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________________ Zur Theorie der Kastenordnung in der indischen Philosophie gebe, und sein Kommentar Jñanottama bemerkt dazu, daß ein Lebenderlöster automatisch fortfahre, sich nicht nur seiner menschlichen Natur, sondern auch seiner Kastenzugehörigkeit entsprechend zu verhalten). Damit sind per definitionem sektarische und andere vorgebliche Lebenderlöste, die die Regeln des überlieferten gesellschaftlichen Anstands und damit den dharma verletzen, aus dem Bereich der wahren und legitimen,,Erlösung bei Lebzeiten" ausgeschlossen, und das im Begriff der Erlösung (mukti) implizierte Transzendieren aller gesellschaftlichen Wirklichkeit ist zugleich hinsichtlich seiner möglichen gesellschaftlichen Konsequenzen neutralisiert worden. Daß der Lebenderlöste, der wahrhaft Wissende gelegentlich als wahrer Brahmane bezeichnet wird 140), ist selbstverständlich nicht so zu verstehen, als ob er die der Brahmanenkaste traditionell und hereditär zuerkannte Rolle übernehmen oder als ob die geburtsbezogene Definition des Brahmanen durch eine andere, soteriologisch-ethische ersetzt werden sollte. Auch in dieser Weise findet die beanspruchte Erkenntnis des Absoluten keine Anwendung auf die gesellschaftliche Sphäre. Dasjenige Wissen, nach dem der Vedantin strebt, kann und soll dem gesellschaftlichen Leben keine Maßstäbe setzen; der vedantische Brahmankenner bleibt dem platonischen Philosophenkönig, der in der metaphysischen Erkenntnis Richtlinien für soziale Organisation und politisches Handeln sucht, diametral entgegengesetzt. Gegenüber oft wiederholten Behauptungen von seiten des Neo-Vedanta ist zu betonen, daß mit der Idee des Lebenderlösten im klassischen Advaita keinerlei Ansprüche sozialer oder politischer Verantwortung und kaum ethische Motive verbunden werden. Allgemein gilt für den Advaita der Schule Sankaras, daß es aus der Erlösung keine Rückkehr in die Welt gibt 14); und gewiß kann es für den in ihrem Sinne verstandenen Lebenderlösten kein Motiv zu sozialem und politischem Handeln mehr geben. Selbst für die in späterer und neuerer Zeit so beliebte Idee des als Lehrer tätigen Lebenderlösten dürften sich in der Literatur des klassischen Advaita kaum eindeutige Belege finden lassen. -- 313 Es gibt im Advaita auch keine Ethik und Metaphysik des Mitleids, wie wir sie im Mahāyāna-Buddhismus finden; vom buddhistischen Ideal des Bodhisattva ist die Vorstellung des Lebenderlösten im Vedanta in dieser Hinsicht sehr verschieden. Die Lehre von der absoluten Einheit des Selbst wird im 139) Vgl. P. Hacker, Untersuchungen über Texte des frühen Advaitavada. 1: Die Schüler Sankaras, Abh. Ak. Wiss. Lit. Mainz 1950, S. 105. - 140) S. o., Anm. 132; 11; Weber, Collectanea, S. 97; auf buddhistischer Seite vgl. Dhammapada, bes. v. 395 ff. 141) Vgl. Naişkarmyasiddhi III, 57: na ca kaivalyāt punarutthānam nyāyyam. - Angeblich gegenteilige Äußerungen Sankaras im Brahmasūtrabhāṣya (etwa zu III, 3, 32) sind vielmehr Versuche, scheinbare oder tatsächliche Ausnahmen zu dieser Regel zu erklären. Anders als im strikten Advaita wird die Rolle des jivanmukta in eher synkretistischen Texten wie dem Yogavasistha dargestellt. [41]
SR No.269272
Book TitleZur Theorie Der Kastenordnung In Der Indischen Philosophie
Original Sutra AuthorN/A
AuthorWilhelm Halbfass
PublisherWilhelm Halbfass
Publication Year
Total Pages40
LanguageEnglish
ClassificationArticle
File Size5 MB
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