbunden 3. Die Werke Dharmakirtis aber sind zur Ganze erhalten, wenn auch zum Teil nur in tibetischer Ubersetzung. Wir sind also in der glucklichen Lage, bei der Suche nach dem Beginn der Tradition des sattvanumanam die relevante Literatur geschlossen zur Verfugung zu haben. Aufgabe der folgenden Untersuchung ist daher eine Uberprufung der sich mit dem ksanikatvanumanam beschaftigenden Stellen in Dharmakirtis Werken hinsichtlich der logischen Gestalt der dort vorgetragenen Beweise und der Versuch einer historischen Interpretation dieser Stellen. Dharmakirti hat sich mit dem ksanikatvanumanam zeit seines Lebens immer wieder beschaftigt. Neben den vielen Stellen, in denen der Beweis oder ein Teil der zu ihm gehorenden Argumentation als Beispiel oder in anderer untergeordneter Funktion erscheint, finden sich in seinen Werken in Form von Exkursen vier in sich geschlossene Texte, die alle Darstellungen des ksanikatvanumanam sind. Eine funfte Stelle im Vadanyayah ist an sich kein 2 Der Nyayabinduh, eine Art Epitome aus dem Pramanaviniscayah, ist ein knapper Leitfaden zur Einfuhrung in die Theorie der Erkenntnismittel. Wird er allein als Quelle fur Dharmakirtis Lehren herangezogen, kommt es notwendig zu Fehlinterpretationen oder, unter Einfluss der Kommentare, zu anachronistischen Interpretationen. 3 Nach der Logik Dignagas ware der Grund,,Seiendsein" (sattvam) einmalig (asadharana-) und daher falsch, weil man weder ein mit der Folge gemeinsames Vorkommen (anvayah) noch Fehlen (vyatirekah) an einem Beispiel (drstantah) angeben kann. Erst die Lehre vom logischen Nexus des Dessen-Selbst-Seins (tadatmyam) macht das sattvanumanam moglich und diese Lehre stammt ohne jeden Zweifel von Dharmakirti. Page #3 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Die Entwicklung des Ksanikatvanumanam 363 solcher Exkurs, erlaubt aber das Bild der Entwicklung abzurunden und darf daher ebenfalls hier herangezogen werden. Es sind dies folgende Stellen: A: PV I, vv. 193c = 1950 - 196 = 198 4 (PVSV p. 98, 4-100, 24) B: PV I, vv. 269 = 271 - 283b = 285b (PVSV p. 141, 17-150, 5) C: PVin II, f. 275b8-278b3 D: HB p. 7, 17-19, 13 E: VN p. 6, 6-11, 1. Eine erste oberflachliche Gruppierung dieser Texte nach den beiden BeweisGestalten ergibt: Das sattvanumanam liegt vor in E, das vinasitvanumanam in A und B. In C und D finden sich beide. Wie sehen nun diese Beweise im einzelnen aus und was unterscheidet sie voneinander ? Da wir annehmen durfen, dass die Geschichte des sattvanumanam erst in den Werken Dharmakirtis beginnt, mochte ich zunachst den alteren Beweis, das vinasitvanumanam, besprechen. Die jungste Beweisfuhrung aus der Zeit vor Dharmakirti 5, die uns bekannt ist, ist die Vasubandhus des Jungeren. Von den drei Schlussfolgerungen, die Vasubandhu in seinem Abhidharmakosabhasyam 6 aufstellt, ist fur die Weiterentwicklung des Beweises nur die erste relevant. Diese lautet in der Ubersetzung FRAUWALLNERS: ,,Die Behauptung, dass die verursachten Gegebenheiten augenblicklich sind, ist erwiesen, weil sie spater unbedingt vergehen. Das Vergehen der verursachten Gegebenheiten hat namlich keine Ursache. Warum? Was eine Ursache hat, ist eine Wirkung. Das Vergehen als Nichtsein ist aber keine Wirkung und hat daher auch keine Ursache. Weil nun das Vergehen keine Ursache hat, vergehen (die verursachten Gegebenheiten), kaum, dass sie entstanden sind. Denn, wenn sie nicht gleich anfangs vergehen, dann kann es auch spater nicht der Fall sein, weil sie spater die gleiche Beschaffenheit haben wie fruher. Wenn sie daher spater ein Ende finden, so lasst sich daraus erkennen, dass sie bereits fruher vergehen." 7 Dass die verursachten Dinge (samskarah) augenblicklich sind, wird also 4 Die an zweiter Stelle gegebenen Ziffern fur Verse des PV I vertreten eine Verszahlung, die gegenuber der von GNOLI in seiner Ausgabe eingefuhrten die beiden Mangala-Verse mitzahlt. 6 Einen Beweis, der sich in Uddyotakaras Nyayavarttikam (NV p. 824, 16f.) findet und vielleicht auf Dignaga zuruckzufuhren ist, aus dessen erhaltenen Werken im ubrigen keine Darstellung des ksanikatvanumanam bekannt ist, mochte ich hier wegen des sehr hypothetischen Charakters einer solchen Verbindung mit Dignaga nicht berucksichtigen. & Zu AK IV, v.2d-3b. Ubersetzungen nach der chinesischen Version: L. DE LA VALLEE POUSSIN, L'Abhidharmakosa de Vasubandhu, Paris 1923-1931, IV, pp. 4-8; E. FRAUWALLNER, Die Philosophie des Buddhismus, Berlin 2. 1958. pp. 104-109. Peking edition, Tokyo-Kyoto 1955ff., Vol. 115, Nr. 5591, f. 190a 5 - 192 a5. 7 loc. cit., p. 105. Der letzte Satz hat keine Entsprechung in der tibetischen Ubersetzung und ist vielleicht eine Glosse der chinesischen Fassung. Page #4 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 364 ERNST STEINKELLNER in apagogischer Weise 8 aus der Tatsache ihres Vergehens erwiesen: Das Vergehen der Dinge ist nur erklarlich, wenn man ihr Augenblicklichsein annimmt. Das Vergehen darf dann aber nicht durch fremde, ding-aussere Ursachen bewirkt sein, es muss ursachelos sein. Diese Ursachelosigkeit des Vergehens leitet Vasubandhu aus dem der Sautrantika-Ontologie gemassen Satz ab, dass das Vergehen als ein Nichtvorhandensein (abhavah) keine Wirkung sei. Wie sieht nun das vinasitvanumanam bei Dharmakirti aus? A) PVSV p. 98, 4-100, 24: Zunachst einige Bemerkungen zum Kontext dieses Abschnittes. PVSV p. 95, 10 endet der lange Exkurs mit der Darstellung der Apoha-Theorie. Mit v. 190 = 192 nimmt Dharmakirti die durch den Exkurs unterbrochene Darstellung der Lehre von den drei Arten des logischen Grundes (hetuh) mit der Besprechung des Eigenwesens als Grund (svabhavahetuh) wieder auf. PVSV p. 97, 10 ff. kommt er auf die beiden Formulierungen (prayogah) dieses Grundes zu sprechen und gibt in v. 193 ab = 195 ab je ein Beispiel fur die Formulierung der Gleichartigkeit sowie der Ungleichartigkeit nach: ,,Wie z. B. eine Wirkung (als Grund] mit Bezug auf die Nicht 8 Der Zwang zur apagogischen Form des Beweises erklart sich aus den beschrankten Moglichkeiten des direkten Beweises in der Zeit vor der neuen Logik Dharmakirtis. Wie das altere Beweisverfahren, das