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Gedankenkreis der Mīmāmsā. Nun sind zwar in alter Zeit die Beziehungen zwischen den verschiedenen vedischen Schulen und Hilfswissenschaften überaus eng. Die Einflüsse gehen ständig hin und her. Im vorliegenden Falle scheint mir aber das Zurücktreten des grammatischen und das Vorwiegen des Interesses an der Deutung der vedischen Vorschriften so stark, daß ich die Folgerung für unabweisbar halte, daß Patanjali hier nicht aus einem grammatischen Werk, sondern aus einer Mīmāmsa-Quelle geschöpft hat").
Damit ist die Analyse des von uns gewählten Abschnittes aus Patanjali's Mahābhāṣyam beendet. Wir haben ihn in seine Bestandteile zerlegt und deren Stellung und Herkunft bestimmt. Das Zustandekommen dieses Abschnittes ist demnach etwa folgendermaßen zu denken. Den Ausgangspunkt bildete eine verhältnismäßig einfache grammatische Auseinandersetzung zur Frage des ekaseṣaḥ. In ihr erklärte Vājapyāyana die Lehre vom ekaseṣaḥ für überflüssig, weil das Wort die Form ausdrückt. Diese Anschauung bekämpfte Vyadi mit der Begründung, daß sich die Verwendung von Geschlecht und Zahl nur rechtfertigen lasse, wenn man annimmt, daß das Wort die einzelnen Dinge bezeichnet, wurde aber vom Standpunkt Vājapyāyana's aus widerlegt. In dieser Erörterung vermißte Patanjali eine grundsätzliche Behandlung des Problems des Gegenstandes der Worte. Eine solche fand er in einem alten MīmāmsāText. Diesem entnahm er die geeigneten Abschnitte, fügte sie seinem Grundtext ein und setzte sie durch einige eingeschobene Sätze mit der Frage des ekaseṣaḥ in Beziehung. Außerdem paßte er sie durch verschiedene kommentarielle Bemerkungen seinem Text an. Schließlich fand er es noch in der Polemik gegen Vyāḍi für wünschenswert, die Frage des grammatischen Geschlechts genauer zu behandeln. und schob daher ein Stück aus einem älteren grammatischen Ślokavārttikam ein.
Auf diese Art ergibt sich ein charakteristisches Bild von der Arbeitsweise Patanjali's. Bezeichnend für sie ist die starke Verwendung fremder Quellen, wobei er größtenteils den Wortlaut der
9) Über Weiteres vgl. den Anhang.
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