Book Title: Ein Beitrag Zu Den Vada Traditionen Indiens
Author(s): Gerhard Oberhammer
Publisher: Gerhard Oberhammer
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Page #1 -------------------------------------------------------------------------- ________________ EIN BEITRAG ZU DEN VADA-TRADITIONEN INDIENS Von Gerhard Oberhammer Page #2 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Mit der Reflexion uber die Regeln, denen eine wissenschaftliche Disputation unterworfen ist, beginnt die Indische Logik wie sie sich im Nyaya und im Buddhismus entwickelt hat. Diese Entwicklungsstufe der indischen Logik ist uns in jenen Vada-Darstellungen und VadaHandbuchern bezeugt, in denen man das Wissen um diese Regeln zum praktischen Gebrauch zusammengestellt hatte, und von denen uns eine beschrankte Anzahl erhalten ist. So enthalt die Carakasamhita eine solche Darstellung der Vada-Kategorien und der erste und funfte Adhyaya der Nyayasutren muss einmal ein selbstandiges Handbuch der Vada-Lehre gewesen sein. Auf buddhistischer Seite sind uns der Prayogasarah 1, ein selbstandiges Vada-Werk, und die Vada-Darstellung der Yogacaras erhalten, letztere in der Form, die sie in der Yogacarabhumih erhalten hat?, und in einer dieser nahestehenden Fassung, die sich im Abhidharmasamuccayah des Asanga findet 3. Diese altesten Darstellungen der Vada-Regeln zeigen trotz ihrer grundsatzlichen Ubereinstimmung einen deutlich ausgepragten individuellen Charakter, wodurch sich die Frage ergibt, ob sich in diesen Darstellungen nicht gewisse Vada-Traditionen feststellen la Wenn dies der Fall ist, ware fur die zunachst undurchschaubare Entwicklung der Lehre vom Vada eine wertvolle Moglichkeit gefunden, die uns erhaltenen Vada-Texte, bzw. die in diesen eingearbeiteten 1 Dieses Werk ist nur in chinesischer Ubersetzung erhalten und wurde von G. Tucci unter dem Namen Upayahsdayam ins Sanskrit ruckubersetzt: G. Tucci: Pre-Dinnaga Buddhist Texts on Logic from Chinese Sources (G. O. S. vol. XLIX) Baroda 1929 (Abgekurzt: Tucci). 2 Der Sanskrittext des Hetuvidya-Abschnittes der Yogacarabhumin Maitreyanathas ist in einer Photokopie, die Rahula Samkrtyayana aus Tibet mitgebracht hat, erhalten, aber leider noch nicht publiziert. Der vorliegende Aufsatz stutzt sich mangels anderen Materials auf den kurzen Aufriss dieses Abschnittes, welchen A. Wayman in seinem Aufsatz: The Rules of Debate according to Asanga (Journal of the American Oriental Society, vol. 78, 1958) pp. 29-40, gibt. Vgl. dort auch die weitere Literatur. 3 Abhidharmasamuccaya of Asanga critically edited and studied by Pralhad Pradhan, Visvabharati Studies 12, Santiniketan, 1950. bet mitgebracht z?stutzt sich hen A. Wayment of the Am 63 Page #3 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Strukturelemente nichterhaltener Vada-Darstellungen in eine mogliche historische Abfolge zu bringen. Mit dem Begriff ,,Tradition" ware dabei ein zunachst hypothetisches Kontinuum der Lehre gemeint, das man gewinnt, wenn man Theoreme, denen die gleiche innere Form zukommt, miteinander in Beziehung setzt und entsprechend der grosseren Nahe oder Ferne zu einer historisch eindeutig als spater datierten Auffassung in eine historische Abfolge bringt. Lassen sich diese so gewonnenen ,,Traditionen" an Hand von datierbaren Texten in allen wesentlichen Entwicklungsphasen belegen, dann musste man diese auch als historisch erwiesen betrachten. Tatsachlich lassen sich auf Grund der eingangs erwahnten Texte drei solche Vada-Traditionen erschliessen, die sich zu einem gewissen Grad durch Textanalysen auch historisch nachweisen lassen. In der Vigrahavyavartani Nagarjunas 4 findet sich eine ausfuhrliche Polemik gegen die Gultigkeit der Erkenntnismittel, die zu Recht mit Abschnitten der Nyayasutren in Beziehung gesetzt wurde und Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung dienen kann. . Dass Nagarjuna in diesem Werk die Auffassung hinsichtlich der Gultigkeit der Erkenntnismittel bekampft, die in der Schule der Nyayasutren vertreten wurde, scheint auber Frage zu stehen: Er erwahnt ein methodisches Prinzip des von ihm bekampften Gegners pramanato 'rthanam prasiddhih 5, das der Sache nach auch im Einleitungssatz von Paksilasvamins Nyayabhasyam ausgesprochen ist. Da Paksilasvamin dieses Prinzip offenbar in Kenntnis der Kritik Nagarjunas leicht umgeformt hat, es aber trotzdem an den Beginn seines Werkes stellt, lasst sich nur schliessen, dass dieser Satz programmatisch zu nehmen ist und das darin enthaltene Prinzip der bewusst vertretenen Lehre der Schule entspricht. Damit wird aber die Erwahnung eben dieses Prinzipes 4 Im vorliegenden Aufsatz wird folgende Ausgabe verwendet: The Vigrahavyavartani of Nagarjuna with the author's Commentary edited by E. H. Johnston and Arnold Kunst. (Melanges Chinois et Bouddhiques Vol. 9 (1948-51). (Abgekurzt: VV). 5 VV, p. 129, 7. 64 Page #4 -------------------------------------------------------------------------- ________________ durch Nagarjuna als Anzeichen dafur bedeutsam, dass er in seinem Werk die Lehre des Nyaya bekampft. Ausserdem behandelt Nagarjuna gerade jene Erkenntnismittel, die fur die Nyaya-Schule als typisch gelten durfen, namlich pratyaksam, anumanam, upamanam und agamah. Schliesslich findet sich noch eine weitere Ubereinstimmung zwischen Nagarjunas Gegner und der Schule der Nyayasutren. Um diese jedoch deutlich zu machen, muss die Gliederung von Nagarjunas Polemik mit den entsprechenden Abschnitten der Nyayasutren verglichen werden. Nagarjuna stellt zunachst zwei Alternativen dafur auf, wie der Gegner die Gultigkeit der Erkenntnismittel beweisen konnte. Die erste Moglichkeit besteht in der Annahme, dass die Gultigkeit der Erkenntnismittel ohne Erkenntnismittel erwiesen sei (nispramananam pramananam syat prasiddhih). Damit wurde aber das Grundprinzip des Gegners, dass alles auf Grund von Erkenntnismitteln erkannt werde, durchbrochen. Dieser Moglichkeit stellt der Nyaya in NS II, 1, 16 die Meinung gegenuber, dass auch die Erkenntnismittel mit Hilfe der Erkenntnismittel zu prufen seien (prameyata ca tulapramanyavat). * Die zweite Moglichkeit, die Gultigkeit der Erkenntnismittel zu erweisen, besteht nach Nagarjuna im Nachweis dieser Gultigkeit durch weitere Erkenntnismittel (tesam pramananam anyaih pramanaih prasiddhih). Bei dieser Alternative ergebe sich aber ein regressus in infinitum ?. Dieser Einwand Nagarjunas findet sich in NS II, 1, 17 als Einwand gegen die. Position des Nyaya: pramanatah siddheh pramananam pramanantarasiddhiprasangah. Nach der Aufstellung dieser zwei Alternativen und ihrer Zuruckweisung greift Nagarjuna die erste Alternative wieder auf und wendet ein, dass ein Grund angegeben werden musse (visesahetuh), warum die Gultigkeit der Erkenntnismittel ohne Erkenntnismittel erwiesen sein solle, wahrend alle anderen Gegenstande des Nachweises durch die Erkenntnismittel bedurfen 8. Als Antwort auf diesen Einwand zitiert er einen Vers des Gegners, der offenbar dessem Werk entstammt und den geforderten Grund enthalt: .. 6 VV, p. 129, 6-7. 7 VV, p. 129, 8-130, 4. 8 VV, p. 130, 5-15. 65 Page #5 -------------------------------------------------------------------------- ________________ dyotayati svatmanam yatha hutasas tatha paratmanam / sva paratmanav evam prasadhayanti pramananiti 9. In den Nyayasutren entsprechen dem Einwand Nagarjunas und der Antwort des Gegners NS II, 1, 18 und 19: tadviniurtter va pramanasiddhivat prameyasiddhih. na, pradipaprakasavat tatsiddheh. Auf Grund der Gegenuberstellung von Nagarjunas Polemik und den entsprechenden Stellen der Nyayasutren zeigt sich nun deutlich, dass NS II, 1, 16-19 den gleichen Aufbau zeigen wie die Polemik Nagarjunas, mit dem einzigen Unterschied, dass an Stelle der Alternative Nagarjunas eine einzige These, namlich prameyata ca tulapramanyavat getreten ist, die mit NS II, 1, 19 gegen die Einwande Nagarjunas verteidigt wird, die ihrerseits in den Nyayasutren als Purvapaksa in der gleichen Reihenfolge erscheinen wie in der Vigrahavyavartani. Eine Schwierigkeit begegnet lediglich in NS II, 1, 19, das auf den ersten Blick mit der Lehre von Nagarjunas Gegner ubereinzustimmen scheint. Doch bei naherer Betrachtung zeigt sich, dass dieses Sutram genau die entgegengesetzte Auffassung vertritt. Schon W. Ruben 10 hat darauf hingewiesen, dass eine Interpretation dieses Sutram im Sinne von Nagarjunas Gegner mit der von den Nyayasutren vertretenen These prameyata ca tula pramanyavat im Widerspruch steht und dies auch durch den Kommentar Paksilasvamins ausdrucklich bestatigt wird 11. Es ist offenbar, dass die Nyayasutren entgegen der von Nagarjuna zitierten Lehre, dass die Erkenntnismittel aus sich heraus als gultig erkannt sind, die Meinung vertreten, dass die Erkenntnismittel ihrerseits wieder Gegenstande der Erkenntnismittel sein mussten, wenn ihre Gultigkeit nachgewiesen werden soll. Anders lasst sich der Vergleich mit der Waage gar nicht deuten. Soll aber der ganze Abschnitt II, 1, 16-19 sinnvoll sein, dann kann sein Zweck nur darin bestehen, die aufgestellte These gegen die referierten Einwande zu rechtfertigen. Damit muss aber NS II, 1, 19, das zunachst auch eine Deutung im VV, p. 130, 18-19. 10 W. Ruben: Die Nyayasutra's (Abhandlungen fur die Kunde des Morgenlandes, Bd. XVIII, No. 2, Leipzig 1928), p. 186, Anm. 117. 11 Srigautamamahamunipranitam nyayasutram vatsyayaniyam nyayabhasyam etc. herausgegeben von G. Jha (Poona Oriental Series No. 58), Poona, 1939, p. 88, 8ff. (Abgekurzt: Nbh.). 66 Page #6 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Sinne von Nagarjunas Gegner zulassen wurde, im selben Sinne wie NS II, 1, 16 verstanden werden 12. Wenn aber auch NS II, 1, 19 nicht der von Nagarjuna bekampften Lehre entspricht, sondern eine Antwort auf dessen Kritik darstellt, so lasst sich die Lehre von Nagarjunas Gegner dennoch als der NyayaTradition zugehorig nachweisen. Diese Lehre findet sich namlich in NS V, 1, 10, wo es heisst: pradipopadana prasanganivrttivat tadvinivrttih. Hier ist tatsachlich das Bild der Lampe im gleichen Sinne gebraucht wie von Nagarjunas Gegner. Wenngleich es in anderem Zusammenhang steht und es um die Rechtfertigung des drstantah geht, so ist das in NS V, 1, 10 ausgedruckte Argument Ausdruck desselben Prinzips, das sich auch in der von Nagarjuna bekampften Lehre findet. Immerhin ist fur die Wiedergewinnung der Vada-Tradition des Nyaya die Tatsache bedeutsam, dass der einzige Hinweis auf die von Nagarjuna angegriffene Ansicht in den Nyayasutren im funften Adhyaya gefunden wird, welcher mit dem ersten Adhyaya zusammen die alteste Schichte der Nyayasutren bildet. Zur Beurteilung von NS II, 1, 19 und seiner Beziehung zu Nagarjunas Polemik muss allerdings noch eine Frage geklart werden: In Karika 51 bringt Nagarjuna eine Zusammenfassung seiner Polemik gegen die Gultigkeit der Erkenntnismittel: naiva svatah prasiddhir na parasparatah parapramanair va , na bhavati na ca prameyair na capy akasmat pramananam. Damit scheint aber auch die in NS II, 1, 16-19 ausgedruckte Ansicht zuruckgewiesen zu sein; dadurch entsteht die Frage, ob NS II, 1, 16-19 tatsachlich als Antwort auf Nagarjunas Polemik gedacht ist. Geht man den von Nagarjuna in Karika 51 zusammengefassten Argumenten nach, so zeigt sich, dass es Nagarjunas vornehmlichstes Anliegen ist, die Lehre von der svatah prasiddhih der Erkenntnismittel zuruckzuweisen. Dies ist die von ihm eigentlich bekampfte Lehre, 12 So versteht es auch W. Ruben, wenn er NS II, 1, 19 ubersetzt: ,,Nein (man braucht weder einen regressus in infinitum anzunehmen noch die Erkenntnismittel ganzlich zu leugnen;), denn, wie der Schein einer Lampe (gleicherweise Erkenntnismittel fur die Wahrnehmung beleuchteter Gegen. stande und Erkenntnisgegenstand eines anderen Falles ... eben derselben ... Wahrnehmung) ist, so sind die Erkenntnismittel (gleicherweise Gegenstande der