auf dem Analogieschluss beruhte, nicht ohne den analogen Fall auskam, so bedurfte es auch nach der formalen Logik Dignagas noch wenigstens eines einzigen positiven Beleges fur den in Behauptung und Begrundung vorausgesetzten logischen Nexus. Eben diesen einen Beleg gestattet aber der Augenblicklichkeitsbeweis nicht, in dessen Behauptung der Gegenstand alles Bedingte schlechthin ist. Man war daher gezwungen, die indirekte Art, einen Satz als wahr aus anderen abzuleiten, fur den Augenblicklichkeitsbeweis zu wahlen, wie sie - bei Vrsagana etwa (vgl. E. FRAUWALLNER, Die. Erkenntnislehre des klassischen Samkhya. WZKSO 2, 1958, p. 128) - als Mog. lichkeit der Beweisfuhrung entwickelt wurde. Ein solcher apagogischer Beweis liegt auch tatsachlich im altesten uns erhaltenen Augenblicklichkeitsbeweis vor. Im Mahayanasutralamkarah (Paris 1907) findet sich ein Kapitel uber die Augenblicklichkeit, dessen Hauptteil einem Beweis mit einer grosseren Anzahl von Grunden apagogischer Art gewidmet ist (pp. 149, 12-154, 26), welcher m. E. zum grossten Teil auf Sautrantika-Quellen zuruckgeht. Bei Vasubandhu ist die indirekte Beweisfuhrung, die Vrsagana als ,,Nachweis der eigenen These durch Widerlegung der gegnerischen These" oder als ,,Nachweis auf Grund der einzigen verbleibenden Moglichkeit" bestimmt hat, als Widerlegung (dusanam) neben dem direkten Beweis (sadhanam) Teil der Disputation (vadah). Diese dient naturlich dazu, die eigene These zu erweisen und die gegnerische zuruckzuweisen, doch wird die Widerlegung selbst bei Vasubandhu ausdrucklich nicht als ,,Nachweis auf Grund der verbleibenden Moglichkeit" und so als eine zweite Methode der Beweisfuhrung aufgefasst (vgl. E. FRAUWALLNER, Vasubandhu's Vadavidhih. WZKSO 1, 1957, p. 118 und 121). Dennoch muss sich auch Vasubandhu beim Augenblicklichkeitsbeweis gerade dieser Methode im Sinne Vrsaganas bedienen. Ich gebe im folgenden jeweils nur eine analytische Darstellung der Texte und versuche die logische Gestalt des Beweises herauszuarbeiten. Eine analytische Beschreibung des Textes B findet sich schon in: T. VETTER, Erkenntnisprobleme bei Dharmakirti, Wien 1964, pp. 15-17. Die Ubersetzung des Textes D mit einem Kommentar habe ich in: Dharmakirti's Hetubinduh, Teil II, Wien 1967, pp. 42-57 und pp. 115 - 145 vorgelegt. Page #5 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Die Entwicklung des Ksanikatvanumanam 365 Ewigkeit oder eine Nichtwirkung mit Bezug auf ein Unvergangliches." 10 Das Beispiel fur den positiv formulierten logischen Nexus (anvayah) lautet: ,,Was immer hervorgebracht ist, das alles ist nicht-ewig, wie Topf usw.; der Ton aber ist hervorgebracht." 11 An dieses Beispiel knupft die den Exkurs A einleitende Frage an: ,,Auf welche Weise ist nun erkennbar, dass Hervorgebrachtes notwendig nicht-ewig ist, so dass [du] solches (wie eben] sagst ?" 12 Gefragt wird also nach der Feststellung des logischen Nexus (vyaptih) zwischen den Beschaffenheiten 13 ,,hervorgebracht" und ,,nicht-ewig" 14. Das Erkenntnismittel (pramanam) fur diese Vyapti bringt Dharmakirtis Antwort: ,,Weil das Vergehen, da es ursachelos ist, aus dem Eigenwesen folgt." 15 Damit geht er uber die Beweisfuhrung Vasubandhus bereits hinaus. Inhaltlich gleich geblieben ist der Satz von der Ursachelosigkeit des Vergehens. Wahrend jedoch Vasubandhu uber die Ursachelosigkeit aus der Tatsache des Vergehens die Augenblicklichkeit ableitet, beweist Dharmakirti durch die Ursachelosigkeit, dass das Vergehen wesentlich zum Ding gehort. Wir haben es also bei Dharmakirti mit zwei Beweisen zu tun: mit dem Augenblicklichkeitsbeweis selbst und mit dem Beweis seiner Vyapti. Entscheidend geandert wurde dabei die Funktion des Satzes von der Ursachelosigkeit des Vergehens. Er dient nun dazu nachzuweisen, dass das Vergehen der verursachten Dinge aus dem Eigenwesen (svabhavat) dieser Dinge selbst gegeben ist - mit anderen Worten - dass die Dinge selbst wesentlich verganglich sind oder dass sie hinsichtlich ihres Vergehens von ausseren Ursachen unabhangig (PVSV p. 98. 7-9) und daher notwendig verganglich (PVSV p. 98, 20-22) sind. Naturlich steht und fallt damit der ganze Beweis mit dem Nachweis der Ursachelosigkeit des Vergehens. Daher widmet Dharmakirti den weiteren Exkurs diesem Nachweis (PVSV p. 98, 9-100, 24) und seiner 10 anityatve yatha karyam akaryam va 'vinasini 11 yat kimcit krtakam tat sarvam anityam, yatha ghatadayah, sabdas ca krtaka iti (PVSV p. 97, 19-21). 12 katham idanim krtako 'vasyam anityam iti pratyetavyo yenaivam ucyate (PVSV p. 98,4f.).Man vergleiche den Anfang des Exkurses im Hetubinduh (HB p. 7, 17f.), wo die gleiche Frage mit Bezug auf das als Beispiel (HB p. 4, 6f.) verwendete sattvanumanam gestellt wird. 13 Es empfiehlt sich dharmah, das hier die logische Eigenschaft meint, mit ,,Beschaffenheit" zu ubersetzen, weil das Wort ,,Eigenschaft" gewohnlich fur die Ubersetzung der Vajsesika-Kategorie gunah gebraucht wird. 14 Hierzu ist zu bemerken, dass der Beweis, dessen Vyapti hier in Frage gestellt wird, nicht als ksanikatvanumanam formuliert ist; bewiesen wird vielmehr die Nicht-Ewigkeit (anityatvam). Eine einfache Uberlegung zeigt jedoch, dass die Begriffe der Nicht-Ewigkeit und der Augenblicklichkeit fur den Buddhisten soweit identisch sind, dass die Worter synonym gebraucht werden konnen. So konnte man in Anschluss an die obige Vasubandhu-Stelle (vgl. p. 363) sagen: Das Nicht-Ewige ist augenblicklich, das heisst in jeder Phase vergehend, denn wenn es nicht sofort verginge, konnte es auch spater nicht vergehen und somit nicht nicht-ewig sein. Es ist daher durchaus erlaubt, diesen Text, obgleich in ihm das Wort ksanikauberhaupt nicht erscheint, als eine Ausfuhrung des ksanikatvanumanam zu bezeichnen. 