Book Title: Zum Problem Des Gottesbeweises In Der Indischen Philosophie
Author(s): Gerhard Oberhammer
Publisher: Gerhard Oberhammer
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Page #1 -------------------------------------------------------------------------- ________________ ZUM PROBLEM DES GOTTESBEWEISES IN DER INDISCHEN PHILOSOPHIE VON GERHARD OBERHAMMER Das methodische Auslegen des naturlichen Wissens von der eigenen Seinsbedingtheit im Sinne der Existenznotwendigkeit eines Seinsbedingenden ist das Wesen des Gottesbeweises und die kritische Grundlegung dieser auslegenden Methode ist das Problem des Gottesbeweises. Aufgabe dieses Beitrages ist es, dieses Problem in einer seiner historischen Ausformungen zu zeigen, die es im Ringen um eine philo.sophische Gotteslehre in Indien erhalten hat. Dabei wurde nicht beabsichtigt, eine vollstandige genetisch-deskriptive Darstellung der Entwicklung dieses Problems in Indien zu geben --- dies hatte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt , sondern das Problem in einer seiner historischen Grundformen, sozusagen als Typus herauszuarbeiten. 1) Fur diese historisch-typologische Darstellung wurde die Gotteslehre der Nyaya-Schule 2) gewahlt, da sie dem Problem des philosophischen Gottesbeweises am meisten Aufmerksamkeit schenkte und die Losung dieses Problems am starksten pragte. Das starke Hervortreten der philosophischen Gotteslehre im Denken dieser Schule darf aber nicht daruber hinwegtauschen, dass der Theismus des Nyaya in seiner metaphysischen Struktur von jedem christlichen Theismus unterschieden 1) Neuere Literatur zur Gotteslehre des Nyaya und des Vaisesika: G. Bhattacharyya : Studies in Nyaya-Vaisesika Theism. Calcutta Sanskrit College Research Series No. XIV, Studies No. 5. Calcutta 1961. - G. Chemparathy: Aufkommen und Entwicklung der Lehre von einem hochsten Wesen in Nyaya und Vaisesika. Ungedruckte Dissertation Wien 1963. 2) Diese philosophische Schule beschaftigt sich vor allem mit Problemen der Dialektik (Eristik), Lagik und Erkenntnislehre und entlehnt ihre Metaphysik (vor allem die Kategorienlehre) der naturphilosophischen Schule des Vaisesika. Der ,,alte" Nyaya, dem ein noch allgemeines philosophisches Interesse eigen ist, bluht wahrend des ersten Jahrtausends nach Chr.; er wird durch den ,,neuen" Nyaya abgelost, der sich ausschliesslich logischen und erkenntnistheoretischen Fragen zuwendet und bis in die Neuzeit hinein lebendig geblieben ist. In der vorliegenden Arbeit handelt es sich ausschliesslich um den ,,alten" Nyaya. NUMEN XII Page #2 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Gerhard Oberhammer ist. Historisch wurde fur die Darstellung jener Zeitraum gewahlt, in welchem der Gottesbeweis zum ersten Mal kritisch zum Problem gemacht, und in welchem die Losung dieses Problems im Rahmen der Schule grundsatzlich erreicht wurde, namlich die Periode von etwa 600-900 n. Chr. Seit seinem ersten Auftreten ist der Gottesbegriff des Nyaya inhaltlich durch den Begriff der ,,Ursache" (karanam) bestimmt. Gott der Herr (isvarah) ist die ,,Ursache der Welt" 3), er ,,unterstutzt das Tun des Menschen" und ,,verleiht der Bemuhung des Menschen die Frucht" 4), wobei ,,Unterstutzen" etc. zunachst und eigentlich in einem naturlich-physischen Sinne verstanden wird. Dieser Gedanke prazisiert sich in der spateren ,,Scholastik" der Nyaya-Tradition zur Lehre von Gott als der ,,veranlassenden" Ursache (nimittakaranam) der Welt. 5) In dieser Lehre wird eine Begrundung des Weltprozesses im Sinne der Kausalitatslehre des Systems gegeben und Gott als ,,veranlassende Ursache" in das Kausalitatsschema eingefuhrt. Dies bedeutet aber, dass Gott als Ursache neben anderen Ursachen wie Materialursachen und Instrumentalursachen erscheint. 6) Diese anderen Ursachen, sowohl die Bauelemente der Welt wie Atome, Ather, Denkorgan, als auch die als ,,Werkzeuge" wirkenden Realitaten wie Raum, Zeit und Verdienst (karma), sind in ihrem Sein und Wesen von Gott unabhangig und werden von ihm lediglich ,,veranlassend" zum Wirken gebracht. Das Gleiche gilt von den Seelen (atma), die sozusagen das 3) NS IV I, 19. 4) NBh p. 251, 2. 5) ,,Indem er (Paksilasvamin) sagt, 'weil er dies bewirkt', stimmt er zu, dass Gott der Herr 'veranlassende Ursache' ist. Was die 'veranlassende Ursache' ist, unterstutzt die beiden anderen Ursachen, namlich die inharierenden Ursachen (= Materialursache) und die nicht inharierenden Ursachen (= Instrumentalursache, Dativobjekt und Zweck) wie der Webstuhl usw. die Faden und ihre Verbindung. Wenn nun Gott der Herr 'veranlassende Ursache der Welt ist, was ist dann die Materialursache? Als solche wird Erde usw. angegeben, d.h. jene uberaus feine substanzhafte Entfaltung, die Feinatome genannt ist". NV p. 457, 3-7. 6) Man hat allerdings den Versuch gemacht, das Gesetz des Karma, das ursprunglich mechanistisch den Ablauf der Welt bestimmt hatte, dem Wirken Gottes unterzuordnen. Vgl. NV p. 461, 15-462, 16. Die ubrigen Instrumentalursachen und die Materialursachen jedoch wurden niemals in ihrer Existenz von Gott abhangig gemacht. Page #3 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie Finalobjekt der Weltschopfung sind. Diese Gleichordnung Gottes mit den anderen Ursachen der Welt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen werden deutlicher, wenn die Frage nach dem Wesen Gottes beantwortet wird. ,,Gott der Herr", schreibt Paksilasvamin im funften Jahrhundert, ,,ist eine Seele eigener Art mit besonderen Eigenschaften. Eine andere Vorstellung als jene der Seele ist fur ihn nicht moglich und so ist Gott der Herr eine Seele eigener Art, welche durch das Fehlen von Schuld (adharmah), falscher Erkenntnis (mithyajnanam) und Nachlassigkeit (pramadah), sowie durch den Besitz von Verdienst (dharmah), Erkenntnis (jnanam) und gesammelter Aufmerksamkeit (samadhih) bestimmt ist." 7) Etwa zweihundert Jahre spater schreibt Uddyotakara mit Bezug auf diese Worte Paksilasvamins: ,,Da (im Vorhergehenden sein [d.h. Gottes ] Eigenwesen (svabhavah) nicht bestimmt wurde, ergibt sich der Zweifel, ob Gott der Herr eine Substanz (dravyam) ist oder etwas anderes (aus der Gruppe von] Eigenschaft usw. (gunadinam). 8) - Er ist eine Substanz (dravyam), weil er Eigenschaft besitzt, namlich De la Vallensee..." L'Abhi'apres une autrelle en est la Phacation 7) NBh p. 252, 1-3. - Zur Interpretation der Termini ,pramadah" und ,,samadhih", welcher letztere hier offenbar fur ,,apramadah" steht, ist man versucht eine Stelle aus dem vielleicht gleichzeitigen Abhidharmakosah Vasabandhu's des Jungeren heranzuziehen, wo die Begriffe ,,apramadah" und ,,pramadah" erortert werden: ,,L'apramada, ou diligence, et la bhavana, c'est-a-dire la prise de possession et la culture des bons dharmas ... La diligence est l'application (avahitata) aux bons dharmas. On dit par metaphore, qu'elle en est la bhavana. Par le fait, elle est la cause de la bhavana. D'apres une autre ecole, la diligence est la garde (araksa) de la pensee..." L'Abhidharmakosa de Vasubandhu traduit et annote par L. De la Vallee Poussin. Paris 1923-31. II p. 157. - ,,Non-diligence, pramada, le contraire de la diligence la non-prise de possession et la non-culture des bons dharmas..." ibid. II p. 161. - Vgl. Abhidharmadipa with Vibhasaprabhavstti crit. ed. by Padmanabh S. Jaini. Tibetan Sanskrit Works Series Vol. 4, p. 71 ff. des Textes. - Ausserdem findet sich auch im sivaitischen Pasupata-System der Begriff des ,,pramadah", z.B. in der allerdings spateren Ganakarika. Aus diesen Belegen wird jedenfalls deutlich, dass ,,pramadah" und ,,pramadah" (samadhih bei Paksilasvamin) bekannte Termini technici sind, welche offenbar einer existenziellen Geistanalyse nach Art des Yoga entstammen. (vgl. Vogabhasyam zu YS. I, 30). Dies bestatigt sich insofern als Paksilasvamins Gotteslehre auch noch andere Zuge des (samkhistischen) Yoga zeigt. 8) Hiermit sind die restlichen Kategorien gemeint. Die Kategorientafel des Vaisesika und des Nyaya dieser Zeit umfasst namlich folgende Kategorien (padarthah): Substanz (dravyam), Eigenschaft (gunah), Bewegung (karma), Besonderheit (visesah), Gemeinsamkeit (samanyam) und Inharenz (samavayah). encaksilasvamin) bekdeutlich, dass ,,pramen spateren yam zu vs. l, istanalyse nach Texmini technici" sind Page #4 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 4 Gerhard Oberhammer Erkennen [usw.], wie jede andere Substanz. Dann ist er also, da er Erkennen besitzt, eine Seele besonderer Art? Nein, er ist keine Seele besonderer Art, weil hinsichtlich der Eigenschaften ein Unterschied besteht (gunabhedat). Denn wie die [Elemente] Erde usw. wegen des Unterschiedes hinsichtlich der Eigenschaften keine Seelen sind, so ist auch dieser aus eben diesem Grunde - Gott der Herr ist namlich hinsichtlich der Eigenschaften unterschieden - nicht eine Seele besonderer Art." 9) Paksilasvamin ordnet also Gott als ,,Seele" in die Kategorientafel ein 10), wahrend ihn Uddyotakara als Substanz sui generis betrachtet 11). Mit Hilfe dieser doppelten Bestimmung von Gottes Wesen lasst sich der Gottes Begriff des Nyaya weiter auslegen: Von beiden Nyaya-Denkern wird zunachst einmal unmissverstandlich das ,,Anderssein" Gottes ausgedruckt. Paksilasvamin unterscheidet die Seele,,Gott" von den anderen Seelen, indem er ihr gewisse Eigenschaften zuschreibt und gewisse Eigenschaften aberkennt. Uddyotakara, der bereits in den Begriffen der klassischen Metaphysik des Nyaya denkt, zieht aus der Verschiedenheit der Eigenschaften die logische Konsequenz: Da Gott Trager von Eigenschaften ist, muss er zur Kategorie der Substanz gehoren. Realitaten aber, welche als Substanzen erkannt werden, sind in ihrem Substanz-Sein lediglich durch den Besitz bestimmter, wesenstypischer Eigenschaften modifiziert, in sich sind sie nichts anderes als Substanz, namlich ein Seiendes, sofern es Trager von Eigenschaften ist. Wenn daher eine Substanz andere Eigenschaften besitzt, muss sie auch eine andere Substanz sein. Daher kann Gott, der Eigenschaften besitzt, welche als solche weder den Seelen, noch den anderen Substanzen zukommen, nur eine Substanz eigener Art sein. 12) -- 9) NV p. 464, 7-11. 