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________________ Zur Theorie der Kastenordnung in der indischen Philosophie daß es zwischen den Kasten keine augenfälligen Unterschiede der ,,Form" oder,,Gestalt" (ākṛti, ākāra, samsthāna) gebe, ist ein den Gegnern des Kastensystems seit jeher geläufiges") und in der Tat recht naheliegendes Argument; ein Brahmane ist ja von einem Ksatriya offenkundig nicht in derselben augenfälligen Weise verschieden wie ein Pferd von einem Elefanten. Wenn aber der Begriff des realen Universale an den Begriff der identifizierbaren und unterscheidbaren Gestalt gebunden wird in welcher Weise ist dann ein Universale (sāmānya bzw. jāti) zu rechtfertigen, dem kein solch wahrnehmbares Formkorrelat entspricht? Kumärila sagt in der Tat, daß das (im Nyaya jäti genannte) Universale in der Mimämsä akyti heiße"). Freilich, worauf dies hinausläuft, ist eben nicht, daß der Begriff und die Erkennbarkeit des realen Universale an die klare Unterscheidbarkeit äußerer Formen gebunden würden. Vielmehr wird der Begriff äkyti, indem er mit dem Nyaya-Begriff jāti gleichgesetzt wird, über die Bedeutung,,äußere Form" hinaus erweitert und auch auf Fälle anwendbar, die nicht ohne weiteres in der Wahrnehmung und jedenfalls nicht durch bloßes Hinschauen entscheidbar sind. 295 Im Tantravärttika bemerkt Kumärila beiläufig, daß, obwohl die Brahmanen und die anderen Kasten der Gestalt ihrer Köpfe, Hände usw. nach gleich und deshalb gewöhnlich Gegenstand undifferenzierter Wahrnehmung seien, doch aufgrund der Erinnerung an die Abkunft von den Vorfahren eine sichere Feststellung der Kastenunterschiede möglich sei). Im Ślokavärttika wird das Problem des Erfassens der Kastenuniversalien in den folgenden erkenntnistheoretischen Zusammenhang gestellt: Die Identifizierung von Universalien kann von mancherlei verschiedenen Anhaltspunkten abhängen, die beachtet werden müssen, um Verwechslungen zu vermeiden. Im Falle von Gold und Kupfer ist dies die Farbe, im Falle von Sesamöl und Schmelzbutter Geruch und Geschmack, und im Falle der Kasten eben die Abkunft"). Generische Unterschiede sollen hier in Fällen, die offenbar leicht zur Verwechslung Anlaẞ bieten könnten, als wahrnehmbar gesichert werden; als Faktoren, die dies nach Kumārilas Meinung ermöglichen, werden die Merkmale des Geschmacks und Geruchs usw. und die Überlieferung genealogischer Zusammenhänge grundsätzlich gleichgestellt; die Voraussetzung ist offenbar, daß die Asso 71) Z. B. in der Polemik der Vajrasuci; vgl. auch Kṛṣṇamiéra, Prabodhacandrodaya II, v. 18 (ed. S. K. Nambiar, Delhi 1971, S. 38, im,,Materialisten"-Abschnitt): tulyatve vapusa mukhadyavayavair varņakramaḥ kidrio. 72) Vgl. ŚV, Vanavada, v. 16, (S. 618); es wird bemerkt, daß akṛti nicht gleich samsthāna sei; vgl. auch Ākṛtivāda, v. 3-4 (S. 546). Grundsätzlich gilt für Kumārila, daß das Universale wahrnehmbar ist: jätir indriyagocara (SV, Vanavada, v. 24; S. 619; ich folge der in der Fußnote angegebenen Lesart). 73) TV zu I, 3, 25: yatha-eva tulyasiraḥpāṇyādyākāreṣvapi samkirṇalokadṛṣṭigrahyeṣu brāhmaṇādiṣu mātāpitṛsambandhasmaraṇād eva varṇavivekāvadhāranam bhavati. 74) Vgl. SV, Vanavāda, v. 22 ff. (S. 619 ff.), bes. 26-29; Kumarila gibt noch mehrere andere Beispiele. - In gut regierten Königreichen, so fügt Kumarila hinzu, lasse sich die Kastenzugehörigkeit auch an der Verhaltensweise ablesen. [23]
SR No.269272
Book TitleZur Theorie Der Kastenordnung In Der Indischen Philosophie
Original Sutra AuthorN/A
AuthorWilhelm Halbfass
PublisherWilhelm Halbfass
Publication Year
Total Pages40
LanguageEnglish
ClassificationArticle
File Size5 MB
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