15 ... yasmat ahetutvad vinasasya svabhavad anubandhita || PVSV p. 98, 5f. Page #6 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 366 ERNST STEINKELLNER Verteidigung gegen logisch formulierte Einwande. Der Nachweis der Ursachelosigkeit wird in zweifacher Weise gefuhrt. Einerseits wird sie aus der Unabhangigkeit der vergehenden Dinge von fremden Ursachen abgeleitet 16 (PVSV p. 98, 9-22), andererseits aus dem Ansatz, dass eine hypothetisch angenommene fremde Ursache fur das Vergehen der Dinge gar nicht imstande ware, das Vergehen des Dinges zu bewirken 17 (PVSV p. 100, 8-24). Somit lasst sich das Wesentliche des hier vorliegenden Beweises herausarbeiten. Der Beweis selbst wurde in klassischer Formulierung lauten: ,,Die Dinge (Ton etc.) sind nicht-ewig (= augenblicklich), weil sie hervorgebracht sind." Die Vyapti ihrerseits wird erschlossen aus der Ursachelosigkeit des Vergehens, das bei hervorgebrachten Dingen beobachtet wird. Diese Ursachelosigkeit wiederum wird aus der Unabhangigkeit der vergehenden Dinge und aus der Unfahigkeit fremder Ursachen, das Vergehen der Dinge zu bewirken, abgeleitet. Die logische Form des Beweises ist die eines svabhavahetuh. Das heisst, dass die Vyapti auf der Verknupfung des Dessen-Selbst-Seins (tadatmyam) zwischen den beiden Beschaffenheiten ,,Hervorgebrachtsein" und ,,Nicht-Ewigsein, Augenblicklichsein", beruht. Die Feststellung der Vyapti geht jedoch nicht nach der von Dharmakirti spater gegebenen Regel 18 vor sich, vielmehr wird die Vyapti aus der Erfahrungstatsache des Vergehens deduziert. Die Tatsache, dass Dharmakirti im Pramanavarttikam eine besondere Regel fur die Feststellung des anvayah beim svabhavahetuh noch nicht kennt19, durfte der Grund dafur gewesen sein, warum er sich hier noch der apagogischen Form des alteren vinasitvanumanam zur Feststellung der Vyapti bedient. B) PVSV p. 141, 17--150, 5: Dieser zweite Exkurs findet sich im grossen Schlussteil des Pramanavarttikam, erstes Kapitel, in dem es um die Autoritat des Veda geht (PV I, v. 224ff. = 226ff.). Das entscheidende Argument der Mimamsa fur diese Massgeblichkeit ist die Lehre von der Ewigkeit des Tones 20. 16 ,,Die Dinge hangen namlich, indem sie vergehen, bezuglich dieses Zustandes nicht von einer [fremden] Ursache ab, weil die vergehenden [Dinge] nur durch ihre eigene Ursache gegeben sind. Daher ist, was immer hervorgebracht ist, schon von Natur aus verganglich." (na hi bhava vinasyantas tadbhave hetum a peksante, svahetor eva vinasvaranam bhavat. tasmad yah kascit krtakah sa prakrtyaiva nasvarah. PVSV p. 98, 7-9) 17 a8amarthyac ca taddhetor bhavaty esa svabhavatah PV I, v. 196 ab = 198 ab. 18 Vgl. HB p. 4, 3-5. Karnakagomin spricht zwar von der Begrundung des Verses PV I, v. 193 cd = 195 cd als von einem aufhebenden Erkenntnismittel (badhakam pramanam, PVSVT p. 360, 10), doch kann ich eine aufhebende Funktion, zumindest im Sinne der Hetubindu-Stelle, nicht finden. 19 PVSV p. 2, 13f. heisst es nur, dass anvayah und vyatirekah durch das im betreffenden Fall geeignete Erkenntnismittel festgestellt werden (yathasvam pramanena niscitam), also durch Wahrnehmung oder Schlussfolgerung. In unserem Fall ware der anvayah durch eine Schlussfolgerung festgestellt. 10 Vgl. E. FRAUWALLNER, Mimamsasutram, I, 1, 6-23. WZKSO 5, 1961, pp. 113-124. Page #7 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Die Entwicklung des Ksanikatvanumanam 367 Diese wird daher von Dharmakirti widerlegt. Die den Exkurs einleitende Frage des Gegners ,,Wie ergibt sich, dass der Ton oder ein anderes Ding nichtewig sind ?" 21 ist wiederum eine Frage nach dem logischen Nexus, mit welchem die Behauptung ,,Der Ton ist nicht-ewig." zu beweisen ist, und nach seiner Feststellung. Dharmakirtis Antwort ,,Die Nicht-Ewigkeit kommt dem Ton zu, weil das Vergehen aus dem blossen Seiendsein (des Tones) folgt." 22 gibt zunachst nur den Grund an: Weil der Ton seiend (sat) ist, ist er nicht-ewig 23. Das heisst aber, dass Dharmakirti bereits an dieser Stelle den Nexus von Seiendsein und Nichtewigkeit formuliert 24. Dennoch haben wir es hier noch nicht mit dem sattvanumanam zu tun. Wie ist er namlich dazu gekommen, die Verganglichkeit des Tones aus dessen Seiendsein zu erschliessen? Oder, anders gefragt, wie kommt der Begriff ,,Seiendsein" (satta) in das vinasitvanumanam ? Im Exkurs A findet sich in der Polemik in einem Kontext, der nur mittelbar mit der logischen Struktur des Beweises verknupft ist, folgendes Gesprach, das ich kurz vorfuhren mochte. Der Gegner gibt zu, dass das vergangliche Ding (svabhavah) unabhangig ist, folgert aber daraus, dass es unverursacht (ahetuka-) sein musste. Darauf sagt Dharmakirti: ,,Es ist nicht unverursacht, weil es auf Grund des Vorhandenseins schon der Ursache fur (sein) Seiendsein so (= verganglich) entsteht; was namlich seiend ist, ist nur so (= verganglich). [Gegner:) ,Ein Seiendes 25 entsteht nicht notwendig aus etwas. [Antwort:) Dann ware das Seiendsein zufallig [und] wurde daher bei keinem [Ding] irgendwann irgendwo aufhoren. ... ... ... Auch habe ich diesbezuglich schon gesagt, dass es nichts vom Ding Verschiedenes namens Vergehen gibt, dass das Eigenwesen (= Ding) selbst das Vergehen ist (und] dass eben dieses als [nur) eine einzige Phase lang bestehend entstanden ist. Dieses Eigenwesen des [Dinges] stellen langsame Geister [erst] nachtraglich fest (und) nicht [schon] fruher, weil es [ihnen), obgleich sie [das Vergehen) sehen, an Scharfsinn gebricht. Daher wird kraft dieser [Feststellung erst] spater (das vergangliche Eigenwesen] festgestellt, genauso wie die Laien [erst] durch Beobachtung einer [krankhaften] Veranderung Gift [im Korper eines Menschen feststellen). Daher hangt das Vergehen nicht von etwas anderem, das vom Seiendsein ver 21 katham idam gamyate 'natyantiko dhvanir anyo va bhava iti. PVSV p. 141, 17f. 22 sattamatranubandhitvan nasasyanityata dhvaneh | PV I, v. 269 ab = 271ab. 23 Vgl. PVSVT p. 510, 23f. 34 Er schliesst dementsprechend die Einleitung mit den Worten ab: ,,Damit ist erwiesen, dass der Ton oder ein anderes, das am Seiendsein teilhat, jedes Ding eben, nicht-ewig ist." (tena sabdo 'nyo va sattabhajanah sarva eva bhavo 'natyantika iti siddham. PVSV p. 141, 23f.). 25 Z. B. der Ather (akasah), der nach Ansicht des Gegners zwar seiend, aber auch ewig, das ist anfanglos ist. Page #8 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 368 ERNST STEINKELLNER schieden [ware), ab. Infolgedessen umfasst [das Vergehen) das [Seiendsein)." 