SearchBrowseAboutContactDonate
Page Preview
Page 15
Loading...
Download File
Download File
Page Text
________________ Zur Theorie der Kastenordnung in der indischen Philosophie 291 inhärieren kann 52). – Die Entwicklung führt jedoch bald dahin, innerhalb des Bereichs der einheitlich-allgemeinen Wortbedeutungen reale Universalien von bloß akzidentellen „zusätzlichen Bestimmungen" (upādhi) zu unterscheiden. Dabei wird der Begriff des sāmānya bzw. jāti zwar keineswegs zum Äquivalent des Essenzbegriffs; jedoch wird es eine seiner Funktionen, das Wesentliche und Konstitutive gegenüber dem Akzidentellen, den bloß zeitweiligen Funktionen und äußerlichen Rollen abzugrenzen. Das wirkliche sāmānya in diesem Sinne ist etwas, wodurch ein konkretes individuelles Ding ist, was es ist: Ein Pferd (asva) ist, was es ist, insofern ihm der zugleich allen Pferden gemeinsame Wesensfaktor ,,Pferdheit" (asvatva) inhäriert, und eine Kuh ist, was sie ist, insofern ihr „Kuhheit“ (gotva) inhäriert. „Kochtum“ (pācakatva) hat, als „zusätzliche Bestimmung“, jedoch keine in solchem Sinne seinskonstitutive Bedeutung. Die sāmānya bezeichnen insofern Strukturen des Universums, biologische Spezies und andere Grundformen der wirklichen empirischen Welt, die auch durch die periodischen Weltzerstörungen nicht betroffen werden und am Beginn einer neuen Weltperiode stets wieder hervortreten. Man könnte insofern und angesichts der seit dem Rgveda 53) geläufigen kosmologischen Verwurzelung der varņa-Lehre vermuten, daß es naheliegend sei, auch die vier Kasten im Sinne solcher unwandelbarer Prototypen zu verstehen. Jedoch präsentieren die alten Vaišeşika- und Nyāya-Texte, die ja auch gewiß kein primär gesellschaftstheoretisches Interesse haben, die vier varna noch nicht im Sinne von Universalien. Daß die Kastenhierarchie als solche und als integraler Bestandteil des dharma ganz fraglos hingenommen wird, ist freilich klar 54). Darüber hinaus läßt Prasastapāda, in seiner mythischphilosophischen Beschreibung der Neuformation der in die Atome zerfallenen Welt am Beginn einer neuen Weltperiode, keinen Zweifel daran, daß er, und zwar in viel entschiedenerem Maße als das klassische Sāmkhya, der varna-Ordnung kosmologischen Rang zuerkennt 55). Er fügt sogar eine deutliche PuruşasūktaReminiszenz ein, wobei freilich, anders als im Rgveda, nicht von einem originalen kosmogonischen Akt die Rede ist, sondern von einer ihren Tatfolgen entsprechenden Zuweisung der Seelen (ātman) an diese vier zeitlosen Formen der Existenz, die durchaus den biologischen Species gleichgeordnet sind. Im Nyāya und Vaiseșika des 9. und 10. Jahrhunderts begegnet uns die Auslegung und Diskussion der varna-Theorie im Rahmen der Universalienlehre mehrfach als ein bereits vertrautes und geläufiges Thema. Dabei steht auch hier die in den Diskussionen dieser Zeit vorherrschende erkenntnistheo 52) Vgl. W. Halbfass, Remarks on the Vaiseșika Concept of sāmānya. Añjali (Wijesekora Felic. Vol.), ed. by J. Tilakasiri, Peradeniya 1970, S. 137-151. 53) X, 90 (Puruşasūkta). 54) Vgl. PB, S. 272-273. 55) PB, S. 48-49. [19]
SR No.269272
Book TitleZur Theorie Der Kastenordnung In Der Indischen Philosophie
Original Sutra AuthorN/A
AuthorWilhelm Halbfass
PublisherWilhelm Halbfass
Publication Year
Total Pages40
LanguageEnglish
ClassificationArticle
File Size5 MB
Copyright © Jain Education International. All rights reserved. | Privacy Policy