Book Title: Zu Der Lehre Von Den 9 Ursachen Im Yogabhasya
Author(s): A Wezler
Publisher: A Wezler
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Page #1 -------------------------------------------------------------------------- ________________ ZU DER "LEHRE VON DEN 9 URSACHEN" IM YOGABHAŞYA von A. WEZLER, Hamburg 1. Im Yogabhäşya ( YBh) zu Yogasūtra (= YS) 2.28 ("yogāngānuṣṭhānād asuddhikṣaye jñānadiptir1 à vivekakhyāteḥ") werden 9 "Ursachen" ("kāraṇāni") zunächst in einem Vers - den Woods (The Yoga-System of Patanjali..., Cambridge, Mass., 1927: 173, Anm. 1) aus gutem Grund als "samgrahaśloka"2 bezeichnet hat summarisch aufgezählt und anschliessend der Reihe nach erläutert. Darauf habe ich unlängst anderenorts3 hingewiesen und bei dieser Gelegenheit auch schon angemerkt, dass meine Aufmerksamkeit von Lambert Schmithausen1 darauf gelenkt wurde, dass sich sehr ähnliche "Listen" in zwei buddhistischen Texten finden. In dem vorliegenden Beitrag soll nun diese "Lehre von den 9 Ursachen", wie sie im YBh bezeugt ist, erst einmal für sich genauer betrachtet werden (= § 2), um ihr dann die buddhistischen Parallelen gegenüberzustellen (= §§ 3 und 4), abschliessend (= § 5) die Frage nach der historischen Beziehung zwischen beiden zu thematisieren und mit einem kurzen "Ausblick" (= § 6) zu enden. 1. Vgl. dazu auch das Zitat im YBh zu YS 2. 52, das Vacaspatimisra den "agaminah" zuweist: "tapo na param prāṇāyāmāt, tato visuddhir malānām diptis ca jñanasya", das auch im Zusammenhang des Verhältnisses zwischen "yoga" und "tapas" Beachtung verdient. 2. Der Verfasser des YBh gebraucht diesen Ausdruck in seinem Kommentar zu YS 3.26 selbst, freilich mit Bezug auf einen Vers, für den Woods (1927: 254, Anm. 2) auf eine Parallele aus dem Vişņupurāņa verweist. - S. auch unten Anm. 54. habe. 3. Nämlich in meinem Beitrag zu der Festschrift für B. R. Sharma, der den Titel trägt: "On the "varna" System as Conceived of by the Author of the Patanjalayogaśāstravivarapa (Studies in the Patañjalayogaśāstravivaraṇa IV). " 4. Dem ich auch für weitere Hilfe und konstruktive Kritik zu danken Page #2 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 341 2. Im Anschluss an die Erläuterung des Wortlauts von YS 2.28 heisst es im YBh (209. 1-2)5: "yogāngānuşthānam aśuddheḥ viyogakāraṇam / yathā paraśuḥ chedyasya / vivekakhyātes tu prāptikāraṇam, yathā dharmaḥ sukhasya / nănyathā kāraṇam/". Der Verfasser stellt mithin klar, dass die "praktische Befolgung bzw. pflegende Übung der 8 konstitutiven Elemente des Yoga" in doppelter Hinsicht "Ursache" ist, nämlich Ursache einerseits dafür, dass der Yogin die "Unreinheit"6 - schrittweise - von sich "abtrennt", und Ursache andererseits dafür, dass er die - letztlich die Erlösung bewirkende - "Unterscheidungserkenntnis" 7 "erlangt". Die Implikation ist natürlich die, dass der Yogin dadurch, dass er im praktisch-Übenden Vollzug der "yogāngas" die "Unreinheit" beseitigt, schliesslich zur "vivekakhyāti" gelangt, wobei der Prozess des allmählichen "Schwindens" der "aśuddhi", wie gewiss schon das sūtra intendiert, als in umgekehrtproportionalem Verhältnis zum Anwachsen des - wahren - Wissens stehend gedacht ist, 8 welches dann in der erlösenden Erkenntnis selbst gipfelt. Die abschliessende Bemerkung in dem zitierten Textstück, dass das "yogāngānuşthāna" nämlich "nicht auf andere Weise", also nur auf die zuvor explizierte zweifache Weise, "Ursache ist", erscheint danach fast als überflüssig. Sie kann aber doch nachvollzogen werden, wenn man sich z. B. der Neigung von Verfassern von Sāstra-Werken erinnert, ein Kardinalzahlwort bei einer Aufzählung der unter einen Oberbegriff fallenden Entitäten durch ein angefügtes "eva" im Sinne eines "nur soviel und nicht mehr oder weniger" noch zusätzlich genau zu bestimmen. 9 Wie in diesen Fällen häufig die Kommentatoren, so 5. Ich zitiere teils nach der Ausgabe des Vivaraņa (Seite, Zeile), teils nach der Ausgabe ASS No. 47 (ohne weitere Angaben). 6. Vom Bhăşyakara erklärt als das "fünffache Fehlwissen" (viparyaya); vgl. dazu YS 1.6 und vor allem 1.8 sowie 2.3 nebst dem YBh. 7. Ich übernehme hier Hackers Wiedergabe (vgl. Kleine Schriften, hrg. v. L. Schmithausen, Wiesbaden 1978, 233). 8. Vgl. die Erklärung des YBh: "yatha yatha ca sadhanany anuşthiyante tatha tatha tanutvam aśuddhir apadyate / yatha yatha ca kşiyate tatha tatha kşayakramănurodhini jñānasyäpi dīptir vivardhate/" sowie Oberhammer, Strukturen yogischer Meditation, Wien 1977, 210. 9. Vgl. z. B. Prasastapadas Padarthadharmasamgraha, uddesaprakarana. Page #3 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 342 A.WEZLER muss man sich aber auch bei diesem Nachsatz des YBh fragen, ob nicht zugleich auch mehr mitschwingt, d.h. ob damit nicht auch bereits zu verstehen gegeben wird, dass es unter systematischem Gesichtspunkt daneben durchaus noch andere Ursachen gibt. In der Tat wirkt die unmittelbar folgende Frage (209.3) "kati caitāni kāraṇāni śāstre bhavanti" so, dass sie eher durch den besagten Nachsatz provoziert zu sein scheint als durch die ihm vorangehenden Aussagen. Die Antwort lautet: "navaivety aha" (bemerkenswerterweise also auch hier die Partikel "eva"), worauf nach einem überleitenden "tadyathā" ("nämlich"/ "und zwar") der eingangs erwähnte "samgrahaśloka" zitiert wird. 2.1. Bevor ich mich diesem und seiner im YBh sich anschliessenden Erläuterung zuwende, seien hier noch zwei Beobachtungen angeführt, von denen die erste von allgemeinerer Bedeutung ist. Es fällt nämlich auf, dass diese Frage nach der Anzahl- und Art - von "Ursachen" und erst recht natürlich ihre Beantwortung ganz entschieden über das hinaus- oder von dem wegführt, was durch YS 2.28 hier in Rede gestellt ist, dass sich der Bhāşyakāra also, wie auch der Verfasser des Pātañjalayogaśāstravivaraņa (= Vivaraņa) richtig bemerkt, lo nur der Gelegenheit der Nennung der Begriffe "viyogakāraņa" und "prāptikāraņa" bedient, um eine systematische Darstellung aller "9 Ursachen" (einschliesslich dieser zwei) in Form eines Exkurses einzuschalten bzw. anzufügen. Es wäre aber gewiss nützlich, bei der Lektüre des YBh- und anderer ähnlicher Texte - durchgängig auf derartige "utsūtra"-"Abschweifungen, die ja meist auch relativ leicht. zu erkennen sind, zu achten und sie einmal zusammenzustellen oder sich doch in ihrer Gesamtheit vor Augen zu führen; denn sie sind auf jeden Fall ein klares Indiz dafür, dass der Kommentator11 etwas Weiteres, mehr oder minder lose mit dem Grundtext Verknüpftes für so wichtig hielt, dass er meinte, es bei passender Gelegenheit er lo. 209. 14 f.: "tatra kāraṇaprasangena śästraprasiddhāni kāraṇāni vyācaşte - kati caitāni..../". 11. Ich gehe bei dieser Aussage natürlich von der Prämisse aus, dass - wie im vorliegenden Fall - nichts auf eine evtl. sekundare Herkunft solcher Abschnitte hindeutet. Page #4 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 343 wähnen zu sollen, und daraus lassen sich wohl philosophiegeschichtlich relevante Erkenntnisse ableiten.lla Die zweite Beobachtung betrifft den Ausdruck "śāstre". Mit diesem könnte nämlich zum einen der Bereich der "Wissenschaft(en)" überhaupt in implizitem Gegensatz zum unreflektierten Verständnis des "loka" gemeint sein, zum anderen aber das Yogaśāstra als ein spezielles (Erlösungs-)"Lehrsystem" im Unterschied zu anderen Sāstras. Ein Blick auf die sonstigen Belege im YBh könnte hier Klarheit schaffen. Zum ersten Mal taucht der Begriff "śāstra" am Anfang des YBh zu YS 1.1 auf, d.h. in der auf die Bedeutungsangabe von "atha" ("athety ayam adhikārārthaḥ") unmittelbar folgenden Paraphrase dieses sūtra: "yogānusāsanam sāstram adhikstam veditavyam." Dabei bildet "sästram" ersichtlich einen explizierenden Zusatz, umgekehrt betrachtet aber ist der Begriff "śāstra" hier durch die syntagmatische Verbindung mit "yogānusāsana" eindeutig bestimmt. In ähnlicher Weise wird in der Einleitung zu YS 2.16 durch die vorangestellten Pronomina "tad etac (chāstram caturvyűham ity abhidhīyate)" unmissverständlich klargestellt, dass die Aussage von demjenigen "sāstra" getroffen wird, welches den Lehrgegenstand des YS und deshalb auch des YBh bildet, eben dem "yogaśāstra" oder, wie der Verfasser des Vivaraņa sagt (171.20), dem "samyagdarsanaśāstra". Andererseits bietet dieser Beleg Anlass zu der Feststellung, mag sie auch banal sein, dass der Ausdruck "śāstra" allein dem Autor des YBh offenbar als so unspezifisch erschien, dass er meinte, ihn durch die Hinzufügung deiktischer Pronomina präzisieren zu müssen. Aufgrund dieser Beobachtung, und darin liegt ihr Wert, darf vermutet werden, dass er den Ausdruck "śāstra" allein eben in unspezifischer Bedeutung verwendet. Darauf weist in gleichem Masse die Tatsache hin, dass er in den Fällen, wo er auf ein bestimmtes anderes Sāstra Bezug nimmt, entsprechend eindeutige Ausdrücke verwendet wie "cikitsāśāstra" (im YBh zu YS 2.15) oder "mokşaśāstra" (im YBh zu YS 2.1 und 2.32, wobei der zweite Beleg zeigt, dass damit eine Vielzahl von "Erlösungs-Lehr 11a. Dies gilt auch dann bzw. gerade dann, wenn man sich der Meinung (dem Grundsatz ?) anschliesst, der in der Yuktidīpika (ed. Pandeya 3.6) erwähnt ist: "na hy utsatram vyacakşāņa bhāşyakāraḥ pramāņam bhavanti/". Vgl. auch Mahābhāşya I 12.27. Page #5 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 344 A.WEZLER systemen" gemeint ist.)12 Und in einer vergleichsweise unspezifischen Bedeutung erscheint der Ausdruck "sastra" im YBh zu YS 2.30, wenn dort "Diebstahl" ("steya") definiert wird als "asāstrapürvakam dravyāņām parataḥ svīkaraņam", so dass man Woods' (1927: 178) Übersetzung "theft is the unauthorized appropriation of things-of-value from another" nur beifällig zur Kenntnis nehmen kann. Ebensowenig dürfte der Verfasser nur das Yogasastra im Auge haben, wenn er im YBh zu YS 1.35 resümierend feststellt: "tasmāc chāstrānumānācāryopadesopodbalanärtham evävasyam kaseid arthaviseṣaḥ pratyaksikartavyah", an dessen Wiedergabe durch Woods (1927: 73) "therefore (if) only for the sake of reinforcing books and inference and the instruction of masters, some one particular thing must necessarily be made an object of perception" nur das Äquivalent "books" ein wenig stört. Denn, selbst wenn man mit dem Vivaraṇakāra am Anfang des Abschnitts, an dessen Ende der eben zitierte Satz steht, nicht "tattacchastrānumānācāryopadeśair...", sondern nur "sastrānumāna" liest, 13 so würde doch schon dieses kürzere Kompositum allein darauf hinweisen, dass hier eher an das Sastra schlechthin als eine der Quellen des "arthatattva" gedacht ist, und erst recht das Argument als ganzes, insofern es lautet: "yady api hi (tattat)sastrānumānācāryopadeśair avagatam arthatattvam sadbhūtam eva bhavati eteşam yathābhūtā - rthapratipadanasāmarthyāt / tathāpi yavad ekadeso 'pi kascin na svakaranasamvedyo bhavati, tavat sarvam parokşam iväpavargādiṣu sükşmeşy artheşu na drdham buddhim utpadayati/"; hier geht es nämlich eindeutig darum, dass die eigene Wahrnehmung mindestens eines Teils dessen, was man aus einem Sastra oder aufgrund von Schlussfolgerung bzw. der Unterweisung durch einen Lehrer bereits theoretisch weiss, eine notwendige Voraussetzung dafür bildet, dass man eine "drḍha buddhi" in Bezug auf "subtile Gegenstände wie die Erlösung usw. " entwickelt. Der Inhalt des "indirekt" erworbenen 12. Das Vivarana weist an der entsprechenden Stelle zu YS 2. 