Erkenntnismittel). W. Ruben: Die Nyayasutra's, p. 25. eines anderen Fall beleuchteter Ge amung) ist, so sind 5* Page #7 -------------------------------------------------------------------------- ________________ wahrend jene zweite Alternative des Nachweises der Erkenntnismittel, die dem Standpunkt des Nyaya entsprechen wurde, gar nicht ernsthaft diskutiert wird, sondern mit der kurzen Argumentation anyair yadi pramanaih pramanasiddhir bhavet tad anavastha 13' abgetan wird, ohne dass Nagarjuna auf diese Alternative noch einmal zuruckkommen wurde. Dieses Argument Nagarjunas findet sich aber in NS II, 1, 17 und wird durch NS II, 1, 19 beantwortet. Es ist undenkbar, dass diese Erwiderung ebenso wie NS II, 1, 16, welches ja die These des Nyaya vorweg formuliert, in dieser Form stehen geblieben ware, falls sie durch den in NS II, 1, 17 referierten Einwand, d. h. den Einwand Nagarjunas widerlegt gewesen ware. Denn der ganze Abschnitt NS II, 1, 16-19 hat doch den einzigen Zweck, sich mit den vorgebrachten Einwanden auseinanderzusetzen. Ausserdem ist es kaum denkbar, dass Nagarjuna gerade die entscheidende These der Nyayasutren zu diesem Punkt nur so nebenbei behandelt hatte und statt dessen eine Lehre in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt hatte, die von den Nyayasutren gar nicht vertreten wurde, wenn ihm NS II, 1, 16-19 bekannt gewesen ware. Erwagt man uberdies, dass die Parallelitat der Nyayasutren mit der Argumentation Nagarjunas nicht zufallig sein kann, so darf man annehmen, dass Nagarjuna eine Form der Nyayasutren bekampft, welche den Abschnitt II, 1, 16-19 noch nicht enthalten hat. Es scheint weiters wahrscheinlich, dass der Nyaya infolge der Kritik Nagarjunas von der im Ansatz vorhandenen Lehre der svatah prasiddhih der Erkenntnismittel abgegangen ist und eben im zweiten Adhyaya der Nyayasutren den Versuch unternommen hat, der Kritik Nagarjunas dadurch zu begegnen, dass er die These vertrat, die Erkenntnismittel mussten wie jeder andere Erkenntnisgegenstand durch die Erkenntnismittel begrundet werden. Zu einem ahnlichen Ergebnis hinsichtlich der Nagarjuna vorliegenden Form der Nyayasutren gelangt man, wenn man die Abschnitte der Nyayasutren, in denen das Problem der traikalyasiddhih behandelt wird, mit den Argumenten vergleicht, mit denen Nagarjuna sich mit der traikalyasiddhih auseinandersetzt. Die traikalyasiddhih wird in den 13 VV., p. 129, 8ff. Page #8 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Nyayasutren an zwei Stellen behandelt, einmal in der Pramana-Diskussion NSII, 1,8-lound ein zweites Mal bei Behandlung des ahetusamah NS V, 1, 18-20. Untersucht man die einschlagigen Abschnitte in Nagarjunas Vigrahavyavartani 14, so zeigt sich eine deutliche Ubereinstimmung mit NS V, 1, 18 traikalyasiddher hetor ahetusamah, insoferne es sich dort nicht um die traikalyasiddhih der Erkenntnismittel handelt wie in NS II, 1, 8ff., sondern um eine falsche Beweisfuhrung, um einen Fehler des hetuh: yas traikalye hetuh pratyuktah purvam eva sa samatvat etc. 15. Ebenso bewegt sich die ganze folgende Diskussion im Problemkreis der Ahetusama-Sutren: Der Gedankengang tatha hi tvadvacanena pratisedhas traikalye'nupa pannapratisedhavat sa pratisedhyo' pi tasmat pratisedhapratisedhye'sati yad bhavan manyate pratisedhah pratisiddha iti tan na 16 benutzt fur die Argumentation offenbar NS V, 1, 20 pratisedhanu pa pattes ca pratisedhavyapratisedhah. Wenn Nagarjuna dann weiterfahrt: atha manyase trisv api kalesu pratisedhah siddhah, drstah purvakalino'pi hetuh, uttarakalino'pi, yugapatkalino'pi hetuh etc. 17, so beruft er sich auf eine Begrundung des hetuh in den drei Zeiten, die in NS V, 1, 19 gegeben wird: na hetutah sadhyasiddhes trai kalyasiddhih. Nagarjunas Argumentation zeigt also auch hier Beruhrungen mit dem funften Adhyaya der Nyayasutren, kennt aber nicht die Weiterbildung der Diskussion von NS II, 1, 8-15, was schon daraus ersichtlich ist, dass Nagarjuna die traikalyasiddhih nicht als Argument gegen die Gultigkeit der Erkenntnismittel verwendet, wie es der Gegner in NS II, 1, 8-15 tut. Diese Weiterbildung zeigt sich vor allem darin, dass die traikalyasiddhih zur Widerlegung der Gultigkeit der Erkenntnismittel im allgemeinen verwendet wird. Aber auch die Widerlegung dieser Polemik gegen die Erkenntnismittel von seiten des Nyaya zeigt einen Fortschritt: Lediglich NS II, 1, 12 ist identisch mit dem Argument in NS V, 1, 20 und NS II, 1, 15 zeigt eine gewisse Ahnlichkeit mit dem Argument in NS V, 1, 19. Hingegen wurden die Argumente, die in NS II, 1, 13 und 14 enthalten sind, neu gefunden. Von all diesen Neuerungen findet sich 14 VV., pp. 120, 5-17 und 149, 9-150, 11. 15 VV., p. 149, 12 ff. 16 VV., p. 149, 16-20. 17 Vy., p. 150, 4ff.: 69 Page #9 -------------------------------------------------------------------------- ________________ aber bei Nagarjuna nichts. Es kann daher mit Sicherheit gefolgert werden, dass die traikalyasiddhi-Diskussion von NS II, 1, 8-15 Nagarjuna nicht vorgelegen ist. Nun besteht kein Zweifel, dass die Nyayasutren, die uns heute unter diesem Namen vorliegen, aus einer - Verschmelzung eines alten Vada-Handbuches (erster und funfter Adhyaya) mit naturphilosophischen Sutren - wahrscheinlich einer alten Vaisesika-Schule - entstanden sind 18. Aus der Tatsache aber, dass Nagarjuna die Nyayasutren kennt und in seinem Vaidalyasutram 19 sowohl die Gegenstande der Nyayasutren wie deren Reihenfolge so belegt, wie sie in den Nyayasutren uberliefert sind, andererseits sich aus der Analyse der Vigrahavyavartani ergeben hat, dass ihm NS II, 1, 8-15 nicht vorgelegen sein konnen, mochten wir als Arbeitshypothese annehmen, dass ihm tatsachlich nur das alte Vada-Handbuch vorgelegen ist. Denn die naturphilosophischen Sutren (dritter und vierter Adhyaya) werden, wie Tucci gezeigt hat 20, durch den Kommentar des Vasu zum Satasastram des Aryadeva noch fur das Ende des 4. Jh. n. Chr. als selbstandig existierend bezeugt; vorausgesetzt, dass Vasu tatsachlich mit dem alteren Vasubandhu (nach Frauwallner ca. 320-380 n. Ch.) identisch ist. Damit lassen sich aber zunachst drei Entwicklungsstufen der Nyayasutren unterscheiden: zunachst der alte Vada-Text, in den nach Nagarjuna die Sutren des 2. Adhyaya eingefugt wurden und schliesslich die endgultige Form der Nyayasutren, in der auch noch die Sutren des dritten und vierten Adhyaya enthalten sind 21. Uber jene Form der Nyaya-Tradition hinaus, die Nagarjuna bekannt war, lasst sich aber diese Tradition noch weiter zuruckverfolgen. Betrachtet man namlich die uns erhaltenen Vada-Darstellungen, so zeigt sich, dass allen diesen Darstellungen mit Ausnahme der Nyayasutren eine im wesentlichen gleiche Struktur zugrunde liegt. In einem ersten Teil werden alle jene Begriffe besprochen und aufgezahlt, die sich 18 Vgl. Tucci: p. XXVIIf. 19 Die tibetische Ubersetzung dieses in Sanskrit verlorenen Werkes : Tsa 22b 6-24 a 6. Nagarjunas eigener Kommentar dazu: Tsa 99b 1-110a 4. 20 Vgl. Anm. 18. 21 Vgl. dazu W. Ruben: Nyayasutra's, p. 218, Anm. 291. Page #10 -------------------------------------------------------------------------- ________________ aus der Analyse der Disputation ergeben, wahrend in einem zweiten Teil die falschen Einwande und die Grunde einer Niederlage zusammengefasst sind und relativ ausfuhrlich erortert werden 22. Doch zeigt sich noch uber diese allgemeine Disposition hinaus eine gewisse Ubereinstimmung hinsichtlich der Auswahl und Anordnung der im ersten Teil besprochenen Begriffe. Die Darstellung beginnt mit der Besprechung der Kategorie ,,vadah" (Caraka, Prayogasarah, Yogacarabhumih und Asanga), behandelt dann die fur die Disputation entscheidende Begriffsgruppe, die dem Beweis gewidmet ist (Caraka, Prayogasarah, Yogacarabhumih und Asanga) und bespricht dann erst die Erkenntnismittel, die entweder dem Beweis angefugt sind (Yogacarabhumin und Asanga) bzw. sogar untergeordnet werden (Caraka, Prayogasarah). Als zwei weitere entscheidende Begriffsgruppen werden dann noch die vakyaprasamsah und vakyadosah behandelt, wenn wir nur die entscheidenden Begriffsgruppen hervorheben. Auf Grund dieses Aufbaues und dieser Stoffauswahl zeigt sich aber ganz deutlich, dass diese Vada-Darstellungen, selbst wenn es sich um ein selbstandiges Werk handelte wie im Falle des Prayogasarah, nicht als.eine Darstellung philosophischer Gedanken gewertet wurden, sondern lediglich ein Organon fur die Disputation sein sollten. Dementsprechend stand eine genaue Bestimmung von Disputation und Streitgesprach am Anfang und wurde die Behandlung des Beweises in den Vordergrund geruckt, wahrend es aus der Natur der Sache heraus keinen eigentlichen Grund gab, sich besonders mit den Erkenntnismitteln auseinanderzusetzen, noch diesen eine besondere Stellung im Aufbau eines VadaHandbuches zuzuerkennen. Vergleicht man diese ubliche Stoffauswahl und Stoffanordnung mit jener, die sich in den Nyayasutren findet, so zeigt sich, wie schon Ruben und Tucci gezeigt haben, dass der erste und funfte Adhyaya im wesentlichen tatsachlich den Aufbau eines Vada-Handbuches besitzen. Neben dieser Ubereinstimmung mit den anderen Vada-Darstellungen zeigt sich aber ein merkwurdiger Unterschied. Die Anordnung des Stoffes des 22 E. Frauwallner: Vasubandhus Vadavidhih, WZKSO, Bd. I, (1957), p. 106. 71 Page #11 -------------------------------------------------------------------------- ________________ ersten Teiles weicht von der sonst ublichen in einer Weise ab, die aus der Tradition der Vada-Handbucher eigentlich nicht erklart werden kann. Abgesehen davon, dass in den Nyayasutren, ihrem jungeren Entwicklungsstand entsprechend, veraltete Kategorien ausgeschieden wurden, die verschiedenen Grunde einer Niederlage systematischer zusammengefasst sind und die Kategorie der falschen Einwande neu eingefugt wurde, hat sich eine entscheidende Anderung im Aufbau des Werkes ergeben: Am Anfang steht nun nicht mehr die Besprechung des vadah, sondern an seiner Stelle - wenn wir von den zwei Sutren uber den Erlosungswert der Sutren absehen, die ganz sicher nicht im alten Vada-Handbuch gestanden sind jene der Erkenntnismittel, wahrend der vadah erst spater behandelt wird. Diese Umstellung deutet aber auf den entscheidenden Beginn eines Strukturwandels des alten Vada-Handbuches hin. Durch die grundsatzliche Betonung der Erkenntnismittel noch dazu in Verbindung mit jenem von Nagarjuna erwahnten und wahrscheinlich in diesem Werk enthaltenen Grundsatz, dass alles durch die Erkenntnismittel erkannt werden musse, ergibt sich, dass das nunmehr entstandene Werk nicht mehr blosses Organon der Debatte sein, sondern eine bestimmte philosophische Stellung beziehen wollte und sich damit zu einem philosophischen Werk zu entwickeln begann. Auf Grund des Strukturwandels, der sich in dieser Umstellung des Stoffes ausdruckte, war aus einem reinen Vada-Werk ein Nyayawerk geworden, namlich jenes Vada-Handbuch, das von Nagarjuna bekampft worden war. Es ist daher fur die Entwicklung der Nyaya-Tradition des Vada vor den drei bereits unterschiedenen Entwicklungsstufen noch eine vierte greifbar geworden, die durch ein Werk reprasentiert war, das dem ublichen Schema eines Vada-Handbuches entsprochen hatte und die erschlossene Umgruppierung des Stoffes noch nicht mitgemacht hatte. Der Traditionsstrom, in dem dieses Werk gestanden haben muss, lasst sich durch die uns erhaltene Vada-Darstellung der Carakasamhita als Ausgangspunkt und den ersten und funften Adhyaya der Nyayasutren als Endpunkt bestimmen. Denn die Vada-Darstellung der Carakasamhita ist eindeutig alter als der erste und funfte Adhyaya der Nyayasutren, weist aber soviele Ahnlichkeiten und Ubereinstimmungen mit diesen auf, dass man nur annehmen kann, dass der erste und funfte 122 72 - Page #12 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Adhyaya der Nyayasutren vor der erschlossenen Umgruppierung des Stoffes eine