10) Dies stimmt mit der Gotteslehre des samkhyistischen Yoga uberein, in der Gott folgend definiert ist:,,Gott der Herr ist jene besondere Seele (purusah), welche unberuhrt ist von den Befleckungen, den Werken, ihrer Reifung und den Dispositionen dazu," Yogasutram, I, 24. II) NV p. 464, 7-11. Vgl. TSP I, p. 40: ,,Mit 'andere' meint er [namlich Santaraksita] die Naiyayikas. Unter diesen sagen einige, dass die allwissende Gottheit, die Urheber der ganzen Welt ist, eine Seele besonderer Art ist, welche besondere Eigenschaften besitzt; andere sagen, dass sie eine andere Substanz und nicht eine Seele ist, weil sie unterschiedene Eigenschaften besitzt, wird doch angenommen, dass ihre Erkenntnis ewig, und einheitlich ist und alles zum Gegenstand hat." 12) Gegenuber der Lehre, dass Gott eine besondere Seele sei, setzt sich diese Lehre jedoch nicht allgemein durch. Page #5 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie Neben diesem ,,Anderssein" Gottes steht aber eine radikale Gleichheit Gottes mit anderem Seienden. Wenn namlich Paksilasvamin Gott als Seele bestimmt, die durch den Besitz bestimmter Eigenschaften von anderen Seelen unterschieden ist, so ist der damit gelehrte Unterschied lediglich ein Unterschied zwischen Seelen. Der Gottesbegriff Paksilasvamins transzendiert den Begriff der Seele in keiner Weise. Fur Paksilasvamin gehort Gott zu einer bestimmten Kategorie des Seienden, er ist nur der durch besondere Eigenschaften ausgezeichnete Spezialfall einer Gruppe von Seiendem, namlich der Seelen. Dass diese Interpretation von Paksilasvamins Gottesbegriff richtig ist, und der Denktradition seiner Schule entsprecht, zeigt die Auffassung Uddyotakaras, welche zweihundert Jahre spater und individuell gepragt denselben Typus des Gottesbegriffes erkennen lasst. Zwar hat Uddyotakara das ,,Anderssein" Gottes deutlicher formuliert als Paksilasvamin, doch uberschreitet auch er trotz dieser Betonung des ,,Andersseins" nicht den Raum des Seienden, um so dem Gottesbegriff einen Unterschied des Seins zu sichern. Auch fur Uddyotakara bleibt Gott letzlich ein durch besondere Eigenschaften ausgezeichneter Spezialfall einer Gruppe von Seiendem, namlich der Substanzen. Ist aber durch die Lehre, dass Gott eine Substanz eigener Art ist, die einzig, allwissend und ewig ist, nicht ein derartiger Unterschied zum Seienden aufgedeckt, dass Gott eben doch von jedem weltimmanenten Seienden zu unterscheiden ist, da er weder in eine andere Kategorie als jener der Substanz eingeordnet werden kann, noch auch innerhalb dieser Kategorie etwas seinesgleichen besitzt? Um diese Frage zu beantworten, ob nicht doch implicite eine Transzendenz Gottes vom Nyaya gelehrt wird, muss untersucht werden, wie sich der hier verwendete Substanzbegriff zum Seinsbegriff verhalt. Dazu ist von dem Umstand auszugehen, dass der Nyaya die Existenz ewiger Substanzen kennt, wie etwa die der Atome, der Seele usw., welche von Gott, der ,,veranlassenden Ursache" zur Erschaffung der Welt gebraucht werden. Diese Substanzen sind, da ihnen jeweils bestimmte typische Eigenschaften, bzw. ein bestimmtes durch diese Eigenschaften unterschiedenes Substanzsein (dravyatvam) zukommt 13), in ihrer Seinsaktualitat, so wie jedes Seiende, begrenzt. Da sich bei Ud 13) So bestimmt Prasastapada, ein Vaisesika-Denker der Zeit Uddyotakaras die Charakteristika der Substanz wie folgt: ,,Den neun [Sustanzen] namlich Page #6 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Gerhard Oberhammer dyotakara keine einzige Stelle findet, die den Gedanken andeuten wurde, dass diese Substanzen von Ewigkeit her in ihrem Dasein von Gott erhalten wurden und somit in ihrer Existenz von ihm abhingen, und auch sonst der Nyaya eine derartige Auffassung der ewigen Substanzen nicht kennt, muss angenommen werden, dass Uddyotakara diese Substanzen als Seiendes auffasst, das in seiner Seinsaktualitat zwar begrenzt ist, dessen Begrenzung aber metaphysisch nicht weiter geklart, sondern als ewig postuliert wird. Der von Uddyotakara zur Definition des Wesens Gottes verwendete Substanzbegriff enthalt daher den Begriff eines ewigen, aber in sich begrenzten Seinsaktes. Die Substanz wird nicht weiter auf einen Existenzgrund zuruckgefuhrt, indem gefragt wurde, wie ,,Primar-Seiendes" (= die ewigen Substanzen und ihre Eigenschaften) als Seiendes in sich moglich sei, oder warum dieses existiere und nicht eher nicht existiere. Damit lasst sich aber der Begriff einer Seinsstruktur im Sinne etwa von kontigentem Seienden und absolutem Seinsakt (actus purus) uberhaupt nicht auf den Substanzbegriff des Nyaya anwenden. Uddyotakara kennt letztlich keinen metaphysischen Seinsbegriff, sondern nur den Begriff des Seienden, der gewonnen ist durch Abstrahierung von den unterscheidenden Bestimmungen und somit die verschiedenen Kategorien des Seienden zwar ubersteigt, aber trotzdem nicht in den Bereich der Seinstranszendenz vorstosst. Wenn daher das kategoriale Sein des weltimmanent Seienden nicht mehr in seiner metaphysischen Struktur ausgelegt wird, und auch Gott nicht als Existenzgrund der Welt, sondern als ,,veranlassende Ursache" des Welt-Verlaufs betrachtet wird, sofern er das Zusammenspiel von Material- und Instrumentalursachen zum Heil der Seelen als Weltprozess veranlasst, muss geschlossen werden, dass Gott trotz des Unterschiedenseins von anderem in der Welt Seienden von Uddyotakara als Substanz im gleichen Sinne aufgefasst ist wie die anderen ewigen Substanzen, und dass sein ,,Anderssein" lediglich eine innerkategoriale Differenzierung, aber nicht eine echte Transzendenz des Seins be Erde usw. kommt die Verbindung mit dem Substanzsein (dravyatvam) zu, das Hervorbringen der Wirkung in sich selbst (svatmanyarambhakatvam), das Besitzen von Eigenschaften (gunavattvam), das Sich-nicht-Aufheben-von-Ursache und-Wirkung (karyakaranavirodhitvam) und das Individuell-bestimmt-Sein (ontyavisesavattvam)" PDS P. 144. Page #7 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie deutet. Damit wird Gott ein wohl ausgezeichneter, aber doch systemimmanenter Bestandteil des ,,Weltmechanismus", dessen Aufgabe es ist, jene unmittelbar veranlassende Ursache zu sein, die Kraft ihrer Geistigkeit geeignet ist, den willkurlichen und gerichteten Prozess von Weltentstehen und Weltvergehen zu erklaren, dessen andere Ursachen ungeistig sind. Diese Auffassung zeigt sich deutlich bei dem Gottesbeweis Uddyotakaras, der fur den Nyaya jener Zeit strukturell typisch ist: ,,Durch denselben Beweis (nyayah), durch welchen das Ursachesein von Gott dem Herrn erwiesen ist, wird auch seine Existenz erwiesen", schreibt Uddyotakara, ,,denn eine nicht existierende Ursache gibt es nicht. -- Welches ist nun der Beweis fur das Ursachesein von Gott dem Herrn? - Folgender Beweis wird vorgebracht: Urmaterie, Atome und Verdienst wirken (pravartante), sofern sie vor ihrem Wirken von einer mit Erkenntnis versehenen Ursache gelenkt sind (buddhimatkaranadhisthitani), weil sie ungeistig sind wie eine Axt usw. Wie eine Axt usw. wegen ihrer Ungeistigkeit nur gelenkt durch einen mit Erkenntnis versehenen Zimmermann wirkt, ebenso wirken die ungeistigen [Prinzipien wie] Urmaterie, Atome und Verdienst. Daher sind auch diese durch eine mit Erkenntnis versehenen Ursache gelenkt." 14) Der diesen Beweis einleitende Gedanke bestatigt die vorgetragene Deutung von Uddyotakaras Gottesbegriff. Fur Uddyotakara und mit ihm fur den ganzen Nyaya wird Gott nicht deshalb als Ursache der Welt erkannt, weil nur er im vollkommensten Sinn des Wortes existiert, sondern er wird als existent erkannt, weil er als eine Ursache der Welt nachgewiesen wird. Der Grundgedanke dieses Beweises lasst sich folgend darlegen: Die Welt ist ein ,,Mechanismus" verschiedener Ursachen, so dass es letztlich kein Phanomen gibt, das nicht auf diese Ursachen zuruckgefuhrt werden konnte. Es ist nun nicht so, dass diese Ursachen ohne Gott genugten, um die faktische Realitat der Welt zu erklaren, und Gott lediglich dieses geschlossene System von Ursachen und Wirkungen in seiner Gesamtheit im Dasein erhielte, ohne selbst Teil dieses Systems zu werden, sondern Gott ist hier tatsachlich systemimmanenter Bestandteil. Fehlte Gott, so wurde dieses System selbst eine Lucke aufweisen und der empirisch-faktische Weltablauf nicht vor sich gehen, und 14) NV p. 457, 16-22. Page #8 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Gerhard Oberhammer zwar nicht deshalb, weil ihm das Sein fehlte, sondern weil seine Ursachen unvollstandig waren. Da der Weltablauf aber real gegeben ist, mussen die Ursachen dieses Ablaufes alle existieren, somit auch die veranlassende Ursache, namlich Gott. Gnoseologisch bedeutet dies, dass Gott grundsatzlich in der gleichen Weise wie jedes andere Seiende nachgewiesen werden muss, da wegen des Fehlens eines den Begriff des Seienden transzendierenden Seinsbegriffes ein metaphysischer Beweis nicht moglich ist. Damit muss aber die kritische Rechtfertigung des Gottesbeweises den Forderungen eines ,,empirischen" Beweises genugen. Unter ,,empirischem Beweis" ist hier ein Beweis verstanden, welcher auf Grund von empirisch Seiendem oder seiner Eigenschaften ein anderes Seiendes oder seine Eigenschaften erschliessen lasst, ohne eine begriffliche Reduktion dieses empirisch Seienden auf seine Moglichkeitsgrunde als Seiendes notwendig zu machen. Tatsachlich scheint auch der von Uddyotakara verwendete Gottesbeweis wenigstens grundsatzlich der Struktur eines solchen ,,empirischen" Beweises zu entsprechen. In seiner Schlusslehre ubernimmt namlich Uddyotakara im wesentlichen die Lehre Dignagas 15) von den drei Merkmalen des Grundes, durch die Dignaga den ,,empirischen" Beweis logisch formalisiert hatte. Dignaga hatte gelehrt, dass ein logischer Grund nur dann als schlussig nachgewiesen sei, wenn dieser drei Merkmale besitze: (a) Der logische Grund (hetuh) muss dem zu Beweisenden zukommen (hier ,,Urmaterie" usw.), (b) er muss weiters anderen Fallen, welche mit dem zu Beweisenden hinsichtlich der zu beweisenden Eigenschaft (hier ,,von einer mit Erkenntnis versehenen Ursache gelenkt") gleich sind, zukommen, und (c) er muss in allen Fallen, in welchen die zu beweisende Eigenschaft fehlt, abwesend sein. 16) Mit dieser Lehre hatte Dignaga zwar eine Formalisierung des logischen Grundes erreicht, welche ein verlassliches Schlussfolgern er 15) Dignaga ca 480-540 n. Chr., einer der bedeutendsten buddhistischen Logiker und Erkenntnistheoretiker. 