1 offenbar eine Lücke auf und scheint an der zweiten Stelle "mokşaśāstrādhyayanam" (gegenüber "mokṣašāstrāṇām adhyayanam) gelesen zu haben, die Kommentierung (216.25 f.: "upaniṣadădyadhyayanam prapavajapo va") zeigt aber, dass der Verfasser das Vorderglied des Kompositums gleichwohl pluralisch aufgefasst hat. 13. "tattat" dürfte folglich einen sekundären explizierenden Zusatz darstellen. Page #6 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāṣya Wissens muss deshalb keineswegs auf das beschränkt sein, was den spezifischen Lehrgegenstand gerade des Yogaśăstra ausmacht. Und der anschliessende Satz ("tatra tadupadişṭārthaikadeśapratyakşatve sati sarvam sūkşmavişayam apy a apavargāt śraddhiyate")14 bestätigt die Vermutung, dass der Verfasser zwar nicht die Sastras schlechthin, wohl aber die "mokṣaśāstras" in ihrer Gesamtheit im Blick hat. 15 345 Im Anschluss an die Erläuterung des Wortlauts von YS 1.24 - in welchem bekanntlich der "Isvara" als "klesakarmavipākāśayair aparămṛṣṭaḥ puruşaviśeşaḥ" definitorisch bestimmt wird wird im YBh u.a. auch die Frage gestellt: "yo 'sau prakṛṣṭasattvopādānād isvarasya śāśvatika utkargah, 16 sa kim sanimitta āhosvin nirnimitta iti/". Die Antwort lautet: "tasya sastram nimittam/", provoziert aber ihrer - seits die weitere Frage des fiktiven Opponenten: "sastram punah kimnimittam/", auf die der Bescheid gegeben wird: "prakrstasattvanimittam". Vacaspatimisra und der Verfasser des Vivarapa weichen in ihrer Auffassung der Termini "nimitta" und "sastra" erheblich voneinander ab. Ersterer paraphrasiert nämlich "sanimittaḥ" durch "sapramāņakaḥ"17 - und entsprechend "nirnimittaḥ" durch "nişpramāṇakaḥ" und erläutert: "srutismṛtītihās apurāņāni śāstram", während letzterer18 feststellt: "nimittasabdaḥ kārapaparyayaḥ 14. Man beachte, dass durch "sraddhiyate" expliziert wird, was mit "drḍhām buddhim utpädayati" vorher gemeint war. 15. Vgl. die Bestimmung des Ausdrucks "svādhyāya" im YBh zu YS 2.32; s. auch Anm. 12. 16. Vgl. auch die Erläuterung des Vivaraṇakāra (54.28): "nityaniratisayasarvajanatsvaryasaktisampattir utkarṣaḥ." 17. Und geht dabei offenbar von der Bedeutung "Zeichen" aus. 18. Der Vivaraṇakāra kennt aber auch die andere Deutung, so dass die Herausgeber sich zu der Bemerkung veranlasst sehen (55): "anye (=) Vācaspatimiśrāḥ yadvā - teṣām api mārgapradarśakāḥ prācīnā vyākhyātāraḥ." Wegen der relativ geringen Originalität Vacas patimisras die ja immer wieder als solche deutlich wird, wo wir mit Sicherheit ältere Kommentare haben wie im Falle der Samkhyakārikā - wird man diese referierende Bezugnahme im Vivarana in der Tat nicht als Argument für die Entscheidung der Datierungs- und Verfasserschaftsproblematik heranziehen können. Zu dieser vgl. zuletzt W. Halbfass, Studies in Kumarila and Sankara, Appendix, Reinbek 1983, sowie Verfasser in dem in Anm. 3 erwähnten Aufsatz. Page #7 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 346 A. WEZLER "Šāstra" gleich "jñāna" 19 setzt mit der Begründung: "sästrasya hetutvāt". Es würde zu weit führen, hier im einzelnen untersuchen zu wollen, welche dieser Deutungen im Sinne einer historisch-philologischen Auslegung des YBh den Vorzug verdient; im Hinblick auf die Ausgangsfragestellung genügt es ja auch festzuhalten, dass 1. keiner der beiden Kommentatoren unter dem Ausdruck "śāstra" etwa das Yogaśāstra selbst oder allein versteht - denn auch für den Vivaraņakāra muss der Begriff "śāstra" als "Niederschlag des Wissens des Isvara" anderes oder mehr 20 umfassen - und dass 2. auch die allfällige Suche nach einer andersgearteten dritten Interpretationsmöglichkeit gewiss nicht das gegenteilige Ergebnis zeitigen wird, dass nur das Yogaśāstra gemeint sein könne. Der letzte der in diesem Zusammenhang zu behandelnden Belege stammt aus dem YBh zu YS 2.23 ("svasvāmisaktyoh svarūpopalabdhi - hetuḥ samyogah"), das dem Bhāşyakāra zufolge dazu dient, die Natur ("svarūpa") der Verbindung zwischen dem "puruşa" und dem, was Gegenstand seines Schauens ist ("drsya "21), zu bestimmen. Im Zuge der Auslegung des sūtra selbst heisst es u.a. mit implizitem Bezug auf YS 2.24 22: "darsanam adarsanasya pratidvandvīty adarśanam samyoganimittam uktam / ", was schliesslich auf die Frage führt: "kim cedam adarśanam nāma/". Dazu gibt der Vivaraṇakāra die folgende Erläuterung (196.25 ff.): "nanu coktam avidyaiva (scil. "iti") / sã cāmitrāgoşpadavad (YBh zu YS 2.5)23 iti vidyāviparyayeņa vyākhyātā / 19. Vgl. auch die im "Kleinen PW" s.v. "sāstra" verzeichnete Bedeutung "Gelehrsamkeit". 20. Mit der Übernahme der Vorstellung von einem Isvara (vgl. dazu zuletzt Oberhammer, 1977: 173) konnte von den Vertretern des Yoga in der Tat kaum zugleich auch der Anspruch erhoben werden, dass nur ihr eigenes Sastra letztendlich "von Gott verkündet ist". 21. Vgl. dazu YS 2.18 nebst YBh. 22. Vgl. Vivarana 196.17: ... "ity u ktam tasya hetur avidya (YS 2. 24) iti." Demzufolge würde der Verfasser des YBh - ähnlich wie der Grammatiker Katyayana (vgl. F. Kielhorn in: IA 15 (1886), 208 f. = Kleine Schriften, hrg. v. W. Rau, Wiesbaden 1969, 211 f.) - das Partizip "ukta" auch mit Bezug auf ein nachfolgendes sūtra gebrauchen. 23. Der relevante Abschnitt lautet insgesamt: "tasyàs cămitrāgoşpadavad vastusatattvam vijñeyam / yathā nāmitro mitrābhāvo na mitra Page #8 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 347 satyam evam, kintu śāstragatā vikalpā darsayişyante svābhimatapakşanişcicīşayā / paraparikalpitavastukhanļimānam āpādayatā hi nijābhimatanirūpitavastudraŅhimānam atitarām ānīyate/". Mit "śāstragata vikal pāḥ" nimmt der Verfasser einen Ausdruck auf, den der Bhāşyakāra am Ende seiner Antwort auf die genannte Frage selbst gebraucht, indem er abschliessend feststellt: "ity ete sāstragata vikal pāḥ /". Hier nun erläutert der Vivaranakāra "śāstragatāḥ" durch "darsanāntaragatāḥ", d. h. stellt erneut klar, dass diese in Alternative zueinander stehenden Auffassungen von "adarśana" Elemente "anderer", d.h. von der des Bhāşyakāra selbst verschiedener und abweichender, "Anschauungen" darstellen. 24 Das "Anderssein" dieser "vikalpas" wird seiner Ansicht nach also primär konstituiert dadurch, dass sie sich mit der vom Bhāşyakāra seinerseits für richtig gehaltenen These ("svābhimatapakşa") nicht decken. Das impliziert aber nicht notwendig, dass diese abweichenden Auffassungen darüber, was "adarsana" ist, gänzlich anderen philosophischen Lehrsystemen angehören müssen, sondern diese Interpretation ist auch dann in sich stimmig, wenn diese "darśanāntaras" zum Bereich der eigenen Tradition, die des Sāmkhya dann natürlich eingeschlossen, gehören. Und genau dies ist die Meinung Vācaspatimisras, insofern er bemerkt : "tad evam vikalpya caturtham vikalpam svikartum itareşām vikalpānām sāmkhyasāstragatānām sarvapuruşašādhāraṇyena bhogavaicitryābhāvaprasangena düşayati: ity ete śāstragata iti/", obwohl er sich dabei hinsichtlich der Bewertung der "vierten Alternative" vom Vivaraṇakāra unterscheidet. In der Tat sind alle die zuvor vom Bhāşyakāra referierten anderen Anschauungen solchen Inhalts, dass als Herkunftsbereich nur ein auf SāmkhyaTheoremen aufbauender Yoga und / oder eben das - in sich ja durchaus differenzierte - Sāmkhya selbst in Frage kommen. Und von letzterem weiss der Verfasser des YBh die eigenen Ansichten bzw. die für den Pātañjalayoga charakteristischen auch sonst abzuheben, mag er sich matram kim tu tadviruddhah sapatnah / yathā vāgoşpadam na goşpadabhāvo na gospadamātram kim tu desa eva tābhyam anyad vastvantaram, evam avidyā na pramāņam na pramāņābhāvaḥ kim tu vidyāviparītam jñānāntaram avidyeti //" 24. Den Ausdruck "darsanāntara" gebraucht der Vivaranakāra auch mit Bezug auf eine einzelne dieser Anschauungen (199. 16). Page #9 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 348 A.WEZLER in den anderen Fällen auch unmissverständlicher ausdrücken. 25 Absolute Gewissheit liesse sich zwar nur erreichen, wenn es möglich wäre, jeden der vikalpas auf seine Quelle zurückzuverfolgen, aber soviel darf doch als sicher gelten: Auch an dieser Stelle ist mit "sastra" gerade nicht nur das (Patañjala-) Yogaśāstra gemeint. Man kann deshalb im Hinblick auf das YBh zu YS 2.28 bei aller gebotenen Vorsicht mindestens folgern, dass auf keinen Fall als selbstverständlich unterstellt werden darf, dass sich der Verfasser mit dem Ausdruck "śāstra" nur auf das eigene "Lehrsystem" beziehen könne. Viel wahrscheinlicher ist, dass es sich gerade nicht um eine "Lehre" handelt, die dem (Pātañjala-) Yoga eigentümlich ist. 2.2. Der Vers, in welchem die "9 Ursachen" aufgezählt werden, lautet nun (209.5-6): "utpattişthityabhivyaktivikārapratyayāptayaḥ / viyogānyatvadhịtayaḥ kāraṇam navadhā smộtam // iti / ". . Man muss sich dabei erst klarmachen, dass trotz der - in dieser Hinsicht zunächst irritierenden - Nebeneinanderstellung der Nominative "°āptayaḥ" bzw. "odhịtayah" und "kāraṇam" gleichwohl gemeint sind die "Ursache des Entstehens" usw.. 26 Das macht auch der Verfasser des YBh selbst deutlich, wenn auch nur indirekt, d. h. durch die Weise, wie er sich jeweils bei der Erläuterung der einzelnen Ursachenbegriffe ausdrückt; denn er gibt zu diesem Vers die folgenden Erläuterungen (209.7-10 u. 210. 2-7): "tatrot pattikaraṇam mano bhavati vijñānasya 27 / sthitikaranam manasaḥ puruşārthată sarīrasye 25. Ich denke hier u.a. an "sāmkhya pakşe" im YBh zu YS 4.15 und "samkhyayogadayas tu pravādah" im YBh zu YS 4.21. 26. Die Formulierung ist also elliptisch; man würde etwas wie ... "dhștikāraṇānīti kāraṇam navadha smộtam" erwarten. 27. Eine Reihe von Handschriften des YBh bezeugen die Lesart "jñānasya", und man könnte meinen, auch der Vivaraṇakāra habe so gelesen, indem er erklärt (209. 19): "manaso hi vșttih jñānam, yatha jalam ürmīņām." Er zitiert dieses YBh-Stück aber bei seiner Erläuterung von "pratyayakaraņa" (s. dazu u. Anm. 76), und zwar in der Form "bhavati vijñānasya", so dass kein Zweifel daran sein kann, dass er diese - auch durch die buddhistischen Parallelen (s.u.S. 357 und 364 ) als richtig erwiesene - Lesung in seinem Text hatte. Page #10 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 349 vāhāra iti / abhivyaktikāraṇam yada 28 rūpasyālokaḥ tadā rūpajñānam/ vikārakāraṇam manaso visayāntaram yathāgniḥ pākyasya 29 / pratyayakāraṇam dhūmajñānam agnijñānasya / prāptikāraṇam yogāngānu - şthānam vivekakhyāteḥ / viyogakāraṇam tad evāśuddheḥ / anyatvakāraṇam yathā suvarṇasya suvarņakāraḥ / evam ekasya strīpratyayasyāvidyā mūdhatve, dveşo duḥkhatve, rägaḥ sukhatve, tattvajñānam madhyasthye / dhștikāraṇam sariram indriyāņām / tāni ca tasya / mahābhūtāni sarīrāņām / tāni ca parasparam / sarveşām tairyagyonamānuşadaivatāni ca parasparārthatvād ity evam nava kāraṇāni / tāni ca yathārthasambhavam padārthāntareşv api yojyāni / yogāngānuşthānam tu dvidhaiva kāraṇatvam labhata iti // " Betrachtet man diesen Abschnitt etwas genauer, dann fällt einem mancherlei auf. Die Erklärungen von "viyogakāraņa" und "prāptikāraņa" sind hier auf die Angabe jeweils einer entsprechenden Yogaspezifischen "Anwendung" beschränkt, während die Bestimmung dessen, was eine "Ursache der Trennung" bzw. eine "Ursache der Erlangung" ist, in dem diesem "Exkurs" vorangehenden Textstück jeweils noch von einem Beispiel begleitet war, wobei das für erstere ("yathā paraśuḥ chedyasya") dem Bereich der Alltagserfahrung entnommen ist. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Verfasser eben 28. Auch hier gibt es ein textkritisches Problem, insofern ausser "yadā rūpasyalokah tada..." auch "yatha...tatha" überliefert ist. Der Vivaraṇakära aber scheint (vgl. 209.22) "abhivyaktikāraṇam rūpasyalokah / tada rūpajñānam" gelesen zu haben. In der Tat erwartet man aufgrund der parallelen Erklärungen bei den anderen "Ursachen" einerseits und aufgrund der Tatsache andererseits, dass nur "laukika"-Beispiele mit einem "yatha" angeftigt sind, im vorliegenden Fall eine Formulierung, welche der vom Vivaraṇakāra bezeugten genau entspricht, also "abhivyaktikāraṇam rūpasyalokaḥ". Der Fortgang "tadā rūpajñānam" hat zwar auch keine Parallele in diesem Abschnitt, ist aber gleichwohl unverdächtig, da diese Erklärung offensichtlich eine verdeckte Begründung darstellt: "(denn) dann (d.h. wenn Licht da ist, und nur dann) (entsteht) Erkenntnis von Farbe (und Gestalt)". Ein Überlieferer, der nicht erkannte, dass es sich dabei um einen selbständigen Satz handelt, dürfte das korrespondierende "yada" eingefügt haben, und diese Lesung dann schliesslich zu der mit "yatha...tatha" geführt haben, die geradezu unsinnig ist. 29. Der Vivaraṇakāra hat eindeutig "pākasya" gelesen; vgl. 209. 