Vada-Darstellung gewesen sein muss, die ungefahr dem Entwicklungsstand der von Caraka gegebenen entsprochen hat. Dies wird durch einen Vergleich der Vada-Darstellung bei Caraka mit jener des ersten und funften Adhyaya der Nyayasutren deutlich: Von den vierundvierzig Stichworten bei Caraka sind dreiundzwanzig in den Nyayasutren enthalten, und zwar entweder als selbstandige padarthah oder als deren Unterbegriffe, jedenfalls aber als echte Gegenstande der Darstellung. Lediglich drei padarthah der Nyayasutren, namlich prameyam, tarkah und jatih sind in der Vada-Darstellung bei Caraka nicht enthalten. Die Definition des drstantah wie sie in den Nyayasutren steht, findet sich beinahe wortlich in der Vada-Darstellung bei Caraka, welche sonst kein Zeichen einer Beeinflussung durch die Nyayasutren aufweist. Andererseits weisen aber die Nyayasutren auf einen fortgeschritteneren Stand der Vada-Lehre hin. So fehlen in den Nyayasutren z. B. die alten Vada-Kategorien wie sthapana, pratisthapana, uttaram, vakyadosah, vakya prasamsah und upalambhah, um nur die bedeutendsten zu nennen. Viele Begriffe, die bei Caraka selbstandige Kategorien sind, wurden in den Nyayasutren von systematischem Gesichtspunkt aus unter Uberbegriffe subsumiert, so etwa sabdah, pratyaksam, anumanam und aupamyam unter den Begriff des pramanam, der bei Caraka noch fehlt, wobei einige Erkenntnismittel ausgeschieden wurden, wie z. B. aitihyam, arthapraptih und sambhavah. Oder es wurden in den Nyayasutren die Kategorien des savyabhicarah, des ahetuh mit seinen Unterbegriffen und des atitakalah unter den Uberbegriff der hetvabhasah gestellt und zu einer einzigen Kategorie zusammengefasst. Schon aus diesen allgemeinen Beobachtungen ergibt sich, dass die Nyayasutren (erster und funfter Adhyaya) eine jungere Entwicklungsstufe derselben Vada-Tradition ist, in der auch die Vada-Darstellung der Carakasamhita steht. Doch soll dieses Ergebnis noch am Beispiel der avayavah erhartet werden, indem gezeigt wird, dass auch im Verstandnis der einzelnen Kategorien die Nyayasutren eine Weiterentwicklung darstellen und nicht nur hinsichtlich der systematischen Anordnung des Stoffes: 73 Page #13 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Carakas Definition der pratijna: pratijna nama sadhyavacanam stimmt beinahe wortlich mit jener der Nyayasutren: sadhyanirdesah pratijna uberein 24. Doch ist die pratijna bei Caraka noch nicht wie in den Nyayasutren, wo sie ausdrucklich als einer der avayavah aufgezahlt ist, mit den ubrigen Gliedern des Beweises auf einer Stufe, sondern steht den anderen Gliedern gegenuber, die ihrerseits als Elemente von sthapana bzw. pratisthapana aufgefasst sind. Eine starkere Weiterentwicklung des Gedankens findet sich in der Auffassung des hetuh. Wahrend wir in den Nyayasutren den hetuh bereits ausdrucklich als Strukturelement des Beweises definiert finden: udaharanasadharmyat sadhyasadhanam hetuh, tatha vaidharmyat, hat die Hetu-Definition bei Caraka noch uberhaupt keine Beziehung zur Struktur des Beweises: hetur namopalabdhikaranam. tat pratyaksam, anumanam, aitihyam, aupamyam iti. ebhir hetubhir yad upalabhyate tat tattvam 25. Interessant ist der Wandel in der Auffassung des drstantah, der in den Nyayasutren auch textlich deutlich sichtbar ist. Die von Caraka gebotene Definition des drstantah: drstanto nama yatra murkhavidusam buddhisamyam yo varnyam varnayati, ist, wie bereits erwahnt, fast wortlich in den Nyayasutren stehen geblieben: laukikapariksanam yasmin arthe buddhisamyam sa drstantah 26. Doch hat dieser Begriff des drstantah keine Beziehung mehr zum Beweis wie bei Caraka, sondern ist als Glied des Beweises durch das udaharanam ersetzt worden, welches in volliger Ubereinstimmung mit der Definition des hetuh von der Beweisstruktur her definiert wird und dadurch klar bezeugt, dass diese Definition von demselben Denker geschaffen. wurde, der auch die Definition des hetuh umgeandert hatte: sadhyasadharmyat taddharmabhavi drstanta udaharanam. tadviparyayad va viparitam 27. Der upanayah und das nigamanam werden bei Caraka uberhaupt noch nicht definiert, sondern nur exemplifiziert. Die Nyayasutren gehen hinsichtlich dieser beiden Begriffe uber Caraka darin hinaus, dass sie diese erstmals definieren. 74 24 Carakasamhita vim. 8, 30 und NS I, 1, 33. 25 NS I, 1, 34 und 35; Carakasamhita vim. 8, 33. 26 Carakasamhita vim. 8, 34; NS I, 1, 25. 27 NS I, 1, 36 und 37. Page #14 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Diese kurze Analyse, die sich fur die meisten von Caraka und den Nyayasutren behandelten Begriffe durchfuhren liesse, bestatigt, was die Betrachtung im grossen bereits ergeben hat: dass namlich der alte Vadakern der Nyayasutren (erster und funfter Adhyaya) auf eine VadaDarstellung zuruckgeht, welche ein Bindeglied gewesen sein muss zwischen diesem alten Kern und der altertumlichen Vada-Darstellung bei Caraka. Diese Vada-Darstellung muss es gewesen sein, die durch eine Neuordnung des Stoffes zu jenem alten Kern der Nyayasutren geworden ist, der uns heute im ersten und funften Adhyaya vorliegt. Damit ist es aber gelungen, eine gewisse Vorstellung von der historischen Form zu erhalten, welche die Vada-Tradition des Nyaya im Laufe ihrer Entwicklung erhalten hat, und ebenfalls den Typus dieser Tradition zu bestimmen. Die Verflechtung dieser Tradition mit anderen ihrer Art wird aber erst deutlich werden, wenn auch die anderen beiden VadaTraditionen durch die Analyse anderer Texte aufgedeckt werden. II. Spuren eines Einflusses der Vada-Tradition des Nyaya finden sich in dem buddhistischen Vada-Werk: Prayogasarah. Betrachtet man namlich den Aufbau dieses Werkes naher, so lasst sich eine gewisse historische Schichtung in ihm erkennen: Man findet zunachst im 1. Prakaranam acht Vada-Kategorien aufgezahlt 28 und anschliessend in knappster Form erlautert; eine Methode, die an Caraka oder Asanga erinnert. An diesen Abschnitt schliesst sich eine breitere Darstellung an, die sich als neuerliche ausfuhrlichere Besprechung der bereits erwahnten acht Vada-Kategorien gibt, dies aber nur zum Teil ist. Denn mitten in der Darstellung der vakyaprasamsah 20 ist die Struktureinheit der Darstellung gestort und es folgt eine Darstellung, deren Struktur von der bisherigen abweicht. So werden zum Beispiel Kategorien besprochen, die bisher nicht erwahnt waren, 28 ato vadanayapratipadanartham prapancocchedanarthan caite astavidha gambirah sadvadadharmah samksepato maya kathyante. drstantah siddhanto vakyaprasamsa vakyadosah pramanam praptakalavakyam hetvabhaso vakchalam (Tucci: Upayahrdayam, p. 49.). 29 Tucci: Upayahrdayam, p. 10, 8. 75 Page #15 -------------------------------------------------------------------------- ________________ wahrend erwahnte nicht besprochen werden. Diese neue Struktureinheit, die moglicherweise selbst nicht einheitlich ist, umfasst aber alle weiteren noch zu besprechenden Kategorien, da diese nicht mehr in Ubereinstimmung mit den ursprunglichen Kurzdefinitionen der acht Vada-Kategorien stehen. Dies mag an einigen Beispielen gezeigt werden: a) Hatte die Erlauterung der Erkenntnismittel ursprunglich gelautet: pramanam dvividhajnapakahetur, utpattihetur vyanjanahetus ca (p. 5), so heisst es p. 13: caturvidham pramanam / pratyaksam, anumanam, upamanam agamas ceti. Und das anumanam selbst wird weiters gegliedert in purvavat, sesavat und samanyato drstam, ganz wie in den Nyayasutren. b) War fruher die Kategorie der hetvabhasah erklart worden: hetvabhaso yatha maricav udakabhasah, na tu vastuta udakam / yadi vadi svalankstair vakyair udakam iti vadet tada sa hetvabhasah (p. 5), so heisst es p. 14: hetvabhasanam laksanany aparimitani samksepatas tv astav eva vakchalam, samanyachalam, samsayasamah, kalatitah, prakaranasamah, varnyasamah, savyabhicarah, viruddhah. Es ist offenkundig, dass die zweite ausfuhrliche Aufzahlung und Behandlung (hier nicht weiter zitiert) mit der sehr einfachen ursprunglichen Deutung (p. 5) nicht zusammenstimmt, ganz abgesehen davon, dass ursprunglich chalam als eigene Kategorie neben den hetvabhasah aufgefuhrt war, wahrend sie nunmehr unter den hetvabhasah subsumiert ist. Beachtenswert ist ferner der Umstand, dass diese Stelle eine der altesten ist, an der ausser in den Nyayasutren alle in diesen aufgezahlten hetvabhasah zusammen vorkommen. Zusammen mit der Ubereinstimmung hinsichtlich der Gliederung der Erkenntnismittel und des anumanam weist aber dieser Umstand darauf hin, dass der Anklang an die Nyayasutren nicht zufallig sein kann. Vergleicht man namlich diese Lehren mit dem Stand in Caraka, so zeigt sich, dass sich dort noch nichts davon findet. Weder sind die Erkenntnismittel auf die unter (a) erwahnten vier beschrankt, noch ist das anumanam in dieser Weise gegliedert und hinsichtlich der hetvabhasah besteht ebenfalls keine Ubereinstimmung mit den Nyayasutren. Es finden sich also im Prayogasarah typische Lehren der NyayaTradition, die offenbar vom Verfasser des Prayogasarah aus dieser Tradition ubernommen worden sind, und die ihrerseits zwischen Caraka und dem Prayogasarah entstanden sein mussen. 76 Page #16 -------------------------------------------------------------------------- ________________ c) In der ursprunglichen Aufzahlung der acht Vada-Kategorien fehlen nigrahasthanam und jatih, wahrend die Besprechung dieser beiden Kategorien das zweite und vierte Prakaranam ausfullt. Wenn man bedenkt, dass in Carakas Darstellung der Vada-Kategorien der Begriff der jatih uberhaupt nicht vorkommt, ubrigens auch nicht in der Yogacarabhumin und bei Asanga, und dass moglicherweise auch die Zusammenstellung gewisser Fehler in der Disputation unter dem Begriff des nigrahasthanam nicht der altesten Schichte angehort, dann ist das Fehlen dieser beiden Begriffe in der ersten Behandlung der acht Vada-Kategorien im Prayogasarah nicht auf einen Zufall zuruckzufuhren, sondern unterstreicht die Vermutung, dass diese erste Behandlung einer alteren Problemstufe angehort. Denn es besteht kein Grund, warum diese beiden Begriffe nicht aufgezahlt hatten werden sollen, wo doch andere Fehler der Debatte wie die hetvabhasah und vakyadosah sehr wohl erwahnt sind. Anderseits ist das Vorhandensein der beiden Kategorien in den jungeren Schichten ein Hinweis auf die Beeinflussung des Prayogasarah durch die Vada-Tradition des Nyaya; denn beide Kategorien finden sich am fruhesten in den Nyayasutren bezeugt. Schon aus diesen wenigen Beobachtungen lasst sich der Schluss ziehen, dass die erste Behandlung der acht Vada-Kategorien im Prayogasarah 30 auf eine alte Vada-Tradition zuruckgeht, die mit neuen Gedanken verbunden wurde. Weiters scheint der Bruch in der Darstellung (p. 10, 8) darauf hinzuweisen, dass der Autor des Werkes nicht nur einen alteren Kern von Vada-Kategorien neu bearbeitet hat, sondern eine Darstellung fur seine Bearbeitung verwendet hat, die aus einer anderen Tradition, bzw. einer fortgeschritteneren Entwicklungsstufe stammte. Diese Tradition scheint, wie aus dem bisher Erwahnten deutlich wird, die Vada-Tradition des Nyaya gewesen zu sein. Geht man aber der alten Tradition, die in den acht vadadharmah des Prayogasarah greifbar wird, nach, dann wird die Eigenart dieser Tradition deutlich. Zunachst verdient ein Umstand besondere Beachtung: Es gibt weder unter diesen acht dialektischen Kategorien, noch auch im Prayogasarah als ganzem, irgend eine Kategorie, die als ,,Beweis" anzusprechen ware. Bei Caraka finden wir den Begriff von sthapana 30 Ibid., p. 4, 24-5, 15. 