26 Aus der Unabhangigkeit des Vergehens von fremden Ursachen ergibt sich also, dass das Ding als verganglich von seiner Ursache hervorgebracht wird oder dass es, insofern es seiend, das heisst hervorgebracht ist, verganglich ist. Das hier als logischer Grund verwendete Seiendsein ist also nichts anderes als das konsequenter formulierte Hervorgebrachtsein, wie es als Grund im Exkurs A vorkommt 27. Dass aber das Vergehen das Seiendsein umfasst, wird auch hier nur aus der Ursachelosigkeit des Vergehens abgeleitet und so kommt auch im vorliegenden Exkurs dem Nachweis der Ursachelosigkeit des Vergehens das Hauptgewicht zu. Ohne auf die Unterschiede in der Polemik und im Nachweis der Ursachelosigkeit eingehen zu wollen, lasst sich so zusammenfassend sagen, dass sich 26 nahetukah, sattahetor eva bhavat tathotpatteh, sato hi bhavatas tadreasyaiva bhavat, navasyam satah lutascid bhava iti cet, akasmiki tarhi satteti neyam kasyacit kadacit kvacid viramet. ... ... ... uktam catra na vinago nama anya eva kascid bhavat, svabhava eva hi nasah, sa eva hy ekaksanasthayi jata iti. tam asya mandah svabhavam urdhvam vyavasyanti, na prak, darsane 'pi pajabhavad iti tadvasena pascad vyavasthapyate, vikaradarsaneneva visam ajnaih. tad ayam sattavyatirekena nanyat kimcid vinaso 'peksata iti tadvyapi (PVSV p. 99, 24-100, 8). 27 Die Moglichkeit, das Seiendsein als Grund fur die Verganglichkeit zu verwenden, ist schon PV I, v. 186 = 188 ausgesagt: ,,Man gibt das Eigenwesen zum Nachweis des zu Beweisenden entweder als abhangig von verschiedenen Bedingungen oder als einziges an, wie z. B. [die Eigenwesen] Wirkungsein und Seiendsein bezuglich des Vergehens (als Folgej." (upadhibhedapeksova svabhavah kevalo 'thava lucyate sadhyasiddhyartham nase karyatvasattvavat (1). Dazu sagt Dharmakirti PVSV p. 93, 10-12:,,So nennt man einmal ein von verschiedenen Bedingungen abhangiges Eigenwesen Grund, ein andermal ein unabhangiges ganz allgemein, wie das Seiendsein in Hinsicht auf die Nicht-Ewigkeit, ..." (evam upadhibhedapeksah kovacit svabhavo hetur ucyate, kvacid anapeksah samanyena yatha 'nityatva eva sattvam, ...). Der Beweis selbst wird jedoch in PV I (PVSV) nicht mit dem Grund ,,Seiendsein" gefuhrt. Die unmittelbar folgende (PV I, v. 187ff. = 189 ff.), in das Gewand einer Polemik gegen das Samkhya gekleidete Abhandlung betrifft das Problem, wie man das Seiendsein uberhaupt als Grund verwenden konne ohne Gefahr zu laufen, auch das Seiendsein der Urmaterie (pradhanam) als Folge zugestehen zu mussen. Eine Erklarung fur das Vorkommen des Grundes ,,Seiendsein" im Pramanavarttikam, in welchem das sattvanumanam selbst eindeutig fehlt, scheint daher in der Richtung zu suchen zu sein, dass Dharmakirti hier bei der Bestimmung der verschiedenen Arten von Begriffen (svabhavah), die als logischer Grund verwendbar sind, auch den des Seiendseins entdeckt hat, dessen Inhalt armer ist als der des Hervorgebrachtseins. Zum Unterschied von der spateren Funktion des Begriffes (vgl. p. 374) bringt Dharmakirti ihn hier aber noch nicht als Losung fur die Problematik der Vyapti, die sich bei Verwendung des Begriffes ,,Hervorgebrachtsein" einstellt. Diese im Pramanavarttikam noch nicht gefundene Problematik wird erst im Pramanaviniscayah entscheidend zur Weiterentwicklung des Beweises beitragen. Dass der Begriff ,,Seiendsein" im Pramanavarttikam schon eine andere logische Struktur des Beweises anzeigt, ist, gerade weil die Problematik der Allgemeingultigkeit der Vyapti hier noch nicht erscheint, nicht anzunehmen. Fur den Beweis im Pramanavarttikam gilt, dass die beiden Begriffe in gleicher Weise verwendet werden konnen, und zwar im in diesem Kontext vorliegenden vinasitvanumanam. Wir finden daher auch beide Begriffe im Exkurs nebeneinander, wenn auch in einem Einwand (PVSV p. 99, 8f.: ... krtakanam api kesamcit satam va ...). Auch Karnakagomin bestatigt die Annahme, dass das Wort ,,Seiendsein" in Dharmakirtis vinasitvanumanam an die Stelle des Wortes ,,Hervorgebrachtsein" treten kann (vgl. PVSVT p. 364, 28: ... phalasya krtakasya sato va ...). Page #9 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Die Entwicklung des Ksanikatvanumanam 369 und Verh erschiede Sole Teile das vinasitvanumanam in B von dem in A nur durch die scharfere Formulierung des Grundes unterscheidet, dass es in der logischen Struktur aber gleich ist. In beiden Fallen wird der logischen Nexus zwischen den Beschaffenheiten ,,Hervorgebrachtsein" oder ,,Seiendsein" und ,,Verganglichsein" in apagogischer Weise durch die Ursachelosigkeit des Vergehens nachgewiesen. Die entscheidende Neuerung stellen wir erst im Exkurs C fest. C) PVin II, f. 27568--27863: Dieser Exkurs nimmt aus folgendem Grund eine Schlusselstellung fur unser Problem ein. Dharmakirti hat in den Pramanaviniscayah zahlreiche Verse des Pramanavarttikam sowie grosse Teile der Svavrttih zum Teil wortlich ubernommen. Unterschiede ergeben sich oft nur durch Umstellungen, Erganzungen und Verbesserungen, wobei vor allem letztere die feilende Hand Dharmakirtis schon erkennen lassen 28. Das trifft nun auch fur den vorliegenden Exkurs und seinen Kontext zu. Dharmakirti hat fur die Darstellung des svabhavahetuh (PVin II, f. 274b8-278b5) in grossem Masse Texte des ersten Kapitels seines Pramanavarttikam und der Svavrttih wieder verwendet. Was den Exkurs selbst betrifft, so finden wir den oben besprochenen Text A bis auf wenige Satze eingearbeitet. Das zeigt die folgende Ubersicht; daruber hinaus zeigt sie aber auch, dass Dharmakirti den ubernommenen Text durch einen grossen Einschub erweitert hat, und in eben diesem Einschub findet sich die entscheidend gewandelte Struktur des koanikatvanumanam zum ersten Mal 29. 1 . PVin II PVSV (PVI) f. 275b1-7 entspricht 30 p. 97, 10-98, 2 Exkurs: f. 275b8-276 a 2 p. 98, 4-12 f. 276 a 2-8 p. 98, 14-99, 2 f. 276 a 8-276b6 p. 99, 4-19 f. 276b6-277b6 f. 277b6-278b3 p. 99, 19-100, 24 28 Zur Charakteristik des Pramanaviniscayah vgl. E. FRAUWALLNER, Die Reihenfolge und Entstehung der Werke Dharmakirti's. Asiatica, Festschrift Friedrich Weller, Leipzig 1954, p. 147. 