16) Diese Lehre bietet Dignaga in knappster Formulierung in seinem Nyayamukham: ,,Die [beweisende Eigenschaft des Subjektes (der Schlussfolgerung! ist zweifach je nach dem Vorhandensein und Nichtvorhandensein im Sapaksa beziehungsweise Vipaksa, und wiederum dreifach infolge der doppelten Moglichkeit von sowohl Vorhandensein wie Nichtvorhandensein in jedem der Falle." Dieser Vers wird von Vacaspati Misra zitiert NVTT p. 289, 16-17. - Vgl. G. Tucci: The Nyayamukham of Dinnaga, Heidelberg 1930. P. II. Page #9 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie moglichte, doch musste er dafur in Kauf nehmen, dass die Schlussfolgerung in ihrer Anwendbarkeit beschrankt wurde. Nach der Theorie Dignagas lasst sich namlich ein logischer Schluss nur in jenen Fallen als logisch schlussig nachweisen, in denen eine begrifflich vermittelte Erkenntnis hinsichtlich eines oder mehrer Falle einer Klasse von Seiendem gewinnen werden soll. Unter ,,Klasse" ist hier jene Gruppe von Seiendem verstanden, die dadurch zustande kommt, dass allen in ihr enthaltenen Seienden die in der betreffenden Schlussfolgerung als beweisende und zu beweisende Eigenschaft verwendete Eigenschaften zukommen. Wo aber eine solche begrifflich vermittelte Erkenntnis fur die Gesamtklasse oder fur einen nicht zu einer solchen Klasse gehorenden Einzelfall gewonnen werden soll, kann ein logischer Grund grundsatzlich nicht als schlussig nachgewiesen werden. Damit kann aber nach Dignagas Theorie des logischen Grundes weder eine Erkenntnis des Seienden in seiner Seinsstruktur noch auch von Realitaten wie Gott, Seele usw. gewonnen werden. Dies haben offenbar auch Uddyotakara und andere Nyaya-Denker erkannt, denn sie veranderten Dignagas Formalisierungsschema etwas und versuchten so, auch metaphysische Schlusse in ihrer Gultigkeit nachzuweisen. 17) Da jedoch die Logik des Nyaya noch nicht genugend entwickelt war, um eigene Wege zu gehen, musste sie grundsatzlich mit dem Schema Dignagas arbeiten. Auf diese Weise wurde vor allem durch die daran anschliessende gegnerische Polemik die Problematik des Gottesbeweises zum erstenmal Gegenstand der philosophischen Erorterung. Diese Problematik war im wesentlichen dadurch begrundet, dass der Gottesbegriff des Nyaya im Grunde dem Begriff eines zwar ausgezeichneten, aber letzlich eben doch nur ,,gegenstandlich" existierenden Seienden entsprach, und andererseits der Nyaya genotigt war, den Gottesbeweis nach einem Beweisschema zu fuhren, das aus der Analyse von Schlussen gewonnen war, die dem Bereich des faktisch Seienden angehorten. 17) So lehrt zum Beispiel Uddyotakara selbst, dass ein logischer Grund auch mit nur zwei Merkmalen logische Gultigkeit besitze. Zur Diskussion dieser Formen logischer Grunde innerhalb der Nyaya-Schule vgl. den Aufsatz des Verfassers: On the Sources in Jayanta Bhatta and Uddyotakara, WZKSO Bd 6 (1962) p. 121 ff. und E. Steinkellner: Augenblicklichkeitsbeweis und Gottesbeweis bei Sankarasvamin. Dissertation Wien 1963, p. 69-72. Page #10 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Gerhard Oberhammer II Im Anschluss an die logischen Arbeiten Dignagas, der den logischen Nexus (vyaptih) in der Schlussfolgerung nicht kritisch durch Ruckfuhrung auf Seinszusammenhange begrundet hatte, war Dharmakirti 18) gerade diesem Problem nachgegangen und hatte seine Lehre von den drei Arten des logischen Grundes entwickelt. ,,Die Schlussfolgerung (anumanam) fur einen selbst (svartham)", schreibt er in seinem Nyayabinduh, ,,ist eine Erkenntnis hinsichtlich eines zu Erschliessenden auf Grund des dreiformigen Merkmals (trirupal lingat) ... Diese Dreiformigkeit wird bestimmt als 'allein Vorhandensein des Merkmals im zu Erschliessenden', 'Vorhandensein allein im Sapaksa' und 'allein Nichtvorhandensein im Asapaksa'. Dabei ist das zu Erschliessende der Eigenschaftstrager (dharmi), sofern er mit der Besonderheit versehen ist, die man zu erkennen wunscht. Ein Gegenstand, der infolge der Gemeinsamkeit der zu erschliessenden Eigenschaft gleich ist (mit dem zu Erschliessenden), ist der Sapaksa. Was nicht Sapaksa ist, das ist der Asapaksa ... [Diese] drei Formen gibt es und allein drei [Arten des Merkmals, die Nichtwahrnehmung (anupalabdhih), das Eigenwesen (svabhavah) und die Wirkung (karyani). Dabei ist die Nichtwahrnehmung [als logischer Grund wie zum Beispiel: An einem bestimmten Platz gibt es nirgends einen Topf, da ein solcher, obwohl er die Merkmale der Wahrnehmbarkeit hatte, nicht wahrgenommen wird. Das Versehensein mit den Merkmalen der Wahrnehmbarkeit besteht in der Vollstandigkeit der anderen Erkenntnisursachen sowie in einem individuellen Eigenwesen (svabhavisesah). Dieses Eigenwesen ist jenes Eigenwesen, welches beim Vorhandensein der anderen Wahrnehmungsursachen eben durch die Wahrnehmung erkannt wird. - Das Eigenwesen ist logischer Grund, wenn die zu beweisende Eigenschaft durch das blosse Sein (des Grundes) gegeben ist, wie zum Beispiel: Das ist ein Baum, weil es ein Simsapa ist. -- Die Wirkung ist [logischer Grund] wie zum Beispiel: Dort ist Feuer, weil [dort] Rauch ist. -- Von diesen [logischen Grunden] beweisen zwei Reales, (wahrend) einer logischer Grund der Negation ist." 19) Es ist hier nicht der Platz, Dharmakirtis Logik darzustellen, worum 18) Dharmakirti ca 600-660 n. Chr. ist neben Dignaga der bedeutendste Vertreter der buddhistischen logischen und erkenntnistheoretischen Schule. 19) NB p. 21-29. Page #11 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie es hier geht, ist, den logischen Hintergrund bereit zu stellen, vor dem Dharmakirtis Kritik der Gottesbeweise verstandlich wird. Darum kann die Erorterung der Nichtwahrnehmung als eines logischen Grundes von vorneherein ausscheiden, und ebenso die des Eigenwesens als eines logischen Grundes, welches auf der Seinsidentitat von Grund und Folge beruht und daher beim Gottesbeweis nicht verwendet werden kann. Beim Gottesbeweis handelt es sich um die Beziehung zwischen zwei voneinander unterschiedenen Seienden, namlich Gott und Welt. Die einzige Beziehung dieser Art, auf die man eine logische Notwendigkeit grunden kann, ist die Beziehung des ,,Wirkung-Ursache-Seins" (karyakaranabhavah) und daher muss der Gottesbeweis, nach Dharmakirti, mit der Wirkung als logischem Grund arbeiten. Das WirkungUrsache-Sein" von zwei Seienden kann aber nicht apriori aus dem Eigenwesen eines der Seienden abgeleitet werden. wenngleich diese Beziehung im Eigenwesen der beiden Seienden grund gelegt ist -, sondern kann nur ,,empirisch-methodisch" festgestellt werden: ,,Im Falle eine Wirkung logischer Grund (karyahetuh) ist, ist das ,,Wirkung-Ursache-Sein" erwiesen, wie zum Beispiel: Etwas, das die Merkmale der Erkennbarkeit besitzt (upalabdhilaksanapraptam) und vorher nicht wahrgenommen wurde, wird, wenn etwas [anderes] wahrgenommen wird, wahrgenommen, ist aber beim Fehlen dieses [anderen] nicht vorhanden, obwohl die anderen Ursachen vorhanden sind. Dieses durch Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung nachweisbare (pratyaksanupalambhasadhanah) ,,Wirkung-Ursache-Sein", dass namlich etwas beim Vorhandensein eines anderen existiert und bei dessen eFhlen nicht existiert, ist so erwiesen." 20) Ist das,,Wirkung-Ursache-Sein" zweier Dinge durch die Methode dieser funffachen Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung 21) nach II 20) Der Sanskritwortlaut dieser Stelle aus Dharmakirti's Hetubinduh wird zitiert: anavadyanupamavedacatustayavidhanavedhah srihemacandragurubhratrsripradyumnasuricaranacamcarikasricandrasenasurisutrita svopajna sri utpadadisiddhih. Jaina Vijayanand Printing Press. Surat 1936. p. 39, 2-4. (entspricht: Derge, Mdo Ce (95) fol. 239 b 7-240 a 1). Die Kenntnis dieses Zitates verdanke ich E. Steinkellner, der mich darauf freundlicherweise aufmerksam machte. Vgl. auch PVS p. 22, 2-4: ,,Bei der Wahrnehmung von welchen [Dingen] etwas derart Bestimmtes (tallaksanam upalabdhilaksanapraptam) das [fruher] nicht wahrgenommen wurde, wahrgenommen wird, und beim Fehlen eines dieser (Dinge) nicht wahrgenommen wird, das ist dessen Wirkung". 21) Diese Methode lasst sich folgend charakterisieren: Man beobachtet, (1) dass B nicht vorhanden ist, (2) man beobachtet A und (3) beobachtet im An = - Page #12 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 12 Gerhard Oberhammer gewiesen, dann kann man es in jedem Falle, in dem es sich um das ,,Wirkung-Ursache-Sein" der gleichen Dinge handelt, nach Dharmakirti zur Grundlage einer Schlussfolgerung machen und aus der Wirkung die Ursache erschliessen. Dies ist moglich, insofern jedes Ding im Erkennenden eine Vorstellung (kal pana) hervorruft. Diese Vorstellung, die zum Unterschied von einem Begriff, den Dharmakirti eigentlich nicht kennt, keine durch Abstraktion erhaltene Wesenserkenntnis enthalt, verweist als Art geistiges ,,Zeichen" auf ein Individuum (svalaksanam). Wenn nun eine solche Vorstellung in sich keinen Wahrheitsgehalt besitzt, so ist mit ihr doch verbunden jene aus der methodischen Beobachtung gewonnene Erkenntnis von der kausalen Hinordnung des der Vorstellung zugrunde liegenden Dinges auf das als seine Ursache beobachtete Ding, und kann daher die Vorstellung der Ursache im Erkennenden entstehen lassen, die ihrerseits kraft ihrer ,,Intentionalitat" auf das der Ursachenvorstellung zugeordnete Individuum (svalaksanam) verweist. Damit lasst sich aber das ,,Wirkung-Ursache-Sein" nur in jenen Fallen zur Grundlage einer Schlussfolgerung machen, in denen bestimmte Dinge durch die funffache Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung als Ursachen ihrer Wirkungen beobachtet wurden, beziehungsweise in jenen Fallen, welche den beobachteten Fallen gleich sind. Soweit Dharmakirtis Logik der Wirkung als eines logischen Grundes: Da, wie bereits erwahnt, in den Gottesbeweisen des Nyaya lediglich das ,,Wirkung-Ursache-Sein" Rechtfertigung des logischen Nexus 'sein kann, setzt Dharmakirtis Kritik in diesem Punkt ein und versucht zu zeigen, dass dieses ,,Wirkung-Ursache-Sein" fur den Gottesbeweis grundsatzlich nicht verwendet werden kann, da es sich nicht nachweisen lasst: ,,Wirken nach einer Zeit der Ruhe', 'Besonderheit der Zusammensetzung', 'Zweckvolles Wirken' usw. 22) beweisen entweder Erwunschtes, oder sie sind im Beleg unerwiesen und erregen Zweifel. Erwiesen ist 'Zusammensetzung usw. als logischer Grund fur einen derartigen Lenker, von dessen Vorhandensein oder Nichtvor schluss daran B. Man beobachtet, (4) dass A nicht (mehr) vorhanden ist und (5) im Anschluss daran, dass auch B nicht (mehr) vorhanden ist. 22) Dies sind logische Grunde, welche von Nyaya-Denkern im Gottesbeweis verwendet wurden. Page #13 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie 13 handensein (diese Zusammensetzung] abhangt. 