77 Page #17 -------------------------------------------------------------------------- ________________ und pratisthapana, bei Asanga bzw. in der Yogacarabhumih jenen des vadadhisthanam und in den Nyayasutren den der avayavah, im Prayogasarah hingegen fehlt eine Kategorie, die diesen Begriffen entsprechen wurde. Wenn man sich aber die entscheidende Bedeutung dieser Kategorie fur die Lehre von der Diskussion, vergegenwartigt, kann man nicht annehmen, dass ihr Fehlen zufallig ist, so als hatte der Autor sie einfach vergessen oder nur ungeschickt formuliert. Andererseits lasst sich feststellen, dass der Prayogasarah de facto sehr wohl eine Beweisfuhrung kennt. Die Beispiele einer Argumentation, die geboten werden, zeigen eine immer wiederkehrende gleiche Struktur, die stellenweise sogar alle funf im Nyaya anerkannten Glieder zu enthalten scheint. Es wird aber auch von einer Beweisfuhrung ausdrucklich gesprochen, und . zwar nicht nur in den jungeren Schichten des Werkes, sondern gerade in der Darstellung der acht vadadharmah. So heisst es in der Darstellung des siddhantah: arthastha panam icchata caturvidham jnanam asritavyam 31. Wenn auch der Terminus sthapanam nicht notwendig authentisch sein muss, so ist doch der in dem Satz ausgedruckte Sinn eindeutig und zeigt, dass dem Autor, wenn schon nicht der Name, so doch der mit diesem genannte Teil der Debatte bekannt war. Dieselbe Feststellung lasst sich im Zusammenhang mit der Darstellung des dTstantah machen, in der die Frage gestellt wird: kas tavad upayo drstantasya sthapane ? 32. Aber auch Elemente der Beweisfuhrung fehlen nicht unter den acht vadadharmah. Es erscheint der drstantah als eigene Kategorie, der fur die Beweisfuhrung eine bedeutende Rolle zukommt, wie sich aus Bemerkungen wie drstantavacanam hi sadarthadyotanartham 33, drstanta eva samsayam nirdharayati 34 und aus der Forderung fur eine fehlerlose Beweisfuhrung prasiddhadsstantavirodhah erkennen lasst 85. Ausser dem drstantah treten im Zusammenhang mit der Beweisfuhrung die Erkenntnismittel relativ stark in den Vordergrund. So 31 Ibid., p. 6, 10. 32 Ibid., p. 5, 16-17. 33 Ibid., p. 5, 22. 34 Ibid., p. 24, 20. 85 Ibid., p. 10, 6. 78 Page #18 -------------------------------------------------------------------------- ________________ heisst es: arthasthapanam icchata caturvidham jnanam asrayitavyam/ kim tac caturvidham / pratyaksam, anumanam, upamanam agamas ca 36. Der siddhantah wird definiert als sadhyasya hetubhir vistarena sthapanam nirnayas ca 37, wobei unter den hetavah offenbar die Erkenntnismittel gemeint sein durften. Wenn man all dies zu vereinen sucht, so bleibt nur eine Moglichkeit, diese sich zum Teil widersprechenden Beobachtungen zu deuten. Man muss annehmen, dass in der Lehre von den acht vada-dharmah wohl der Versuch gemacht wurde, eine Lehre der Disputation (vadah) zu schaffen, dass aber das Problembewusstsein jener Zeit noch nicht in der Lage war, die verschiedenen Elemente des Beweises reflex zu erfassen und allgemein in Definitionen zu bestimmen. Wenn wir die entsprechenden Kategorien bei Caraka naher betrachten, zeigt sich, dass diese Erklarungsmoglichkeit auch vom ideengeschichtlichen Standpunkt aus wahrscheinlich gemacht werden kann. Bei Caraka finden sich zwar die funf Glieder des Beweises ausdrucklich erwahnt, die aus den Nyayasutren bekannt sind. Doch im Unterschied zu den jungeren Nyayasutren sind die funf Beweisglieder bei Caraka Elemente von stha pana und pratisthapana. Diese beiden ubergeordneten Begriffe verschwinden aber nach der Darstellung bei Caraka als eigene Kategorien langsam aus den Vada-Darstellungen. Sie erscheinen weder in der Yogacarabhumih noch bei Asanga, noch auch in den Nyayasutren. Man kann daher berechtigterweise annehmen, dass die beiden Begriffe bei Caraka einen alteren Stand der Entwicklung entstammen und in Caraka durch die Aufgliederung in die funf Glieder des Beweises formalisiert wurden. Dies bedeutet aber, dass es eine Entwicklungsstufe der Reflexion des Beweises gegeben haben muss, auf der sthapana und pratisthapana allein als jene Kategorie erschienen, welche den Beweis reprasentierte. Die Vermutung, dass es sich bei den funf Gliedern, durch die sthapana und pratisthapana formalisiert sind, in Carakas Darstellung um eine relativ neue Einfuhrung gehandelt haben muss, wird durch eine Untersuchung der Auffassung dieser Glieder gestutzt. So ist der drstantah, 36 Ibid., p. 6, 10-12. * Ibid., p. 6, 4-5. 119 Page #19 -------------------------------------------------------------------------- ________________ der bei Caraka nahezu gleich definiert ist wie im Prayogasarah, offenbar aus einer selbstandigen Position in die Struktur von sthapana und pratisthapana eingefugt worden. Dies wird nahegelegt durch die analoge Auffassung des drstantah im Prayogasarah, wo er ebenfalls noch relativ selbstandiges Glied der Debatte ist, sowie durch die Stellung, die der dsstantah als unabhangige Kategorie in den Nyayasutren behalten hat 38. Der hetuh bei Caraka ist noch vollig unabhangig von der formalen Beweisstruktur bestimmt und sehr allgemein als upalabdhikaranam definiert, das ausdrucklich mit den Erkenntnismitteln identifiziert wird. Ware nicht ein konkretes Beispiel eines Beweises gegeben, so liesse sich seine Beziehung und Stellung im Beweis gar nicht eindeutig erkennen. Vielmehr wird dieser so aufgefasste hetuh nur im Rahmen einer unformalisierten sthapana, einfach als ,,,Begrundungsmittel", welches mit den Erkenntnismitteln nahezu identisch ist, verstandlich. Die beiden letzten Glieder des Beweises sind bei Caraka nicht weiter definiert, sondern lediglich aufgezahlt und exemplifiziert. Dabei gewinnt man den Eindruck, dass der Autor von Carakas Vada-Darstellung uber das Wesen dieser beiden Glieder nichts zu sagen wusste, sondern sie offenbar in der Praxis des Beweises vorgefunden hatte, ihnen aber reflex keine logische Funktion zuweisen konnte. Fasst man diese Beobachtungen zusammen, so gewinnt man den Eindruck, dass die funf Glieder des Beweises bei Caraka eine jungere Einfuhrung sind, die vorgenommen wurde, um eine altere Entwicklungsstufe der Lehre vom Beweis, auf der sthapana und pratisthapana noch undifferenzierte Kategorien waren, dem logischen Problem bewusstsein einer spateren Zeit anzupassen. Betrachtet man aber andererseits die verschiedenen Ubereinstimmungen 39 zwischen der Lehre von den acht vadadharmah mit den entsprechenden Kategorien bei Caraka, so lasst sich vermuten, dass diese altere Entwicklungsstufe der Lehre vom Beweis bzw. der Disputation im allgemeinen sich mit der Darstellung 38 NS I, 1, 25. 39 So kennt die Lehre von den acht vadadharmah in Ubereinstimmung mit der Vada-Darstellung bei Caraka die Kategorien: vakyaprasamsa", vakyadosah, chalah, hetvabhasah, siddhantah und drstantah, die beide auch in der Definition eine gewisse Ubereinstimmung mit Caraka aufweisen, Vgl. Tucci: p. XVI. 80 Page #20 -------------------------------------------------------------------------- ________________ der acht vadadharmah im Prayogasarah so weit gedeckt hat, dass man als Arbeitshypothese von einem Traditionsstrom der Vada-Lehre sprechen kann, der sich etwa mit der Lehre der acht vadadharmah des Prayogasarah von jenem abzuzweigen beginnt, der uber Caraka zu den Nyayasutren fuhrt. Diese so postulierte altere Entwicklungsstufe, die noch vor Caraka angenommen werden musste, lasst sich kurz dahingehend charakterisieren, dass auf ihr stha pana und pratisthapana Begriffe der Vada-Lehre sind, die aus der Disputationspraxis bekannt sind, die man aber in ihrer Struktur noch nicht reflex zu differenzieren in der Lage war. Einzig der drstantah ist bereits als fur die Beweisfuhrung entscheidend erkannt. Ausserdem scheinen auf dieser Stufe die Erkenntnismittel die Stelle des hetuh einzunehmen, weshalb offenbar auch der hetuh als eigene Kategorie zunachst auch fehlt (z. B. in der Lehre von den acht vadadharmah). Fur diese Stufe der Entwicklung sowie fur die VadaTradition, die sich auf ihr abzuzweigen beginnt, ist weiters eine stark verringerte Problem breite typisch, sodass dieser Strom in der weiteren Entwicklung eine Reihe von Kategorien nicht kennt 40, welche in der Tradition der Nyayasutren, wenn man diese kurz so nennen will, einen breiteren Raum einnehmen. Verfolgt man diesen abzweigenden Traditionsstrom weiter, so scheint er zur Vada-Lehre der Yogacara-Schule zu fuhren. Diese bildet eine sehr geschlossene Traditionseinheit und liegt in der Gestalt vor, die sie in der Yogacarabhumih erhalten hat, sowie noch in der Form, die ihr Asanga in seinem Abhidharmasamuccayah gegeben hat. Vergleicht man die Lehre von den acht vadadharmah des Prayogasarah mit der Vada-Lehre der Yogacaras, so scheint zunachst eine grosse Diskrepanz zwischen diesen beiden Lehren zu bestehen: In der VadaLehre der Yogacaras werden namlich nicht nur die vadadharmah besprochen, sondern auch eine Reihe von Begriffen, die in der Lehre von den acht vadadharmah fehlen, dafur aber in Caraka begegnen, wie z. B. 40 So enthalt er z. B. aus den bei Caraka behandelten Gegenstanden die Kategorien uttaram, jijnasa, anuyojyam, ananuyojyam, anuyogah, pratyanuyogah, upalambhah, pariharah, die auch von den Nyayasutren ausgeschieden wurden, nicht. Von den in den Nyayasutren enthaltenen Gegenstanden fehlen in diesem Traditionsstrom samsayah, prayojanam, nirnayah und tarkah, jalpah, vitandah und jatayah. Page #21 -------------------------------------------------------------------------- ________________ vadadhikaranam und vadanihsaranam, ausserdem ist die Lehre von der Wahrnehmung (pratyaksam) wenigstens in der Yogacarabhumih wesentlich ausgearbeiteter als in der Lehre von den acht vadadharmah, wenngleich auch in dieser Lehre das Interesse an der Wahrnehmung deutlicher ausgepragt ist als bei Caraka. Der logisch entscheidende Abschnitt der Yogacara-Dialektik, das vadadhisthanam, ist eine Neuerung gegenuber dem alten Stand im Prayogasarah. Vollig abweichend von der Lehre der acht vadadharmah gibt er zunachst Definitionen von sadhyam und sadhanam und gliedert dann das sadhanam in acht Elemente, namlich pratijna, hetuh, udaharanam, sarupyam, vairupyam, pratyaksam, anumanam und aptagamah 41. Es zeigt sich also vor allem in der logischen Analyse des Beweisverfahrens eine starke Weiterentwicklung der Vada-Lehre. Achtet man aber auf die typische Struktur dieser Lehre, so verrat sich dennoch eine Traditionsverbundenheit mit der alten Vada-Lehre im Prayogasarah. Um diese jedoch zeigen zu konnen, muss die Vada-Lehre der Yogacaras etwas genauer betrachtet werden. G. Tucci hatte angenommen 42, dass in der Yogacarabhumih erstmals in der Geschichte der indischen Logik die funf Glieder des Beweises, wie sie aus den Nyayasutren bekannt sind, auf drei reduziert worden seien und daher die Vada-Darstellung Asangas den alteren Stand representiere. Vergleicht man aber die Lehre vom Beweis in der Yogacarabhumih mit jener bei Asanga, indem man die allgemeine Tendenz der Entwicklung mitberucksichtigt, dann drangen sich hinsichtlich dieser Annahme gewisse Zweifel auf. Tatsachlich scheint es naheliegender anzunehmen, dass die Yogacarabhumih die altere Darstellung enthalt, in der die beiden zusatzlichen Glieder nicht eliminiert sind, sondern im Gegenteil noch nicht in die Darstellung des Beweises aufgenommen wurden. Denn die Auffassung der einzelnen Glieder des sadhanam, wie sie sich in der Yogacarabhumih findet, zeigt im Unterschied zu jener bei Asanga deutlich eine starkere Verwandtschaft mit den alteren Schichten der Vada-Traditionen als mit jener jungeren Schichte, in der wir die funf Glieder des Beweises zum erstenmal voll definiert finden, 41 Vgl. A. Wayman: Rules of Debate, p. 33. 