29 Da der Text des zweiten Kapitels des Pramanaviniscayah bisher noch nicht in einer bearbeiteten Ausgabe vorliegt, gebe ich den Text C vollstandiger wieder. Eine analytische Beschreibung der durch den Text A bekannten Teile soll den Kontext fur den entscheidenden Einschub bekannt machen. Darauf folgt eine Ubersetzung der fur den Beweis wesentlichen Stellen des Einschubs. Die in diesem enthaltene, fur den Beweis selbst unwichtige Polemik, bleibt jedoch ausgeklammert (vgl. unten p. 374). Der Text wurde bearbeitet nach den Ausgaben des Viniscayah von Derge (D = Exemplar der Westdeutschen Bibliothek, Marburg, Mdo Ce [95], f. 167bl - 187 a 6), von Narthang (N = Exemplar der Westdeutschen Bibliothek, Marburg. Mdo Ce [95], f. 276 a 2-299 a 6) und Peking (P = The Tibetan Tripitaka. Peking edition, ed. D. T. SUZUKI, Reprint, Tokyo and Kyoto, 1955-1961, Vol. 130, No. 5710, f. 265 a 3-285 a 6). Unser Text C findet sich D f. 178 a 7-180b7, N f. 288b3-291 b4, Pf. 275b8-278b5. Angegeben werden nur die wichtigeren Lesarten. 30 Mit geringen Auslassungen und Anderungen. 24 Festschrift - Frauwallner Page #10 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 370 ERNST STEINKELLNER Der Kontext von C ist der gleiche wie in A. Es werden die beiden Formulierungen (prayogah) des svabhavahetuh besprochen. Es folgen die Beispiele wie in A und darauf erfolgt die schon bekannte Frage nach der Art der Feststellung des logischen Nexus zwischen den Beschaffenheiten ,,Hervorgebrachtsein" (krtakatvam) und ,,Nicht-Ewigsein" (anityatvam): ,,Auf welche Weise lasst sich nun zeigen, dass das Hervorgebrachte notwendig nicht-ewig ist, so dass [du] solches (wie eben) sagst ?" 31 Der ganze folgende Exkurs dient der Begrundung der Vyapti, nach deren Erkenntnis gefragt wird. I. Begrundung der Vyapti (f. 275b8-276al; PVSV p. 98, 5-9): Das Vergehen folgt, da es ursachelos ist, aus dem Eigenwesen. 1. Begrundung fur die Ursachelosigkeit des Vergehens (f. 276a1-5; PVSV p. 98, 9-12, 14-22): Die Notwendigkeit des Vergehens ist nur auf Grund seiner Unabhangigkeit von ding-ausseren Ursachen denkbar. a) Widerlegung des Vorwurfes der Unschlussigkeit (anaikantikatvam) der Begrundung fur die Ursachelosigkeit ,,Die Notwendigkeit ergibt sich aus der Unabhangigkeit." (f. 276a5ff.; PVSV p. 98, 22 ff.): Der Gegner meint, die Begrundung sei unschlussig, weil ein Spross gelegentlich auch nicht entsteht, wenn Same, Erde usw. vorliegen. Daher konne man nicht sagen, dass das Hervorbringen eines Sprosses dem Ursachenkomplex von Same, Erde, Wasser, usw., der unabhangig ist, notwendig zukame. Infolgedessen sei aus der Unabhangigkeit von etwas bezuglich eines bestimmten Zustandes nicht schlussig zu schliessen, dass der Zustand diesem notwendig zukomme. Dharmakirti zeigt in seiner Antwort, dass der vom Gegner als Beleg genannte Ursachenkomplex eben nicht unabhangig ist, vielmehr von den Umwandlungen in der Phasenreihe (santanah) a bhangig. 32 a) Der Gegner tragt einen Fall vor, in dem Unabhangigkeit auch von den Umwandlungen der Phasenreihe besteht (f. 276 a 8-276b6; PVSV p. 98, 4-19): Ein Gersten-Same ist, obwohl sich der zur Erzeugung eines Reis-Sprosses geeignete Ursachenkomplex in seiner Nahe befindet, von diesem unabhangig, dennoch bringt er nicht mit Notwendigkeit einen ReisSpross hervor. Dazu bemerkt Dharmakirti, dass hier eine Abhangigkeit des Gerstensamen insofern vorliegt, als er namlich nicht das den Reis-Spross hervorzubringen fahige Eigenwesen besitzt. Weil er aber in dieser Weise relativ abhangig ist, besteht fur ihn keine Notwendigkeit einen Reis-Spross hervorzubringen. 2. Begrundung fur die Allgemeingultigkeit der Vyapti 33 (f. 276b6277b6). 31 da ni gan gis de skad du brjod par cgyur ba byas pa gdon mi za bar mi rtag paco kes ji ltar bsad par ze na. PVin II, Pf. 275b8. 32 Vgl. dazu das zweite Kausalitatsmodell in HB II, pp. 137f. 83 Vgl. auch HB II, Anm. III, 104. Page #11 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Die Entwicklung des Ksanikatvanumanam 371 Die Feststellung der Vyapti grundete sich bisher auch bei Dharmakirti wie fruher bei Vasubandhu auf die Beobachtung der Tatsache des Vergehens. Da jedoch der Gesichtskreis begrenzt ist, besteht fur den Bereich der hervorgebrachten Dinge, deren Vergehen man nicht beobachtet, die Moglichkeit, dass hier die Vyapti von Hervorgebrachtsein und Verganglichsein auch nicht gegeben ist. Ausserdem konnte einmal ein Ursachenkomplex, der dazu die Fahigkeit hatte, auch etwas Nichtvergangliches hervorbringen. Es gilt also zu zeigen, dass die Vyapti der beiden Beschaffenheiten allgemein gilt 34. All das leistet Dharmakirti in seiner Antwort, in der sich zum ersten Mal die vollstandige Struktur des Beweises der Augenblicklichkeit aus dem Seiendsein (sattvanumanam) findet. Ich gebe daher diese Stelle vollstandig wieder, soweit sie logisch relevant ist. Die Polemik bleibt zunachst ausgeklammert. ,,Einwand:) ,Auch das ist nicht festgestellt, dass alles, was aus einem [Ursachen-]Komplex entsteht, verganglich ist, weil man diese [Dinge] nicht restlos sieht. Ebenso sieht man bei den Dingen, dass die Fahigkeit [etwas hervorzubringen) im Ursachen-]Komplex mannigfach ist. Dabei konnte es auch einen [Komplex] geben, der ein nicht-vergangliches Eigenwesen (= Ding) hervorbringt.' [Antwort:] Nein, weil die Fahigkeit einen Zweck zu erfullen (don byed nus pa = arthakriyasamarthyam) Merkmal ist fur ein Ding. Das Fehlen jegliches als Fahigkeit Unterscheidbaren ist namlich Merkmal fur das Nichtseiende (niru pakhyam)." 