23) Was auf Grund dieser [Zusammensetzung] erschlossen wird, das ist richtig. Erschliesst man etwas, das im Falle eines bestimmten Dinges (vastubhede) erkannt ist, vermittels [eines Grundes, der nur] infolge einer Wortgleichheit ununterschieden ist, so ist dies nicht richtig, wie zum Beispiel [ein Schluss) auf Grund von etwas Weissem (pandudravyat) im Falle des Feuers. Anderenfalls ware deshalb, weil ein Lehmprodukt, wie zum Beispiel ein Topf von einem Topfer gemacht ist, auch erwiesen, dass auch ein Ameisenhaufen von diesem hervorgebracht ist. [Wenn der Gegner sagen sollte, dieses Argument sei ein 'Karyasama'-Sophisma 24), dann ist dies falsch.] Denn wenn 'Wirkung' wegen des festen Gefolgtseins durch das zu Beweisende (sadhyenopagamat auch allgemein als Grund verwendet wird, und daraufhin vom Gegner] wegen des Verschiedenseins der Relationsglieder (sambandhibhedat) eine Verschiedenheit des logischen Grundes) behauptet wird (bhedoktidosah), so wird dieser Fehler als 'Karyasama'Sophisma betrachtet. Hat man etwas hinsichtlich einer bestimmten Gattung (jatyantare) erkannt, und will man dieses (fur eine andere Gattung] erschliessen, weil man eine Gleichheit der Bezeichnung beobachtet, so ist dies unrichtig, wie zum Beispiel, wenn man das Horner-Besitzen von Rede usw. [erschliesst wegen der Bezeichnung ,,gauh" 25). Oder wo gabe es keine Worte, hangen diese doch vom Wunsch zu sprechen ab. Ware etwas auf Grund ihres Vorhandenseins erwiesen, dann wurde alles fur alles erwiesen sein." 26) Die hier vorgelegte Argumentation enthalt im wesentlichen folgenden Gedankengang. Das fur den Gottesbeweis des Nyaya notwendige ,,Wirkung-Ursache-Sein" von Welt und Gott, das allen logischen 23) Dharmakirti wahlt offenbar als typischen Fall, den er kritisch zu untersuchen wunscht, den logischen Grund, den Aviddhakarna in seinem Gottesbeweis verwendet hatte. Vgl. TSP p. 41, 20. 24) Die vom Gegner vorausgesetzte Auffassung dieses Sophisma findet sich NS V, 1, 37, wo dieses folgend definiert ist: ,,Der Einwand des entsprechenden Produktes (Karyasamah) beruht darauf, dass die Produkte der Anstrengung verschieden sind. Ubers. W. Ruben: Die Nyayasutra's. Abh. f. d. Kunde d. Morgenlandes Bd 18 No. 2. Lpz. 1928. 25) Das Wort ,,gauh", das Kuh bedeutet, kann ebenfalls zur Bezeichnung von ,,Rede" gebraucht werden. 26) PV I, 12-18. Page #14 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 14 Gerhard Oberhammer Grunden dieser Beweise zugrunde liegen musste, lasst sich grundsatzlich nicht nachweisen. Denn die Welt lasst sich niemals empirischmethodisch durch die funffache Wahrnehmung als Wirkung Gottes nachweisen. Gott ist namlich uberhaupt nicht wahrnehmbar und, selbst wenn er es ware, konnte die fur die Feststellung des ,,Wirkung-Ursache-Seins" notwendige Nichtwahrnehmung wegen seiner Ewigkeit nie vollzogen werden. Es konnte daher lediglich moglich sein, dass das ,,Wirkung-Ursache-Sein", welches Gott und Welt zukommt, mit einem empirisch-methodisch feststellbaren ,,Wirkung-Ursache-Sein" identisch ware und daher aus der Tatsache, dass die Welt ith selben Sinne Wirkung einer Ursache ist wie die festgestellte Wirkung, geschlossen werden konnte, dass sie auch eine Ursache derselben Art besitze, namlich eine mit Erkenntnis versehene, ewige etc. Tatsachlich lasst sich aber kein einziger Fall finden, der mit der Welt identisch und bei dem die Abhangigkeit des ,,Wirkung-Ursache-Seins" von Gott empirisch-methodisch feststellbar ware. 27) Ein Fall der Erfahrung aber, von dem tatsachlich festgestellt ist, dass er Wirkung einer mit Erkenntnis versehenen Ursache ist, kann, da diese Ursache nicht Gott ist, keine beweisende Parallele sein. Denn ,,erwiesen ist 'Zusammenhang' etc. (als logischer Grund) fur einen derartigen Lenker, von dessen Vorhandensein oder Nichtvorhandensein (diese Zusammensetzung) abhangt". Man musste daher, falls die Parallele mit einem empirischen Fall, zum Beispiel den eines Topfers und des von ihm produzierten Topfes, als gultig angenommen wird, schliessen, dass auch die Welt von einem empirisch feststellbaren Urheber, namlich einem menschlichen Urheber, hervorgebracht sei, aber nicht von Gott. Wurde man aber von einem empirisch feststellbaren Fall - etwa dem des Topfes, der durch den Topfer hervorgebracht ist - ein ,,Wirkung-Ursache-Sein" abstrahieren, das so allgemein ware, dass es auch von Welt und Gott ausgesagt werden konnte, dann wurde dieses ,,Wirkung-Ursache-Sein" nichts mehr beweisen, ebensowenig wie der vom Rauch abstrahierte Begriff ,,etwas Weisses" Feuer erschliessen lasst oder der von einem Topf abstrahierte Begriff ,,Lehmprodukt" einen Topfer. Denn dieses derart allgemein gefasste ,,Wirkung-UrsacheSein" ist nicht mehr ein wirkliches ,,Wirkung-Ursache-Sein' 'realer 27) PV I, 12 cd. Page #15 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie 15 Dinge, sondern eine leere Vorstellung, die auf kein Individuum mehr eindeutig verweist. Dies geht daraus hervor, dass immer nur ein bestimmtes Seiendes Ursache eines bestimmten Seienden ist, und dass dieses ,,WirkungUrsache-Sein" in dem Sinne konstant ist, dass ein Seiendes nicht durch die Ursache eines anderen Seienden hervorgerufen werden kann. Anderenfalls mussten beide Ursachen identisch sein, oder es musste alles Ursache von allem sein konnen: ,,Wenn eine Gegebenheit (dharmah) gelegentlich auch etwas anderes zur Ursache hatte, dann wurde sie auch etwas anderes sein. Denn es ist nicht richtig, dass etwas, welches beim Vorhandensein von etwas nicht vorhanden ist, oder das eine verschiedene Ursache hat, dasselbe Eigenwesen besitzt. Dies ist namlich der Unterschied unter Seienden - beziehungsweise die Ursache dieses Unterschieds-, dass etwas [anderem) widersprechende Eigenschaften beziehungsweise eine andere Ursache besitzt (viruddhadharmadhyasah karanabhedas ca). Waren diese [beiden Umstande) nicht unterscheidend, dann wurde nichts von etwas unterschieden sein; es wurde alles ein einziges Ding sein und daher mussten Entstehen und Vergehen gemeinsam zukommen) und wurde alles fur alles verwendbar sein." 28) Damit ist aber eine Verallgemeinerung des ,,Wirkung-UrsacheSeins", in der von einer Beziehung dieses ,,Wirkung-Ursache-Seins" auf den beobachteten Fall abgesehen wird, als Grundlage des logischen Nexus in einer Schlussfolgerung unmoglich. Eine Verallgemeinerung ware nur dann statthaft, wenn das durch funffache Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung fur einen bestimmten Fall festgestellte ,,Wirkung-Ursache-Sein" nur von jenen Fallen ausgesagt wird, auf welche die Vorstellung (kal pana) der beobachteten Wirkung beziehungsweise Ursache verweist. In allen diesen Fallen kann das ,,Wirkung-UrsacheSein" auch allgemein, ohne neuerliche Feststellung, zur Grundlage einer Schlussfolgerung gewahlt werden, selbst wenn die dadurch erschlossene Wirkung praktisch nie wahrgenommen wird. Hat man aber das ,,Wirkung-Ursache-Sein" in einem bestimmten Fall festgestellt und dieses in der eben erwahnten zulassigen Verallgemeinerung gefasst, somit ,,etwas hinsichtlich einer bestimmten Gattung erkannt", und will man dieses (fur eine andere Gattung] erschlies 28) PVS p. 20, 21-24. Page #16 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 16 Gerhard Oberhammer sen, dann wendet man das methodisch festgestellte ,,Wirkung-UrsacheSein" auf Falle an, welchen ein anderes ,,Wirkung-Ursache-Sein" zukommt. Wenn daher der Sprachgebrauch fur die ,,Gattungen" beider Wirkungen den gleichen Namen gebraucht, so berechtigt dieser Sprachgebrauch in keiner Weise zu einem Schluss auf dieselbe Ursache. Hat man also das ,,Eine-mit-Erkenntnis-versehene-Ursache-Besitzen" aus der Tatsache erkannt, dass alle Falle, die unter die Vorstellung ,,vom Menschen verfertigte Gegenstande" fallen, eine ,,Zusammensetzung" sind, und will man nun deshalb, weil die Welt ebenfalls mit dem Wort ,,Zusammensetzung" bezeichnet werden kann, insofern sie aus Atomen etc. besteht, schliessen, dass die Welt eine ,,mit Erkenntnis versehene Ursache" besitzt, dann ist dieser Schluss unberechtigt. Es handelt sich bei dem Wort ,,Zusammensetzung" lediglich um eine Aquivokation, wie wenn man zum Beispiel aus der Tatsache, dass Kuh und Rede mit dem Wort ,,gauh" bezeichnet werden konnen, schliessen wollte, dass die Rede Horner besitze. Nach dieser grundsatzlichen Kritik des Gottesbeweises, in der Dharmakirti nachzuweisen versuchte, dass die zum Gottesbeweis verwendbaren Grunde in ihrer Schlussigkeit grundsatzlich nicht nachzuweisen sind, geht er dazu uber, die Sinnlosigkeit und Widerspruchlichkeit der Gottesvorstellung zu zeigen, und zu zeigen, dass nicht allein der logische Grund des Gottesbeweises unmoglich ist, sondern ebenso der durch diesen Grund zu beweisende Gegenstand selbst : ,,Wenn ein und dasselbe Ding Ursache und ebenso Nichtursache ist, weshalb wird dieses dann als Ursache betrachtet und nicht vielmehr als Nichtursache? Verwundung und Heilung des Caitra [ergibt sich auf Grund der Verbindung mit einer Waffe beziehungsweise einer Medizin; warum nimmt man nicht einen Pfosten als Ursache an, der damit in keiner Verbindung steht? Ohne Veranderung seines Eigenwesens (svabhavabhedena vina) ist auch sein Wirken (vyaparah) logisch nicht einsichtig. Da er von Ewigem nicht unterschieden ist, ist seine Befahigung dazu schwer zu begreifen. Wenn man etwas anderes als jene [Gegebenheiten, bei deren Existenz etwas existiert, als dessen Ursache annimmt, dann ergibt sich nirgends ein Festliegen der Ursachen. Die Erde usw. ist infolge einer Veranderung ihres Eigenwesens Page #17 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie 17 (svabhavaparinamena) Ursache fur das Entstehen des Keimes, weil man bei ihrer Bearbeitung (samskara) an ihm die Besonderheiten (des Wachstums etc.] beobachtet. Wenn man annimmt, dass dies ebenso (geschieht], wie der Kontakt von Sinneswerkzeug und Objekt Ursache der Erkenntnis ist, [so ist darauf zu antworten: ] Nein, weil auch dies auf Grund einer [hinzukommenden] Besonderheit geschieht. [Gegebenheiten,] die fur sich genommen unfahig sind, wurden auch in ihrer Vereinigung unfahig sein, wenn nicht ein Zuwachs des Eigenwesens eintrate (svabhavatisaye). Daher ist ein solcher Zuwachs erwiesen. Daher ergibt sich, dass jene Gegebenheiten, die fur sich genommen unfahig sind, in der Vereinigung Ursache sind, falls in ihnen eine [neue] Eigenschaft entsteht, nicht aber Gott der Herr usw., weil er (von Gegebenheiten, die untatig sind), nicht unterschieden ist." 29) Die wesentliche Frage, der Dharmakirti in dieser Argumentation nachgeht, betrifft das Verhaltnis zwischen der Vorstellung eines ewigen, unabhangigen Gottes und der Aussage, dass dieser Gott Ursache der Welt ist, eine Frage, die eng mit dem Gottesbeweis des Nyaya verbunden ist, wenn man etwa an die Worte Uddyotakaras denkt: ,,Durch denselben Beweis, durch welchen das Ursache-Sein von Gott dem Herrn bewiesen ist, wird auch seine Existenz erwiesen, denn eine nicht existierende Ursache gibt es nicht." 30) In der vorliegenden Beweisfuhrung dreht Dharmakirti diesen Satz um und zeigt, dass dieser Gott nicht Ursache der Welt sein kann und daher auch nicht existiert. Zu diesem Zweck wirft Dharmakirti die Frage auf, warum man von Gott die Aussage macht, dass er Ursache ist, wo er doch ebenso gut nicht Ursache sein konnte. Wie bereits erwahnt, ist das ,,Wirkung-Ursache-Sein" der Dinge konstant. Was ist aber der eigentliche Grund dieser Konstanz? Und wieso kann man daher sagen, dass ein Seiendes Ursache eines anderen ist? Dharmakirti erortert dieses Problem an anderer Stelle in einem interessanten Zusammenhang: ,,Etwas, das keine, Ursache hat", schreibt er im Kapitel uber die Schlussfolgerung seines Pramanavarttikam, ,,ist, da es von anderem unabhangig ist, entweder ewig seiend oder uberhaupt nicht. Denn das gelegentliche Entstehen der Dinge geschieht in Abhangigkeit." In 29) PV I, 23-30. 