42 G. Tucci: Buddhist Logic before Dinnaga (Asanga, Vasubandhu, Tarka-sastras) Journal of the Royal Asiatic Society, 1929, pp. 476f. 82 Page #22 -------------------------------------------------------------------------- ________________ namlich den Nyayasutren. Dies lasst sich durch einen Vergleich, wie folgt, zeigen: In der Yogacarabhumih wird der hetuh als yuktivadah definiert, der auf sarupyam, vairupyam, pratyaksam, anumanam oder aptagamah beruht. Dies entspricht aber ungefahr der Auffassung, wie sie fur die Lehre von den acht vadadharmah erschlossen wurde, nach der ebenfalls die Erkenntnismittel neben dem drstantah eine grosse Bedeutung fur den hetuh haben, sowie der Auffassung Carakas, wonach der Grund folgend definiert ist: hetur namopalabdhikaranam, tat pratyaksam, anumanam, aitihyam, aupamyam iti 43. Auch der altertumliche Terminus yuktih, der in der spateren Literatur nicht mehr zur Definition des hetuh herangezogen wird, deutet auf eine altere Entwicklungsstufe hin, als wir sie in Asangas Abhidharmasamuccayah finden. Die Definition des udaharanam, das in der Yogacarabhumih dem alten drstantah entspricht, "the expression involving comparison with an entity that is stored and wellknown in society" (lokacita prasiddhavastu) 4 ist in starkerer Ubereinstimmung mit der Auffassung vom dTstantah, wie er in der Lehre von den acht vadadharmah und bei Caraka gesehen wird und zeigt noch nicht die Bezogenheit auf die Beweisstruktur wie bei Asanga und den Nyayasutren. Eine gewisse Beachtung verdienen die beiden Begriffe sarupyam und vairupyam, welche von der Yogacarabhumih als eine der moglichen Grundlagen des yuktivadah (= hetuh) betrachtet sind, und die G. Tucci als sadharmyadrstantah und vaidharmyadrstantah gedeutet hat. Mit Hilfe der Arbeitshypothese eines Traditionskontinuums der Lehre der acht vadadharmah und der Yogacara-Dialektik lassen sich diese beiden Begriffe genauer bestimmen: Schon in Carakas Darstellung lasst sich in der Definition des uttaram ein Hinweis auf diese beiden Begriffe finden: uttaram nama sadharmyopadiste va hetau vaidharmyavacanam, vaidharmyopadiste va hetau sadharmyavacanam 45. Hier sind sadharmyam und vaidharmyam, welche ganz offenbar dem sarupyam und vairupyam der Yogacarabhumib entsprechen, Arten der Argumentation und nicht 43 Carakasamhita, vim. 8, 33. 44 A. Wayman: Rules of Debate, p. 33. 45 Carakasamhita, vim. 8, 36. 6 83 Page #23 -------------------------------------------------------------------------- ________________ eigentlich die beiden Arten des dnstantah, die letztlich erst auf Grund dieses doppelten Schemas der Argumentation moglich sind. In der jungeren Schichte des Prayogasarah finden sich die gleichen Termini in ganz gleicher Funktion wieder, wo sie der Einteilung der prasnottaradharmah dienen: esam vimsatividhanam saro dvividhah / vaidharmyam sadharmyan ca sajatiyatvat sadharmyam. vijatiyatvad vaidharmyam 46. Durch diese Bemerkung wird das Wesen dieser Begriffe noch deutlicher als bei Caraka und es bestatigt sich die Vermutung, dass es sich bei diesen Termini nicht um die beiden Aspekte des udaharanam handelt, sondern um ein Argumentationsschema auf Grund der Gleichartigkeit und der Ungleichartigkeit mit einem Beispiel. Ganz genau so mochte man auch die Begriffe sarupyam und vairupyam in der Yogacarabhumih auffassen. Auch sie sind Argumentationsschemata und stehen auf gleicher Stufe mit den anschliessend erwahnten Erkenntnismitteln, die ebenfalls als Mittel des yuktivadah (=hetuh) aufgezahlt sind. An Hand dieser wenigen Beispiele zeigt sich, dass die Lehre vom Beweis in der Yogacarabhumin mehr Verwandtschaft mit den alteren Schichten der Vada-Traditionen hat als mit Asangas Darstellung. Es hat sich ausserdem gezeigt, dass diese Verwandtschaft vor allem in Hinblick auf Caraka und auf die Lehre von den acht vadadharmah festgestellt werden kann und nicht so sehr im Hinblick auf die Nyayasutren. Dadurch wird aber die Arbeitshypothese eines Traditionskontinuums zwischen der Lehre von den acht vadadharmah und der YogacaraDialektik durch tatsachliche Ubereinstimmungen erhartet. Diese Ubereinstimmungen lassen sich noch vermehren: So erscheinen z. B. zwei Kategorien, namlich vadalamkarah und kathadosah, sowohl in der Lehre von den acht vadadharmah und in der Yogacara-Dialektik, wahrend sie in den Nyayasutren fehlen 47. Dies ist zwar zunachst auf eine Weiterentwicklung der Lehre von der Dialektik zuruckzufuhren, doch ist offenbar dieser veraltete Stand fur diesen Traditionsstrom typisch, denn Asanga und wohl auch die Yogacarabhumih sind junger als das den Nyayasutren zu Grunde liegende Vada-Handbuch. Um jedoch 46 Tucci: Upayahrdayam, p. 26, 7-8. 47 Vgl. A. Wayman: Rules of Debate, p. 33 und Asanga: Abhidharmasamuccayah, p. 105, 11-19. 84 Page #24 -------------------------------------------------------------------------- ________________ dieses Traditionskontinuum der Lehre von den acht vadadharmah mit der Yogacara-Dialektik wahrscheinlich zu machen, sind nicht nur diese wenigen Ubereinstimmungen massgebend, sondern ebenso die fur beide Formen der Dialektik charakteristische Beschrankung in der Problematik. Es fehlen ubereinstimmend eine Reihe von Begriffen, sowohl in der Lehre von den acht vadadharmah wie in der Yogacara-Dialektik, die aus der Vada-Tradition von Caraka und Nyayasutren bekannt sind und dort nicht fehlen konnten. So fehlen upanayah, nigamanam, samsayah, prayojanam, vyavasayah und aupamyam, welche alle in der VadaTradition der Nyayasutren enthalten sind; durch alle diese Beobachtungen ist der Traditionsstrom, in dem die Yogacara-Dialektik steht, fassbar geworden und es bleibt noch die Aufgabe zu zeigen, dass Asangas Darstellung der Dialektik eine Weiterentwicklung jener ist, die sich in der Yogacarabhumih findet. Die Vada-Darstellung, die Asanga in seinem Abhidharmasamuccayah gibt, ist im wesentlichen die gleiche geblieben wie in der Yogacarabhumih. Sie ist lediglich knapper geworden und praziser. Vor allem die Definitionen im Rahmen des vadadhisthanam wurden neu formuliert und verraten ein fortgeschritteneres Problem bewusstsein. Es zeigt sich in ihnen eine starkere formale Auffassung der einzelnen Begriffe, sodass sich manchmal bereits die neuen Definitionen ankundigen, die sich etwa bei Vasubandhu d. Jungeren finden: In der Yogacarabhumih hatte z. B. die Definition der pratijna gelautet: dvividham sadhyam artham arabhya yah anyonyam svapaksaparigraha 48, bei Asanga hingegen lautet sie: pratijna sadhyasya svarucitarthasya parasamprapanavijnapana 49. Es lasst sich in ihr ein deutlicher Schritt auf das spatere Problemverstandnis, etwa bei Vasubandhu, feststellen. Vasubandhu hatte in seinem Vadavidhih den paksah definiert als: vicaranayam isto'rthah 50 und in seinem Vadavidhanam die davon leicht abweichende Definition pakso yah sadhayitum istah 51 48 A. Wayman: Rules of Debate, p. 33. 49 Abhidharmasamuccayah, p. 105, 5-6. 50 E. Frauwaliner: Vasubandhu's Vadaviddhih, WZKSO, Bd. I (1957), p. 135. 51 E. Frauwallner: Zu den Fragmenten buddhistischer Logiker, WZKM, Bd. 40 (1933), p. 301. 85 Page #25 -------------------------------------------------------------------------- ________________ gegeben. In beiden Definitionen wird aber die gedankliche Nahe zu der Formulierung sadhyasya svarucitarthasya vijnapana aus Asangas Pratijna-Definition deutlich, wahrend, soweit sich aus dem durftigen Material bei Waymann sehen lasst, die Yogacarabhumih noch in undifferenzierter Weise von einem,,svapaksaparigraha" spricht und so den Fortschritt in der Differenzierung der Pratijna-Definition noch nicht mitgemacht hat. Ebenso zeigt auch die Definition des hetuh einen deutlich fortgeschrittenen Stand. In der Yogacarabhumih wird er nach Waymann definiert als: "the expression of reasoning (yuktivada) developed by any one of Nr. 4-8 (Agreement down to Trustworthy Authority) on the basis of an example (udaharanasritah)" 52. Bei Asanga hingegen ist er definiert: tasmin eva sadhye apratitasyarthasya sampratyayanimittam pratyaksopalambhanupalambhasamakhyanam 53. Die Definition ist praziser geworden. Der recht ungenaue Terminus yuktivadah, der an die Anumana-Definition bei Caraka erinnert, ist durch den genaueren Ausdruck sampratyayanimittam ersetzt worden, welcher den ebenfalls terminologisch genaueren Ausdruck samakhyanam naher bestimmt. Ebenso ist an Stelle der ebenfalls recht unsystematischen Aufzahlung von funf Moglichkeiten, durch die ein Argument entwickelt werden kann, nur noch Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung genannt. Wenn sich auch im Falle des hetuh bei Asanga noch keine klare Beziehung zu Vasubandhu zeigen lasst, so gewinnt man doch den Eindruck, dass seine Definition des hetuh fortgeschrittener ist als jene in der Yogacarabhumih. Die Auffassung des drstantah scheint sich jedoch auf die Auffassung bei Vasubandhu und in den Nyayasutren hin entwickelt zu haben: In der Yogacarabhumih war das udaharanam bestimmt als "the expression involving comparison with an entity that is stored and well known in society" (lokacita prasiddhavastu) 54, wahrend ihn Asanga definiert als drstantena adrrstasyantasya samikaranasamakhyanam 55, wobei er den 86 52 A. Wayman: Rules of Debate, p. 33. 53 Abhidharmasamuccayah, p. 105, 5-6. 54 A. Wayman: Rules of Debate, p. 33. 55 Abhidharmasamuccayah, p. 105, 6-7. Page #26 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Terminus udaharanam wohl absichtlich wegen der von ihm gegebenen Definition in drstantah verandert hat. Die Definition in der Yogacarabhumih erinnert noch an die alte Definition des dTstantah, wie sie sich in Caraka und in den Nyayasutren findet, wahrend sich die Definition bei Asanga bereits der Auffassung des drstantah nahert, wie sie Vasubandhu gibt. Bedenkt man namlich, dass der drsto'ntah dem hetuh entspricht und der adrsto'ntah dem sadhyam, dann wird deutlich, wie sich bereits die Definition Vasubandhus ankundigt. In seinem Vada-vidhih definiert er den drstantah als: tayoh (=hetuh und sadhyam), sambandhanidarsanam drstantah 56. Hier wie in der Definition Asangas unterscheidet sich bereits das udaharanam, d. h. der im Beweis verwendete drstantah, vom alten allgemeinen dastantah, insofern er von seiner typischen Funktion im Beweis her bestimmt ist. Dies scheint, soweit sich aus der von Waymann mitgeteilten Definition entnehmen lasst, in der Yogacarabhumih noch nicht der Fall gewesen zu sein. Damit sind aber die bedeutenden Begriffe, die sowohl in der Yogacarabhumih wie im Abhidharmasamuccayah erscheinen und einen Unterschied aufweisen, genugend miteinander verglichen, dass sich ein gewisses Bild hinsichtlich der Richtung der Entwicklung ergeben hat. Es hat sich gezeigt, dass die Vada-Darstellung des Abhidharmasamuccayah den fortgeschritteneren Stand der Entwicklung zeigt und daher junger als die Darstellung in der Yogacarabhumih sein durfte. Wenn aber die Annahme, dass die Entwicklung der Yogacara-Dialektik von der Yogacarabhumih zum Abhidharmasamuccayah geht und nicht umgekehrt, dann ergibt sich auch, dass die beiden zusatzlichen Glieder des Beweises, namlich upanayah und nigamanam, erst auf dieser Stufe unter dem direkten oder indirekten Einfluss der Nyaya-Dialektik aufgenommen wurden. Dabei wurden die beiden alten Begriffe sarupyam und vairupyam verdrangt. Moglicherweise sind sie in die bei Asanga erwahnte Bestimmung pratyaksopalambhanupalambha ... eingegangen. Bemerkenswert ist lediglich, dass der upanayah bei Asanga merklich anders aufgefasst ist als in den Nyayasutren und dass man daher annehmen muss, dass entweder Asanga selbst oder einer seiner Vorganger 56 E. Frauwallner: Vasubandhu's Vadaviddhih, p. 136. 