35 34 Vor allem geht es aber auch darum zu zeigen, dass die Vyapti nicht ein Nexus ist, der durch ein Beobachten und Nichtbeobachten feststellbar ist, sondern, dass sie nur auf Grund einer Verknupfung von Grund und Folge besteht, die als ein Dessen-Selbst-Sein (tadatmyam) oder Daraus-Entstehen (tadutpattih) moglich ist (vgl. PV I, v. 31 33). Es ist klar, dass bei einer solchen Grundlegung die Vyapti nicht mehr daran scheitern kann, dass der meist grosste Teil der Beschaffenheitstrager (dharmi) nicht sichtbar ist oder das Zusammenvorkommen der beiden Beschaffenheiten aus zeitlichen oder raumlichen Grunden nicht beobachtet werden kann. Es erhebt sich jedoch die Frage, wie denn die beiden Verknupfungen festzustellen seien. Fur die Verknupfung des Daraus-Entstehens, das Verhaltnis von Ursache und Wirkung, hat Dharmakirti schon PVSV p. 22, 2-4 die entscheidende und endgultige Antwort gegeben (dazu vgl. Y. KAJIYAMA, Trikapancakacinta. Miscellanea Indalogica Kiotiensia, Nos. 4-5, 1963, pp. 1-15). Fur die Feststellung der anderen Verknupfung habe ich eine ahnlich klare Stelle in Varttikam und Svavrttih, aber auch im zweiten Kapitel des Viniscayah nicht gefunden. Auch in PVin II, Pf. 275 a 6 wird nur von einem ,, Erkenntnismittel" (pramanam) gesprochen, ohne genauere Bestimmung der Art dieses Erkenntnismittels: ,,Wenn nun das Eigenwesen durch ein Erkenntnismittel als durch die ihm zukommende zu beweisende Beschaffenheit umfasst festgestellt ist, dann lasst es erkennen." (ran bzin de yan gal te ran gi begrub par bya baci chos kyis khyab pa tshad mas nes pa ni deci tshe go bar byed pa yin no.) In diesem Sinne ist m. E. auch die Stelle PVSV p. 96, 21f. zu verstehen: ,,Und wenn man die Vyapti mit der zu beweisenden Beschaffenheit irgendwie [d. h. durch irgendein Erkenntnismittel] feststellt,..." (tena ca sadhyadharmena vyaptir yadi kathamcin nisciyate, ...; Karnakagomins Interpretation von PVSVT p. 356, 29f. ist m. E. falsch). Genauer und als Regel formuliert findet sich der Vorgang der Feststellung erst im Hetubinduh beschrieben (vgl. unten, Anm. 38). 35 PVin II, P f. 276b6-8: gal te tshogs pa las skye ba thams cad ni Cjig pa yin no zes bya ba cdi yan nes pa med pa yin te de dag la ni ma lus par mthon ba med 24 Page #12 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 372 ERNST STEINKELLNER Dharmakirti verlasst also die bisher bekannten Wege des Beweises und bringt znachst seine bekannte Definition 36 von ,,Ding" (bhavah). ,,Ding" (bhavah), ,,Hervorgebrachtes" (kytakam) und ,,Seiendes" (sat) sind bei Dharmakirti im Kontext des uns hier interessierenden Problems synonym gebraucht, da Hervorgebrachtsein und Seiendsein wesentliche Beschaffenheiten des Dinges sind. Schliesst man nun aus dem logischen Grund ,,Hervorgebrachtsein" (kytakatvam) auf die Verganglichkeit, dann ist, da dieser Grund die Tatigkeit verschiedener bedingender Ursachen impliziert 37, die Allgemeingultigkeit der Vyapti nicht nachzuweisen, weil die Tatigkeiten der Ursachen niemals in ihrer Gesamtheit kontrollierbar sind. Man muss schon eine Beschaffenheit als Grund angeben, die von solchen Bedingungen unabhangig (ana peksah, PVSV p. 93, 11f.) und fur sich gegeben (kevalah 38, PV I, v. 186 b = 188b) ist. Nur mit einer solchen Beschaffenheit ist die Allgemeingultigkeit der Vyapti zu erhalten, da sie kraft ihres Nichtbedingtseins auch im nicht beobachtbaren Bereich die zu beweisende Beschaffenheit keineswegs verfehlen kann. Wenn Dharmakirti aber hier die bedingte Beschaffenheit ,,Hervorgebrachtsein" durch die unbedingte Beschaffenheit ,,Seiendsein" ersetzt, verandert er den Beweis trotz der praktischen Synonymitat der beiden Begriffe entscheidend. Die bedingte Beschaffenheit wird wegen ihrer logischen Insuffizienz durch die unbedingte ersetzt und damit haben wir es mit einem neuen Beweis zu tun: Die Augenblicklichkeit, Verganglichkeit wird aus dem Seiendsein erschlossen und nicht mehr aus dem Hervorgebrachtsein. Aber nicht durch die Verwendung des anderen Grundes unterscheidet sich der neue Beweis wesentlich vom vinasitvanumanam 39, sondern durch einen vollig neuen Vorgang bei der Feststellung der Vyapti. Wenn wir nun die weitere Ausfuhrung des Beweises verfolgen, wird sich in dieser das erste Beispiel eines Beweises zeigen, der mit einem svabhavahetuh arbeitet und der von Dharmakirti, allerdings erst spater 40, aufgestellten die zu ne kraft haltenheit paci phyir roll cdi ltar dros po rnams kyi tshoge pa ni nus pa sna tshogs par mthon ste de la cgac zig mi cjig (PN: Cjige) paci bdag nid du bekyed pa gan yin par yan (fehlt PN) Cgyur ro ke na ma yin te adros poci mtshan nid ni don byed nus pa yin paci phyir te Bnus pa brjod pa thams cad dan bral ba ni ne bar brjod pa med paci mtshan nid yin noass II (Q: vgl. HB p. 19, 10f. saktir hi bhavalaksanam, sarvasaktiviraho 'bhavalaksanam. B: = VN p. 8, 1f. sarvasamarthyopakhyavirahalaksanam hi nirupakhyam.) 36 Vgl. PV III, v. 3ab: arthakriyasamartham yat tad atra paramarthasat. 37 Vgl. PV I, v. 186a = 188a: upadhibheda pekpo va svabhavah ... 1; PVSV p. 93, 8-10: apeksita paravyaparo hi svabhavanispattau bhavah kytakah. teneyam krtakasrutih svabhavabhidhayiny api paropadhim enam aksi pati. etena pratyayabhedabheditvadayo vyakhyatah. 38 Im PVin, wo der Vers zum Teil wiederverwendet wird, verbessert Dharmakirti kevalah zu suddhah (= dag pa, PVin II, f. 265a2). 39 Vgl. oben Anm. 27. 40 Erst im Hetubinduh findet sich diese Regel formuliert: ,,Die Feststellung des gemeinsamen Vorkommens ferner besteht beim Eigenwesen als dem Grund in dem Nachweis, dass die zu beweisende Beschaffenheit sich an das blosse Vorhandensein der beweisenden Beschaffenheit anschliesst, weil die zu beweisende Page #13 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Die Entwicklung des Ksanikatvanumanam 373 Regel fur die Feststellung der Vyapti (anvayah) beim svabhavahetuh entspricht. ,,Ein nichtaugenblickliches [Ding] ist nicht derart (= bewirkend 41), weil [ein solches Bewirkendsein] auf jede Weise unmoglich ist. Dieses nichtaugenblickliche [Ding] ist namlich nicht imstande, einen Zweck zu erfullen, weil mit der Allmahlichkeit und der Gleichzeitigkeit ein Widerspruch besteht. Es ist [zunachst] nicht [imstande] allmahlich (kramena) 42 [einen Zweck zu erfullen), weil bei einem [Ding], das, sofern es (von Mitursachen] nicht abhangt, bloss durch sein Vorhandensein bewirkend ist, eine Verzogerung (seines Wirkens) nicht am Platz ist. Ein fruher nicht wirkendes [Ding] namlich wurde auch spater nicht (wirkend] sein, weil es nicht sein Eigenwesen ware. Liegt ferner eine Abhangigkeit [des wirkenden Dinges] vor, [so] haben wir [diesen Fall schon oben 43] besprochen. Es ist auch nicht gleichzeitig (yaugapadyena) wirkend, weil sein [in der einen Phase gegebenes, fahiges] Eigenwesen auch spater nicht zum Nichtwirken geeignet ware. Daher uberschreitet das Fehlen jedweder Fahigkeit das Merkmal des Seienden. Was fahig ist, einen Zweck zu erfullen, das ist hier in Wirklichkeit seiend. Nichtaugenblickliche [Dinge] sind daher nichtseiend, weil sie mit Allmahlichkeit und Gleichzeitigkeit in Widerspruch stehen. Damit ist der zusammenfassende Vers angegeben." 