30) Vgl. Anm. 14. NUMEN XII Page #18 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 18 Gerhard Oberhammer seinem eigenen Kommentar zu diesem Vers geht er der Frage nach, worin diese Abhangigkeit besteht: ,,... Dinge, die gelegentlich entstehen, entstehen infolge einer Abhangigkeit, und zwar deshalb, weil der Zeitpunkt ihrer Entstehung beziehungsweise Nichtentstehung die Eignung beziehungsweise Nichteignung besitzt, sie hervorzubringen. Waren namlich Ort und Zeit in gleicher Weise geeignet beziehungsweise nicht geeignet, dann wurde die feste Zuordnung dieser beiden, eine solche (Eignung) zu haben beziehungsweise nicht zu haben, fehlen. Und was sollte diese Eignung anderes sein als das Ursache-Sein? Darum wird ein Ding, das unter Vermeidung eines bestimmten Ortes und einer bestimmten Zeit an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit in Existenz tritt, von diesen abhangig genannt. Darum namlich: Allein auf diese Weise ist das Vorhandensein (vrttih) abhangig, denn etwas, das nicht von einer durch ein anderes bewirkten Unterstutzung abhangt, ist auf dieses andere nicht fest hingeordnet. Wo daher Rauch auf Grund seiner festen Zuordnung an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit einmal beobachtet wurde, beziehungsweise bei Unvollstandigkeit (dieser Umstande) nicht beobachtet wird, wird sein Eigenwesen dadurch hervorgebracht, da er anderenfalls auch dieses eine Mal nicht existieren wurde. Ist dieser aber darauf [= Feuer] hingeordnet (tatpratini yatah), wie konnte er anderswo sein ? Ist er aber anderswo), dann durfte er kein Rauch sein. Denn Rauch ist jenes besondere Eigenwesen, welches dadurch [= Feuer] hervorgebracht ist. Ebenso ist seine Ursache jenes Eigenwesen, welches eine derartige Wirkung (= Rauch] hervorbringt." 31) Fur den vorliegenden Zusammenhang der Erorterung der Vorstellung von einem ewigen Schopfergott ist die Uberlegung entscheidend, dass dem Zeitpunkt, in dem die Wirkung entsteht, die Eignung zukommen muss, diese Wirkung hervorzubringen. In diesem Gedanken ist das Seiende, sofern es seiend und kontingent ist, grundsatzlich gedeutet als ein sukzessives System sich kausal bedingender Gegebenheiten, welche jeweils in jenem Augenblick verursacht werden, in dem alle fur ihre Entstehung notwendigen Gegebenheiten vollstandig anwesend sind, und welche daher erst in jenem Augenblick entstehen, in welchem diese bedingenden Gegebenheiten vollstandig sind. ,,Ursache" ist somit lediglich ein ,,Querschnitt" dieses Systems in einem 31) PVS p. 22, 20 ff. Page #19 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie 19 bestimmten Zeitpunkt, und zwar so, dass der ,,Querschitt" dieser kausalbedingten Existenz-Sukzession im Zeitpunkt A die Ursache ist fur die durch den Querschnitt" im Zeitpunkt A + i bestimmten Gegebenheiten. Wenn daher im vorliegenden Falle die Welt in einem bestimmten Zeitpunkt entsteht - auch wenn nach Lehre des Nyaya ihre Bauelemente ewig sind -- dann muss den raum-zeitlichen Gegebenheiten im Augenblick ihrer Entstehung die Eignung zukommen, die Welt hervorzubringen. Diese raum-zeitlichen Gegebenheiten sind die ,,Ursache" der Welt. Wenn sie aber Ursache der Welt sind, dann muss ihr Eigenwesen darauf hingeordnet sein, die Welt hervorzubringen, und die durch sie verursachte Welt muss in ihrem Eigenwesen darauf hingeordnet sein, von diesen hervorgebracht zu werden. Ware dies nicht so, dann konnte die Welt nur ewig oder uberhaupt nicht sein. Denn ,,etwas, das keine Ursache hat, ist, da es von anderem unabhangig ist, entweder ewig seiend oder uberhaupt nicht. Denn das gelegentliche Entstehen der Dinge geschieht in Abhangigkeit". Das ,,Entstehen in Abhangigkeit" hangt aber von der. Eignung gewisser zeitlicher Gegebenheiten ab. Ist nun Gott jene Gegebenheit, welcher im Zeitpunkt der Weltentstehung diese Eignung zukommt, wie der Nyaya annimmt? ,,Wenn ein und dasselbe Ding Ursache und ebenso Nicht-Ursache ist", schreibt Dharmakirti, ,,weshalb wird dieses dann als Ursache betrachtet und nicht vielmehr als Nicht-Ursache?" Was ist der Grund dafur, dass man Gott als jene Gegebenheit betrachtet, welche die Eignung besitzt, die Welt hervorzubringen? Die Welt entsteht in Abhangigkeit, d.h. in einem bestimmten Zeitpunkt. Wenn Gott jene Gegebenheit ware, welche diesem Zeitpunkt die Eignung, die Welt hervorzubringen, verleihte, dann musste die Welt bereits seit Ewigkeit her entstanden sein, weil Gott ewig ist. Wollte man trotzdem annehmen, dass Gott die Welt in einem bestimmten Zeitpunkt hervorbringe, dann ware dies eine leere Behauptung, wie wenn man sagte, dass die Verwundung des Caitra durch einen Pfosten bewirkt sei, der damit in keiner Beziehung stehe. Wenn man aber annahme, dass Gottes Eigenwesen vor Erschaffung der Welt die Eignung nicht besass, die Welt hervorzubringen, und er trotzdem in einem bestimmten Zeitpunkt Ursache der Welt sein sollte, dann konnte dies nach Dharmakirtis Kausalitatsauffassung ledig Page #20 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 20 Gerhard Oberhammer lich dadurch geschehen, dass das Eigenwesen Gottes einen Zuwachs erfuhre, der es in diesem Zeitpunkt befahigte, Ursache der Welt zu sein. Denn Gegebenheiten, die fur sich genommen unfahig sind, wurden auch in ihrer Vereinigung unfahig sein, wenn nicht ein Zuwachs des Eigenwesens eintrate ...". Selbst wenn also das Wirken Gottes von der Anwesenheit anderer Umstande abhinge, etwa Atomen, Verdienst und Schuld usw., so wurde doch die Tatsache bestehen bleibe, dass jede einzelne dieser Ursache fur sich genommen unfahig ist, die Welt hervorzubringen. Wenn sich daher bei ihrer Vereinigung im Zeitpunkt des Hervorbringens der Welt nicht eine neue Situation ergabe, waren sie auch in dieser Vereinigung unfahig. Damit kann aber nur das Neue, das im Zeitpunkt der Weltentstehung die Eignung besitzt, diese hervorzubringen, als Ursache angesprochen werden. Wenn also dieses Neue im Eigenwesen Gottes enthalten sein sollte, was notwendig ware, um Gott als Ursache der Welt aufzufassen, dann musste sich Gottes Eigenwesen in irgendeiner Form verandern. Fur eine ewige Substanz ist aber eine Veranderung auch in Form eines Zuwachses des Eigenwesens undenkbar. Durch die Annahme, dass Gott Ursache der Welt sei, wurde weiters das Ursache-Sein naturlicher Gegebenheiten, wie das Ursache-Sein Gottes selbst, als erkennbares Faktum aufgehoben werden. Geht man namlich von der Analyse des Seienden aus, so ergibt sich folgendes. Der ,,Querschnitt" von Seinsgegebenheiten, der mit dem gegenwartigen Zustand der Welt identisch ist, ist durch die Seinsgegebenheiten des ,,Querschnittes" im unmittelbar vorhergehenden Zeitpunkt kausal bedingt usw., es lasst sich in dieser Kausalkette von Seinsgegebenheiten keine Lucke und eigentlich auch kein Ende finden. Mit anderen Worten, es muss sich grundsatzlich fur jeden beliebigen Augenblick des Weltprozesses ein ,,Querschnitt" von Seinsgegebenheiten angeben lassen, durch den dieser kausal bedingt ist. Da nun jeder ,,Querschnitt" die Eignung besitzen muss, die Seinsgegebenheiten des nachstfolgenden hervorzubringen, und zwar in sich ohne Zutun Gottes, da Gott ja in jedem Augenblick in gleicher Weise anwesend ist. So sind zum Beispiel Erde, Wasser, Licht usw. die empirisch-methodisch feststellbaren Ursachen fur das Wachstum des Samens. Wollte man an Stelle dieser Ursachen Gott als Ursache annehmen, dann wurde jede Konstanz des Wirkung-Ursache-Seins aufgehoben werden, weil man dann, ein ,,unverifizierbares" Element den ,,verifizierbaren" Ursachen substi Page #21 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie 21 tuierte, und man dann nicht mehr aus einer bestimmten Wirkung ihre bestimmte Ursache erschliessen konnte, damit aber auch nicht Gott selbst als Ursache der Welt. Denn wenn man etwas anderes als jene [Gegebenheiten), bei deren Existenz etwas existiert, als dessen Ursache annimmt, dann ergibt sich nirgends ein Festliegen der Ursachen." Dieses Argument trifft die Gottesvorstellung des Nyaya entscheidend, insofern der Nyaya Gott als eine seiende Ursache einer Umwandlung raumzeitlicher Gegebenheiten auffasst und als solche zu beweisen sucht, wodurch Gott aber nicht von den naturlichen" Ursachen der Dinge unterschieden wird. Zwar scheint der Gedanke, dass Gott die veranlassende Ursache der Welt ist, diesem Einwand die Scharfe zu nehmen, doch bleibt bei Beibehaltung des Gottesbegriffs des Nyaya die grundsatzliche Schwierigkeit bestehen, dass die Annahme Gottes als ,,seiende" Ursache der Welt im Sinne der Forderung nach ,,Verifizierbarkeit" des Kausalverhaltnisses, eine petitio principii ist. Denn das Wesen der Welt steht mit dieser in keiner wesensnotwendigen Beziehung, sondern in einer faktischen, die aber erst nachgewiesen werden musste. Es scheint namlich Wirkungen zu geben, die nicht durch eine erkennende Ursache hervorgerufen werden, wie zum Beispiel Graser, Baume usw., welche alle ihre spezifischen Ursachen haben, die zu deren Produktion genugend sind. Um mit Recht Gott als Ursache der Welt anzunehmen, musste man wenigstens nachweisen, dass das Begriffssystem der Kausalitatslehre des Nyaya, welches unverkennbar aus der Analyse des freien Schaffens des Menschen gewonnen ist, notwendig auf jedes WirkungUrsache-Sein anzuwenden ist und daher jede Wirkung einer veranlassenden Ursache bedarf. Selbst dann aber wurde daraus nicht folgen, dass diese veranlassende Ursache Gott ist, d.h. ein einziges, ewiges und allwissendes Wesen, das Herr des Alls sei. 32) Nahme man ausser 32) Dies wendet z. B. der mit Dharmakirti ungefahr zeitgenossische Mandana Misra in seinem Vidhivivekah ein: ,,Wenn auch erwiesen ware, dass alles, was Zusammensetzung etc. besitzt, eine mit Erkenntnis versehene Ursache hat, wodurch soll durch 'Zusammensetzung' etc. erwiesen sein, dass es sich um einen einzigen Urheber handelt?" Vidhivivekah srimad-Acarya-Mandanamisra-viracitah pujyapadasrimad-Vacaspatimisra-nirmitaya Nyayakanikakhyaya samalankstah etc. Kasyam 1907, p. 210. - Tatsachlich konnte man sich vorstellen, dass die geistigen Wesen in der Welt durch ihr karma selbst veranlassende Ursache der neuen Weltperiode waren, oder dass mehrere gottliche Wesen im Sinne des Polytheismus veranlassende Ursache des Weltprozesses waren. Page #22 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 22 Gerhard Oberhammer dem an, dass jede Wirkung einer veranlassenden Ursache bedurfe, so wurde daraus ein,,naturphilosophischer Okkasionalismus" folgen, insofern dann jedes ,,Wirkung-Ursache-Sein" im physikalisch-chemischen Bereich Gott als veranlassende Ursache benotigte. Denn es wurde nicht deutlich sein, warum Gott nur am Beginn der Welt als veranlassende Ursache notig ware, wenn eine solche Ursache bei jeder Wirkung gegeben sein musste. Ein solcher Okkasionalismus wurde vom Nyaya jedoch nie entwickelt, soweit sich aus der sparlich erhaltenen Literatur des Systems schliessen lasst. III Dharmakirtis Kritik an der logischen Moglichkeit des Gottesbeweises, uber welche die gegnerische Polemik in diesem Punkte nie wesentlich hinausgekommen ist, beschaftigte den Nyaya noch Jahrhunderte spater. In der philosophischen Auseinandersetzung mit dieser Kritik wendete sich der Nyaya hauptsachlich dem Problem des Gottesbeweises zu, wahrend die Rechtfertigung des Begriffes eines ewigen Schopfergottes nie zu einer vollentwickelten Theodizee wurde, sondern in gewissen Ansatzen stecken blieb. 