87 Page #27 -------------------------------------------------------------------------- ________________ diese von der Nyaya-Tradition abweichende Auffassung des upanayah in die Yogacara-Dialektik eingefuhrt hat; wie uberhaupt das ganze Traditionskontinuum, das fur die Yogacara-Dialektik erschlossen werden konnte, nur in grossen Zugen gilt und wegen der mangelhaften Uberlieferung nicht entschieden werden kann, ob es sich zum Beispiel bei der Lehre der acht vadadharmah um eine echte Vorstufe der YogacaraDialektik handelt, oder nur um eine Nebenentwicklung dieses Traditionsstromes, die zufallig erhalten blieb, wahrend die echten Vorstufen verloren sind. III. Eine dritte Tradition, wenn auch nicht primar der Dialektik (vadah), sondern eher der wissenschaftlichen Methodik und Logik, liegt in der Lehre von den zehn Gliedern des Beweises vor. Die fruheste Erwahnung dieser Lehre begegnet im Nyayabhasyam Paksilasvamins. Wir haben diese daher in einer Zeit anzusetzen, in der der Schritt zur systematischen Analyse des Beweises (avayavah) bereits getan war, die aber nicht spater als Paksilasvamin sein kann. Bezeichnenderweise ist Paksilasvamins mentar zu Nyayasutren I, 1, 32 zur Ganze eine Darstellung und Widerlegung dieser Lehre, wodurch diese als fur seine Zeit bedeutend ausgewiesen wird und daher nicht einer zu fernen Vergangenheit angehort haben kann. Im Gegenteil, durch die Tatsache, dass sowohl Dignaga wie auch Dharmakirti gegen diese Lehre polemisieren, gewinnt man den Eindruck, dass diese auch noch nach Paksilasvamin eine gewisse Bedeutung hatte, wenngleich in geringerem Masse. Wer waren aber jene Lehrer, die einen zehngliedrigen Beweis gelehrt hatten ? Paksilasvamin nennt sie naiyayikah. In Ubereinstimmung mit einem alteren Sprachgebrauch bedeutet aber bei Paksilasvamin das Wort nyayah noch nicht die spatere Nyaya-Schule, sondern primar das Untersuchen mit Hilfe der Erkenntnismittel. ,,pramanair arthapariksanam nyayah" 57 der Beweis selbst wird paramo nyayah genannt und wiederum yat punar anumanam pratyaksagamaviruddham nyayabhasah. Folgerichtig bezeichnet Paksilasvamin dann auch seine Wissenschaft 67 Nbh. 3, 16-17. Page #28 -------------------------------------------------------------------------- ________________ als nyayavidya 58. Wenn Paksilasvamin jene Lehrer als naiyayikah bezeichnet, so durfte er wohl nur sagen wollen, dass es sich um Lehrer handelt, die sich mit dem nyayah befassen, mit der Analyse und Anwendung des Untersuchens mit Erkenntnismitteln, nicht aber, dass es sich um Lehrer des Nyaya-Systems gehandelt habe. Bedenkt man weiters, dass sich diese Lehrer durch die Annahme von zehn Beweisgliedern in einen deutlichen Widerspruch mit den Nyayasutren, dem Grundtext der uns bekannten Nyaya-Schule, gesetzt hatten, indem sie nicht nur die ausdrucklich gelehrte Funfzahl der avayavah leugneten, sondern unter den neuen Beweisgliedern auch noch Begriffe lehrten, die in der Tradition der Nyayasutren langst ausgeschieden worden waren, bzw. nicht gelehrt wurden (sakyapraptih, samsayavyudasah und jijnasa), so ist dies ein weiterer Grund fur die Annahme, dass jene Lehrer nicht der Vada-Tradition der Nyayasutren angehort haben konnen. Dies lasst sich noch erharten. Die von jenen Lehrern zusatzlich gelehrten Glieder des Beweises werden im Nyayabhasyam wie folgt aufgezahlt:dasavayavan eke naiyayika vakye sancaksate, jijnasa, samsayah, sakya praptih, prayojanam, samsayavyudasa iti 59. Alle diese Begriffe entstammen aber offenkundig der Analyse der wissenschaftlichen Wahrheitsfindung, aber nicht der Analyse des vakyam, zu dem kein einziger der zusatzlich gelehrten Begriffe eine innere Beziehung hat. Gerade fur die Tradition der Nyayasutren und ihrer Schule aber ist das Interesse am Vada und an der Beweisfuhrung (vakyam) entscheidend, so entscheidend, dass z. B. die innere Beziehung zwischen anumanam und avayavah nicht erkannt ist. Dem gegenuber mussen die funf umstrittenen Glieder des Beweises in einer Schule entstanden sein, die besonders an der Analyse der Erkenntnisvorgange, genauer des methodischen schlussfolgernden Denkens, interessiert war und das vakyam von diesem aus interpretiert hatte. Anders lasst sich die Auswahl der ersten funf Glieder nicht verstehen und noch weniger ihre Verschmelzung mit den funf traditionellen Gliedern des vakyam. Hier muss zunachst die Beziehung dieser funf zusatzlichen Glieder zum methodisch schlussfolgernden Denken aufgezeigt werden, was sich mit 58 Ibid., p. 3, 6 und 4, 1. 59 Ibid., p. 44, 4-5. 89 Page #29 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Hilfe der Darstellung dieser funf Glieder bei Paksilasvamin durchfuhren lasst: tatrapratiyamane'rthe pratyaksarthasya pravartika jijnasa ... jijnasadhisthanam samsayas ca vyahatadharmopasanghatat tattvajnane pratyasannah, vyahatayor hi dharmayor anyatarat tattvam bhavitum arhatiti .. pramatuh pramanani prameyadhigamarthani sa sakyapraptir prayojanam tattvavadharanam... samsayavyudasah pratipaksopavarnanam tatpratisedhe tattvabhyanujnanartham... prakarane tu jijnasadayah samartha avadharaniyarthopakarat, tattvarthasadhakabhavat tu pratijnadayah. avayava iti 60. In dieser Darstellung der funf umstrittenen Glieder ist der genaue Weg einer Problemerorterung dargelegt, wie er als Vorbedingung einer Beweisfuhrung erst gegeben sein muss. In diesem Zusammenhang ist das Glied der sakyapraptih bedeutsam, denn es stellt explizite die Beziehung dieser funf Glieder, die in Wirklichkeit nur verschiedene Etappen eines einzigen Prozesses sind, mit dem Problemkreis der Erkenntnismittel her, welche den samsayavyudasah hervorbringen mussen. Das Zentrieren dieser funf Glieder um die Erkenntnismittel in Verbindung mit dem methodischen Denken ist aber so grundsatzlich verschieden von der Auffassung des Beweises in der Schule der Nyayasutren, dass man nicht annehmen kann, dass die Lehre von den funf zusatzlichen Gliedern in ihr entstanden ist. Damit muss auch die Moglichkeit ausscheiden, die von Paksilasvamin erwahnten,,naiyayikah" als ,,unorthodoxe" NyayaLehrer zu betrachten. Bevor aber versucht wird zu bestimmen, welcher Schule diese Lehrer angehort haben konnen, soll versucht werden, die historischen Wurzeln dieser funf zusatzlichen Beweisglieder aufzudecken. Tatsachlich finden wir in der Vada-Darstellung bei Caraka bereits gewisse dieser Beweisglieder ausdrucklich erwahnt und behandelt (samsayah, prayojanam, jijnasa), wahrend sakyapraptih und samsayavyudasah nicht unter diesen Namen erscheinen, sondern nur der Sache nach mit den verschiedenen Erkenntnismitteln bzw. mit dem vyavasayah zusammengebracht werden konnen. Hingegen Reihenfolge und Behandlung dieser Begriffe bei Caraka zeigen deutlich, dass sie noch nicht als Glieder eines einheitlichen Schemas aufgefasst wurden. 60 Ibid., p. 45, 1-46, 2. 90 Page #30 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Dieses Schema durfte vielmehr durch einen Begriff bedingt worden sein, der Caraka zwar bekannt ist, aber von ihm nicht als Kategorie in seine Darstellung des vadah aufgenommen wurde, der Begriff des tarkah. Der tarkah ist ein alter Begriff, entstammt aber anderen Kreisen als die Vada-Lehre. Wir finden diesen Begriff in Maitri-Up. VI, 18 und 20 (ebenso in Amrtabindu-Up. 16) als Glied der Yoga-Meditation aufgezahlt bzw. von Kathaka-Up. II, 8f. als Mittel fur die hochste Erkenntnis verworfen 61. Der Begriff des tarkah ist also in seiner altesten Bezeugung fur Kreise belegt, die dem Yoga und der metaphysischen Erkenntnis ihr Hauptaugenmerk zugewandt haben und nicht der Dialektik, wie die Vada-Lehre. Bei Caraka selbst ist der tarkah nicht definiert. Doch wird er verwendet, um die Definition des anumanam zu geben, wodurch die Verbindung von tarkah und anumanam bereits fur diese fruhe Zeit ausdrucklich bezeugt wird. Wenn namlich der tarkah nicht eine Bedeutung gehabt hatte, die ihn fahig machte, als ein dem anumanam ubergeordneter Begriff zu fungieren, ware seine Verwendung zur Definition des anumanam undenkbar. Wir konnen daher annehmen, dass der tarkah auch schon in den Kreisen, in denen er eine gelaufige Kategorie war, eine analoge Bedeutung gehabt haben muss. Eine Definition des tarkah begegnet erstmalig in den Nyayasutren: avijnatatattve'rthe karano pa pattitas tattvajnanartham uhas tarkah 62. Eine ausfuhrliche Deutung dieses Sutram finden wir bei Paksilasvamin, dabei ist bemerkenswert, dass bei ihm zwischen der Deutung des tarkah und jener der funf zusatzlichen Beweisglieder eine uberraschende Ubereinstimmung besteht: avijnayamanatve'rthe jijnasa tavaj jayate ... atha jijnasitasya vastuno vyahatau dharmau vibhagena vimssati kimsvid ittham ahosvin nettham iti. vimrsyamanayor dharmayor ekam karanopapattya'nujanati sambhavati asmin karanam, pramanam, hetur iti, karanopa pattya syad evam etan netarad iti 68. Die Gliederung des tarkah besteht daher in jijnasa und vimarsah, welcher von Paksilasvamin auch 61 Auch die Temini technici: ,,savitarka samapattih" und ,,nirvitarka samapattih" der Yogasutren (YS I, 42 und 43) zeigen, dass der Terminus ,,tarkah" in der Yogaschule verwendet wurde. 62 NS I, 1, 40. 63 Nbh., p. 53, 1-4: 9 Page #31 -------------------------------------------------------------------------- ________________ als samsayah wiedergegeben wird 64, sowie der karanopapattih, wobei karanam hier von Paksilasvamin wohl im Gegensatz zu den Sutren als pramanani gedeutet wird, und schliesslich dem Feststellen, dass etwas so und nicht anders ist. Dieser letzte Schritt durfte mit dem ebenfalls in den Nyayasutren definierten nirnayah 65 identisch sein, welcher in den Nyayasutren unmittelbar im Anschluss an den tarkah behandelt wird. Der ganze tarkah aber geschieht nach Zeugnis des Sutram ,,tattvajnanartham" zum Zwecke, die Wahrheit zu erkennen. Damit ergibt sich aber eine nahezu vollige Entsprechung der Glieder des tarkah und jener zusatzlichen Beweisglieder. In beiden Fallen beginnt der methodische Denkprozess mit der jijnasa, die sich auf einen noch nicht erkannten Gegenstand richtet. Dem samsayah der Beweisglieder entspricht im tarkah der vimarsah. Wenngleich hier eine leichte Bedeutungsverschiedenheit anzunehmen ist, so haben doch beide die gleiche Funktion und grundsatzlich die gleiche Struktur, dass namlich eine Ungewissheit besteht, welche von zwei einander ausschliessenden Eigenschaften (vyahatau dharmau) zu bejahen ist. Hier wie dort ist der zentrale Schritt die Anwendung der Erkenntnismittel (darum ist ja der tarkah auch nicht selbst ein pramanam!), welche eine Entscheidung (samsayavyudasah bzw. nirnayah) hervorbringen sollen 66. Selbst das prayojanam, welches als Beweisglied erscheint, hat seine Entsprechung in der Bestimmung, dass der tarkah ,,,tattvajnanartham" geschieht. In diesem Zusammenhang verdient ein weiterer Begriff Beachtung, der in NS I, 1, 40 zur Definition des tarkah verwendet wird, namlich der Begriff des uhah. So wie bei Caraka der Begriff des tarkah dem des anumanam ubergeordnet war, so ist hier in den Nyayasutren der Begriff des uhah dem des tarkah ubergeordnet. Der uhah erscheint abgesehen von der Mimamsa, die in dieser Zeit vada-technisch und logisch nicht besonders hervortritt, als Terminus technicus im Samkhya, namlich in 64 Ibid., p. 3, 11. 65 vimrsya paksapratipaksabhyam arthavadharanam nirnayah (NS I, 1, 41). 66 Doch durfte die Deutung dieses zentralen Schrittes als Anwendung der Erkenntnismittel nicht die ursprungliche gewesen sein, sondern eine Neuerung, welche zwischen Abfassung der Nyayasutren und des Nyayabhasyam vorgenommen wurde. 92 Page #32 -------------------------------------------------------------------------- ________________ der Samkhyakarika des Isvarakrsna, und bezeichnet dort eine der Siddhis, welche von Vrsagana in seinem Sastitantram als eine Gruppe der 50 pratyayah behandelt wurden. Wie dieser Begriff des uhah zu verstehen ist, erlautert die Yuktidipika mit folgenden Worten: uho nama yada pratyaksanumanagamavyatirekenabhipretam artham vicaranabalenaiva prati padyate, sa'dya siddhih tarakam ity apadisyate 67. Hier wird mit uhah jene denkerische Bemuhung bezeichnet, die unabhangig von den eigentlichen Erkenntnismitteln eine Wahrheit feststellt. Dem uhah in diesem Sinn entspricht offenbar auch ein Gegenstand der tantrayuktayah (Regeln fur die Abfassung eines wissenschaftlichen Werkes), aus denen sich nach E. Frauwallner 68 die Logik des Samkhya entwickelte, namlich das uhyam 69. Dieses ist namlich nicht Gegenstand der Erkenntnismittel, sondern der methodischen Erorterung. Dieselbe Auffassung, als methodische Erorterung eines Gegenstandes, wie sie dem uhah zugrunde liegt, durfte ursprunglich auch beim tarkah, der in den Nyayasutren durch den uhah definiert ist, vorgelegen haben, der Denkprozess des tarkah aber durfte das Schema abgegeben haben, wonach verschiedene Begriffe der methodisch-logischen Spekulation fur die Deutung des Beweisprozesses verwendet und zur Lehre vom zehn-gliedrigen Beweis zusammengefasst wurden. Wenn man berucksichtigt, dass der uhah im Samkhya bezeugt ist, - die in dieser fruhen Zeit logisch unbedeutende Mimamsa, welche diesen Begriff ebenfalls kennt, kann fur die zu rekonstruierende Entwicklung unberucksichtigt bleiben - dass weiters der tarkah mit grosster Wahrscheinlichkeit von einer anderen als der Vada-Tradition des Nyaya 70 67 YS., p. 161, 23-24. 