25: "yatha agniḥ paka sya / yaḥ pākākhyo vikāras tasya pākasya vikārarūpasyāgnih kāraṇam yathā." Vgl. dazu aber u.S. 375. Page #11 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 350 A. WEZLER aus diesem Grund darauf verzichtet hat, diese Beispiele im Rahmen seiner anschliessenden systematischen Darstellung aller "9 Ursachen" zu wiederholen, oder, anders gesagt, dass diese Beispiele eigentlich dorthin gehören. Das für die "Ursache der Veränderung/ Umwandlung" gegebene anschauliche Beispiel ("yathägniḥ pākyasya") leistet zwar durchaus, wozu es bestimmt ist, aber es kann nicht gerade als typisch für die Erläuterung des Schlüsselbegriffs "vikära" in Sämkhya- und Yoga-Texten gelten. Bei dem Terminus "utpattikärapa" wird man sich in ähnlicher Weise fragen, warum ausgerechnet der Ausdruck "utpatti" gebraucht wird, der ja die spezifische Samkhya-Yoga-Vorstellung vom "Entstehen" als einem In-die-Manifestheit-Treten gerade nicht klar bezeichnet. Gewiss, der Verfasser der Yuktidipika weist ausdrücklich darauf hin, 30 dass die Verben "kr", "ut-pad" und "jan" auch von Samkhya-Autoren gebraucht werden, aber eben in einer bestimmten, mit der Kausalitätslehre dieses Systems übereinstimmenden Bedeutung. Aber im vorliegenden Fall geht es ja nicht nur darum, dass man statt "utpatti" eher "abhivyakti O erwarten würde, sondern auch bzw. vor allem darum, dass der Begriff "abhivyakti" in der Bezeichnung der 3. Ursache dann doch auftaucht, dabei aber ersichtlich, wie seine Erläuterung zeigt, in einer Bedeutung gebraucht ist, die mit seiner Samkhya-Yoga-terminologischen nicht identisch ist; denn mit "abhivyaktikāraņa" ist das Licht als zusätzliche äussere Ursache und notwendige Bedingung dafür gemeint, dass etwas im Sinne der Samkhya-Yoga-Ontologie bereits Manifestes - wie die Farbe / Gestalt eines Gegenstandes auch wirklich wahrgenommen werden kann. Der Begriff bezieht sich also auf ein ganz bestimmtes Problem der Erkenntnislehre. Und im Zusammenhang der systematischen Darlegungen der "9 Ursachen" würde man, handelte es sich dabei um ein auch konzeptionell selbständiges Element der eigenen Tradition, auch bzw. gerade bei einem Yoga-Autor wie dem Verfasser des YBh 31 damit rechnen, dass er sich an die festverwurzelte und wohl ausgebildete eigene Terminologie hält. Insofern lässt sich im gegebenen Fall 30. Ed. Pandeya (Delhi 1967), 54. 2 ff.; vgl. auch meinen Beitrag zur Festschrift für Anantlal Thakur ("A Second Note on Vārṣaganya and the Yogacarabhami"). 31. Vgl. "abhivyakti" im YBh zu 2.23, 3.13, 3.14, 3. 17 und vor allem auch 4. 8. Page #12 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 351 schwerlich mit der bekannten Tatsache argumentieren, dass einzelne Ausdrücke in Šāstra-Werken nicht nur in ihrer allfälligen, für dieses Šāstra eigentümlichen, terminologischen Bedeutung gebraucht werden, sondern auch in der terminologischen Bedeutung, welche sie in einem anderen Šāstra haben, oder überhaupt in ihrer "laukika"-Bedeutung. Der bereits durch den Ausdruck "śāstra" im YBh zu YS 2.28 geweckte und durch die Untersuchung der übrigen Belegstellen entschieden genährte Verdacht, dass die "Lehre von den 9 Ursachen" gar nicht auf dem Boden des (Pātañjala-)Yoga oder auch Sāmkhya gewachsen ist, hat sich damit also ganz erheblich verdichtet. Es gibt aber noch weitere Beobachtungen, welche in die gleiche Richtung weisen. Sie lassen sich machen, wenn man den zitierten Abschnitt im Rahmen des YBh als ganzen auf eventuelle Inkonsistenzen, Inkohärenzen oder gar Widersprüche hin betrachtet. Da fällt dann zunächst einmal auf, dass der Verfasser verschiedentlich 32 den Ausdruck "kāraņa" gebraucht, ohne jeweils klar zustellen, um welche der 9 vom System anerkannten "Ursachen" es sich dabei handelt. Das ist allerdings kein sehr starkes Argument; denn dieser Unstand könnte auch einfach darstellungstechnische bzw. -ökonomische Gründe haben, 33 wie denn auch daran zu erinnern ist, dass der Bhāşyakāra die "Lehre von den 9 Ursachen" offenbar deshalb gerade an dieser Stelle - und nicht etwa an die erste Erwähnung des Stichworts "kāraņa" - angefügt hat, weil ihm die hier notwendige Verwendung von zweien der 9 Termini als besonders geeigneter Anlass für diesen "Exkurs" erschien, was ja auch durchaus verständlich ist. Keine solche Relativierung des Arguments ist aber in dem folgenden Fall möglich: Am Ende des YBh zu YS 1.45 wird auf einen entsprechenden Einwand hin ("nany asti puruşaḥ sūkşmah") zugegeben, dass nicht nur die Urmaterie, sondern auch der "purusa" "subtil" ist, dann aber klargestellt, dass "die Subtilität des "puruşa" (im Vergleich zu der des "linga", d. h. zu der "ersten allgemeinen, im einzelnen noch unbe 32. Und zwar im YBh zu YS 2.13, 2.17 und 18. 33. Man vergleiche in diesem Zusammenhang auch den vorletzten Satz des zitierten Abschnitts des YBh: "tāni ca yathärthasambhavam padārtha - ntareşv api yojyāni /". Page #13 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 352 A.WEZLER stimmten Form, in der die Urmaterie in Erscheinung tritt, "34) nicht so (d.h. von anderer Art) ist wie die des "alinga" (d.h. der Urmaterie im Zustand des inneren Gleichgewichts), welche (ihrerseits) grösser ist als die des "linga"" ("satyam / yathā lingāt param alingasya sauksmyam, na caiva puruşasya"). Anschliessend wird der in Wahrheit entscheidende Unterschied herausgestellt: "kintu lingasyānvayikāraṇam puruşo na bhavati, hetus tu bhavati", was Woods (1927: 91) in teilweiser Anlehnung an Vācaspatimiśra übersetzt: "For the self is not the material cause ("anvayin") of resoluble-primary-matter, but the instrumental cause ("hetu")". Ich würde den Begriff "hetu" im vorliegenden Fall aber lieber mit "Anlass" wiedergeben und verweise auf die Erläuterung des Vivaranakāra, der die gedanklich-doktrinäre. Grundlage dieser Aussage richtig offenlegt, indem er zu "hetus tu bhavati" feststellt (112.27 f.): "pradhānapravsttau bhoktstvena nimittam bhavatīty arthah." Auch Woods Wiedergabe von "anvayikāraņa" befriedigt nicht ganz; jedenfalls bedarf der Begriff der weiteren Erläuterung, für die zunächst einmal wieder auf das Vivaraņa 35 verwiesen sei, wo es in explizierender Paraphrase der Entgegnung auf den Einwand heisst (112. 20-24): "satyam alingātmaka(tva)m alingasya (lies: "satyam, lingät param alingasy a ") sauksmyam / kutaḥ ? yatah kāraṇam alingam lingasya / yad yasyānvayikāraṇam tat tadapekşayā sūksmam iti prakstam / nanu puruşa 'py alingătmaka eva (insofern nämlich, als er wie die Urmaterie-im-Zustand-des-innerenGleichgewichts "merkmallos" und also gleichfalls besonders "subtil" ist)/ bāụham, na tu lingāpekṣayā puruṣaḥ sūkşmah / kutaḥ ? yatas tu linga syānvay ikāraṇam purus na bhavati 36 saty apy alingātmakatve / kāryasya (d.h. des "linga" und der weiteren Evolute) caitanyenānanvitatvāt // ". Es wird also deutlich, dass der Begriff 34. Zitiert aus Frauwallner, Geschichte des indischen Philosophie, Bd. I, Salzburg 1953, 402. 35. Wichtig ist auch die Bemerkung des Vivaranakāra zu na nu puruşaḥ..." (das "asti" fehlt!)(112.18): "nanu tatra puruşasyānāšankaiva, kāryakáraņasūksmatayā prakramät naişa dosah - puruşasyäpi kaiscit kāraṇatvasyābhyupagamăt / tadásankayaiva hy etad ucyate nanu puruşa iti /." 36. In der Edition ist dies fälschlich nicht fett gedruckt, wie man denn überhaupt den Eindruck hat, dass die Herausgeber hier die "müla"-Elemente nicht erkannt haben. Page #14 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 353 "anvayi(kāraṇa)" für den Verfasser nicht nur (noch) lebendig war, sondern dass er auch selbst mit dem ihm zugrundeliegenden Ausdruck "anvaya" bzw. dem Verbum "anv-i" durchaus etwas anzufangen weiss. In der Tat handelt es sich dabei ja auch um einen ebenso zentralen wie typischen Terminus des Samkhya-Yoga, der treffend benennt, was das Denken der Vertreter dieser Systeme, und offenbar von Anfang an, ganz entscheidend bestimmt hat, die Entdeckung bzw. Vorstellung nämlich des "Nach-wie-vor-da-Seins", bzw. der "Durchgängigkeit" des Stoffes im Verlauf aufeinanderfolgender äusserer Veränderungen desselben bzw, in verschiedenen nacheinander daraus hergestellten Produkten. Insofern stellt auch der Begriff "anvayikāraņa", "Ursache, die durch ein ihr eigentümliches Nach-wie-vor-da-Sein/ eine ihr eigentümliche Durchgängigkeit charakterisiert ist", eine höchst einleuchtende Prägung dar: Es ist dies gewissermassen der Ursachenbegriff par excellence des Sāmkhya-Yoga. Wenn es aber so ist, dass dieser Begriff ein ganz zentrales und selbstverständliches Element der Sāmkhya-Yoga-Terminologie darstellt, und der Bhāşyakāra gebraucht ihn ja als solches, 37 dann wirkt es aber entschieden befremdend, dass er im Rahmen der systematischen Behandlung aller Ursachen, "die es im "sāstra" gibt", in keiner Weise auf ihn eingeht. Ich übersehe dabei natürlich nicht, dass "anvayikāraņa" ein "karmadhăraya"-Kompositum ist, während die Bezeichnungen der 9 Ursachen "şaşthí-tatpuruşas" sind, aber das tut meiner vorangehenden Feststellung keinen Abbruch. Im Gegenteil, es wird dadurch gerade deutlich, dass die "Lehre von den 9 Ursachen" eine in sich geschlossene Konzeption, eben von den 9 Ursachen von bzw. für etwas, bildet, in die sich der Begriff des "anvayikāraņa" nicht integrieren liess, ohne diese innere Geschlossenheit zu opfern, - und es liegt natürlich überaus nahe zu vermuten, dass der Grund dafür in nichts anderem zu suchen ist als darin, dass diese "Lehre" gar nicht von Vertretern des Yoga oder Sāmkhya entwickelt worden ist oder aus dem Wunsch heraus entstanden ist, einmal systematisch zusammenzustellen, welche verschiedenen "Ursachen" die eigene Tradition bzw. das eigene System kennt und anerkennt. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man, wenn man die zwei weiteren Belege für "abhivyaktikāraņa" bzw. "onimitta" im YBh untersucht. Ersterer Ausdruck begegnet nämlich auch im YBh zu YS 2.13, in dem 37. Vgl. auch YBh zu YS 3.44. . Page #15 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 354 A. WEZLER - des weiteren - vom "karma" die Rede ist. Dabei wird u.a. hinsichtlich des latenten "karma"-Residuums, 38 dessen Zweck / Wirkung eine einzige Existenz ist 39 ("yas tv asāv ekabhavikaḥ karmāsayah"), eine frühere Aussage über es präzisierend 40 gelehrt, es habe einerseits eine zeitlich festgelegte Reifung und andererseits eine zeitlich nicht festgelegte Reifung ("sa niyatavipākas cāniyatavipāka's ca"). Unter Heranziehung der in YS 2.12 eingeführten Unterscheidung zwischen dem "dịştajanmavedanīyaḥ karmāsayah", d. h. "dem latenten "karma"-Residuum, dessen Frucht in der sichtbaren, also gegenwärtigen, Geburt erfahren werden muss", 41 und seinem kontradiktorischen Gegenteil, dem "adsştajanmavedanīyaḥ karmāsayaḥ", heisst es dann von dem "adrşțajanmavedaniyo 'niyatavipākaḥ karmāsayaḥ"er habe drei Arten von Entwicklung ("gati"), und zwar gäbe es (1.) "krtasyāvipakvasya nāśaḥ, (2.) pradhānakarmaṇy āvāpagamanam vā" und (3.) "niyatavipäkapradhānakarmaņābhibhūtasya vā ciram 42 avasthānam iti." Mit Blick auf die dritte "gati" fragt ein Opponent: "katham iti, 43 worauf klargestellt wird: 44 "adsştajanmavedanīyasyaiva niyatavipāka 38. Vgl. die Erklärung des Terminus "karmasaya" im Vivarana (143. 18): "a karmaphalapradānād antahkarane seta iti karmasayaḥ śuklakrşņātmakaḥ /." 39. Vgl. Vivaraņa 151. 12 f.: "ekajanmaprayojana ekabhavikaḥ /." Vgl. auch Halbfass, o.c., 109 nebst Anm. 2o. 40. Vgl. Vivarana 152.25: "ya s tv a så v e ka bhavikah karmasa y aḥ pūrvoktas tasyāpavada ucyata ekadesasya /." 