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________________ 204 G. Oberhammer der,,wandernden" Seelen alles den Phänomenen verhaftete Geschehen in der Materie vor sich ging, so mußte dies auch im Falle Gottes sein. Doch wegen der Erhabenheit Gottes und wegen seiner Allwissenheit mußte man annehmen, daß er nie im Banne der Urmaterie gestanden war. Damit war man aber genötigt, den im Samkhya-Denken postulierten, der Materie immanenten finalen Dynamismus im Falle Gottes aufzugeben. Um diesen Vorgang in seiner historischen Struktur näher zu beleuchten, mag eine Bemerkung des Kommentators zu YS I 25 erwähnt werden, welche ein interessantes Detail enthüllt: ,,Indem er (nämlich Gott) für sich keiner Gunst bedarf, ist es seine Absicht den Wesen zu helfen: ,Durch Unterweisen in Wissen und Pflicht (dharmaḥ) will ich die wandernden (Seelen) zur Zeit der (wiederkehrenden) Vernichtung der Welt erretten.' In diesem Sinne heißt es: ,Indem der Urwissende (ádividván) ein (ad hoc) geschaffenes Erkenntnisorgan annahm (nirmânacittam adhisthâya), lehrte er, der Erhabene, der große Seher20, dem Asuri, der (die Befreiung) zu wissen begehrte, aus Mitleid das Lehrsystem (des Samkhya)'."21 Bemerkenswerterweise findet sich hier innerhalb des Samkhya, um das es sich bei dem vom Kommentator zitierten Text handelt, die Vorstellung, daß eine Geistseele, die bereits im Besitz des Wissens um ihr Emanzipiertsein ist und daher für die eigene Befreiung nicht mehr der Materie bedarf, doch ein Erkenntnisorgan und selbst einen Körper annehmen kann, um das befreiende Wissen anderen, noch,,wandernden" Seelen zu vermitteln. Diese typologisch deutliche Parallele zwischen dem Urwissenden, Kapila, und dem Gott des Patañjala-Yoga läßt sich noch vertiefen. In der Yuktidîpikâ, einem zeitlich etwas nach dem Kommentar des Vyasa entstandenen Samkhyawerk, wird eine Definition des auf Kapila angewandten Begriffes,,großer Seher" gegeben: ,,Derjenige, dessen Körper und psychische Organe Sattvam zur Materie haben, ist der große Seher' (maharsiḥ), derjenige, (dessen Körper und psychische Or drückte das Yogabhasyam die Wirkkraft Gottes durch den Terminus der,,Herrscherlichkeit" (aiçvaryam) aus. Zwar kennen auch die YS den Begriff der Herrscherlichkeit und zwar als eine der Vollkommenheiten eines Yogin (vgl. YS III, 45). Doch glaube ich, daß es sich bei der,,Herrscherlichkeit" Gottes eher um den,,Herrscherlichkeits"-Begriff der Bhava-Lehre des Samkhya handelt. Als Grund dafür möchte ich angeben, daß es sich im Falle von Gottes,,Herrscherlichkeit" nicht eigentlich um eine Vollkommenheit (siddhiḥ) im Sinne des Yoga handelt, sondern um eine Gott zukommende psychische Eigenschaft. Außerdem findet sich der Einfluß der samkhyistischen Bhava-Lehre auch in den Frühstufen anderer Gotteslehren (Paksilasvamin, Uddyotakara, Prasastapada etc.), wo sie wohl nur aus der Gotteslehre des Yoga eingedrungen sein kann. Doch harrt diese Frage noch einer historisch exakten Lösung. Der Umstand, daß Gott erst in Vyasa's Kommentar die,,Herrscherlichkeit" als Ausdruck seiner Macht zugeschrieben wird, scheint ein Zeichen dafür zu sein, daß die Formkraft der ursprünglichen Gottesidee erst langsam im Samkhya-Denken des PatanjalaYoga zum Durchbruch kommt. Das gleiche zeigt sich auch darin, daß die kosmologische Stellung Gottes als Weltschöpfer und Weltenherrscher ebenfalls erst bei diesem Kommentar einen gewissen Ausdruck findet, indem Gott infolge seiner ,,Herrscherlichkeit", welche in ihm das ,,höchstmögliche Maß erreicht hat" (vgl. YBh 56), zum Garant der kosmologischen Ordnung wird, insofern Gott es verhindert, daß ein Yogin, der ebenfalls die Vollkommenheit der ,,Herrscherlichkeit" erlangt hätte, die Kategorien verkehren könnte (vgl. YBh 302). Der Begriff des Weltschöpfers und der Begriff der kosmischen Schöpferkraft Gottes (çaktih) begegnet in der Gotteslehre des Patañjala-Yoga nicht. Offenbar war das Begriffssystem des Samkhya ein zu ungeeignetes Instrument, um diese Gedanken auszudrücken. 20 Kapila, der sagenhafte Gründer des Samkhya-Systems. 21 YBh 72.
SR No.269270
Book TitleGott Urbild Der Emanzipierten Existenz Im Yoga Des Patanjali
Original Sutra AuthorN/A
AuthorGerhard Oberhammer
PublisherGerhard Oberhammer
Publication Year
Total Pages11
LanguageEnglish
ClassificationArticle
File Size2 MB
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