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Gerhard Oberhammer
zwar nicht deshalb, weil ihm das Sein fehlte, sondern weil seine Ursachen unvollständig wären. Da der Weltablauf aber real gegeben ist, müssen die Ursachen dieses Ablaufes alle existieren, somit auch die veranlassende Ursache, nämlich Gott.
Gnoseologisch bedeutet dies, dass Gott grundsätzlich in der gleichen Weise wie jedes andere Seiende nachgewiesen werden muss, da wegen des Fehlens eines den Begriff des Seienden transzendierenden Seinsbegriffes ein metaphysischer Beweis nicht möglich ist. Damit muss aber die kritische Rechtfertigung des Gottesbeweises den Forderungen eines „empirischen" Beweises genügen. Unter ,,empirischem Beweis" ist hier ein Beweis verstanden, welcher auf Grund von empirisch Seiendem oder seiner Eigenschaften ein anderes Seiendes oder seine Eigenschaften erschliessen lässt, ohne eine begriffliche Reduktion dieses empirisch Seienden auf seine Möglichkeitsgründe als Seiendes notwendig zu machen. Tatsächlich scheint auch der von Uddyotakara verwendete Gottesbeweis wenigstens grundsätzlich der Struktur eines solchen ,,empirischen" Beweises zu entsprechen. In seiner Schlusslehre übernimmt nämlich Uddyotakara im wesentlichen die Lehre Dignāgas 15) von den drei Merkmalen des Grundes, durch die Dignāga den „empirischen" Beweis logisch formalisiert hatte. Dignāga hatte gelehrt, dass ein logischer Grund nur dann als schlüssig nachgewiesen sei, wenn dieser drei Merkmale besitze: (a) Der logische Grund (hetuh) muss dem zu Beweisenden zukommen (hier „Urmaterie" usw.), (b) er muss weiters anderen Fällen, welche mit dem zu Beweisenden hinsichtlich der zu beweisenden Eigenschaft (hier „von einer mit Erkenntnis versehenen Ursache gelenkt") gleich sind, zukommen, und (c) er muss in allen Fällen, in welchen die zu beweisende Eigenschaft fehlt, abwesend sein. 16)
Mit dieser Lehre hatte Dignāga zwar eine Formalisierung des logischen Grundes erreicht, welche ein verlässliches Schlussfolgern er
15) Dignāga ca 480-540 n. Chr., einer der bedeutendsten buddhistischen Logiker und Erkenntnistheoretiker.
16) Diese Lehre bietet Dignāga in knappster Formulierung in seinem Nyāyamukham: ,,Die [beweisende Eigenschaft des Subjektes (der Schlussfolgerung! ist zweifach je nach dem Vorhandensein und Nichtvorhandensein im Sapaksa beziehungsweise Vipaksa, und wiederum dreifach infolge der doppelten Möglichkeit von sowohl Vorhandensein wie Nichtvorhandensein in jedem der Fälle." Dieser Vers wird von Vācaspati Miśra zitiert NVTT p. 289, 16-17. – Vgl. G. Tucci: The Nyāyamukham of Dinnāga, Heidelberg 1930. P. II.