41. Vgl. Vivarana 143.19 f. : "drştam cădrstam ca drstadrste janmanī, tayor vedaniyam anubhavaniyam phalam yasya sa drstad rşțavedani yaḥ karmāsayaḥ/". 42. Der Vivaraṇakāra liest (vgl. 155.18 und 157.10) "vāpy avasthanam". 43. Zur Motivation vgl. Vivarana 157. lo ff. : "katham iti duştabhiprāyaḥ praśnaḥ / katham ? pravsttarājyenā parasyāpravsttarăjyasyäbhibhavo yukto nimittabhedena rājyapravstteḥ / iha tu nimittam abhivyañjakam maranam sarveşām karmaņām tulyam, tasmims tu nimitte satt sarveşām karmaņām vsttilābho yukta iti pradhănakarmabhibhavo na yukta itarasyeti manyate / tataś cāvāpagamanam evästv iti //," bzw. Vācaspatimiśra, der erklärt: "nanu prāyaṇenaikadaiva karmaśayo 'bhivyajyata ity uktam idānim ca ciram avasthānam ucyate tat katham param pūrvena na virudhyata ity asayavān prcchati - katha m iti /." 44. Vacaspatimisra liest hier nur "adrştajanmao". Zu den Varianten im YBh zu YS 2.13 (und 4.9) s. Halbfass, o.c., 109 f.. Page #16 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāṣya sya karmapaḥ samānam abhivyaktikāraṇam uktam...", "nur von dem "karma", (dessen Frucht) nicht in der gegenwärtigen Existenz erfahren werden muss und das zu einer bestimmten (Zeit) reift, ist gesagt/ gelehrt worden, dass der Tod (seine) gemeinsame (d. h. für alle Fälle eines solchen "karma" geltende 45) Manifestations - Ursache ist...". Weder Vacaspatimiśra noch der Vivarapakara halten den Begriff "abhivyaktikāraņa" für der Erläuterung bedürftig. Letzterer aber führt zu dem Ausdruck "prāyaṇābhivyakta", der in einem vorangehenden Abschnitt des YBh zu YS 2. 13 das Subjekt "karmasaya"46 qualifiziert, folgendes aus (15o. 22-23): "yathā bijakṣetrasamskarasamyogo 'nkurabhāvābhivyaktikarapam, tathā prāyaṇam apy aviruddhānām karmaņām abhivyaktinimittam/", "wie die Verbindung von Samenkörnern, Saatfeld und (seiner) Vorbereitung (für die Aussaat etc.) die Ursache für die Manifestation des Sprossenstadiums bildet, so ist auch das Sterben die Ursache für das Manifestwerden von Handlung (sresidu) en, die nicht (zueinander) im Gegensatz stehen". Er bekräftigt somit, was sich aus dem zitierten Satz des YBh selbst bereits mit aller wünschenswerten Klarheit ergibt, dass es im vorliegenden Fall nämlich ganz und gar nicht um die notwendige Voraussetzung für einen Wahrnehmungsakt geht, sondern vielmehr um die Frage der Auswirkung von "karma" im Sinne des Manifestwerdens bzw. Fruchttragens der latenten Handlungsresiduen und ihrer Ursache. Der Ausdruck "abhivyaktikāraṇa" ist hier also in einer Bedeutung verwendet, die nicht nur von derjenigen signifikant verschieden ist, die ihm im Rahmen der "Lehre von den 9 Ursachen" beigelegt wird, sondern bemerkenswerterweise auch genau der Erwartung entspricht, die man aufgrund der Sämkhya-YogaTerminologie hat, ja haben muss. Dem eben zitierten Satz aus dem Vivarana ist darüberhinaus zu entnehmen, dass "abhivyaktinimitta" in der gleichen Bedeutung gebraucht werden kann. Das zeigt in der Tat auch das YBh zu YS 4.8 355 45. Zum Vivarana dazu vgl. Anm. 43. Vacaspatimisra merkt übrigens zu "adṛṣṭajanmavedaniyasya karmapah" an: "jatyabhiprayam ekavacanam /." 46. Auch bei diesem Satz ergeben sich aus dem Vivarana (s. 150.19 ff.) einige Varianten, nämlich "(karmasaya)ḥ pracayavicitraḥ" gegenüber "karmasayapracayo vicitrah" und "ekapraghaṭṭakena samuccitaḥ ekam eva janma karoti" gegenüber "ekapraghaṭṭakena maraņam prasadhya sammarchita ekam eva..." - Page #17 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 356 A.WEZLER ("tatas tadvipākānuguņānām evābhivyaktir vāsanānām"), wo es in weiterer Auslegung der Charakterisierung der "vāsanās" als "tadvipākānuguņa" u.a. heisst: "na hi daivam karma vipacyamānam nārakatiryanmanuşyavāsanābhivyaktinimittam sambhavati / kimtu daivānuguņā evāsya vāsanā vyajyante / ". Woods' Übersetzung (1927: 306) ist durchaus treffend: "For when karma of the gods is in fruition it is not the efficient cause for the manifestation of hellish or of brutish or of human subconscious-impressions. It does, however, make manifest these subconscious-impressions only which correspond to it." Beiden schon mehrfach herangezogenen Kommentatoren erscheinen die Ausdrücke "abhivyaktinimittam" und "vyajyante" als so klar, dass sie auf ihre Explikation glauben verzichten zu dürfen. Und in der Tat kann man ja nur die rhetorische Frage stellen, was ausser "Manifestation" bzw. "manifestiert werden" im ontologischen Sinne sie denn hier bedeuten sollten, zumal sie dabei in einem sehr ähnlichen Kontext auftauchen, wie er uns in Gestalt des YBh zu YS 2.13 soeben schon begeg - net war. Es darf deshalb mit Nachdruck festgestellt werden, dass auch hinsichtlich des terminologischen Gebrauchs des Begriffs "abhivyakti - käraņa / onimitta" eine auffällige Diskrepanz zwischen der Definition im Rahmen der "Lehre von den 9 Ursachen" einerseits und dem YBh sonst besteht. Rückblickend auf den ganzen Paragraphen ist es wohl keine Übertreibung zu sagen, dass die Verdachtsmomente so zahlreich und von solcher Art sind, dass es im Grunde nur noch der Identifizierung der wahren Quelle(n) der "Lehre von den 9 Ursachen" bedarf, um die bestehende Vermutung zur absoluten Gewissheit zu erheben, dass sie auf "Fremdeinflüsse" zurückgeht, ist es dem Bhāşyakāra doch nicht gelungen, sie seinem eigenen Sprachgebrauch völlig zu adaptieren oder diesen mit ihr in rundum harmonischen Einklang zu bringen. 3. Bei der ersten der buddhistischen Parallelen, auf die eingangs angespielt wurde, handelt es sich um das Madhyāntavibhāga-Bhāşya (= MAVBh) 47 Vasubandhus (des Älteren, gemäss Frauwallner, der ihn auf 320-380 n. Chr. datiert). 47. Einen exzellenten Überblick über die verschiedenen Ausgaben - und ihre Schwachen - gibt de Jong in seinem Aufsatz "Notes on the Second Page #18 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāṣya 3.1. Der fragliche Abschnitt findet sich dort ziemlich am Anfang des 2., "avaraṇa-pariccheda" betitelten Kapitels, und zwar im Kommentar zu Kārikā lo ab, in welcher gelehrt wird, dass den im vorangehenden Vers aufgezählten lo heilsrelevanten Faktoren (nämlich "subha/ kusala, 48 bodhi, samādāna, dhimattva, abhränti, anavṛti/anavaraṇa, nati/pariņati, atrasa, amatsaritva/amātsarya" und "vasitva") jeweils drei "Hindernisse" entgegenstehen ("triņi trīņi ca eteṣām jñeyany āvaraṇāni hi"). Nachdem Vasubandhu diese lo x 3 "avaraṇāni" in seinem Kommentar zu diesem Halbvers im einzelnen angegeben hat, fährt er fort 49 (31.9-20): "tat punar etad Avaranam subhadau yaträrthe dasa karapani tadarthadhikāreņa veditavyam / dasa kāraṇāni (') utpattikaranam tad yatha cakṣur-adayaś cakṣur-vijñānasya sthiti-kāraṇam tad yatha catvāra āhārāḥ satvānām / dhṛti-käraṇam yad yasyādhārabhūtam tad yatha bhajana-lokaḥ satva-lokasya abhiyakti-kāraṇam/ tad yatha (') aloko rūpasya vikara-kärapam tad yathagny-adayaḥ päkyādinām visleṣa-karanam tad yatha däträdayah cchedyādinām / paripati-karapam / tad yathā suvarppa-kärädayaḥ suvaroņādinām kaṭakādi-bhāvena pariņatau sampratyaya-kāraṇam / tad yathā dhumadayo 'gny-ādinām / sampratyayana-kärapam / tad yatha hetuḥ, pratijñāyāḥ (/) präpti-kärapam tad yathā mārggādayo nirvväņādīnām." "(Alle) diese Hindernisse für das Zum-Heil-Gereichende usw. aber sind, so muss man wissen, demjenigen Ding als kontrollierendes (d.h. bestimmendes) Moment übergeordnet, für welches es die lo Ursachen gibt, (d. h. letztlich: verhindern die Entstehung der den einzelnen Hindernissen entgegengesetzten Faktoren und damit indirekt auch des "subha" usw. 50). Die lo Ursachen (sind): (1.) Die Ursache des Entstehens wie z. B. das Auge usw. (als Ursache des Entstehens) der Augenerkenntnis; (2.) die Ursache des Fortbestehens wie z. B. die vier 357 Chapter of the Madhyāntavibhāgaṭīkā", erschienen in: CAJ XXI, 2 (In honour of the 65th birthday of Professor Helmut Hoffmann), 1977, 111-117. 48. Ersteres ist der in der Kärikä, letzteres der im Bhasya gebrauchte Ausdruck. 49. Ich zitiere nach der Ausgabe von G. M. Nagao, Tokyo 1964, habe aber die anderen Ausgaben verglichen. 50. Vgl. MAVT (ed. S. Yamaguchi, Nagoya 1934) 84.16 ff.: "tatrāprayogadayaḥ prayogādinām sākṣad vibandhe vartamānāḥ paramparaya subhotpatter api pratibandhakatvad" (lies mit Pandeya: "pratibandhakāḥ/"). Page #19 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 358 A.WEZLER "Nahrungen" 51 (als Ursache des Fortbestehens) der Lebewesen; (3.) die Ursache für das Fest-Gehalten-/ Getragen-Werden als dasjenige, was die Grundlage für etwas bildet, wie z. B. die "Behälter-Welt" (als Ursache für das Fest-Gehalten-/ Getragen-Werden) der Welt der Lebewesen (deren Grundlage erstere bildet); (4.) die Ursache der Sichtbarkeit von Farbe (und Gestalt); (5.) die Ursache der Veränderung wie z. B. das Feuer usw. (als Ursache der Veränderung) kochbarer (d. h. essbarer) (Dinge) usw.; (6.) die Ursache der Trennung wie z. B. ein Messer usw. (als Ursache der Trennung) von Abzuschneidendem usw.; (7.) die Ursache der Umgestaltung wie z. B. ein Goldschmied usw. (als Ursache) inbezug auf die Umgestaltung von Gold usw. zu einem Armband usw. ; (8.) die Ursache der Erkenntnis (die man für sich selbst gewinnt) wie z. B. Rauch usw. (als Ursache der Erkenntnis) von Feuer usw. ; (9.) die Ursache für das Verstehenlassen wie z. B. der logische Grund (als Ursache, welche jemanden anderen) die Behauptung (verstehen lässt); (und lo.) die Ursache der Erlangung wie z. B. der (achtgliedrige) Pfad usw. (als Ursache der Erlangung) des Nirvāņa usw." 52 Sthiramati (470-550 n. Chr.) erklärt diesen Abschnitt, abgesehen von dem ersten Satz, in seiner (MAV)Țīkā nicht als solchen, sondern geht auf diese Ursachen und einzelne der anschaulichen Beispiele erst im Zuge seiner Erläuterung des im MAVBh nächst folgenden Abschnitts ein, welcher der Darstellung der entsprechenden "Hindernisse" . ("utpatti-āvaraņa" etc.) gewidmet ist. Seine Ausführungen enthalten dabei aber nichts Wesentliches für das Verständnis der UrsachenBegriffe selbst; sie bestätigen allenfalls, was man der in sich ja auch hinreichend präzisen und klaren Darstellung Vasubandhus direkt entnehmen kann, so dass wir uns hier nicht mit ihnen befassen müssen. 51. Gemeint sind gewiss die schon in kanonischen Texten aufgezählten 4 "Arten von Dingen, welche sich der Mensch zuführt, bzw. dank derer er lebt" : "kabaļinkāra, phassa, manosañcetanā" und "viññāna". 52. Die Übersetzung dieses Abschnittes in S. Anackers ungedruckter Dissertation (Vasubandhu: Three Aspects. A Study of a Buddhist Philosopher, University of Wisconsin, 1970, 445) enthält grobe Schnitzer (so ist z. B. "aloka" mit "the action of looking" wiedergegeben), Pseudo-Wörtlichkeiten ("forcing it out of its self-embrace" für "viśleşa") und allzu freie Wiedergaben. Page #20 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 359 3.2. Stattdessen soll kurz auf die Frage eingegangen werden, ob sich eine der Reihung der Ursachen-Begriffe zugrundeliegende Systematik oder doch ein gewisses Ordnungsprinzip erkennen lässt. Für das Gesamt der lo Ursachen vermag ich eine interne Systematik nicht zu erkennen, wohl aber eine externe, insofern die Aufeinanderfolge der lo "āvaraņas" der Aufzählung der lo heilsrelevanten Faktoren von "subha" bis "vasitva" entspricht und somit als ganze zumindest formal an jene gebunden zu sein scheint. Bei einzelnen der Ursachen aber nimmt sich die Reihung, auch wenn man die Liste für sich allein betrachtet, als nicht zufällig aus. So könnte die Aufeinanderfolge von "ut patti-", "sthiti-" und "dhịtikāraņa" in der Überlegung begründet sein, dass etwas erst entstanden sein muss, bevor es weiterbestehen kann, und dass es (fort-)bestehen muss, um als Grundlage für anderes zu dienen. Wollte man diese Sukzession nicht unterbrechen, dann musste man die "Ursache der Sichtbarkeit" an 4. Stelle aufführen. Die Sichtbarkeit ihrerseits aber bildet die Voraussetzung dafür, dass die verschiedenen Arten von "Bearbeitungsprozessen" durchgeführt werden können, auf welche die Beispiele für die nächsten drei Ursachen ("vikāra-", "visleşa-" und "pariņatikāraņa") abheben, wobei ihre Reihung selbst aber arbiträr erscheint. Dass "sampratyāyana-kāraņa" auf "sampratyayakāraņa" folgt, ist andererseits wieder verständlich, wenn man sich auch fragen muss, jedenfalls im Hinblick auf das jeweilige Beispiel, worin eigentlich der Unterschied zwischen diesen beiden Ursachen liegt. Als berechtigt nachvollziehbar ist diese Zweiheit doch nur, wenn hier de facto auf den Unterschied zwischen dem, was man später "svārthānumāna" und "parārthänumāna" nennen wird, abgezielt ist, und darauf weisen die Ausdrücke "sampratyaya" und "sampratyāyana" in der Tat auch hin. Warum die "Ursache der Erlangung" an letzter Stelle genannt ist, macht das Beispiel nur allzu deutlich. Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass in dem unmittelbar folgenden Abschnitt des MAVBh, wie Sthiramati expliziert, 53 die "bei (dieser) Gelegenheit (nämlich der Besprechung der "Hindernisse") (zur Sprache) gekommenen (Ursachen) mittels eines 53. MAVT 89. 2-3: "prasangagatānām antaraślokena samgrahaḥ kriyate/." Page #21 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 360 A.WEZLER "antarasloka"54 (von Vasubandhu) zusammengefasst werden" und dass dieser Vers lautet (32.7-8) : "kāraṇam daśadhotpattau sthitau dhịtyām prakasane / vikāra-viśleşa-nati-pratyaya-prāyaṇāptişu // ". Unmittelbar darauf folgt ein zweiter "antaraśloka", der "dazu dient, die Beispiele zusammenzufassen", 55 nämlich (32.9-10): "cakşur-āhāra-bhū-dīpa-vahnyādis tad-udahștiḥ / dātra-silpa- jñata 56 -dhūma-hetu-mārggādayo 'pare // ". Beide Verse fehlten aber offenbar in dem Text des MAVBh, den Paramārtha (499-569 n. Chr.) ins Chinesische übersetzt hat. 57 Es liegt deshalb nahe, mit Pandeya 58 zu vermuten, dass "this portion of the Bhāşya is a later addition."59 Desungeachtet steht die enge inhaltliche Beziehung der beiden Verse zu der "Liste" der lo Ursachen ausser Frage. Insofern dürfen die beiden "antaraślokas", ohne ihre mnemotechnische Funktion zu verkennen, sehr wohl auch unter dem Aspekt betrachtet werden, ob bzw. inwiefern sie Licht auf die "Liste" werfen. Man wird dann erstens feststellen, dass die Komposita "utpattikāraņa" etc. auch als "saptamī-tatpuruşas" aufgefasst werden können - was ja der Ausdrucksweise Vasubandhus u.a. im ersten Satz des zitierten Abschnitts ("yatrărthe dasa kāraṇāni" (scil. "bhavanti") entspricht - , wobei sich aber kein sachlicher Unterschied ergibt. Zweitens wird man registrieren, dass auch die Bezeichnung "dhștikäraņa" ein (solches) "tat puruşa"-Kompositum darstellt und nicht etwa 54. Zum "antaraśloka" s. zuletzt K. Mimaki, "Sur le rôle de l' antaraśloka ou du samgrahaśloka" in: Indianisme et Bouddhisme. Mélanges offert à Mgr. Etienne Lamotte (Publications de l'Institut Orientaliste de Louvain, 23), Louvain-la-Neuve 1980, 233-244. 55. MAVT 89.6: "eşa dvitiyo'ntaraśloka udaharanasamgrahaņārtham." 56. In diesem Fall ist die Abtrennung der Glieder des kompositums durch Bindestrich eher irreführend, denn es handelt sich um ein Beispiel, und zwar das dem Begriff "nati" als Vers 1 zugeordnete. 57. Vgl. Anm. 5 auf S. 32 der Ausgabe Nagaos. 58. Vgl. Anm. 33 auf S. 68 seiner Ausgabe sowie "Introduction" (XII). 59. Pandeya gibt noch folgendes zu bedenken (1.c.): "Is it a case of a part of a commentary becoming subsequently a part of the text commented upon ?" Page #22 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 361 einen "karmadhāraya", wie man aufgrund von Sthiramatis Paraphrase von "dhști" durch "dhāryate 'nena"60 meinen könnte. Und drittens wird man zur Kenntnis nehmen, dass dem Begriff "abhivyakti" der "Liste" im Vers "prakāśana" entspricht - so dass die bereits oben ($ 2.3) vorgetragene Deutung dieses Begriffs, obwohl sie auch so schon als gesichert zu gelten hat, noch zusätzlich bestätigt wird - und dass der Begriff "sampratyāyana" der "Liste" im "antaraśloka" durch "prāyaņa" ersetzt zu sein scheint. Es könnte sich bei letzterem Ausdruck natür - lich nicht um die bekannte Ableitung von "pra-i" mit den Bedeutungen (gemäss dem PW) "Eingang, Antritt, Anfang" bzw. "Lebensgang, -lauf" bzw. "Ausgang aus dem Leben, Tod" 61 usw. handeln, sondern nur um ein von dem dazugehörigen Kausativ "prāyayati" abgeleitetes Primärnomen, das - evtl. als Augenblicksbildung - dann bedeuten müsste "das (Jemanden-erkenntnismässig-) Nach-vorne-Gehen-Machen", "Zu-(etwas -)Gehen-/Kommen-Lassen". Abgesehen davon, dass dieses Wort aber sonst nicht belegt ist, gibt es auch eine positive Evidenz für die ohnehin näherliegende Annahme, dass vielmehr "oprāpaņa" zu lesen ist. Für "prāpayati" verzeichnet das "Kleine PW" u.a. die Bedeutung "etwas zu Jmd gelangen lassen, so v.a. überbringen, melden, anmelden, verkünden" und für "prāpaņa-" nennt Monier-Williams neben anderen unter Verweis auf Patañjalis Mahābhāşya die Bedeutungen "elucidation, explanation", welch letzteren nachzugehen sich besonders empfiehlt. Am Anfang der Disskussion von Pāṇ. 1.3.2 ("upadese 'j anunāsika it") im Mahābhāşya wird neben "upadesa" auch der Ausdruck "uddesa" gebraucht, wodurch die Frage provoziert wird (1 259.17): "kaḥ punar uddesopadeśayor višeşah". Die Antwort verdient, auch in weiterem Zusammenhang, 62 Beachtung, lautet sie doch (I 259. 17-23): "pratyakşam ākhyānam upadeso guņaiḥ prāpaņam uddeśaḥ / pratyakşam tāvad ākhyānam upadesaḥ / tadyatha / agojñāya kaścid gām sakthani 63 60. MAVȚ 85.18. 61. S. o. S. 355. 62. Nämlich dem der Tantrayuktis und dem des Mittels gültiger Erkenntnis "upamāna". 63. In der 3. Auflage, besorgt von K.V. Abhyankar, steht hier fälschlich "sakthāni". Page #23 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 362 A. WEZLER karpe vä grhitvopadišati ayam gaur iti sa pratyakşam akhyātam aha upadişto me gaur iti guņaiḥ prapaṇam uddeśaḥ tadyatha / kaseid kameid äha devadattam me bhavan uddišatv iti sa ihasthaḥ pataliputrastham devadattam uddišati angadi kundali kiriti vyadhorasko vrttabahur lohitäkṣas tunganãso vicitrabharapa idrso devadatta iti sa gupaiḥ präpyamāņam ahauddiṣṭo me devadatta iti // ". Scharfe 64 übersetzt dies wie folgt: "Direkte Erklärung ist "upadesa", Erreichenlassen durch Eigenschaften "uddešą". Das direkte Erklären denn ist "upadesa": Z. B., jemand belehrt einen, der kein Rind kennt, nachdem er ein Rind am Bein oder am Ohr gefasst hat: "Das ist ein Rind." Der sagt von dem direkt Erklärten: "Mir ist das Rind gezeigt worden." Das Erreichenlassen durch Eigenschaften ist "uddeśa"; z. B., jemand sagt zu einem: "Möge mir der Herr den Devadatta weisen!" Der weist (ihm), hier 65 befindlich, den in Pataliputra befindlichen Devadatta: "Er trägt Armringe am Oberarm, Ohrringe, ein Diadem, hat eine breite Brust, runde Arme, rote Augen, eine lange Nase und verschiedenartigen Schmuck - sogestalt 66 ist Devadatta." Jener sagt von dem (scil. durch Eigenschaften) "Zum Erreichen Gebrachten: "Devadatta ist mir gewiesen"." Abgesehen davon, dass man "pratyakşa" hier besser mit "augenfällig" wiedergeben sollte und sich auch fragt, inwieweit dabei überhaupt von einer "Erklärung" gesprochen werden kann, etc., bleibt festzustellen, dass Scharfe es versäumt, darauf aufmerksam zu machen, dass Patanjali im Anschluss an värttika 1 hervorhebt, dass "uddeśa" und "upadesa" von Katyayana genau andersherum verstanden werden, dass also das, was zuvor als Bedeutung von "uddeśa" angegeben worden war, die Bedeutung von "upadesa" ist, usw. (I 260.4 ff.: "lakṣapena hy upadeśaḥ samkirṇāv uddesopadesau / pratyakşam akhyānam uddešo gupais ca prapaņam 64. Die Logik im Mahābhāṣya, Berlin 1961, 159. 65. Denkt Patanjali dabei an Mathura? Vgl. auch Scharfes Aufsatz "A Second "Index Fossil" of Sanskrit Grammarians" in: JAOS 96.2 (1976) 274277. 66. Man beachte die klugen Anmerkungen dazu von Kaiyața und Nāgeśa; Pradipa II 126 b 13 f.: "I drsa iti/ etaiḥ sabdair yadrŝo buddhav arthaḥ pratibhasate tādṛśo bāhya ity arthaḥ //." Uddyota II 126 b 19 f.: "ekavyaktau bhedabhāvād idrsa ity asamgatam ata aha etair iti bahya iti loke drsyamāna ity arthaḥ / etena bauddharthasyaiva sabdabodhe bhānam iti darsitam //." - Page #24 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāṣya upadeśaḥ usw..) Für die Frage nach der Bedeutung von "prapaņa" ist das aber irrelevant, denn dieser Ausdruck wird in beiden Fällen ersichtlich in einem kognitiven Zusammenhang, also in der Bedeutung von "(jemanden durch Angabe der Eigenschaften oder Merkmale von etwas nicht sinnlich Wahrnehmbarem dazu) Gelangen-Lassen, (dass er eine klare Vorstellung von dieser Person oder Sache gewinnt)" gebraucht, was auch Kaiyața feststellt, indem er (Pradipa, NSPEdition, II 126 b 11 f.) erläutert: "prasiddhadharmopādānena tu yat pratipadanam (sa uddeśab)"; dies veranlasst Nägeša, in seinem Uddyota (II. 126 b 17 f.) noch anzumerken, man habe sich klarzu - machen, dass es sich dabei um je für sich genommen unspezifische Elemente der Beschaffenheit handelt ("pratyekasädhärapetyādi bodhyam"), die, so wäre zu ergänzen, erst in ihrer Gesamtheit ein bestimmtes Individuum zu identifizieren gestatten. 363 تو Aber auch im MAVBh selbst gibt es mindestens eine einschlägige Belegstelle, freilich für den Ausdruck "samprāpaņa", der dort aber in praktisch der gleichen Bedeutung gebraucht ist wie "prapapa" bei Patanjali. Denn es heisst von dem zweiten konstitutiven Element des "bhāvanāmārga" (54. 1o ff.): "parasampräpaṇāngam samyak-samkalpaḥ samyag-väk ca sa-samutthānayā vāca tat-prapapat /", "das (2.) konstitutive Element, (nämlich) das Einen-anderen-(zu-der-durch(die-eigene-) "samyagdrsti"-erkannten-Wahrheit -)Gelangen-Lassen, besteht in rechtem Entschluss und rechter Rede, weil man (ihn) durch eine (in richtiger Weise) entstandene (d. h. auf rechtem Entschluss beruhende) Rede (wörtl.: durch (rechte) Rede samt dem (Entschluss), aus dem sie entsteht) dazu gelangen lässt (d. h. ihn die Wahrheit zu erkennen veranlasst)". Eher noch deutlicher ist eine Stelle aus dem Abhidharmasamuccaya (AS), wo die "8 sadhanani" (d.i. "pratijñā", "hetu", "dṛṣṭānta", "upanaya", nigamana", "pratyakşa", "anumâna" und "aptagama") besprochen werden. Das erste dieser "Mittel" wird dabei nämlich so definiert (105.5) 67 "pratijñā sadhyasya svarucitärthasya parasamprapaṇavijñāpana", "Behauptung ist die Unterweisung zum Zweck des/ die besteht im Einen-anderen-(zur-Erkenntnis-)Gelangen-(Lassen)s 67. Ed. Pradhan, Santiniketan 1950. Der zitierte Satz stammt zwar aus einem Textteil, der nicht in Sanskrit erhalten ist, sein Wortlaut ist aber im AS Bhāṣya (151.12) sekundär überliefert. Page #25 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 364 AWEZLER der zu beweisenden Sache, die man selbst für richtig hält". Aus den Erläuterungen im AS-Bhāşya 68 (151. 15-17: "(yadi) samprāpaņagrahaņam na kriyeta kāyenāpi tadarthābhinayanam pratijñā prasajyeta / vijñāpanāgrahaņam na kriyetāvijñāte 'pi tadarthe srotsbhiḥ pratijñā prasajyeta / ") ergibt sich, dass mit dem Begriff "parasamprāpaņa" die Vorstellung der Verbalität der Wissensvermittlung assoziativ verbunden ist. 69 Es kann demnach wohl kaum einen Zweifel darüber bestehen, dass in dem oben zitierten "antaraśloka" "prāpaņa" zu lesen ist und dass dieser Ausdruck in der Tat "sampratyāyana" semantisch äquivalent ist, 70 - was ohnehin schon deshalb zu vermuten steht, weil ihm im 2. Vers der Begriff "hetu" als Beispiel ("udāhști") zugeordnet ist. Insofern gilt, dass auch der Ausdruck "'prāpaņao" die oben für "sampratyāyana" angenommene Bedeutung voll bestätigt. 4. Auch die zweite buddhistische Parallele entstammt einem Werk der Yogācāra-Schule, nämlich dem bereits erwähnten AS, der Asanga (um 315-390 n. Chr. gemäss Frauwallner) zugeschrieben wird. 4.1. Im Zusammenhang der Frage nach der Aufteilung ("prabheda") der kausalen Bedingung ("hetupratyaya") werden dort, und wohlgemerkt in einem Abschnitt, der im Sanskrit -Original erhalten ist, 71 insgesamt 20 "Ursachen" aufgezählt und gleichzeitig erläutert, und zwar auf folgende Weise (28. 