33) Dies durfte darauf zuruckzufuhren sein, dass die Kritik Dharmakirtis am Begriff eines Schopfergottes ihre volle Scharfe nur unter Voraussetzung seines Kausalitatsbegriffes und der buddhistischen Lehre vom,,Sein" der Dinge als kausal bedingter Sukzession verganglicher Gegebenheiten (pratityasamut padah, ksanabhangavadah) erhalt. Beides wurde aber vom Nyaya abgelehnt. Ausfuhrlich beschaftigte sich aber der Nyaya mit dem Nachweis der logischen Moglichkeit des Gottesbeweises. Diese Rechtfertigung. wurde grundsatzlich moglich, indem der Nyaya der Allgemeinvorstellung (kalpana) Dharmakirtis allgemeine, objektive Seinsstrukturen (samanyam) gegenuberstellte, und den logischen Nexus in der Schlussfolgerung nicht wie Dharmakirti in einer empirisch-methodisch,,verifizierbaren" Beziehung zwischen realen Gegebenheiten sah, sondern in einer wesensnotwendigen Beziehung dieser objektiven Seinsstrukturen. Als dritter Schritt der vorliegenden typologischen Studie soll 33) So entwickelt noch vor Dharmakirti Uddyotakara seine Lehre, dass Gott kraft seiner Natur (tatsvabhavyat) wirke, und er daher ein Wesen habe, zu dessen Natur das Wirken gehore (pravrttisvabhavakam tattattvam). Gott wirke nur deshalb nicht standig, weil er infolge seines Erkennens den Zeitpunkt abwarte, an dem alle notwendigen Mitursachen gegeben sind. NV p. 492, 17 ff. Page #23 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie 23 daher jene Rechtfertigung des Gottebeweises in der altesten erhaltenen Form vorgelegt werden, welche mit der im Nyaya vorherrschenden Grundlegung der Schlussfolgerung arbeitet, namlich die Rechtfertigung des Gottesbeweises, wie sie sich fur Trilocana 34) erschliessen lasst. Soweit aus den durftigen Fragmenten von Trilocanas Werk zu erkennen ist, setzt dieser Nyaya-Denker mit einer Neubegrundung der Schlussfolgerung ein, welche auch die Rechtfertigung des Gottesbeweises ermoglicht. Das ,,Wirkung-Sein" als logischer Grund (karyahetuh), worum es im Zusammenhang des Gottesbeweises allein geht, war so, wie es Dharmakirti konzipiert hatte, grundsatzlich ungeeignet, nicht-empirische Realitaten und Prinzipien erkennen zu lassen. Dieser Umstand lag nicht in einer logischen Problematik begrundet, sondern in einer erkenntnismetaphysischen. Die Allgemeinvorstellung im erkennenden Subjekt (kal pana) besass nach Dharmakirti einen Wahrheitsgehalt nur sofern und nur soweit, als ihr ein Konkretum (svalaksanam) entsprach, auf das sie verwies. In sich war sie ohne jeden Wahrheitsgehalt. Damit hatte die Schlussfolgerung, die grundsatzlich mit solchen Allgemeinvorstellungen arbeiten musste, nur in jenem Bereich der menschlichen Erkenntnis Gultigkeit, in welchem die sinnliche Wahrnehmung (pratyaksam) Individuen und ihre Eigenschaften erkennen liess, mit anderen Worten nur im Bereich der Empirie und des praktischen Handelns. Damit war aber weiters die Schlussfolgerung auf Grund von Dharmakirtis Erkenntnismetaphysik so interpretiert worden, dass sie prinzipiell ungeeignet war, einen Gottesbeweis zu gewahrleisten. Dieser konnte daher nur dann logisch gerechtfertigt werden, wenn Dharmakirtis Grundlegung der Schlussfolgerung neu durchdacht und kritisch untersucht wurde. Trilocana scheint bei dieser neuen Grundlegung der Schlussfolgerung auf Untersuchungen von Sankarasvamin 35) aufgebaut zu haben, der die Notwendigkeit des logischen Nexus auf das ,,Getrennt-nicht-Vorkommen" (avinabhavah) von zwei Seienden aufgebaut zu haben scheint. Trilocana selbst scheint offenbar im Anschluss an diese Lehre 34) Trilocana ca um 800 n. Chr. ist mit Sankarasvamin, Bhasarvajna und Vacaspatimisra nach dem Zeugnis Jnanasrimitras eine der vier ,,Saulen" des alten Nyaya. Vgl. J p. 159, 8-9. 35) Vgl. E. Steinkellner: Augenblicklichkeitsbeweis und Gottesbeweis bei Sankarasvamin. Dissertation Wien 1963, vorallem pp. 82-113, sowie zur Datierung dieses Lehres, ca. 730-790 n. Chr., ibidem p. 115 ff. Page #24 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 24 Gerhard Oberhammer seine eigene Lehre von der ,,Abhangigkeit des Wesens" (svabhavikah sambandhah) entwickelt zu haben. Was ist unter dem Terminus ,,Abhangigkeit des Wesens" mit Trilocana zu verstehen? Zunachst und grundsatzlich eine Beziehung zwischen Gemeinsamkeiten (samanyam) und nicht zwischen individuell Seiendem, wobei unter Gemeinsamkeit eine objektive Seinsstruktur gemeint ist, die zwar an einem bestimmten Seienden erkannt wird, die aber einer Reihe von Individuen gemeinsam ist und dadurch eine Gattung konstituiert. Dieser Gemeinsamkeit kommt daher, in Unterschied zur buddhistischen Allgemeinvorstellung ein objektiver Wahrheitsgehalt an sich zu und nicht erst, insofern die Wahrnehmung ein Konkretum vermittelt. Zu dieser Frage findet sich ein hochinteressantes Fragment aus Trilocanas Polemik gegen die buddhistische Auffassung der Schlussfolgerung: ,,Da Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung nur Besonderes (visesah) zum Gegenstand hat, wie kann durch sie eine Verbindung zwischen zwei Gemeinsamkeiten (samanyam) erkannt werden? - (Gegner): Lediglich die Verbindung von dem im Nicht-Rauch Fehlenden mit dem im Nicht-Feuer Fehlenden wird erkannt. - [Antwort: Der Gegenstand welches Erkenntnismittels ware selbst diese (Verbindung]? Zunachst nicht der Wahrnehmung (pratyaksam), da diese nur das Gegebene (svalaksanam) zum Gegenstand hat. Aber auch nicht der Schlussfolgerung (anumanam), weil auch diese jene zur Voraussetzung hat; noch kommt dem Fehlen zweier [Gegebenheiten] eine Verbindung zu. Sollte schliesslich) eine Vorstellung (vikal pah), die auf der Wahrnehmung beruht (pratyaksaprsthabhavi), das Nichtunterschiedene begrenzend festlegen (adhyavasyati), wenn das Unterschiedene wahrgenommen ist, und ware eben diese [Vorstellung] die Gemeinsamkeit, so ware ebenfalls nicht das Reale (vastu) Gegenstand der Vorstellungen, sondern dessen Form als Erkenntnisinhalt (grahyakarah). Diese ist aber nicht das Reale. Da nun das Reale diesen (Vorstellungen] transzendent (paroksam) ist, wie soll dadurch dann eine Verbindung erkannt werden? Fur uns aber wird die Verbindung derartiger [Gemeinsamkeiten] durch das Denken (manas) erkannt, das durch mehrfache Beobachtung unterstutzt ist. Und deshalb verfehlt der Rauch (als logischer Grund] nicht das Feuer. Wurde er es aber verfehlen, dann wurde er eine Ver Page #25 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie 25 bindung, die von einer zusatzlichen Bedingung frei ist (u padhirahitah), uberschreiten. Das Erkenntnismittel, welches den Zweifel hinsichtlich des Vorkommens des logischen Grundes im Vipaksa behebt, ist die ,,Nichtwahrnehmung" genannte Wahrnehmung. Sie ist der Grund fur das Freisein (des logischen Grundes] von einer zusatzlichen Bedingung (upadhih), die das Merkmal der Wahrnehmbarkeit erlangt hat. Daher ist die 'Abhangigkeit des Wesens' (svabhavikah sambandhah) erwiesen." 36) In diesem Fragment wird deutlich, was die ,,Abhangigkeit des Wesens", durch die zwei Gemeinsamkeiten logisch verbunden sind, ihrer Natur nach ist. Bemerkenswert ist namlich die Feststellung, dass diese Abhangigkeit nicht empirisch-methodisch ,,verifizierbar" ist, sondern durch eine Einsicht denkend erkannt wird. 37) Es ist namlich das Denken (manas), durch das die ,,Abhangigkeit des Wesens" erkannt wird, indem es sich auf die Gemeinsamkeiten selbst richtet. 36) but clenkerischere drift ist in Wahrnehmung adat ein direkte naugur besteht aber keinen ker einen greates hervor, Objekt festsele tenken. Grupia ane auf keinen kann, ganz analogelehrt, dass die, w 37) Mit ,,denkerischer Einsicht" u.a. gebe ich den Begriff des manasa pratyaksam wieder. Dieser Begriff ist in der Nyaya-Schule nicht ungebrauchlich und ist eigentlich historisch exakt als ,,Wahrnehmung durch das Denkorgan" zu bestimmen, wobei Wahrnehmung im Sinne des Nyaya ein direktes sinnliches Erkennen meinen durfte. Dieser Umstand, wird durch die hier gegebene Ubersetzung als ,,Denkerische Einsicht" zum Teil verschleiert. Vgl. zur Deutung des manasapratyaksam B. Gupta : Die Wahrnehmungslehre in der Nyayamanjari. Inauguraldissertation Bonn 1962 pp. 54 ff. Nun besteht aber kein Zweifel, dass die Wahrnehmung durch das Denkorgan auch fur den Nyaya-Denker einen anderen Charakter besitzt als jene vermittels der Sinnesorgane. Dies geht etwa daraus hervor, dass das Denkorgan nicht wie die ausseren Sinnesorgane auf ein bestimmtes Objekt festgelegt ist, sondern dass es alles zum Gegenstand haben kann, ganz analog zum Denken. Gupta ibid. Anmerkung 138. - Ausserdem wird ausdrucklich gelehrt, dass die Wahrnehmung durch das Denkorgan nur im Anschluss an die gewohnliche sinnliche Erkenntnis Erkenntnisse uber Dinge der Aussenwelt vermittelt. Gupta ibid. Anmerkung 143. Allerdings scheint es wahrscheinlich, dass diese Einschrankung noch nicht von Trilocana gemacht wurde. Denn Vacaspatimisra bringt in seiner Polemik gegen Trilocana's Wahrnehmung durch das Denkorgan als Erkenntnismittel fur die ,,Abhangigkeit des Wesens" (NVTT p. 166, 19 ff) gerade jene Einwande vor, die, durch diese Einschrankung vermieden werden. Es ist daher anzunehmen, dass diese erst nach Vacaspatimisra vorgenommen wurde, um derartige Einwande auszuschalten. Doch der Umstand, dass diese Einschrankung vorgenommen werden konnte und die Wahrnehmung in diesem praziseren Sinn gefasst werden konnte, zeigt, dass diese immer schon von der gewohnlichen sinnlichen Erkenntnis unterschieden wurde. Es scheint daher gerechtfertigt, die Wahrnehmung durch das Denkorgan im Kontext einer typologischen Studie als ,,denkerische Einsicht" zu formulieren. Page #26 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 26 Gerhard Oberhammer ,,Einige sagen, dass die Wahrnehmung durch das Denkorgan (manasam pratyaksam) den logischen Zusammenhang (pratibandhah) erfasst. Wenn man