44 Versucht man, die Regel fur die Feststellung der Vyapti an diesem Beweis zu verfolgen, ergibt sich folgende Struktur. Der Beweis wurde lauten: ,,Alles Beschaffenheit] der Sache nach das Eigenwesen von etwas ist das zugleich die beweisende Beschaffenheit zu seinem Eigenwesen hat). Dieser [Nachweis] besteht im Auftreten eines Erkenntnismittels, das den Grund im Gegenteil des zu Beweisenden aufhebt." (anvayaniscayo 'pi svabhavahetau sadhyadharmasya vastutas tadbhavataya sadhanadharmabhavamatranubandhasiddhih. 8a sadhyavi paryaye hetor badhaka pramanavrttih. HB p. 4, 3-5). Im Pramanaviniscayah ist die Regel, jedenfalls fur unseren Exkurs, bereits in Verwendung, doch habe ich bisher keine Stelle gefunden, in der sie explizit formuliert ware. 41 Das bezieht sich auf den Schluss der vorangegangenen Polemik: ma bral na ni byed pa nid do. 12 Vgl. HB II, Anm. III, 107. 43 Vgl. PVin II, Pf. 276a1-3; PV I, v. 194 = 196; PVSV p. 98, 11-17. 44 PVin II, Pf. 277 a 4-7: skad cig ma ma yin pa ni de ltar ma yin te rnam pa thams cad du mi srig paci phyir roll skad cid ma ma yin pa de ni don byed par srid pa ma yin terim dan cig car cgal baci phyir ro Il rim gyis ni ma yin te Itos pa med par ran yod tsam gyis byed pa por gyur pa ni sdod par mi rigs paci phyir ro || srar byed pa po ma yin pa ni phyis kyan mi gyur teran gi no bor (DN: bo) gyur ba med paci phyir ro || Itos pa yin na yan bsad zin toll (P: tel) cig car byed pa yan ma yin te deci rangi no bo ni phyis kyan mi byed par mi cthad paci phyir ro Il des na nus pa thame cad ldog pa de ni yod paci mtshan nid las cdas pa yin no adon byed nus pa gan yin pa Is de cdir don dam yod pa yin II de las (fur: la DNP) rim dan rim ma yin ll Cgal phyir skad cig ma yin meda il ces bya ba ni bsdu baci tshigs su bead paco II (a: zit. Mrgendratantravsttih, Bombay 1930, p. 86, 1f.; p. 87, 20 arthakriyasamartham yat tad atra paramarthasat | asanto 'koanikas tasmat keramakramavirodhatah II). Page #14 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 374 ERNST STEINKELLNER ist augenblicklich, weil es ein Ding (oder: seiend) ist." Nun zeigt Dharmakirti, dass der Grund Dingsein, Seiendsein im Gegenteil des zu Beweisenden, den nichtaugenblicklichen Fallen, nicht vorkommt (sadhyaviparyaye badhakapramanam). Die beiden, eben vorgefuhrten Stellen des Pramanaviniscayah enthalten eben diese, den Grund im Gegenteil des zu Beweisenden aufhebende Erkenntnis. Der Grund Dingsein, Seiendsein ist definiert durch die Fahigkeit einen Zweck zu erfullen. Eine solche Fahigkeit ist aber, wie gezeigt, bei nichtaugenblicklichen Dingen nicht denkbar. Damit ist die Vyapti festgestellt. Gleichzeitig ist sie aber auch als allgemein gultig festgestellt, da sie ja in allen Fallen vorliegt, wo man es mit einem Ding, Seienden zu tun hat, gleichgultig, ob dieses sichtbar oder noch nie gesehen worden ist. Dass diese Stelle die fruheste Darstellung des sattvanumanam bei Dharmakirti ist, wird auch durch die Polemik, die in ihr enthalten ist, bekraftigt. Diese ist namlich rein innerbuddhistischen Charakters und hat offensichtlich den Zweck, die zwei entscheidenden Begriffe, mit denen der Beweis arbeitet, gegen Einwande von buddhistischer Seite abzusichern. Im ersten Fall (PVin II, f. 276b8-277a 4) geht es um die Definition von ,,Ding, Seiendes" als etwas, das fahig ist, einen Zweck zu erfullen. Der Gegner will hier aus der Definition des Nichtseienden als etwas, das unfahig ist einen Zweck zu erfullen, die dem Buddhisten unerwunschte Konsequenz ableiten, dass auch die letzte Phase des Geist-Stromes (cittasantanah) eines Arhat vor dem Nirvana nichtseiend sein musste. Im zweiten Fall (PVin II, f. 277 a 7277b6), wo einmal kein Einwand die Darstellung einleitet, beschaftigt sich Dharmakirti damit, zu zeigen, dass das vom Hervorgebrachten (kytakam), Seienden (sat) erwiesene Verganglich- oder Augenblicklichsein auch fur die traditionellen ontologischen Kategorien wie Gruppen (skandhah), Elemente (dhatavah) und Bereiche (ayatanani) gilt. Es lasst sich somit abschliessend feststellen, dass der neue Beweis im Pramanaviniscayah noch als ein Teil des traditionellen vinasitvanumanam erscheint und in diesem Kontext die besondere Aufgabe hat, die Allgemeingultigkeit der Vyapti zu erweisen. D) HB p. 7, 17-19, 13: Die unselbstandige Stellung des neuen sattvanumanam im Viniscayah hat ihre genaue Entsprechung im Hetubinduh. Auch hier wird der eigentliche Beweis als vinasitvanumanam gefuhrt, obwohl er als Beispiel fur die positive Vyapti (anvayah) beim svabhavahetuh in der Form des sattvanumanam gebracht wird (HB p. 4, 6f.). Wie im Viniscayah hat das sattvanumanam, besser die Angabe der Struktur des sattvanumanam, nur die Aufgabe, die Allgemeingultigkeit der Vyapti zu erweisen (HB p. 19, 8-13). Aber auch die Struktur des Beweises ist nur so knapp angedeutet, dass sie ohne Zuhilfenahme der Stellen aus dem Viniscayah und Vadanyayah unverstandlich bleiben wurde (vgl. HB II, Anm. III, 103-107). Page #15 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Die Entwicklung des Ksanikatvanumanam 375 Warum hat aber Dharmakirti, der seine Logik im Hetubinduh bereits zu ihrem formalen Abschluss gebracht hat, den Augenblicklichkeitsbeweis nicht hier schon als reines sattvanumanam vorgetragen, sondern wie in den alteren Werken am vinasitvanumanam festgehalten? Hierauf scheint mir vorlaufig nureine Antwort moglich, die die ausseren,literarischen Bedingungen des Beweises berucksichtigt. Um das vinasitvanumanam hatte sich in der langen Zeit seiner Entwicklung eine breite Polemik mit den gegnerischen Schulen, vor allem mit der des Nyaya, angesammelt und eine Fulle von sekundaren Problemen hatte sich in seinem Rahmen entwickelt. Gerade im Hetubinduh tragt Dharmakirti im Rahmen dieses Beweises z. B. noch seine ganze