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A. Wezler
unabhängige Überlieferung bietet54, zufällig ausgefallen sein sollte, während sie es im Falle des nächsten, echten Zitats (Nayacakra 12.17-22) bewahrt haben, ist nicht gerade wahrscheinlich. Außerdem fällt auf, daß von den theoretisch erforder. lichen und praktisch zu jener Zeit auch üblichen fünf Gliedern' der einen modus docendi darstellenden vita-Schlußfolgerung in dem vorliegenden Abschnitt nur vier nachweisbar sind, nämlich Behauptung, Begründung, Beleg und Folgerung". während die Anwendungs fehlt. Bemerkenswert ist auch, daß innerhalb des modus docendi der Einwand eines Opponens erscheint, der die Begründung erst provoziert.
Schließlich nehmen sich die Appositionen jahgamabhyavahṛtavanaspatyäder jangamasariraparinämäpannasya sowie sthävaräbhyavahṛtasya tatparinatasya, die im übrigen an das Textstück C (o.S. 367) erinnern und das dortige komplexe Kompositum sthavarajahgamabhyavahṛtänyonyarasarudhiradirūpādipariņāmāpattivaisva rūpyadarsanat beleuchten, wie Explikationen aus, die ebenso gut von einem Autor stammen könnten, der, wenn auch unter Verwendung von Simkhya-Formulierun gen, die Argumentation dieses Systems nur referiert und dabei erläuternde Zusätze macht.
Keine dieser Beobachtungen reicht, wohlgemerkt, aus, Jambūvijayajis Auffas sung als nicht möglich zu erweisen, zumal die sprachliche Form, in die Autoren philosophischer und wissenschaftlicher Texte der älteren Zeit ihre beweislogische Argumentation eingekleidet haben, und das Verhältnis des prayoga in der Praxis zu der allfällig vorhandenen, jeweiligen Theorie der Beweisführung noch nicht untersucht wurde, - obwohl dadurch möglicherweise zusätzliche Kriterien für die Lösung von Echtheits-, Stratifikations- und Datierungsproblemen gewonnen werden könnten, ganz abgesehen von der zutage liegenden geistesgeschichtlichen Bedeutung der erzielten Ergebnisse. Zusammengenommen aber lassen sie den Zweifel daran als berechtigt erscheinen, daß es sich bei diesem Abschnitt als ganzem wirklich um ein Zitat aus einem verlorengegangenen Sämkhya-Werk handelt.
6.3.2. Der Zweifel findet, wie bereits angedeutet, weitere Nahrung, wenn man dem Hinweis des Herausgebers folgt und die Parallelstelle Nayacakra 320.1-7 heranzieht. Simhasüri behandelt dort in Explizierung einer knappen Bemerkung des Grundtextes ausführlich die Gründe, die vom klassischen Sämkhya für die behaup tete Existenz der Urmaterie (pradhana) geltend gemacht werden, und es ist dies in der Tat auch der systematische Zusammenhang, in den erwartungsgemäß die Lehre,
54 Vgl. den Abschnitt.Pratinām samānāsamānatve" in seinem „Prakkathanam" (p. 31 ff.) sowie das Stemma p. 36.
55 Die bei Simhasüri (Nayacakra 314.4-7) überlieferten Samkhyadefinitionen dieser Glieder" lauten: sadhyavadharanam pratinā, sadhanasamäsavacanam hetuḥ, tanniderlanam dritantaḥ, sadhyadrantayor ekakriyopasamharah. Diese stimmen wiederum so weitgehend mit den entsprechenden Begriffsbestimmungen in der Yuktidipika (ed. Pandey, 41.15 ff.) überein, daß eine gemeinsame Quelle mehr als wahrscheinlich ist. Die damit verbundenen textkriti. schen und inhaltlichen Probleme erfordern jedoch eine eingehendere Untersuchung.