12-29.2): (1) ut pattikāraṇam tadyathā cakṣuḥsāmagrī vijñānasya // ; sthitikāraṇam tadyathā āhāro bhūtānām sattvānām sambhavaişiņām ca //; (3) dhịtikāraṇam tadyathā přthivi sattvānām //; (4) prakāśakāraṇam tadyathā prasīpo rūpāņām //; (5) vikārakāraṇam tadyathā agnir indhanasya //, (2) sthitin 68. Ed. Nathmal Tatia, Patna 1976. 69. Vgl. zur Sache auch Yuktidīpikā 40.31 ff.. 70. Das Fehlen von "sam-" könnte übrigens auch nur metrisch bedingt sein; vgl. "nati" gegenüber "pariņati". 71. Wie ein Blick in V.V. Gokhales Aufsatz "Fragments from the Abhidharmasamuccaya of Asamga" (JBBRAS, N.S. 23, 1947, 13-38) zeigt. Page #26 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 365 (6) viyogakāraṇam tadyathā dātram chedyasya // ; (7) pariņatikāraṇam tadyathā śilpasthānādikam hiraṇyādīnām // ; (8) sampratyayakāraṇam tadyathā dhūmo 'gneḥ // ; (9) sampratyāyanakāraṇam tadyathā pratijñāhetudņştāntāḥ sādhyasya //; (10) prāpaņakāraṇam tadyathā mārgo nirvāṇasya // ; (11) vyavahārakāraṇam tadyathā nāma samjñā drşțis call; (12) apekşākāraṇam yadapekşya yatrārthitvam utpadyate / tadyathā jighatsām apekşya bhojane // ; (13) āksepakāraṇam vidūraḥ pratyayaḥ / tadyathā avidyā jarā - maraṇasya /l; (14) abhinirvșttikāraṇam āsannaḥ pratyayaḥ / tadyathā avidyā samskārāņām // ; . (15) parigrahakāraṇam tadanyaḥ pratyayaḥ / tadyathā kşetrodakapāsya. (? vāpyā) 72 dikam sasyodayasya // ; (16) āvāhakakāraṇam anukülataḥ pratyayaḥ / tadyathā samyagrājāsevā rājārādha nāyāḥ //; (17) pratiniyamakāraṇam pratyayavaicitryam / tadyathā pañcagati - pratyayāḥ pañcănăm gatīnām // ; (18) sahakärikāraṇam pratyayasāmagri / tadyathā vijñānasya indriyam aparibhinnam vişaya ābhāsagataḥ tajjas ca manaskāraḥ pratyupa - sthitaḥ // ; (19) virodhikaraṇam antarāyaḥ / tadyathā sasyasyāśaniḥ // ; (20) avirodhakāraṇam 73 a(na)ntarāyaḥ / tadyathā tasyaivāntarāyasyā - bhāvaḥ // ". Betrachten wir zunächst die ersten lo "Ursachen". Von ihren Bezeichnungen weichen nur Nr. 4, 6 und lo von denjenigen ab, die uns bereits im MAVBh begegnet waren. "prakāsao" anstelle von "abhi - vyaktio" bedarf angesichts von "prakāśana" im ersten "antaraśloka" 72. Mein Freund Schmithausen machte mich dankenswerterweise darauf aufmerksam, dass der Emendationsvorschlag von Pradhan nicht akzeptabel ist, dass vielmehr "păşyādikam" zu lesen ist, wie durch das Tibetische und Chinesische bestätigt wird. Durch die explizite Nennung von "Dung, Mist" kommt dieser Stelle demnach auch eine agrargeschichtliche Bedeutung zu. 73. Die Handschrift des ASBh liest genau umgekehrt im ersten Fall 11 orodhaound im zweiten "avirodhio", während BoBh und Yogācārabhūmi gemeinsam in den Bezeichnungen dieser beiden Ursachen " orodha bezeugen. Page #27 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 366 A. WEZLER keines Kommentars; allenfalls wäre zu betonen, dass die Deutung von "abhivyakti" auch durch den AS also schlagend bestätigt wird. "viyogao anstelle von "viśleşao" ist nicht weniger unproblematisch; man könnte hier aber noch auf Sthiramatis Erläuterung von "viśleşa" verweisen (MAVȚ 86.23): "visamyujyate 'neneti viśleşah". Bei "prāpaņa" anstelle von "prāptio" könnte man meinen, es läge eine Verwechslung mit "oprāpaņao" in dem ersten "antaraśloka" vor und die Erklärung des ASBh (36.15 f.) "prāpaņakāraṇam tenādhigamāt" als Bestätigung dafür ansehen. In Wahrheit liegt hier aber doch der gleiche Ursachenbegriff vor, wie u.a. das Beispiel klar zeigt, und ist "prāpaņakāraņa" natürlich ein "karmadhāraya"-Kompositum (und "adhigama" in der nicht-kognitiven, also konkreten Ausgangsbedeutung von "Zu-etwas. Hingehen", "Etwas-Erreichen" gebraucht). Auch die Beispiele stimmen weithin, teilweise sogar wörtlich bzw. sich nur durch den Gebrauch von synonymen Ausdrücken unterscheidend, mit denen aus der "Liste" des MAVBh überein. "silpasthānādika" bei der siebten "Ursache" entspricht bedeutungsmässig dem Begriff "silpajñatā", der, wie wir gesehen haben, in dem ersten "antarasloka" statt "suvarņakārādi" gebraucht war. Eine substantielle Abweichung scheint nur bei Nr. 9 vorzuliegen, insofern hier "Behauptung" und "logischer Grund" und "Beispiel" als "sampratyāyanakāraņa" des "zu beweisenden (Prädikats)" angeführt werden und nicht wie im MAVBh der "hetu" als Ursache dieser Art für die "pratijñā". Im Lichte der oben (S. 363) herangezogenen Stelle aus dem AS kann aber kein Zweifel bestehen, dass es sich dennoch um den gleichen Ursachenbegriff handelt und dass auch die Erläuterung im ASBh (36.15: "sampratyāyanakāraṇam tena samyanniscayāt") dahingehend zu verstehen ist, dass diese kognitive Entscheidung von der anderen Person gefällt wird, die "dazu gebracht wird, (etwas) zu erkennen (und im Bewusstsein der Richtigkeit dieser Erkenntnis Vertrauen dazu zu haben)." Der Vollständigkeit halber seien die Erläuterungen auch der anderen der ersten 1o Ursachen noch zitiert, die das ASBh gibt (36. lo ff.): "utpattikäraņam tataḥ kāryasyābhūtvā prādurbhāvāt / sthiti - kāraṇam utpannasya prabandhānupacchedāt / dhịtikāraṇam pātapratibandhāt / prakāsakāraṇam āvstasyābhivyañjanāt 74/ vikārakāraṇam 74. Man beachte, dass trotz der anderen Bezeichnung dieser Ursache hier wieder eine Ableitung von "abhi-vi-anj" gebraucht wird. Page #28 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 367 tatsamtānasyānyathätvāpādanāt / viyogakāraṇam sambandhasya (lies : "sambaddhasya" ?) dvaidhikaraṇāt / pariņatikāraṇam tadavayavānām desāntarasamcaraņāt / sampratyayakāraṇam tena viparokşānumānāt/". Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass die ersten lo Ursachen des AS mit der "Liste" der lo Ursachen im MAVBh völlig übereinstimmen. In Verbindung mit der Beobachtung, dass im AS anders als im MAVBh - auch im weiteren Kontext - kein Grund für die gegebene Reihenfolge der Aufzählung dieser "kāraṇāni" erkennbar ist, diese aber mit der dortigen identisch ist, lässt sich daraus die Vermutung ableiten, dass die "Liste" von insgesamt 20 Ursachen im AS aller Wahrscheinlichkeit nach - dem Grundcharakter dieses Werkes, wie er auch im Titel zum Ausdruck kommt, entsprechend - dadurch zustandegekommen ist, dass an die Gruppe von lo Ursachen, wie sie im MA VBh bezeugt ist, (unter Beibehaltung der Reihenfolge ihrer Aufzählung) weitere, und zwar wiederum zusammen lo, Ursachen angefügt wurden. Diese Annahme würde ihrerseits implizieren, dass die doppelt so umfangreiche "Liste" des AS in der vorliegenden Form jünger ist als die "erste Zehner-Liste" als solche einerseits und die Zusammenstellung der bzw. einzelner der anderen lo Ursachen andererseits. Es fragt sich nur, auf welche Quelle(n) der Verfasser der AS bei diesen zusätzlichen Ursachen zurückgegriffen hat. 4.2. Die Antwort hat schon Schmithausen gegeben, indem er "die Reihe von lo bzw. 20 Ursachen" für die Lösung literaturgeschichtlicher Probleme der älteren Yogācāra-Schule herangezogen hat 75 und dabei bezüglich des AS zu dem folgenden Ergebnis kam: "Auch hier ... findet sich - eingebaut in eine Reihe von zwanzig Ursachen ("kāraņa") - die im vorigen erwähnte Reihe von zehn Ursachen. Die Definitionen entsprechen grösstenteils der Savitarkādibhūmi (z. B. beim "āvāhakakāraņa"), doch ist in einigen Fällen ein Einfluss der Bodhisattva) - Bh(ūmi) sichtbar (z. B. beim "apekşā -" und "parigrahakāraņa"). Widersprüche ergeben sich dabei jedoch nicht; es handelt sich offenbar um eine wohldurchdachte Verarbeitung der zur Verfügung stehenden 75. Vgl. seinen Aufsatz in: XVII. Deutscher Orientalistentag... in Wiirzburg, Vorträge, hrsg. v. W. Voigt (ZDMG Supplementa I), Wiesbaden 1969, 811-823. Page #29 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 368 A. WEZLER Quellen." Mit der "Reihe von zehn Ursachen" sind also gerade nicht die in der "Liste" des MAVBh aufgezählten gemeint, sondern die im AS darüber hinaus begegnenden Ursachen Nr. 11 bis 20. Von diesen stellt Schmithausen fest, dass sie offenbar der Savitarkādibhūmi einerseits und der BoBh andererseits entnommen sind, doch ohne dass sich Widersprüche ergäben. Es genügt deshalb für den hier gegebenen Argumentations zusammenhang, einen kurzen Blick auf den letzteren Text zu werfen. Da zeigt sich dann, dass dort (p. 7o) in der Tat die folgenden "Ursachen" ("hetu") der Reihe nach erläutert werden: "anuvyavahāra-", "apekşā -", "ākşepa-", "parigraha-", "abhinirvștti-", "āvāhaka-", "pratiniyama-", "sahakāri-", "virodha-" und "avirodha-". Auch die Reihenfolge der Aufzählung entspricht also - ausser bei "abhinirvștti -" und "parigraha-hetu" - genau der des AS, so dass festgestellt werden darf: Die Reihe von 20 Ursachen im AS zerfällt tatsächlich in zwei Gruppen von jeweils lo Ursachen; der Verfasser hat - auch in diesem Fall - auf vorgegebenes Material zurückgegriffen, d. h. diese Reihen jeweils unterschiedlichen Quellen entnommen. Die "Vorgeschichte" der "Liste" des MAVBh ihrerseits kann, wie sich im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung noch bestätigen wird, hier unberücksichtigt bleiben. 5. Auch unabhängig von der Frage nach der historischen Beziehung zwischen den beiden buddhistischen Parallelen darf man von einer strukturalistischen Position aus behaupten, dass die beiden Reihen von 1o Ursachen im MAVBh und AS in jeder Hinsicht, konzeptionellinhaltlich, terminologisch wie in den jeweiligen Beispielen bzw. Erklärungen, so weitgehend übereinstimmen, dass es berechtigt erscheint, von nur einer "buddhistischen Liste" dieser Ursachen zu sprechen. Nun wäre aber zu erörtern, wie die Beziehung der "buddhistischen Liste" zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im YBh historisch zu beurteilen ist. Denn dass auch diese beiden ihrerseits aufs engste miteinander verwandt sind, ist ja nach dem bisher schon Dargelegten so augenfällig, dass es sich geradezu erübrigt, das nun auch explizit festzustellen bzw. durch einen Vergleich im einzelnen nachzuweisen. 5.1. Eine genaue vergleichende Betrachtung ist aber aus einem anderen Grund doch erforderlich, um nämlich nach Indizien Ausschau zu halten, welche es, zumindest im Sinne einer kumulativen Evidenz, Page #30 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 369 erlauben zu entscheiden, wer hier von wem abhängt, - und auf diese Entscheidung zielt die vorliegende Untersuchung ja ab, da mit der Beobachtung der verblüffenden Ähnlichkeit allein herzlich wenig erreicht ist. Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten, denen ein jeder Versuch der absoluten Datierung der fraglichen Texte ausgesetzt ist, wird man ja nicht einfach mit ihren mutmasslichen Entstehungszeiten argumentieren wollen, sondern sich unabhängig davon - wie auch von einer a priori gegebenen allgemeinen Wahrscheinlichkeit - darum bemühen, den zitierten Textabschnitten selbst Beobachtungen abzugewinnen, die Aufschluss über die Richtung der Beeinflussung geben, - und solche lassen sich ja durchaus machen. Die Prämisse, von der dabei ausgegangen wird, ist natürlich die, dass die Übereinstimmungen zwischen der "Lehre von den 9 Ursachen" im YBh und der "buddhistischen Liste von lo Ursachen" nicht auf einem Zufall beruhen können. Als erstes darf dann, ohne dass mit dieser Voranstellung - ebensowenig wie mit der Reihenfolge der Behandlung der weiteren Punkte - notwendig eine Gewichtung im Sinne einer auf- oder absteigenden Klimax verbunden wäre, festgestellt werden, dass sich die "Lehre von den 9 Ursachen" dadurch auszeichnet, dass in einigen Fällen gleichzeitig von etwas ausgesagt wird, eine bestimmte Ursache zu sein, und ausserdem noch ein Beispiel aus dem Alltagsleben dafür gegeben wird. Der AS dagegen beschränkt sich darauf, jeweils ein anschauliches Beispiel zu geben, während im MAVBh zunächst ebenso verfahren wird, um erst im nächstfolgenden Abschnitt die verschiedenen Ursachen-Begriffe auch auf die "Hindernisse" anzuwenden. Im Vergleich zu den buddhistischen Quellen nimmt sich die Darstellung des YBh also einerseits dichter, komprimierter aus, andererseits aber elaborierter. Berücksichtigt man die weitere Tatsache, dass im YBh häufig gerade Yoga- bzw. zugleich auch Sāmkhya-spezifische "Anwendungen" gegeben werden - wie z. B. "manasaḥ puruşārthatā" im Falle von "sthitikā raņa" oder "yogāngānuşthānam vivekakhyāteh" im Falle des "prāptikāçaņa" -, dann ergibt sich bereits aus diesen Beobachtungen eine grössere Wahrscheinlichkeit dafür, dass es der Verfasser des YBh ist, der hier die "buddhistische Liste" verarbeitet hat, und nicht umgekehrt ein buddhistischer Autor die "Lehre von den 9 Ursachen" des YBh. Eindeutiger jedoch sind jene Fälle, in denen sich der Yogabhāşya Page #31 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 370 A. WEZLER kāra vergleichsweise besonders ausführlich zu einem bestimmten Ursachen-Begriff äussert. Das gilt für das "anyatvakāraņa" und vor allem das "dhịtikāraņa", deren Anwendung auf verschiedene Bereiche der Sāmkhya- und Yoga-Vorstellungswelt eingehender behandelt wird. Vergleicht man diesen Teil des YBh mit den entsprechenden Ursachen in den buddhistischen Parallelen - und an der konzeptionellen Gleichheit von "anyatvakāraņa" hier und "pariņatikāraņa" dort kann ja aufgrund der Beispiele kein Zweifel bestehen -, dann neigt sich die Waage doch sehr deutlich zugunsten der Annahme, dass es der Verfasser des YBh ist, der hier die buddhistische Vorlage entsprechend ausgestaltet und Sāmkhya-Yoga-spezifisch ausgearbeitet hat. Wenn auch vielleicht nicht für sich genommen, so doch auf jeden Fall in Verbindung mit den in $ 2.2 und 2.3 namhaft gemachten YBhimmanenten Verdachtsmomenten berechtigen diese Beobachtungen zu dem Schluss, dass die "Lehre von den 9 Ursachen" im YBh eine Aufnahme und partielle Adaption der in Yogācāra-Texten bezeugten "Liste" von lo "kāraņas" darstellt. 5.2. Nachdem sich der bei der Analyse des YBh-Abschnitts aufgetauchte Verdacht somit zur Gewissheit - d.h. natürlich zu dem Grad von Gewissheit, wie er in solchen Fällen in der Indien-Philogogie maximal erreicht werden kann - erhärtet hat, soll nun noch einmal ein abschliessender vergleichender Blick auf die "Lehre von den 9 Ursachen" im YBh und ihre Quelle in Gestalt der buddhistischen Liste von lo Ursachen geworfen werden, nun aber mit dem Ziel, die Abweichungen ersterer von der letzteren als bewusste Umgestaltungen zu begreifen und möglichst auch die ihnen jeweils zugrundeliegenden Motive zu erkennen. Die Zahl der Ursachen ist im YBh auf 9 reduziert worden, und zwar eindeutig durch Ausschluss der in den buddhistischen Parallelen "sampratyāyanakāraņa" genannten. Der Grund ist vermutlich darin zu sehen, dass die Unterscheidung zwischen einer Erkenntnis, die man selbst durch Schlussfolgerung gewinnt, und dem Beweis durch Schlussfolgerung oder ihrer Vermittlung durch die Sprache dem Verfasser des YBh als nicht so belangvoll erschien, dass er sich den Buddhisten auch hinsichtlich der Annahme von zwei entsprechenden Ursachen angeschlossen hätte. Ob er dabei zugleich der Meinung war, dass diese Art von Ursache durch einen der übrigen Ursachen-Begriffe bereits abge Page #32 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 1 2 3 4 deckt sei, muss offenbleiben. Bezeichnend ist jedenfalls, dass der Unterschied zwischen dem, was die Buddhisten als "sampratyaya-" und "sampratyayana-kärapa" auseinanderhalten, in dem Abschnitt des. YBh, wo von der Schlussfolgerung ("anumāna") gehandelt wird, also im YBh zu YS 1.7, auch mit keinem Wort erwähnt wird. Die Reihenfolge der Aufzählung der Ursachen im YBh, auf die bisher mit Bedacht noch nicht der Blick gelenkt wurde, stimmt nicht völlig mit der in der buddhistischen Liste überein. Das lässt sich am bequemsten aus einer synoptischen Tabelle ablesen, in dieser ist die "überschüssige" Ursache der buddhistischen Parallelen eingeklammert und sind in der 1. Spalte rechts die Zahlen beigefügt, die sich ergäben, bestünde völlige Übereinstimmung. 5 6 7 ∞ 5 8 9 10 Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāṣya YBh utpatti sthiti abhivyakti (4) vikāra (5) pratyaya (8) präpti viyoga (10) (6) anyatva (7) dhṛti (3) MAVBh utpatti sthiti dhrti abhivyakti vikära visleşa pariņati sampratyaya (sampratyayana) AS ut patti sthiti dhrti prakasa vikāra viyoga paripati 371 sampratyaya (sampratyayana) präpti prăpapa Nach den Gründen für diese Umstellungen zu fragen, ist ein etwas problematisches Unterfangen; denn die Reihenfolge der Behandlung der einzelnen Ursachen im YBh folgt nach dem "yathāsamkhya"-Prinzip der ihrer Aufzählung in dem vorangestellten Vers, die ihrerseits, zumindest u.a., metrisch bedingt sein mag. Dass es auch im YBh einen solchen Memorialvers überhaupt gibt, ist freilich wegen des "antaraśloka" im MAVBh bemerkenswert; andererseits impliziert sein Vorhandensein aber keineswegs die Annahme, dass er nicht vom Verfasser des YBh selbst stammen kann, im Gegenteil muss das als die wahrscheinlichere Annahme gelten, zumal auch das "aha" der Antwort "navaivety aha" (s.o. S. 342) - so wie häufig im Mahābhāṣya - durchaus "ich sage" bedeuten kann. Trotzdem fällt auf, dass die beiden Ursachen, welche im YBh ans Ende gestellt worden sind, zugleich die Page #33 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 372 A.WEZLER jenigen sind, zu denen der Verfasser am ausführlichsten Stellung nimmt. Wichtiger aber als die Klärung der Frage nach den Gründen für die Umstellungen ist wohl die Beobachtung, dass die Reihenfolge bei den ersten 4 Ursachen, nachdem das "dhștikāraņa" ans Ende gerückt war, übereinstimmt, was als ein weiteres Indiz für die Abhängigkeit der "Lehre von den 9 Ursachen" im YBh von den buddhistischen Parallelen gewertet werden darf. Vor allem jedoch gilt es, die Bezeichnungen der einzelnen Ur - sachen zu betrachten. Da ist dann zunächst einmal weitgehende Identität festzustellen, die in mindestens zwei Fällen, nämlich bei "utpatti-" und "abhivyaktikāraņa", eine schlagende Erklärung für die oben ($ 2.3) vorgetragenen terminologischen Bedenken bietet: Die Ausdrücke sind eben einfach aus der buddhistischen Vorlage übernommen worden! Man muss allerdings vermuten, dass sie nicht einfach nur gedankenlos-mechanisch beibehalten wurden; denn sonst wäre nicht verständlich, dass sich der Verfasser des YBh in anderen Fällen, nämlich bei den von den Buddhisten "sampratyaya-" bzw. "pariņatikäraņa" genannten Ursachen, für eine Änderung entschieden hat. Allem Anschein nach hielt er die Übernahme der Bezeichnungen "utpatti-" und "abhivyakti(kāraṇa)" für unproblematisch, und zwar vermutlich deshalb, weil die Bedeutungen, in denen sie hier gebraucht sind, allgemein bekannt und deshalb ohne weiteres verständlich sind. Dass der Verfasser des YBh andererseits das buddhistische "sam- . pratyaya" durch "pratyaya" 76 ersetzt hat, ist möglicherweise durch den Wunsch bedingt, an diesem gerade im Yoga so wichtigen Terminus festzuhalten, der sich zudem ja auch nur durch das Fehlen des "sam-"77 von seinem buddhistischen Äquivalent unterscheidet. Befremdlich dagegen wirkt, jedenfalls auf den ersten Blick, die Ersetzung von "pariņati" durch "anyatva". Gewiss, der entsprechende Sāmkhya-Yoga-Terminus ist "pariņāma" bzw. auch "vipariņāma"; 76. Zum Unterschied zwischen "pratyaya-" und "utpattikäraņa" bemerkt der Vivaranakāra richtig (209. 27 ff.): "pratyaya kāra nam dhūma - jñanam agnijñā nasya / pratyayasya phalavataḥ pramāṇasya kāraṇam ity arthah / pūrvatra tu 'bhavati vijñānasya' iti jñānasyopādānakāraṇam vivakşitam //." 77. Siehe auch oben S. 363 "präpaņa" versus "samprā paņa". - Aus dem "antaraśloka" im MAVBh geht allerdings hervor, dass auch für die Buddhisten "pratyaya" und "sampratyaya" vertauschbar waren. Page #34 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 373 aber bei "pariņati" handelt es sich schliesslich nur um ein mit einem anderen Suffix abgeleitetes Primärnomen, das grundsätzlich ebenso wie "pariņāma" sowohl den Prozess der "Umwandlung" als auch sein Ergebnis bezeichnen kann. Der Wechsel des Ausdrucks bleibt also mindestens überraschend, und der Beweggrund für ihn dürfte somit anderswo zu suchen sein. Ich vermute, dass er in der bedeutenden Rolle liegt, welche die Begriffe des "anyathātva" und "ananyathātva" im Rahmen der Vorstellungen spielen, die der Verfasser des YBh, dabei, wie nach de la Vallée Poussin noch einmal Frauwallner gezeigt hat, 78 wiederum buddhistische Anregungen aufgreifend, von dem Umwandlungsvorgang entwickelt hat; 79 ich möchte aber auch auf die "Anwendung" dieser Ursache auf die Yoga-Psychologie verweisen, wie sie in dem zitierten YBh-Abschnitt im Rahmen der "Lehre von den 9 Ursachen" bis hin zu ihrer Heilsrelevanz ("tattvajñānam mādhya - sthye") beispielhaft dargelegt wird; denn im Hinblick darauf ist es in der Tat einleuchtend, dass der Bezeichnung "Anderssein" der Vorzug gegenüber "Umwandlung" gegeben wurde. Auf jeden Fall aber darf man wohl so viel sagen: Es lag dem Verfasser offenbar daran zu betonen, dass eine "Umwandlung" wesenhaft darin besteht, dass ein als durchgängig gedachtes stoffliches Etwas einen anderen "dharma" oder andere "dharmas" annimmt, ohne darob stofflich selbst ein Anderes zu werden. Noch schwieriger zu beurteilen ist die Bezeichnung "viyogakāraņa". Denn dabei kann es nicht einmal als ausgemacht gelten, dass überhaupt eine Änderung auf seiten des Yogabhāşyakāra vorliegt. Andererseits ist hier auf ein semantisches Problem einzugehen, dessen in $ 2.3 mit Absicht noch nicht Erwähnung getan wurde. Der Ausdruck "viyoga" wird nämlich in Sāmkhya-Yoga-Texten in erster Linie, wenn nicht gar ausschliesslich, in einer sehr spezifischen engen Bedeutung verwendet, und zwar zur Bezeichnung der "Trennung" von Urmaterie und Seele als Folge der heilskonstitutiven Erkenntnis ihrer absoluten Verschiedenheit. Und genau in diesem Zusammenhang spricht der Verfasser des YBh in seinem Kommentar zu YS 2.23 von "viyogasya 78. Geschichte der indischen Philosophie, Bd. I, Salzburg 1953, 411 ff. 79. Man wird in diesem Zusammenhang aber aus dem Umstand, dass der Ausdruck "anyathătva" auch im ASBh begegnet (s.o. S. 367), nicht unbedingt schliessen können, dass der Yogabhăşyakāra auch ihn übernommen hat. Page #35 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 374 A. WEZLER kāraṇam", führt er dort doch u.a. aus: " yā tu drașțuḥ svarūpopalabdhiḥ so 'pavargaḥ / darsanakāryāvasānaḥ samyoga iti darsanam viyogasya kāraṇam uktam/", was Woods (1927: 161) übersetzt: "Whereas the apperception of what the Seer is, is liberation. Since the correlation lasts until sight is effected, sight is said to be the cause of discorrelation". Das liesse sich gewiss noch präziser fassen, statt einen entsprechenden Vorschlag zu machen, will ich mich hier aber darauf beschränken, den Vivaraṇakāra erneut zu Wort kommen zu lassen, der dies folgendermassen erläutert (195.29 und 196. 