durch Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung den Rauch als mit dem Feuer zusammen vorkommend und im Nicht-Feuer fehlend beobachtet hat, wird durch das Denkorgan erkannt, dass der Rauch notwendig mit dem Feuer verbunden ist. Oder von wem wird nicht zugegeben, dass das Denkorgan, welches alles zum Gegenstand haben kann, auch einen fernen Gegenstand erkennen kann? - Und dazu ist nicht eine Wahrnehmung vonnoten, die sich auf alle in den Kluften der drei Welten verborgenen Individualfalle von Rauch und Feuer richtet, denn das Erkennen der Umfassung (vyaptih) hangt von der Gemeinsamkeit 'Feuertum' usw. ab." 38) Es handelt sich also deutlich um das denkende Erfassen einer Beziehung zwischen ,,Gemeinsamkeiten", die nahegelegt wird durch die Wahrnehmung des gemeinsamen Vorkommens konkreter Falle, denen die betreffenden Gemeinsamkeiten inharieren, beziehungsweise des Nichtvorkommens des einen Falles beim Fehlen des anderen. Dass es sich bei dieser Beziehung um eine innere, notwendige Abhangigkeit der einen Gemeinsamkeit von der anderen handelt, wird dadurch erkannt, dass ausser den Realitaten, denen die zueinander in Beziehung gesetzten Gemeinsamkeiten inharieren, keine andere Realitat festgestellt werden kann, deren Gemeinsamkeit die ermoglichende Bedingung der in Beziehung zueinander gesetzten Gemeinsamkeiten ware. Wenn also die Abhangigkeit zwischen diesen Gemeinsamkeiten, durch keinen dritten Umstand bedingt ist, kann diese nur durch die beiden Gemeinsamkeiten selbst bedingt sein. Es kann sich daher nur um eine ,,Abhangigkeit des Wesens" handeln. Wurde eine solche Verbindung aber in gewissen Fallen uberschritten werden, so musste man einerseits annehmen, dass diese Verbindung, da es sich um ,,Abhangigkeit des Wesens" handelt, durch keine zusatzliche Bedingung hervorgerufen ist, und dass andererseits, da die Verbindung uberschritten wird, diese Verbindung im Falle der Nichtuberschreitung durch eine zusatzliche Bedingung hervorgerufen ist. Eine solche Annahme ist, da sie widerspruchlich ist, nicht moglich und daher ist die ,,Abhangig 38) NM I, P. III, 1-6. Die Ubereinstimmung dieser von Jayanta anonym uberlieferten Lehre mit dem Fragment Trilocanas ist so, dass man mit Sicherheit annehmen darf, dass Jayanta hier auf die Lehre Trilocanas Bezug nimmt. Page #27 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie 27 keit des Wesens" als innerlich notwendig erwiesen. Allein diese Abhangigkeit ist wegen der inneren Notwendigkeit, die durch denkerische Einsicht von ihr erkannt ist, Grundlage der Schlussfolgerung. Dieses Schema der inneren Notwendigkeit der ,,Abhangigkeit des Wesens" hat Trilocana von der Beziehung zwischen zwei Gemeinsamkeiten auf die Beziehung von Gemeinsamkeit und Besonderheit ubertragen, indem er nach einer innerlich notwendigen Beziehung zwischen Gemeinsamkeit und Besonderheiten suchte. Eine solche Beziehung fand er in der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen." (vastavah pratibandhah). Er verstand darunter eine Abhangigkeit, welche dadurch gegeben war, dass gewisse Besonderheiten einfach durch das Inharieren einer Gemeinsamkeit in einem Realen gegeben sein mussen, soll diese Gemeinsamkeit dem bestimmten Fall uberhaupt inharieren konnen. Diese Abhangigkeit ist, sowie die ,,Abhangigkeit des Wesens", absolut notwendig, aber nicht wegen einer Wesensstruktur, sondern wegen des faktischen Realisiertseins dieser Wesensstruktur in einem besonderen Falle. ,,Jene Besonderheit, mit der diese [Gemeinsamkeit] durch 'Abhangigkeit auf Grund des Realen' verbunden ist, ... muss notwendig erkannt werden, falls die Gemeinsamkeit erkannt wird, da bei deren Negierung, auch die Gemeinsamkeit negiert werden wurde." 39) Mit der Lehre von diesen zwei notwendigen Beziehungen hatte Trilocana die Grundlage geschaffen, um Dharmakirtis Kritik des Gottesbeweises den Boden zu entziehen. Er konnte nunmehr zeigen, dass es im Falle des Gottesbeweises gar nicht notwendig war, das ,,Wirkung-Ursache-Sein" im Sinne von Dharmakirtis Nominalismus fur den speziellen Fall von Welt und Gott zu,,verifizieren", bevor man es zur Grundlage des Gottesbeweises machte. Vielmehr genugte es, die,,Abhangigkeit des Wesens" zwischen der Gemeinsamkeit,,Wirkung" und der Gemeinsamkeit,,Einen-geistigen-Urheber-Haben" nachzuweisen, indem man zeigte, dass die Abhangigkeit zwischen diesen Gemeinsamkeiten nicht durch eine zusatzliche Bedingung verursacht war. War diese Abhangigkeit nachgewiesen, dann konnte uberall aus der Gemeinsamkeit,,Wirkung" ein geistiger Urheber erschlossen werden, auch dort, wo dieser niemals empirisch-methodisch nachzuweisen war. 39) Vgl. Anm. 43. Page #28 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 28 Wodurch erkennt man denn, dass im Falle von Topfen usw. das 'Entstehen' von dem 'Eine-geistige-Ursache-Haben' [logisch] umfasst ist?" schreibt er in einem Fragment seiner Manjari. -,,Weil man die Erkenntnis, dass sie gemacht sind, als logischen Grund gebraucht? Nun denn, dann muss der besondere Umstand genannt werden, welcher im Falle der Elemente etc. nicht gegeben ist, und durch den allein Topfe usw. die Erkenntnis 'gemacht' entstehen lassen, nicht aber die Elemente. Die Beobachtung der Tatigkeit des Urhebers kann dieser besondere Umstand nicht sein, weil auch jemand, der diese Tatigkeit nicht sieht, zugibt, dass die Erkenntnis 'gemacht' als logischer Grund [Geltung] hat. Ist die Ausdehnung 'Grosse' dieser besondere Umstand? Auch diese wird in den Elementen wegen der Besonderheiten wie Vielheit der Ursachen, Grosse und Quantitat beobachtet. Das Gemachtsein selbst kann aber nicht als besonderer Umstand angegeben werden, weil auch im Falle von Erde usw. das In-ExistenzTreten eines noch nicht Existenten, welches durch das Einer-UrsacheInharieren bestimmt ist, von dem der Topfe usw. nicht unterschieden ist. Ein anderer besonderer Umstand als dieser, durch den allein Topfe usw. die Erkenntnis des Gemachtseins hervorrufen, nicht aber die Erde usw., kann auch durch Sakra 40) nicht ausgedacht werden." 41) In diesem Suchen nach einem besonderen Umstand, durch den das Gemachtsein von Erde usw. von dem der Topfe usw. Unterschieden ist, zeigt sich deutlich das Bestreben, die Beziehung der Gemeinsamkeit 'Gemachtsein' zu der Gemeinsamkeit 'Einen-geistigen-Urheber-Haben" als,,Abhangigkeit des Wesens" nachzuweisen, indem gezeigt wird, dass es keine zusatzliche Bestimmung (upadhih) gibt, der zufolge im Falle der Topfe usw. wohl die Gemeinsamkeit,,Einen-geistigen-Urheber-Haben" von der Gemeinsamkeit,,Gemachtsein" abhangt, im Falle der Erde usw. aber nicht. Wenn es aber keine solche zusatzliche Bedingung gibt, dann muss man in jedem Falle, wo die Gemeinsamkeit ,,Gemachtsein" (= Wirkungsein) festgestellt wird, schliessen, dass das Reale, dem diese Gemeinsamkeit inhariert, einen geistigen Urheber hat, welcher Art dieser Urheber auch immer sei. Daher muss auch die Welt einen geistigen Urheber haben. Mit diesem im Unterschied zu Uddyotakaras Gottesbeweis nunmehr kritisch begrundeten Beweis dw Gerhard Oberhammer - 40) Sakra ist ein Name des Gottes Indra. 41) J p. 236, 16-23. Page #29 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie ist allerdings noch nicht Gott als einzige, allwissende, ewige und allvermogende Ursache der Welt nachgewiesen, sondern nur das ,,Einegeistige-Ursache-Haben" der Welt im allgemeinen. Durch die,,Abhangigkeit auf Grund des Realen" ist aber notwendig abzuleiten, dass im konkreten Fall der Welt diese Ursache nur allwissend sein kann etc... 29 Auch zu diesem Problempunkt ist ein Fragment aus Trilocanas Werk erhalten:,,Dies (d.h. der vom Gegner vorgebrachte Einwand) ist nicht so, weil wir nicht einen Urheber, sofern ihm Unterschiede zukommen, beweisen wollen, sondern die zu beweisende Gemeinsamkeit. Und jene Besonderheit, mit der diese durch 'Abhangigkeit auf Grund des Realen' verbunden ist, und die [im Falle Gottes] bestimmt ist als unmittelbare Erkenntnis von Material usw., muss ebenfalls notwendig erkannt werden, wenn die zubeweisende Gemeinsamkeit erkannt werden soll. Denn wurde man diese negieren, dann musste man auch die Gemeinsamkeit negieren. Nun kann man aber die zu beweisende Gemeinsamkeit nicht negieren, weil sie den Eigenschaftstrager 'Erde' usw. umfasst. 42) Dabei ist die Vielheit der Feinatome das Material, das Verdienst, welches die Form der den Seelen inharierenden Vollkommenheit besitzt, sowie Raum und Zeit sind das Instrument. Als Dativobjekt sind die Seelen und als Zweck das Geniessen [des Verdienstes] durch die Seelen bestimmt. Ein Urheber, welcher dies alles und daher das All in allen seinen Teilen unmittelbar erkennt, ist allwissend. Und nicht wird, wie vorher [vom Gegner] angeregt, in einem Beispiel gezeigt, dass dieser [als allwissender] in einer festen positiven Verbindung (anvayah) [zum logischen Grund] steht, wodurch eine Reihe von Fehlern, wie zum Beispiel, dass eine solche feste positive Verbindung 42) Kamalasila uberliefert ein anonymes Fragment eines Naiyayika, welches eine interessante Vorstufe dieses Gedankenganges Trilocanas enthalt, ohne jedoch dessen Problembewusstsein zu erreichen:,,Wenn wir den besonderen [Urheber] zu beweisen wunschten, dann wurde das zu Beweisende, wie fruher gesagt, im gleichartigen Beispiel unvollkommen sein, [doch nur solange bis] das ,,Einengeistigen-Urheber-Haben" im allgemeinen bewiesen wird. Wenn dieses erwiesen. ist, ergibt sich [von selbst] auf Grund der Umstande (samarthyat), dass Gott der Herr [ besonderer Urheber] Urheber der Baume etc. ist. Denn ein. Topfer etc. kann nicht wie im Falle der Topfe etc., Urheber sein, weil dann die Gemeinsamkeit durch eine Besonderheit bestimmt ist und fur Baume etc. kein anderer Urheber moglich ist. Auf Grund der Umstande (samarthyat), auch ohne auf die Besonderheit Bezug zu nehmen, ist daher erwiesen, dass allein. Gott der Herr ihr Urheber sein kann." TSP p. 51, 18-22. Das hier erscheinende Argument,,auf Grund der Umstande" ist deutlich eine Vorstufe zu Trilocanas Lehre von der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen". Page #30 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 30 Gerhard Oberhammer [im Beispiel] fehlt, eintrate ... ... ... Der Naiyayika verwendet nicht den Nachweis einer Besonderheit, der von einem [besonderen] logischen Grund abhangt, sondern den Nachweis einer Besonderheit, welche von selbst vermittelt ist (akrstah) durch die Abhangigkeit der zu beweisenden Gemeinsamkeit, wie auch der Buddhist, wenn die Augenblicklichkeit (der Dinge] bewiesen ist, den Beweis der Nichtexistenz der Seele durch 'Abhangigkeit auf Grund des Realen' verwendet. Denn wenn es eine ewige allgegenwartige Seele gabe, konnte man nicht die Augenblicklichkeit hinsichtlich jedes Realen erschliessen." 