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________________ 296 Wilhelm Halbfass ziation mit diesen Faktoren uns schließlich auch zu einem visuellen Erfassen der jeweils relevanten Unterschiede verhelfen könne. Die Problematik der Kastenuniversalien erscheint somit erkenntnistheoretisch in die allgemeine Universalienproblematik integriert"). Der für unser Thema aufschlußreichste Abschnitt findet sich am Anfang des Tantravärttika (zu Sūtra 1,2,2). Kumārila knüpft hier, in seiner üblichen freien und selbständigen Weise, an die Präsentation einer gegnerischen Meinung (purvapakṣa) in den Mimämsäsūtra und im zugehörigen Kommentar von Sabara an. Es geht dabei um die Auffassung, daß die arthavāda-Stellen im Veda 76) irrelevant und ohne Autorität seien. Eine der hierfür vom purvapaksin angegebenen Begründungen ist, daß es Widersprüche zwischen arthavāda-Stellen und anderen Schriftstellen einerseits und evidenten Wahrnehmungsbefunden andererseits gebe. Als Beispiel nennt Sabara u. a. eine Stelle aus dem Gopatha-Brāhmaṇa "):,,Wir wissen nicht, ob wir Brahmanen oder Nicht-Brahmanen sind". Die Voraussetzung für die Verwendung dieses Beispiels ist, daß eine solche Aussage, abgesehen von ihrer Unvereinbarkeit mit anderen Schriftstellen, der im täglichen Leben ohne weiteres geläufigen Kenntnis des Unterschiedes zwischen Brahmanen und Nicht-Brahmanen widerspreche. Für Kumārila bietet das Zitat Anlaß zu einem Exkurs über den ,,ontologischen" Status und über die Erkennbarkeit der vier varna. Dabei werden der Sinngehalt und die Autorität der bei Sabara angeführten Brähmana-Stelle nicht so sehr gegenüber den Leugnern oder Bezweiflern der Kastentheorie verteidigt, als vielmehr gegenüber denjenigen unter ihren Anhängern, die eine naive und ungeklärte Auffassung vom Wesen der Kasten haben und sich bei ihrer Identifikation zu sehr auf äußere Merkmale des Verhaltens usw. verlassen. Kumārila zeigt bei dieser Gelegenheit nicht nur, daß er mit den definitions- und erkenntnistheoretischen Problemen des Themas sowie auch mit den Schwierigkeiten der genealogischen Ableitung wohlvertraut ist; vielmehr betont er geradezu diese Probleme und Schwierigkeiten und be kräftigt so seinen Anspruch, daß sich der dharma und das darin integrierte Kastensystem sehr wohl auch in einem Zeitalter verschärfter Kritik und rationaler Argumentation verteidigen lasse. Er bietet im übrigen in diesem Abschnitt keinen klaren und direkten Angriff auf eine klar und deutlich als solche gekennzeichnete gegnerische Ansicht, sondern eher ein abwägendes Zwiegespräch, in dessen Verlauf seine eigene Auffassung sozusagen erst allmählich 75) Vgl. die Kritik von Sālikanathamiśra, PP, S. 101; vgl. Anm. 97 ff. 76) D.h. diejenigen Stellen, die keine Vorschriften enthalten, sondern nur Erläuterungen, faktische Feststellungen bieten; nach der in Mimāmsasūtra I, 1, 2 gegebenen und von Sabara kommentierten Definition ist der dharma, der den Inhalt der vedischen Offenbarung bildet, von der Art, daß er nur durch Befehle (codana) ausgedrückt werden kann, bzw. allein in den im Veda gegebenen Vorschriften zugänglich ist. 77) V, 21. [24]
SR No.269272
Book TitleZur Theorie Der Kastenordnung In Der Indischen Philosophie
Original Sutra AuthorN/A
AuthorWilhelm Halbfass
PublisherWilhelm Halbfass
Publication Year
Total Pages40
LanguageEnglish
ClassificationArticle
File Size5 MB
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