8-12): "yasmād darśanakāryadvaya- (d.i. "bhoga" und "apavarga") prayuktaḥ samyogas tasmad darsana kāryāvasā naḥ samyogah (,) tena puruşasamyogavad darśanam viyoga sya kāra na mity 80 uktam/ gunapuruşāntaradarsanam pradhānapuruşaviyogasya kāraṇam ity uktam, kāryasya darsanena paryavasitatvāt // samsārisamsārahetuyāthātmyadarsanam duḥkhaduḥkhisamyogahetunivartakam, duḥkhiduḥkhahetuyäthātmyavişayatvät, rogirogahetuyāthātmyadarsanavat // ". Man kann im Zusammenhang des in Rede stehenden Problems aber auch nicht davon absehen, dass der Verfasser des YBh den Begriff des "viyogakäraņa" in seiner - mit der buddhistischen Verwendung übereinstimmenden - weiteren bzw. allgemeinen Bedeutung von "Ursache einer Trennung schlechthin" durchaus systemimmanent stimmig zu gebrauchen bzw. anzuwenden versteht und dass es schliesslich u.a.gerade dieser thematische Kontext war, der zu der expliziten Einführung dieses Ursachenbegriffs und damit zu dem "Exkurs" über die 9 Ursachen geführt hat. Gleichwohl hat man eher den Eindruck, dass auch die Bezeichnung "viyogakāraņa" deshalb hier im YBh erscheint, weil sie aus der buddhistischen Vorlage übernommen wurde. Sollte es sich aber doch um eine Ersetzung des buddhistischen "visleşa" handeln, dann dürfte andererseits nach dem eben Dargelegten klar sein, warum sich der Yogabhāşyakāra lieber für den Ausdruck "viyoga" entschieden hat. Wenden wir uns nun noch den Beispielen einschliesslich der aus dem Alltagsleben entnommenen zu. Da zeigen sich zum einen wieder eine Reihe von signifikanten Übereinstimmungen, die man sich weigern muss, als auf Zufall beruhend anzusehen. Auch sie erklären sich am 80. In der Ausgabe ist auch "ity" fett gedruckt; es ist aber nicht zwingend nötig anzunehmen, dass es Teil des "pratika" ist. Page #36 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 375 plausibelsten durch die Annahme, dass die Beispiele in gleicher Weise z. T. aus der buddhistischen Liste entlehnt sind. In einem Fall kann man sogar ein kleines textkritisches Problem lösen. Bei dem "laukika"Beispiel für das "vikära-käraņa" hat der Verfasser des Vivaraņa (cf. 209.25 f.) nämlich offensichtlich "yathā agniḥ pākasya" gegenüber "... pākyasya" gelesen; angesichts der Parallele im MAVBh wird man aber nicht zögern, letztere für die ursprüngliche Lesart zu halten, obwohl erstere aus semantischen Gründen als lectio difficilior zu gelten hätte. Zum anderen lassen sich einige Änderungen beobachten. Dass bei der 1. Ursache das "Innenorgan" ("manas") als "utpattikāraņa" bezeichnet wird, passt vorzüglich zu der Yoga-Erkenntnistheorie bzw. speziell der Wahrnehmungslehre. 81 Ähnliches gilt für die "Anwendungen" im Falle des "sthiti-", "vikāra-", "prāpti-", "viyoga-" und, wie bereits bemerkt, vor allem auch "anyatva-" und "dhștikäraņa". Ergänzt worden ist das Beispiel "yathā dharmaḥ sukhasya" (s.o.s. 341) bei der "Ursache der Erlangung", wobei allerdings, wie die Bedeutung von "dharma" zeigt, durchaus wieder auf eigene Anschauungen zurückgegriffen wurde. Insgesamt kann also auch in diesem Teilbereich ein deutliches Mass von geschickter Umgestaltung und offenbar wohldurchdachter Verarbeitung der buddhistischen Vorgabe verzeichnet werden. So darf denn abschliessend als Ergebnis der vorstehenden Untersuchung als ganzer festgehalten werden, dass die "Lehre von den 9 Ursachen" im YBh zu YS 2.28 nichts anderes darstellt als eine adaptierende Übernahme entsprechenden buddhistischen Gedankenguts, wie auch immer dessen "Vorgeschichte" innerhalb dieses vielarmigen Traditionsstromes beschaffen gewesen sein mag. Eine Entscheidung des Inhalts, dass etwa nur die "Liste" des MAVBh oder nur die des AS als Quelle fungiert hat, ist dabei aber nicht möglich; im Gegenteil, es gibt einige Indizien, die eher darauf hindeuten, dass vielleicht beide dem Verfasser des YBh bekannt waren. Man kann u.a. deshalb auch nicht ausschliessen, dass der Einfluss von einer anderen, dritten Quelle ausging, oder gar aus mündlicher Überlieferung stammt. 6. Man sollte es aber besser nicht bei dieser Feststellung allein bewenden lassen. Jedenfalls drängt es mich, im Sinne eines Ausblicks 81. Zu dieser vgl. vor allem YBh zu YS 1.7. Page #37 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 376 A.WEZLER noch zwei Bemerkungen anzufügen. Zum einen scheint es mir nämlich der Hervorhebung wert, dass der Verfasser des YBh nicht nur - wie im Falle seiner Anschauungen über den Umwandlungsvorgang - unter dem Einfluss der Schule des Sarvāstivāda stand, 82 sondern, wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, sich auch von den Yogācāras hat anregen lassen. Aus der umgekehrten Perspektive betrachtet, lässt sich nun aber auch die sorgfältig belegte Feststellung Schmithausens,83 dass "die Schule der Yogācāras oder Vijñānavādins ... eine der einflussreichsten Richtungen" war, "die der Buddhismus hervorgebracht hat", dahingehend ergänzen, dass ihr Einfluss eben auch im YBh nachweisbar ist. Die zweite Bemerkung betrifft das grundsätzliche Problem der "Verwertung" buddhistischer Anschauungen, Lehrelemente usw. im Pātañjalayoga und ihrer Spuren im YS und YBh. Beide Texte sind zwar bereits mehrfach daraufhin untersucht worden, aber leider noch nicht umfassend. Denn de la Vallée Poussin, dem wir die wohl eingehendste Arbeit dieser Art verdanken, 84, hat sich vor allem auf das YS selbst konzentriert, ohne dieses Material doch völlig auszuschöpfen, und Frauwallners ähnlich gerichtete Untersuchungen zum YBh sind nur einem kleinen, wenn auch wichtigen, Teilausschnitt der Lehren des Verfassers gewidmet. Mit anderen Worten: Es sind hier schon erste, die Orientierung erheblich erleichternde Schneisen durch bzw. in den Dschungel geschlagen worden, aber in seiner Gesamtheit ist er noch. keineswegs "durchforstet" worden (heute, im Zeitalter der Vernichtung der letzten tropischen Regenwälder, muss man wohl anfügen: sit venia verbo). Das gilt namentlich für das YBh, dem man sich deshalb verstärkt zuwenden sollte, ohne sich dabei freilich durch die Frauwallnerschen Kategorien der "theoretischen Anschauungen" im Unterschied zum "praktischen Erlösungsweg" das Blickfeld einengen zu lassen. Denn schon aufgrund des erheblich grösseren Umfangs dieses YogaTextes sind bei ihm deutlich mehr und, wie ich hoffe demonstriert zu haben, durchaus noch interessante Aufschlüsse zu erwarten, die, 82. Vgl. Frauwallner, o.c., 1.c... 83. L.c., 811 nebst Anm. 3. 84. "Le Bouddhisme et le Yoga de Patañjali" in: Mélanges chinois et bouddhiques V, 1936-37, 223-242. Zu weiterer einschlägiger Sekundärliteratur s. Frauwallner, o.c., 483 (Anm. 214). Page #38 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhāşya 377 so wäre Jacobi 85 grundsätzlich entgegenzuhalten, erst vollständig vorliegen müssen, bevor die differenzierte 86 intellektuelle Haltung des Verfassers zum Buddhismus und damit zusammenhängende Fragen insgesamt gewürdigt bzw. beantwortet werden können, will man mehr erreichen als auf Impressionen beruhende Spekulationen. Eine solche umfassende, d. h. das bisher Bekannte kritisch rekapitulierende und das Fehlende erarbeitende Untersuchung des YBh auf die mannigfachen Einflüsse buddhistischer Lehren hin, würde letztlich natürlich auch zu einem besseren Verständnis der komplexen Wechselbeziehungen 87 zwischen Hinduismus und Buddhismus in Indien beitragen. 85. Vgl. seinen Aufsatz "Über das ursprüngliche Yogasystem I" in: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften 1929, 581624 = Kleine Schriften, hrg. v. B. Kolver, Wiesbaden 1970, 682-725. Meine Bemerkung bezieht sich auf das, was Jacobi im letzten Absatz (624 = 725) sagt. 86. Wie u.a. seine Kritik am "cittamätravada" zeigt (vgl. YBh zu YS 4.14 und 23). 87. Mit Oberhammer (1977: 141 Anm. 36) wird man grundsätzlich auch "die Möglichkeit, dass sowohl die buddhistische wie die yogische Tradition auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen, die auf Seiten des Buddhismus lediglich in älteren Schichten bezeugt ist" im Auge behalten, jedoch, um einem möglichen Missbrauch dieses Arguments vorzubeugen - dass es nämlich wie ein Joker immer dann ins Spiel gebracht wird, wenn jemand den Anspruch erhebt, ein Element der Beeinflussung des (Patañjala-) Yoga durch den Buddhismus nachweisen oder doch glaubwürdig machen zu können - folgendes zu bedenken geben: Frauwallner, von dem sich Oberhammer hier offenbar hat inspirieren lassen, führt im Anschluss an seine Feststellung, dass er "an eine Abhängigkeit des Buddhismus vom Sāmkhya nicht glauben" könne, (Geschichte d. ind. Philosophie I 477, Anm. 147) zwar aus, dass "die dafür angeführten Tatsachen", soweit sie "überhaupt zutreffen", sich daraus erklären, "dass Buddhismus und Sāmkhya dem gleichen Entwicklungsstrom angehören", stellt dabei aber ausdrücklich auch einschränkend fest, dass es sich nur um Tatsachen "allgemeiner Art" handelt, dass also "charakteristische Einzelzüge, wie sie die Eigenart eines Systems unzweideutig kennzeichnen, darunter fehlen". Man wird deshalb gut daran tun, die Annahme einer "gemeinsamen Wurzel" oder - vorsichtiger formuliert - eines "gemeinsamen Erbes" von Yoga und Buddhismus dahingehend zu überdenken, ob man mit ihr nun Übereinstimmungen "allgemeiner Art" oder auch "in charakteristischen Einzelzügen" erklären möchte. Besonders im letzteren Fall bedürfte sie sorgfältigster argumentativer Absicherung, will man nicht Page #39 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 378 AWEZLER Korrekturnachtrag Auf dem XXIII. Deutschen Orientalistentag in Würzburg habe ich eine komprimierte Fassung dieses Aufsatzes vorgetragen; in der anschliessenden Diskussion wurden zwei Fragen angeschnitten, auf die ich auch hier in aller Kürze eingehen möchte. Gefragt wurde, ob in der buddhistischen Liste nicht gerade auch ein Begriff wie "vināśa-kāraņa" o.ä. zu erwarten wäre und ob der Begriff des "pariņati-kāraņa" nicht doch auf eine Beeinflussung in umgekehrter Richtung, also von seiten des Sāmkhya-Yoga auf den Buddhismus, hinweise. Erstere Frage betreffend wäre mit Frauwallner (Die Philosophie des Buddhismus, Berlin 1958, 103) festzustellen, dass "das beständige Entstehen und Vergehen also nicht durch äussere Ursachen herbeigeführt ist, sondern in der Natur der Dinge liegt", wozu u.a. auch Abhidharmakosabhāşya (ed. Pradhan / Haldar, Patna 1975, 193 f.) zu vergleichen wäre, d.h. der Abschnitt, den Frauwallner (o.c., p. 104 ff.) übersetzt hat. Zu dem zweiten Punkt wäre darauf zu verweisen, dass Ausdrücke wie "pariņāma", "vipariņāma" und "pariņati" teilweise schon in kanonischen Texten des Buddhismus durchaus belegt sind und in einer Weise gebraucht werden, die als unverdächtig gelten muss. Ich ergreife aber gern die Gelegenheit, ausdrücklich festzustellen, dass ich einen Einfluss des Samkhya auf das buddhistische Denken natürlich keineswegs nur ungeprüft eine traditionell-hinduistische Glaubens überzeugung über - nehmen, deren Charakter als Vorurteil doch wohl deutlich genug ist, - wie denn auch die Vorstellung, dass eine jede Form der Übernahme fremden Gedankenguts im Bereich der Philosophie gewissermassen intellektuell "ehrenrührig" ist, einer kritischen Betrachtung zu unterwerfen wäre. Des weiteren müsste sich ein jedes zu dem "gemeinsamen Erbe" gehörige Element eigentlich bis in die ältesten Schichten der buddhistischen Literatur zurückverfolgen lassen, was für die "Lehre von den 9 Ursachen" jedenfalls nicht gilt. Ich meine aber letztlich, dass durch alle bisherigen Untersuchungen zum YS und YBh zusammengenommen die Tatsache der Beeinflussung durch buddhistisches Gedankengut als solche in so klarer Weise erwiesen ist, dass hinfort gar nicht anders verfahren werden kann, als terminologische, doktrinäre und sonstige Übereinstimmungen immer dann unter dem Aspekt der Beeinflussung zu betrachten, wenn sie nicht überhaupt nur oder zumindest mit einem deutlich höheren Grad von Wahrscheinlichkeit durch die Annahme einer beiden Traditionen gemeinsamen Herkunftsquelle plausibel erklärt werden können. Page #40 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu der "Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhasya 379 a limine ausschliesse, im Gegenteil, in einem bestimmten anderen doktrinaren Zusammenhang, auf den ich in einer noch in Arbeit befindlichen Monographie eingehen werde, halte ich ihn sogar fur sehr wahrscheinlich. D.J. Kalupahana, Causality: The Central Philosophy of Buddhism (Honolulu 1975) kam mir erst nach Abschluss des Manuskripts in die Hande. Die Ursachenlisten aus dem MVBh und AS werden dort zwar erwahnt bzw. besprochen, aber das Buch enthalt gleichwohl nichts, das fur die von mir behandelten Probleme von Belang ware.