43) Die Leistung Trilocanas in dieser Ableitung besteht nicht im Beweis fur die Allwissendheit Gottes, ein Beweis, der in dieser Form, wenn auch unkritisch bereits ca. zweihundert Jahre fruher von Prasastamati, einem Vaisesika-Lehrer, gefuhrt wurde, sondern in der kritischen Grundlegung dieses Beweises mit Hilfe der Ableitung vermittels der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen", und zweitens -- dies ist vielleicht die entscheidende Leistung Trilocanas -- darin, dass mit Hilfe dieser Ableitung der Gottesbeweis als solcher erst vollstandig begrundet wurde. Mit Hilfe der ,,Abhangigkeit des Wesens" hatte Trilocana zunachst den Beweis begrundet, dass die Welt ganz allgemein einen geistigen Urheber haben muss. Aber erst durch die vorliegende Ableitung vermittels der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen" hatte er diesem Beweis seine Beweiskraft als Gottesbeweis kritisch gesichert, indem er durch die Abhangigkeit auf Grund des Realen jede andere nicht allwissende geistige Ursache notwendig ausschloss. Damit hatte Trilocana aber die Kritik Dharmakirtis beziehungsweise die seiner Nachfolger endgultig uberwunden, indem er zeigte, dass zum Nachweis des besonderen Urhebers der Welt kein selbstandiger Beweis gefuhrt zu werden brauchte, dessen logischer Nexus, wie Dharmakirti gefordert hatte, erst ,verifiziert" werden musste, sondern dass vielmehr der besondere Urheber der Welt, sobald ein geistiger Urheber fur sie im allgemeinen erwiesen war, durch eine einfache Ableitung - eigentlich ein prasangah (Ruckfuhrung auf eine Unmoglichkeit) - vermittels der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen" notwendig gewonnen werden konnte. Um die vorliegende Darstellung von Trilocanas Grundlegung des 43) J p. 239, 17-240, 18. Page #31 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie 31 Gottesbeweises abzuschliessen sei noch ein kurzer logischer Exkurs angefugt. Man muss sich namlich fragen, wie sich Trilocanas Lehre von der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen" formallogisch ausdrucken lasst, beziehungsweise ob Trilocana diese formallogische Formulierung seiner Lehre durchgefuhrt hat. Nun findet sich tatsachlich eine Lehre, die um 800 n. Chr., also etwa zur Zeit Trilocanas, entstanden sein muss 44) und die Jayanta in seiner Nyayamanjari folgend beschreibt 45): ,,Andere nehmen an, dass man die Besonderheit des geistigen Urhebers! genotigt durch das Dem-[konkreten)-Subjekt-Zukommen (paksadharmatabalat) erkennt. Denn eine derartige Welt etc., die sichtbar ist in mannigfaltigen Formen, die unendlich ist und die Vielfalt von Freud und Leid unendlich vieler Wesen bewirkt, kann nicht als Wirkung eines nicht-ausserordentlichen geistigen Wesens entstehen. Ebenso wie man, hat man Sandelholzrauch, der von gewohnlichem Rauch unterschieden ist, gesehen, schliesst, dass es sich um ein Feuer init Sandelholz handelt, wird man auf Grund einer unterschiedenen Wirkung auf einen unterschiedenen Urheber schliessen, (oder wie man auf Grund schoner Kleider [schliesst], dass der Weber [dieser Kleider ein geschickter Mann gewesen sein muss. -- Und wie ein Topfer, nur sofern er die Entstehungsart der Gesamtheit aller Topfe etc. sowie ihren Zweck etc. kennt, Urheber dieser gesamten Wirkungen ist, ebenso kann Gott der Herr nur Urheber (der Welt] sein, wenn er die Art von Entstehen und Vergehen, den Zweck und die Mannigfaltigkeit dieser Dreiwelt kennt, welche Mittel fur Freud und Leid einer grenzenlosen Zahl von Wesen ist. Darum ist er allwissend." 46) In diesem Text ist Trilocanas Lehre von der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen" ersetzt durch die Lehre, dass die Besonderheit ,,genotigt durch das Dem-[konkreten]-Subjekt-Zukommen" (paksadharmatabalat) der beweisenden und zu beweisenden Gemeinsamkeit 44) Soweit sich anhand der Texte feststellen lasst, muss diese Lehre in der Zeit zwischen Kamalasila (ca 740-795 n. Chr.), der sie noch nicht kennt, und dem Schuler Trilocanas, Vacaspatimisra (erste Halfte des 9. Jh. n. Chr.), der sie bereits in seinem Fruhwerk Nyayakanika behandelt, entstanden sein. 45) Da Vacaspatimisra in seiner Darstellung Lehren Trilocanas - z.B. die Lehre, dass die ,,Abhangigkeit des Wesens" durch eine denkerische Einsicht (manasa pratyaksam) festgestellt wird - aufgegeben hat, wahle ich hier die weniger ausfuhrliche Darstellung Jayantas, der offenbar wohl Trilocana, aber nicht Vacaspatimisra als Quelle verwendet. 46) NM I p. 183, 28-184, 4. Page #32 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Gerhard Oberhammer erkannt werde. Betrachtet man diese beiden Lehren naher, dann scheinen sie zwei Seiten desselben Sachverhaltes zu betreffen. Die Lehre von der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen", dass alle jene Besonderheiten notwendig als erwiesen betrachtet werden mussen, die Moglichkeitsbedingungen dafur sind, dass die fur einen realen Fall erschlossene Gemeinsamkeit diesem Fall tatsachlich inharieren kann, scheint die philosophische Begrundung zu betreffen, wahrend die Lehre von der ,,Notigung durch das Dem-[konkreten)-Subjekt-Zukommen" die Formulierung dieses selben Sachverhaltes im Begriffssystem der formalen Logik des Nyaya darstellt: Deshalb, weil die beweisende Gemeinsamkeit (= logischer Grund) und die zu beweisende Gemeinsamkeit einem Subjekt zukommen mussen (paksadharmata), kann die zu beweisende Gemeinsamkeit, sofern dieses Subjekt ein konkret Seiendes ist, im Augenblick da sie erwiesen ist, fur diesen konkreten Fall nur dann als erwiesen gelten, wenn sie durch gewisse Besonderheiten als Moglichkeitsbedingungen bestimmt ist. Daher sind durch das ,,Dem[konkreten]-Subjekt-Zukommen" der beweisenden Eigenschaft auch diese Besonderheiten mitbewiesen, ohne dass der logische Nexus der beweisenden und zubeweisenden Gemeinsamkeit fur diesen besonderen Fall neu begrundet oder mit Dharmakirti ,,verifiziert" werden musste. Da diese Lehre in der Zeit Trilocanas entstanden sein muss, und vor allem eine grundsatzliche Ubereinstimmung dieser Lehre mit Trilocanas Lehre von der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen" gegeben ist, darf mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass Trilocana in der Begrundung seines Gottesbeweises die logische Lehre von der ,,Notigung durch das Dem-[konkreten]-Subjekt-Zukommen" geschaffen hat, um seine andere Lehre von der ,,Abhangigkeit auf Grund des Realen" im Begriffssystem der Schlussfolgerungslogik auszudrucken. 47) Die in dieser Arbeit gezeichneten drei Schritte in der Entwicklung der Problematik des Gottesbeweises des Nyaya - es wurde mit Absicht nur vom Gottesbeweis und nicht von den Gottesbeweisen des Nyaya gesprochen - charakterisieren lediglich die typologisch entscheidenden Aspekte dieser Problematik, ohne die Lehre vom Gottesbeweis in ihrer vollen historischen Differenziertheit auszulegen. Der Nyaya ist uber 47) Die historisch-genetische Darstellung dieser Lehre muss einer anderen Gelegenheit vorbehalten bleiben. Page #33 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie Trilocana hinausgegangen, und selbst zur Zeit Trilocanas hat es NyayaLehrer gegeben, die gewisse Fragen anders losten. Betrachtet man aber die Auseinandersetzung hinsichtlich des Problems des Gottesbeweises im allgemeinen, so zeigt sich in dem sparlich erhaltenen Material des alteren Nyaya ein Zentrieren um eine Entwicklungslinie dieser Problematik, die auf der bei Trilocana erstmals sichtbaren Lehre von der ,,Abhangigkeit des Wesens" (svabhavikah sambandhah) zuruckgeht, und die es als berechtigt erscheinen lasst, die davon abweichenden Auffassungen als Nebenentwicklungen zu bestimmen. Diese Entwicklungslinie geht, soweit sich beurteilen lasst, von Trilocana uber Vacaspatimisra und Bhasarvajna zu Udayana, dem letzten grossen Lehrer des alten Nyaya, und scheint, soweit es den Typus betrifft, die grundsatzlichen Zuge, die sie von Trilocana erhalten hat, zu bewahren. Inwieweit die in dieser Skizze dargelegte Problematik des Gottesbeweises fur die spekulative Durchdringung des Problems einen Beitrag leisten kann, entzieht sich dem Urteil des Historikers indischer Philosophie. Doch verdient jedenfalls die Deutlichkeit Beachtung, mit der die Konsequenzen fur die Lehre vom Gottesbeweis zum Ausdruck kommen, die sich aus der unkritischen Bestimmung Gottes als ,,Seiendes" beziehungsweise als ,,Ursache" ergeben, sowie die Bedeutung, welche einerseits die Erkenntnismetaphysik fur die Grundlegung der Logik und andererseits die Grundlegung der Logik fur die Moglichkeit des Gottesbeweises hat. Wie das Beispiel der buddhistischen Denker zeigt, ist es moglich, ein System der Logik zu entwerfen, mit dem im Bereich des Seienden einwandfrei gearbeitet werden kann, das aber apriori die Moglichkeit eines Gottesbeweises ausschliesst. Verwendete Ausgaben und Abkurzungen: Jnanasrimitranibandhavalih. Ed. Anantalal Thakur. Tibetan Sanskrit Works Series Vol. 5. Patna 1959. Nyayabindhuh bauddhacaryasridharmakirtipranitah etc. Kashi Sanskrit Series Vol. 22. Benares 1954. NBh Sri-Gautama-mahamunipranitam Nyayasutram Vatsyayaniyam Nyaya bhasyam etc. Poona Oriental Series No. 58. Poona 1939. NM The Nyayamanjari of Jayanta Bhatta. Ed. with Notes etc. by Surya Narayana Sukla. Kashi Sanskrit Series No. 106. Benares 1936. Nyayasutras. NV Nyayavarttikam nyayadarsanavatsyayanabhasyopavemhanam paramar sibharadvajoddyotakaraviracitam etc. Kashi Sanskrit Series No. 33 Benares 1915-16. NVTT Nyaya varttikatatparyatika by Sri Vachaspati Mishra. Ed. by Rajesh wara Sastri Dravid. Kashi Sanskrit Series No. 24. Benares 1925. NUMEN XII NB : NS Page #34 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Oberhammer, Der Gottesbeweis in der Indischen Philosophie PDS Padarthadharmasamgrahah. Zitiert nach der Ausgabe der Vyomavati: The Prasastapadabhasyam by Prasastadevacharya, with Commentaries Sukti by Jagadisa Tarkalamkara, Setu by Padmanabha Misra and Vyomavati by Vyomasivacharya, ed. Gopinath Kaviraj and Dhundiraj Shastri. Chowkhambha Sanskrit Series No. 61. Benares 1930. PV Pramanavarttikam. Dharmakirti's Pramanavarttikam with a Commen tary by Manorathanandin. Ed. Rahula Sankstyayana. Appendix to JBORS Vol. 24-25. Patna 1938-39. PVS The Pramanavarttikam of Dharmakirti, the First chapter with the autocommentary. Text and Critical Notes. Ed. Raniero Gnoli. Serie Orientale Roma Vol. 23. Roma 1960. R Ratnakirtinibandhavali. Ed. Anantalal Thakur. Tibetan Sanskrit Works Series Vol. 3. Patna 1957. TSP Tattvasamgraha of Santaraksita with the Commentary of Kamalasila. Ed. Embar Krishnamacharya. Gaekwad's Oriental Series No. 30 (Vol. I), No. 31 (Vol. II). Baroda 1926. WZKSO Wiener Zeitschrift fur die Kunde Sud- una Ostasiens und Archiv fur Indische Philosophie.