Kausalitatstheorie vor. Der altere Beweis war also der Ort, an dem sich traditionell der Kampf um die Lehre von der Augenblicklichkeit und ihre Konsequenzen abspielte. Das erst entwickelte sattvanumanam dagegen war noch nicht genugend bekannt, um schon die Masse der alteren Polemiken und Probleme in seine neuen Positionen ubernehmen zu konnen und hatte eine eigene Polemik noch gar nicht hervorgerufen. Dazu kommt, dass zwar der neue Beweis der der entwickelten Logik Dharmakirtis entsprechende, andererseits aber der altere Beweis dadurch nicht als falsch erklart und somit abgelost war. All das und die Tatsache, dass Dharmakirti selbst an dem alteren Beweis noch weiter gearbeitet hatte, durfte Grund genug dafur gewesen sein, dass er das vinasitvanumanam nicht schon im Hetubinduh uber Bord geworfen hat. Erst in seiner letzten logischen Arbeit, im Vadanyayah, finden wir das vinasitvanumanam nicht mehr 45. E) VN p. 6, 6-11, 1: Dharmakirti beginnt den Vadanyayah 46 nach den kurzen einleitenden Satzen mit seiner Lehre von den drei Grunden (VN p. 3, 3ff.), von denen wieder der svabhavahetuh als erster behandelt wird (VN p. 6, 6-13, 2). 45 Da der im folgenden besprochene Text aber kein Exkurs zum Beweis ist, der Beweis vielmehr hier die Funktion als reines Beispiel fur einen svabhavahetuh nicht verliert, durfen wir sagen, dass wir bei Dharmakirti keine Darstellung des Beweises finden, in der der Beweis Hauptsache und gleichzeitig nur als sattvanumanam vorgetragen ist. 46 Der von R. SANKRTYAYANA herausgegebene Text des Vadanyayah ist sehr schlecht und stellenweise vollig unverstandlich, so dass man mit diesem Text fast nicht arbeiten kann. Schon ein Blick auf den mitabgedruckten Kommentar des Santaraksita bringt aber eine grosse Zahl von Verbesserungen. Der Vergleich mit der tibetischen Ubersetzung lost weitere Schwierigkeiten. Man konnte somit einen guten Text des Vadanyayah ohne weiteres herstellen. Inzwischen darf ich mich damit begnugen, fur das hier verwendete Textstuck die Verbesserungen anzugeben, die gegenuber dem gedruckten Text notwendig scheinen: p. 7, 1: -laksanato ( ?) fur -laksanamato; p. 8, 2: evam sadhanasya fur sadhanasya; p. 8, 3: viparyaye fur viparyaya-; adarsane 'pi fur adarsane; san fur sa na; p. 8, 5-6: beide Zeilen sind offenbar beim Umbruch an die falsche Stelle geruckt worden und haben ihren richtigen Platz nach p. 9, 12; p. 9, 3: yasya fur yatra; p. 9, 5: tavata ca fur tavata; p. 9, 6: ca siddham fur siddham; p. 9, 7: apramanayatah fur apramanam yatah; p. 9, 8: -o pakrame fur -o pagame; p. 9, 9: abhava- fur bhava-; p. 9, 10: -pratyupasthapanad fur pratyupasthanad; p. 9, 11: evam hi fur evam; sidhyed yadi fur sidhyedi. Page #16 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 376 ERNST STEINKELLNER Als Beispiel fur die mit dem svabhavahetuh arbeitende Schlussfolgerung dient der Augenblicklichkeitsbeweis in seiner Gestalt als reines sattvanumanam. Interessant ist, dass Dharmakirti hier gegenuber dem Hetubinduh wieder die Auswechselbarkeit der Begriffe,,seiend" und ,,hervorgebracht" wie in den alteren Werken berucksichtigt 47. Im ubrigen ist eine Weiterentwicklung des Beweises selbst, verglichen mit dem Stand in Viniscayah und Hetubinduh, nicht festzustellen; es geht Dharmakirti hier ja vor allem um eine scharfere Aussage uber einige bisher noch vernachlassigte Probleme im Zusammenhang mit dem svabhavahetuh 48. Das vinasitvanumanam ist nirgends angedeutet, was aber auch nur mehr in einer ausgesprochenen Darstellung des Augenblicklichkeitsbeweises zu erwarten ware. Jedenfalls zeigt es sich klar erst im Vadanyayah, dass in einer nur der Formulierung- seiner Logik dienenden Darstellung Dharmakirti fur den Vortrag eines Beweises, der dieser Logik nicht mehr entspricht, keinen Platz mehr hat. Mit dem neuen sattvanumanam hat Dharmakirti eine Aussageform fur die Lehre von der Augenblicklichkeit der Dinge geschaffen, die der neuen Logik gerecht wird. Der Beweis wird zum ersten und wichtigsten Beispiel fur den Fall eines svabhavahetuh. In den folgenden Jahrhunderten stehen die buddhistischen Denker im Banne dieses Beweises. Er wird in einzelne Lehrstucke zerlegt und bis in die letzten Konsequenzen durchgedacht und verteidigt, in seiner entscheidenden Struktur jedoch nicht mehr geandert. Die oben referierte kurze Darstellung des sattvanumanam im Pramanaviniscayah ist nicht nur die erste Darstellung dieses Beweises, sie ist auch bereits der systematische Hohepunkt in der kurzen Entwicklung dieses Beweises, die ihren Ausgangspunkt im Versuch einer Modernisierung des vinasitvanumanam hat und nach Aufdeckung der logischen Insuffizienz dieses alteren Beweises zur Schaffung eines neuen fuhrt, der der neuen Logik adaquat ist. Summary It is a long-known fact that whereas the ksanikatvanumanam of the Buddhists was performed as vinasitvanumanam in the earlier period of Buddhist logic, it is the new form of the inference as sattvanumanam that gained preeminence in the post-Dharmakirti period. Dharmakirti occupied himself throughout his life with this main inference of Buddhist ontology. An analysis and comparison of all passages in Dharmakirti's works concerned with the ksanikatvanumanam shows that the new form of the ksanikatvanumanam is Dharmakirti's own achievment. 47 yatha yat sat krtakam va (VN p. 6, 1). Vgl. Anm. 27. 48 Etwa die Frage nach dem Funktionieren des badhakam pramanam (VN p. 9, 1ff.) und das Problem, wie der Regressus ad infinitum beim badhakam pramanam vermieden wird (VN p. 9, 7ff.). Page #17 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Die Entwicklung des Ksanikatvanumanam 377 The different stages of the ksanikatvanumanam with Dharmakirti - starting with a form of the vinastikanumanam, that compared with the inference in Vasubandhu's Abhidharmakosabhasyam is already developed - are shown in their essential structure and difference from each other. Thus is was possible to trace Dharmakirti's deep penetration into the logical problems of this inference and final solution in his Pramanaviniscayah, where the total structure of the sattvanumanam is to be found for the first time.