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daß alles aus allem besteht", argumentativ hineingehört. Der Abschnitt lautet [= Textstück H]:... itaś ca asti pradhanam, vaifvarūpyasyavibhāgaprāpter delakalapramäṇabalarüpapratyasatter avafyambhavyucchedanucchedäbhyam ca nivṛtteḥ/ jalabhumyoḥ pārināmikam rasādivaitvarūpyam sthavareşu drstam, tatha sthavarānām jangameşu, jahgamānām sthāvareşu, sthävarāṇām sthāvareşu, jahgamānām jangameu/jatyanucchedena sarvam sarvätmakam,desakālākāranimittävabandhät tu na samanakalam ātmābhivyaktih, te manyamahe jalabhumyor apy etat pärinämikam rasadivaisvarupyam, anyesam ca bhūtānām anyaparināma iti, evam tad apy anyasyety avasyambhavi avibhāgaḥ / yatra cavibhāgas tat pradhanam, vaiśvarūpyasyāvibhāgapūrvakatvät, mayurabarhavaicitryasyeva tadandakarasapurvakatvam tasmād asti pradhanam...
Der sarvasarvatmakatvavāda
Es gibt also teils wörtliche (hier durch Unterstreichung hervorgehobene), teils fast wörtliche (durch Unterstricheln markierte) Entsprechungen zu dem Zitat A" (o.S. 371f.), die nicht auf Zufall beruhen können. Da aber die Verfasserschaft des vom Herausgeber im Textstück G herausgelösten, angeblich ein Zitat darstellenden Abschnitts noch nicht entschieden werden konnte, darf man nicht einfachhin annehmen, daß Simhasüri im Textstück H Passagen aus diesem vermeintlichen Zitat verarbeitet hat, ohne sie als aus einer anderen Quelle übernommene Elemente kenntlich zu machen. Denn es könnte sich genau umgekehrt verhalten und gerade das Textstück H aus einer Sämkhya-Quelle zitiert sein, obwohl in diesem Falle, d.h. bei der gesamten Darlegung der fünf vita-Beweise für die Existenz der Urmaterie, sogar das, freilich nicht eindeutige, Indiz in Gestalt einer Überleitungsfloskel (wie yathaha im Textstück G) am Anfang fehlt. Beachtung verdient in dieser Hinsicht namentlich auch der Umstand, daß das api nach jalabhümyor, dessen Rechtfertigung im Zitat A" nicht recht gelingen wollte, hier eine klare und verständliche Funktion hat, indem es dem nachfolgenden ca korrespondiert, so daß zu übersetzen wäre: deshalb sind wir der Ansicht, daß sowohl die [beiden Elemente] Wasser und Erde dieser auf Umwandlung(-sprozessen) beruhenden Mannigfaltigkeit z.B. des Geschmacks usw. zugrundeliegen als auch die [drei] anderen Elemente [entsprechende, aber] andere Umwandlungen/Umwandlungsprodukte bedingen". Man hat also eher den Eindruck, daß das api aus dem hier vorliegenden Kontext in das Zitat A" mechanisch verschleppt wurde, bzw. aus der ihr zugrundeliegenden Quelle, was darauf hindeuten würde, daß hier, im Textstück H, jedenfalls in dem Satz, der von sarvam sarvätmakam bis anyaparinama reicht, und nicht in dem aus dem Textstück G herausgelösten Abschnitt ein Zitat vorliegen könnte. Der hier vorangehende Satz (jalabhūmyohḥ pārināmikam...) wäre dann dort mit dem hiesigen Satz te manyamahe jalabhümyor api... kontaminiert, was die syntaktischen Abweichungen erklären würde, und außerdem durch Zusätze weiter expliziert worden.
Sicherheit darüber läßt sich zwar nicht erreichen; auf jeden Fall aber ist festzustellen, daß das Textstück H die Annahme, daß es sich bei dem aus dem Textstück G herausgelösten Abschnitt um ein Zitat handelt, nicht stützt, sondern im Gegen
56 S. Anm. 51.