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A. WEZLER
Über den sakramentalen Charakter des Dharma
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offenbar in gleicher Bedeutung, gebraucht ihn aber nicht am An- fang seines Werkes. Es empfiehlt sich deshalb, såmayacarika in ApDhS 1.1.1.1 nicht als zur Unterscheidung notwendiges Attribut anzuschen- und aus ihm auf die Existenz eines anderen dharma-Begriffs zu schließen -; der Zusatz macht allem Anschein nach nur explizit, was in den anderen genannten Quellen durch das Wort dharma allein als Lehrgegenstand ausgedrückt wird. Was aber ist dort mit dharma gemeint? Unstreitig das, was ich ,,dharma des Dharmaśāstra" nenne. Denn das noch näher zu betrachtende - GautDhS (1.)1.2 (tadvidām ca smrtiśile), zu dem aus (1.)1.1 als Subjekt dharmamūlam zu ergänzen ist, zeigt mit hinreichender Deutlichkeit, daß eben dies der Inhalt des Begriffes dharma in GauthS (1.)1.1 vedo dharmamülam ist. Ähnlich kann man - u. a. - aus Baudh DhS 1.1.1.3 (smärto dvitiyah) schließen, daß mit dharma in Baudh Dhs 1.1.1.1" upadisto dharmah prativedam - nicht etwa der vedische dharma," sondern - nichts anderes als der
dharma des Dhannaśāstra" gemeint ist. Auch Gautama und Baudhāyana haben also eine klare und bestimmte Vorstellung davon, was von ihnen bzw. generell als dharma bezeichnet wird und wovon sie handeln wollen. Es ist ungeachtet - oder sollte ich sagen: gerade wegen? - der von ihnen behaupteten Beziehung zum Veda etwas vom „vedischen dharma Verschiedenes! Beiden, dem GautDhS wie dem Baudh DhS, ist die -bei letzterem besonders ex
plizite24 - Hierarchisierung der Quellen des Dharma gemeinsam, die im Aphs zu fehlen scheint. Ich sage ..scheint", denn ich bezweifle, daß man ApDhS 1.1.1.3 dahingehend zu verstehen hat, daß der Veda als Quelle" erst an zweiter Stelle auftritt", d. h. als eine nur zweitrangige 'Quelle des Dharma' angesehen wird, wie HACKER" meint: Die Reihenfolge der Nennung bestimmter Begriffe kann, aber muß nicht eine Rangfolge anzeigen. Und die Reihenfolge der sūtras 1.1.1.1 bis 1.1.1.3 bei Āpastamba 26 bleibt verständlich, auch wenn man annimmt, daß den Veden - sozusagen selbstverständlich - eine höhere Autorität zuerkannt wird, als der „Übereinstimmung der dharma-Kundigen“, und daß der dharmajña-samaya nur deshalb als erster genannt wird, weil er an die Kennzeichnung der dharmas als samayacárika im ersten sütra-crklärend? - anknüpft.??
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, daß das, was die Verfasser der ältesten Dharmasūtras unter dem ,,dharma verstehen, ausschließlich das ist, was dem Indologen als Inhalt von Texten des Dharmaśāstra vertraut ist. Mindestens ebenso bemerkenswert und deshalb erwähnenswert aber ist, daß sie - von Apastamba einmal abgesehen - von diesem Gegenstand so sprechen, als sei ein Mißverständnis unmöglich, jedenfalls nicht erstlich zu befürchten: Sie scheinen eine ebenso klare und bestimmte Vorstel
"Eben durch die Verwendung der Ordinalia ,,zweiter" und „dritter". die, da sie kaum redundant sein dürflen, wohl eine prägnante Bedeutung haben.
L. c., S. 98 (501)
(1.18.1ff, alles Leben und Gedeihen sowie die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Gesellschaft abhängen.
2 Diese lauten: arbatah samayacárikan dharmán vyakhyāsyamah // 1 / dharmajasamayah pramapam // 2 // vedaś ca // 3 /l.
Soviel ich weiß, ist das Rätsel, daß Baudh DhS 1.1.1.2 aufgibt, noch nicht gelöst. Denn wie ist der Genitiv zu verstehen, wenn der Wortlaut tasyanuvyakhyasyamah überhaupt richtig ist? Die Postposition wird nicht mit diesem Kasus verbunden und ein Genitivus partitivus macht keinen Sinn.
"Im Verbund mit BaudhDhs 1.1.1.4 (trtiyas sistagamab) zeigt das sūtra 1.1.1.3 sowohl, daß der dharma, der in jedem einzelnen Veda unterwiesen ist", als erster anzusehen ist, als auch, daß die Ordinalia eine Rangfolge hinsichtlich der Maßgeblichkeit der 'Quellen des Dharma' bzw. des Mittels der Eruierung des dharme meinen.
"Die Nichtnennung, von der HACKER in dem gleichen Satz (a. a. O.) unter Verweis auf ApDIS 1.7.20.6-8 und Manu 2.1 spricht, ist für sich genommen auch mehrdeutig. Unberührt von meinen Einwendungen bleibt HACKERs Annahme (I. c., S. 98 (= 501)) ..daß diejenigen Ausdrücke, die nur vom Brauch oder Consensus der Guten ... als Dharma-Quelle sprechen, schr alt sind, daß sie aus einer Zeit stammen, wo der Veda den Menschen noch nicht als abgeschlossenes autoritatives Textkorpus Regenüberstand, wo sie vielmehr noch im Veda lebten, wo der Veda noch wuchs."