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________________ Zur Theorie der Kastenordnung in der indischen Philosophie (prapañcarahila) 18). Wenn, wie wir schon in der Bṛhadaraṇyaka-Upanisad lesen, der Vater nicht Vater, die Mutter nicht Mutter, die Welten nicht Welten sind, dann kann natürlich auch der Candala nicht Candala und der Brahmane nicht Brahmane sein 134). Die Kasten sind eben nur deshalb nicht,,wirklich", weil die ganze Welt, in der sie vorkommen, keine ,,wirkliche" Welt ist, weil, nach Auffassung des Advaita, alles unterhalb der Einheit des brahman auf kosmische Illusion (mäyä) zurückzuführen ist. Entscheidend bleibt, daß an keiner der erwähnten Stellen der Wirklichkeits- und Relevanzstatus der Kasten dem der empirischen Welt als solcher nachgeordnet wird. Daß die Kasten,,an sich" und im absoluten Sinne nichtig sind, bedeutet keineswegs, daß sie im,,weltlichen" Sinne aufgehoben sind und daß ihr empirisch-sozialer Status angeglichen oder anzugleichen ist. Nicht einmal in Hinsicht auf das religiöse Leben und den Erlösungszugang kann von empirischer Gleichheit die Rede sein; dies haben wir am Beispiel des adhikara, der Berechtigung zum befreienden Wissen, gesehen. Ein dem Sureśvara wohl zu Unrecht zugeschriebener Text mit dem Titel Vedantasäravärttikarājasamgraha 135) scheint in dieser Hinsicht eine gewisse Ausnahme zu bilden, da er tatsächlich gleichen Wissens- und somit Erlösungszugang (vidyadhikāritā),,für alle Kasten" (sarvajātiṣu), insofern sie mit dem Vermögen des Selbstbewußtseins (bodha) begabt seien, andeutet. Ganz abgesehen davon, daß dieser Text in der Tradition des Advaita-Vedanta recht vereinzelt dazustehen scheint, bleibt zu beachten, daß auch sein Gleichheitsanspruch rein soteriologisch ist, sich also auf den Zugang zur Erlösung von der Welt, nicht aber auf den Status in der Welt bezieht. 311 Zur Frage der soteriologischen Gleichstellung gibt es für die indischen Schulen eine gewisse Freiheit und Variationsbreite der Diskussion, die im 11. Jahrhundert sogar dem islamischen Indienreisenden al-Birüni aufgefallen ist 136). Bekanntlich zeigen in dieser Hinsicht die sektarischen theistischen Schulen eine zumeist größere Offenheit und Flexibilität als die klassischen orthodoxen Systeme. Dasjenige sektarische System, das am ehesten mit dem Advaita in philosophische Konkurrenz treten kann, die Pratyabhijña-Lehre des kashmirischen Sivaismus, wird ausdrücklich allen Menschen, ohne Rück 193) Vgl. Maitreya-Upanisad, bei Schrader, a.a. O. (s.o., Anm. 129), S. 114-115. 134) Vgl. Bṛhadaranyaka-Upanisad IV, 3, 22; auch die oben, Anm. 131, genannte Niralamba-Upanisad; Sankara, Upadesasahasri I, 1, 10ff. In seinem Kommentar Siddhantabindu zur Daśaśloki bemerkt Madhusudana Sarasvati: varṇāéramadivyavaharasya mithуäjñānamülatvena mithyatvam (ed. P. C. Divanji, Baroda 1933, Gaekwad's Oriental Series 64, Sanskrit-Text, S. 41). 135) Veröffentlicht in Bd. 13 von P. P. S. Sastri, A Descriptive Catalogue of the Sanskrit Manuscripts in the Tanjore Mahārāja Serfoji's Sarasvati Mahal Library, Srirangam 1931, No. 7736. Vgl. besonders v. 11-12. Dazu P. Hacker in der in Anm. 139 genannten Arbeit, S. 10-11. 136) Vgl. Alberuni's India, Engl. by E. C. Sachau, London 1910, I, S. 104. [39]
SR No.269272
Book TitleZur Theorie Der Kastenordnung In Der Indischen Philosophie
Original Sutra AuthorN/A
AuthorWilhelm Halbfass
PublisherWilhelm Halbfass
Publication Year
Total Pages40
LanguageEnglish
ClassificationArticle
File Size5 MB
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