88 E. Frau wallner: Die Erkenntnislehre des klassischen SamkhyaSystems, WZKSO, Bd. 2 (1958), p. 132 f. 69 yad anirdistam buddhimata tad uhyam (Susrutasamhita, uttaratantram, 65); bzw. anuktakaranam uhyam (Arthasastram XV 1); bei Caraka siddhisthanam 12, 44 wird diese tantrayuktih nur erwahnt, ohne definiert zu werden. 70 Dass die Anumana-Definition bei Caraka ,,anumanam nama tarko yuktyapeksah" keine Augenblicksschopfung war, sondern dass tarkah und anumanam in gewissen Kreisen tatsachlich zusammengehorige Begriffe waren, geht aus der Bemerkung Uddyotakaras hervor: apare tv anumanam eva tarkam yuktyapeksam varnayanti (NV., p. 141, 16f.). Vgl. Jayantabhatta: 93 Page #33 -------------------------------------------------------------------------- ________________ in den Nyaya eindringt, und dass schliesslich zu einem spateren Zeitpunkt die Lehre von den zehn Gliedern des Beweises ausdrucklich fur das Samkhya bezeugt ist, dann liegt der Schluss nahe, dass jene Lehrer, die den zehngliedrigen Beweis entwickelt hatten, in Kreisen des Samkhya zu suchen sind. Im Samkhya scheint jene Entwicklung vor sich gegangen zu sein, welche uber die Analyse des uhah (fur Vrsagana und Isvarakrsna bezeugt) und des tarkah (fur den Yoga bezeugt, der eine SamkhyaSchule ist) zum Schema der funf zusatzlichen Glieder des Beweises gefuhrt hatte. Auch die fehlende Verbindung zwischen tarkah und vakyam lasst sich erst im Rahmen des Samkhya herstellen und verstandlich machen. Denn es war gerade das Samkhya, welches bereits in dieser fruhen Zeit den inneren Zusammenhang zwischen schlussfolgerndem Denken (anumanam) und Beweis (vakyam) erkannt hatte, indem Vrsagana den Beweis als nichts anderes denn als sprachliche Formulierung des anumanam aufgefasst hatte 71. Es war daher allein im Samkhya die notwendige Voraussetzung gegeben, dass das Schema des tarkah, welches in den Kreisen, in denen es entwickelt wurde, auch zur Definition des anumanam dienen konnte, auf den Beweis ubertragen wurde, indem man die Lehre vom zehngliedrigen Beweis schuf. Wenn gesagt wurde, dass die Entwicklung, die zu den funf zusatz lichen Gliedern des Beweises fuhrte, im Samkhya vor sich gegangen ist, so verdient diese Feststellung, naher bestimmt zu werden. Denn wir finden im klassischen Samkhya Vrsaganas wohl die innere Beziehung von anumanam und vakyam erkannt, doch fehlt jene andere fur die Einfuhrung der 10 avayavah so notwendige Beziehung von anumanam und tarkah bzw. uhah. Man muss daher mit grosster Wahrscheinlichkeit annehmen, dass man die zehn Glieder des Beweises zur Zeit Vrsagana's NM II, p. 146, 18ff. Damit ist aber bezeugt, dass es tatsachlich neben der Tradition der Nyayasutren einen Entwicklungsstrom logischer Reflexion gegeben hat, welcher den tarkah nicht als eine untergeordnete Kategorie des vadah betrachtet hatte, wie es die Nyayasutren tun, sondern als einen zentralen Begriff, der zur Deutung des schlussfolgernden Denkens verwendet wurde. 71 E. Frauwallner: Erkenntnislehre des klassischen Samkhya-Systems, p. 125 und 129. 94 Page #34 -------------------------------------------------------------------------- ________________ noch nicht aufgestellt hatte. Wohl aber hatte Vrsagana in seinem System den Begriff des uhah aufgenommen und analysiert, und zwar als eine der Siddhis. Damit ist aber anzunehmen, dass er im wesentlichen auch die funf Elemente des alten tarkah gekannt haben und bei Analyse des uhah auch behandelt haben durfte. Denn uhah und tarkah waren beinahe vertauschbare Begriffe, deren Denkbewegung im wesentlichen identisch war. Ausserdem erscheinen auch ausdrucklich einige der Elemente des tarkah, wie ihn Paksilasvamin kennt, in den tantrayuktayah des Samkhya 72, wie pramanam, samsayah und nirnayah, von denen wir annehmen durfen, dass auch sie Vrsagana bekannt waren. Mit den funf avayavah hat Vrsagana selbst diese Elemente des tarkah aber nicht verbunden, wie uberhaupt seine Erkenntnislehre eine geniale und eigenwillige Neuerung gewesen war, die anumanam und vakyam viel starker aus den zu seiner Zeit ublichen Kategorien logischer Reflexion herausgelost hatte 78. Doch scheint jene Verbindung der StrukturElemente des tarkah mit den Aussage-Elementen des Beweises in der Schule Vrsaganas vor sich gegangen zu sein. Wir finden namlich in der Yuktidipika folgenden Hinweis. Als Grund, warum Isvarakrsna in seiner Samkhyakarika nicht auch die avayavah (scil. jijnasadayah) behandelt habe, heisst es unter anderem: kin ca tantrantarokteh, tantrantaresu hi vindhyavasi prabhrtibhir acaryair upadistah ... 74, womit also bezeugt wird, dass Vindhyavasin und andere die avayavah behandelt hatten, und zwar nicht nur jene, die von Vrsagana gelehrt worden waren, sondern auch jene funf zusatzlichen, namlich jijnasa usw. Dass dieses Zeugnis auch eine innere Wahrscheinlichkeit besitzt, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Yuktidipika als Autoren jener Werke, in denen die zehn avayavah behandelt worden sein sollten, nicht Vrsagana erwahnt, dessen Lehre vom Beweis sie relativ ausfuhrlich zitiert, sondern Vindhyavasin. Ein Umstand, fur den keine Veranlassung zu sehen ware, wenn nicht Vindhyavasin tatsachlich die zehn avayavah 72 YD., p. 2f. 78 So spielen bei ihm auch uhah bzw. tarkah keine Rolle fur die Erkenntnislehre, offenbar im Gegensatz zu jenen Lehrern, welche an der alten Definition des anumanam als tarko guktyapeksah festgehalten hatten und Vrsaganas Neuerungen nicht mitgemacht hatten. 74 YD., p. 4, 7f. 95 Page #35 -------------------------------------------------------------------------- ________________ behandelt hatte. Die Zuweisung dieser Lehre an Vindhyavasin wurde ausserdem auch zeitlich-ungefahr entsprechen, da Paksilasvamin junger als Vindhyavasin sein durfte. Die funf zusatzlichen Glieder des Beweises,' wie sie im Samkhya gelehrt wurden, werden allein von der Yuktidipika referiert: tasya punar avayava jijnasasamsaya prayojanasakya praptisamsayavyudasalaksanas ca vyakhyangam, pratijnahetud?stantopasamharanigamanani parapratipadanangam iti. tatra jnatum iccha jijnasa. *kascit ' kancid u pasadyaha purusam jnatum icchami, kim asti nastiti. kutah samsaya iti paryanuyuktah pratyaha anupalabhyamanasyobhayatha drstatvat. ihanupalabhyamanam ubhayatha dTstam sadbhutam asadbhutan ceti ... kim asyas cintayah prayojanam iti prsto vyacaste sastrat satattvadhigamas tatas ca moksavaptih ... sakyas cayam artho niecetum pramanatraya parigrahad iti vyavasthite vyudasya samsayam sadhyavadharanam pratijna. etc. 75. Vergleicht man die Darstellung der Yuktidipika mit jener, die uns Paksilasvamin bietet, dann wird die grundsatzliche Identitat der dargestellten Lehren deutlich. Lediglich ein Umstand verdient nahere Beachtung. In seiner Kritik an den funf zusatzlichen Gliedern, weist Paksilasvamin nach, dass keines der erwahnten Glieder den Gegenstand im eigentlichen Sinne beweist und daher nicht Glied des Beweises sein kann, dessen Natur gerade im Beweisen eines zu Beweisenden liegt (tattvarthasadhakabhavah); wahrend jijnasa usw. aber wohl eine Berechtigung bei der Erorterung eines Problems habe: prakarane tu jijnasadayah samartha avadharaniyarthopakarat, tattvarthasadhakabhavat tu pratijnadayah sadhakavakyasya ... avayava iti 76. Diese Kritik scheint aber in der Yuktidipika bereits berucksichtigt zu sein, wenn sie ausdrucklich feststellt, dass jijnasa usw. lediglich als Glieder einer breiten Darlegung (vyakhyangam) Verwendung finden und selbst dies nicht unbedingt notwendig sei ?, wahrend nur pratijna usw. Glieder seien, die der Erkenntnisvermittlung dienen (paraprati padanangam). Ware diese Modifizierung der Lehre von den zehn Gliedern des Beweises 75 Ibid., p. 47, 20-48, 5. 76 Nbh., p. 45, 10-46, 2. 77 YD., p. 47, 20-22. 96 Page #36 -------------------------------------------------------------------------- ________________ bereits Paksilasvamin vorgelegen, so ware seine Polemik unverstandlich. Wir mussen also annehmen, dass zur Zeit Paksilasvamins jene Lehrer (Vindhyavasin ?), welche diese Glieder lehrten, die vorliegende Einschrankung der Lehre noch nicht gemacht hatten. - Da die Yuktidipika erst nach Dignaga geschrieben worden sein kann, ist es sehr wahrscheinlich, dass man im Samkhya diese Lehre auf Grund der gegnerischen Polemik modifiziert hatte. Anhang Anlasslich der Besprechung des Prayogasarah hat sich gezeigt, dass die Lehre von der Schlussfolgerung in diesem Werk durch die Anu Lehre der Nyayasutren beeinflusst ist. Und es entsteht damit die Frage, ob dieser Einfluss direkt von den Nyayasutren ausgegangen ist oder durch Vermittlung eines Kommentars zu den Nyayasutren. Nach genauerer Betrachtung des Materials durfte die zweite Alternative als die wahrscheinlichere gelten, wobei die Moglichkeit nicht ausgeschlossen werden dart, dass es sich um einen Kommentar zu jenem alten NyayaWerk gehandelt haben kann, das im wesentlichen nur aus dem ersten und funften Adhyaya der Nyayasutren bestanden hat. Pingala erwahnt in seinem chinesisch erhaltenem Kommentar zu Nagarjunas Madhyamakasastram im Zusammenhang mit der Beweisbarkeit der Seele eine Interpretation der in NS I, 1, 5 erwahnten Arten der Schlussfolgerung: "There are three sorts of inference, purvavat, sesavat and samanyato drstam. The purvavat is the reasoning in which a man has formerly known that where smoke is there is fire, and afterwards infers the existence of fire, as in the former case (purvavat) from seeing smoke. The sesavat is the reasoning in which a man, having known that one grain of rice has been coked, can infer from that that all other grains in the cooking kettle have also been cooked. The samanyato drstam is the reasoning in which a man, having seen that an other person has started from one place and arrived at another, and having hence known that he is locomotive, can infer from that that the sun has motion, though not seen, because the sun moves from the east to the west. In like manner pain, pleasure, aversion, desire and cognition Page #37 -------------------------------------------------------------------------- ________________ etc. are known to have a substratum just as a people has the king as supporter 78" Offenbar handelt es sich in diesem Abschnitt um eine Interpretation der Sutrenworte purvavat, sesavat und samanyato drstam. Es muss daher die Quelle dieser Interpretation ein Kommentar zu NS I, 1, 5 gewesen sein. Die Auffassung, die diese Quelle vertritt, weicht aber stark von jener Paksilasvamins ab. Nicht nur, dass sie das karyanumanam und karananumanam von Paksilasvamins erster Deutung nicht kennt, auch die Auffassung des sesavadanumanam sowie des samanyato drstam anumanam der zweiten von Paksilasvamin gegebenen Auffassung stimmen mit jener der Quelle Pingalas nicht uberein. Vielmehr ist eine deutliche Ubereinstimmung des samanyato drstam anumanam mit. jenem der ersten Deutung Paksilasvamins gegeben, wahrend das purvavadanumanam mit jenem der zweiten Deutung Paksilasvamins ubereinstimmt und das sesavadanumanam uberhaupt keine Parallele hat. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die Quelle Pingalas das Nyayabhasyam Paksilasvamins, noch auch, dass die Quelle Pingalas die Vorlage fur das Nyayabhasyam gewesen ist. Es kann aber ebensowenig angenommen werden, dass die beiden Darstellungen dadurch entstanden waren, dass eine von ihnen falsch verstanden worden und diese sozusagen aus einem Irrtum bzw. einem oberflachlichen Referat der anderen Quelle entstanden ware. Es findet sich namlich die Interpretation der Quelle Pingalas auch im Prayogasarah wieder, wenngleich mit anderen Beispielen: anumanam trividham purvavat, sesavat, samanyato drstam ca. yatha sadangulim sapidakamurdhanam, balam drstva pascad vrddham bahusrutam devadattam drstva sadangulismaranat so'yam iti purvavat. sesavad yatha, sagarasalilam pitva tallavanarasam anubhuya sesam api salilam tulyam eva lavanam iti. etac chesavad anumanam. samanyato drstam yatha, kascid gacchams tam desam prapnoti. gagane'pi suryacandramasau purvasyam disy uditau pascimayan castam gatau taccestayam api tadgamanam anumiyate, etat samanyato drstam 79 78 Zitiert nach Ui: The Vaisesika Philosophy according to the Dasapadartha-Sastra, Oriental Translation Fund, New Series, vol. 24, London, 1917, p. 87f. 79 Tucci: Upayahrdayam, p. 13, 20-14, 6. 98 Page #38 -------------------------------------------------------------------------- ________________ * Zweifelsohne liegt in der Darstellung des Prayogasarah der Einfluss jenes Werkes vor, dem wir im Kommentar des Pingala begegnet sind. Alle drei Arten des Schlusses sind genau so interpretiert wie bei Pingala, was beweist, dass diese Interpretation tatsachlich vorgelegen sein muss und nicht nur eine ungenaue Darstellung der ublichen Nyaya-Auffassung durch Pingala sein kann. Einzig die Beispiele, welche fur die einzelnen Schlussarten gegeben werden, sind mit Ausnahme jenes fur das samanyato drstam anumanam verschieden. Dadurch wird es aber unwahrscheinlich, dass Pingala den Prayogasarah als Quelle benutzt haben sollte. Ausserdem musste man auch im Falle einer Abhangigkeit annehmen, dass dieser Lehre von der Schlussfolgerung eine NyayaTradition zugrunde liegt, da sich sowohl bei Pingala wie im Prayogasarah die Interpretation der drei Arten der Schlussfolgerung an die Worte des NS I, 1, 5 anschliesst und diese Lehre bei Pingala von seiten eines Gegners vorgebracht wird. Wir konnen daher mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Quelle Pingalas ein Kommentar zu den Nyayasutren war, der alter als Paksilasvamin ist. In welchem Verhaltnis steht aber die Quelle Pingalas zu jener Paksilasvamins? Es wurde bereits bemerkt, dass Paksilasvamins zweite Deutung der Worte ,,purvavac chesavat samanyato drstam ca" nicht auf diese Quelle zuruckgehen kann. Doch andererseits stimmt Paksilasvamins zweite Deutung des purvavadanumanam weitgehend mit jener der Quelle Pingalas uberein. Und die Anwendung des samanyato dTstam anumanam fur den Beweis der Existenz der Seele, die sich bei Pingala findet, kehrt unter Auslassung des Beispiels vom Konig beinahe wortlich im Zusammenhang mit Paksilasvamins zweiter Deutung des samanyato * drstam anumanam wieder: yathecchadibhir atma, icchadayo gunah, gunas ca dravyasamsthanah. tad yad esam sthanam sa atmeti 80. Allerdings erscheint dieser Beweis fur die Existenz der Seele bei Pingala im Zusammenhang mit jener Deutung des samanyato dTstam anumanam, die Paksilasvamin als erste gibt. Es ist also ganz offenbar eine Verwandtschaft zwischen den beiden Darstellungen gegeben, die einer Erklarung bedurfen. 80 Nbh., p. 18, 4-5. Page #39 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zu diesem Zweck muss Paksilasvamins zweite Deutung der Dreiteilung des anumanam naher betrachtet werden: athava purvavad iti yatra yatha purvam pratyaksabhutayor anyataradarsanenanyatarasyapratyaksasyanumanam yatha dhumenagnir iti. sesayan nama paritesah. sa ca prasakta pratisedhe'nyatraprasangac chisyamane sampratyayah samanyato drstam nama yatrapratyakse lingalinginoh sambandhe kenacid arthena lingasya samanyad apratyakso lingi gamyate. yathecchadibhir atma. icchadayo gunah, gunas ca dravyasamsthanah, tad yad esam sthanam 8a atma 81 Die vorliegende Gliederung der Schlussfolgerung zeigt deutlich ein einheitliches Grundprinzip: sie unterscheidet eine Schlussfolgerung, in der die Verbindung von Grund und Folge sinnlich wahrnehmbar ist (pratyaksabhutayor), und eine, in der diese Verbindung grundsatzlich nicht wahrnehmbar ist. (apratyakse sambandhe). An dieser Zweiheit wird dann eine dritte Art der Schlussfolgerung angefugt, die ganz anderer Natur ist, namlich die Schlussfolgerung, die nicht auf einem sambandhah beruht, sondern auf dem Ausschluss nicht zutreffender Moglichkeiten. Es liegt also der Versuch vor, Vrsaganas Gliederung der Schlussfolgerung in visesato drstam und samanyato dTstam 82 in die Gliederung des anumanam, wie sie die Nyayasutren kennen, einzuarbeiten. Dieser Versuch setzt aber eine Weiterfuhrung des Gedankens voraus, die die Quelle Pingalas nicht mitgemacht hat. Jener Lehrer, der das alte anumana-Schema Vrsaganas modifiziert hatte, hatte Vrsaganas avita-Schluss in den Terminus sesavat hineingedeutet und die Zweiteilung des anumanam in visesato drstam und samanyato drstam in die Worte purvavat und samanyato distam hineingelesen. Dadurch hatte er Vrsaganas anumana-Schema vereinfacht und dabei den unverlasslichen Schluss von der Ursache auf die Wirkung ausgeschieden. Denn er hatte die Zweiteilung des samanyato drstam in ein purvavad- und ein sesavad-anumanam, wie sie Vrsagana gelehrt hatte, aufgegeben und dafur das samanyato drstam nicht mehr wie Vrsagana auf den Kausal-Nexus begrundet, sondern auf der Beziehung des 81 Ibid., p. 17, 4-18, 5. 82 E. Frauwallner: Erkenntnislehre des klassischen Samkhya-Systems, pp. 124 und 128. 100 Page #40 -------------------------------------------------------------------------- ________________ samanyam. Damit war aber aus dem Analogie-Schluss des samanyato drstam der Nyayasutren ein Schluss auf Grund der Gemeinsamkeit, d. h. des Wesens geworden; eine Veranderung der Auffassung, die ohne Einfluss der Kategorienlehre des Vaisesika kaum erklarbar ist. Bedenkt man dabei weiters, dass dieser Auffassung offenbar das Bestreben zugrunde liegt, Vrsaganas logische Erkenntnis fur die Interpretation der Lehre von der Schlussfolgerung, wie sie in der Nyaya-Tradition gegeben war, fruchtbar zu machen, dann kann es sich bei jenem Lehrer wohl nur um einen Kommentator der Nyayasutren gehandelt haben. Damit kann aber die Frage nach der Beziehung zwischen der Quelle Pingalas und jener Paksilasvamins mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit beantwortet werden. Aus den bisherigen Beobachtungen lasst sich namlich der Schluss ziehen, dass sowohl Paksilasvamins wie Pingalas Quelle auf einen Kommentar zu den Nyayasutren zuruckgehen, der von beiden verwendet wurde. Dabei zeigt sich, dass Pingalas Quelle offenbar das sesavad-anumanam von Paksilasvamins zweiter Deutung im Sinne eines Schlusses von einem Teil auf das restliche Ganze umgedeutet hatte und an Stelle der Deutung des samanyato drstam als Schluss durch eine erkannte Gemeinsamkeit (im Sinne der Kategorienlehre) den alten Analogieschluss der Nyayasuten gesetzt hatte. Dass es Pingalas Quelle war, welche ihre Vorlage verandert hatte, und nicht Paksilasvamin, geht aus folgendem hervor: Anlasslich der zweiten Deutung des samanyato drstam anumanam gibt Paksilasvamin das Beispiel einer Schlussfolgerung fur die Existenz der Seele. Dieses Beispiel entspricht voll und ganz der Definition dieser Schlussart, wie sie Paksilasvamin in der zweiten Deutung gegeben hat. Bei Pingala begegnen wir genau demselben Beispiel, ohne dass aber Pingala die dazu gehorige Auffassung des samanyato dTstam anumanam erwahnt hatte, da er ja im samanyato drstam anumanam den alten Analogie-Schluss sieht. Man mochte daher annehmen, dass das Beispiel des Beweises der Existenz der Seele bei Paksilasvamin im richtigen Zusammenhang steht, wahrend bei Pingala der Eindruck entsteht, es handle sich um e ingenaue Verwendung dieses Beispiels, und somit um eine Umformung der ursprunglichen Quelle, die bei Paksilasvamin im wesentlichen unverandert vorliegen durfte. Damit aber konnten mit 101 Page #41 -------------------------------------------------------------------------- ________________ grosser Wahrscheinlichkeit fur die Zeit vor Paksilasvamin zwei NyayaWerke erschlossen werden, die Kommentare zu den Nyayasutren gewesen zu sein scheinen. Summary. Of the early beginnings of Indian Logic only a few works on vadah are still extant, which are the sole genuine sources of the earliest period of Indian Logic. The main problem for the historian of Indian Logic is to arrange the ideas and theories expressed in these works in such a way that a historical sequence becomes discernible. In the present article this task is undertaken by comparing some of the early vada-expositions such as Carakasamhita vim. 8, 26-66, Nyayasutras, Prayogasarah, and the exposition of the hetuvidya in. the Yogacarabhumih and in the Abhidharmasamuccayah. In doing so one finds similarities and dissimilarities which lead to the conclusion, that the dialectical doctrines of the oldest time except those of the Samkhya had a common origin in the sense that they contained more or less the same views and the same topics, and that they developed slowly into different vada-traditions. By "tradition" in this context is meant a hypothetical continuum, which is arrived at by putting ideas and theories of the same "internal form" into relation with each other and by establishing thus a historical sequence according to the smaller or greater conformity with historically more clearly ascertainable theories of the same type. In the course of this article three such traditions are distinguished: (a) the tradition of the Nyayasutras (b) the tradition of the Yogacara-dialectics and (c) the tradition of the ten-membered proof mentioned by Paksilasvamin in his commentary on NS I, 1, 32. (a) The tradition of the Nyayasutras takes its origin from a form of vada-doctrine which seems to be presupposed by Caraka. The vadaexposition of Caraka itself is already a younger stage of development and corresponds roughly to the pre-form" of the first and fifth Adhyayas of the present Nyayasutras, though not identical with it. Through a re-arrangement of the usual set of dialectical topics this earlier form was then changed into the vada-manual which has been supposed by W. Ruben and G. Tucci to correspond to the first and fifth Adhyayas of the Nyayasutras. This manual was later enlarged by adding the 102 Page #42 -------------------------------------------------------------------------- ________________ second Adhyaya or at least parts of it (most probably after Nagarjuna) and later on the third and fourth Adhyaya of the Nyayasutras. (b) From this vada-tradition branches off an other one before the time, when the vada-exposition of Caraka was written. It becomes ascertainable first in the doctrine of the eight vadadharmah as preserved in the beginning of the Prayogasarah. This tradition develops into the vada-doctrines as exposed in the Yogacarabhumih and later into those expounded by Asanga in his Abhidharmasamuccayah. (c) The third dialectical tradition takes its origin in other circles than those in which the other two vada-traditions had arisen. It can be traced to those teachers who had used the tarka-concept in connection with the anumanam and must have developed later on into the doctrine of the ten-membered proof testified in the Nyayabhasyam and the Yuktidipika. This logical tradition seems to have had a certain relation also to the tantrayuktayah and to have developed mainly in Samkhya circles. In the appendix of this article it is shown through the analysis of the Nyayabhasyam on NS I, 1, 5 that there must have been at least two Nyaya-commentaries before the time of Paksilasvamin. Whether these commentaries were commenting only on the old vada-manual (first and fifth Adhyayas of the Nyayasutras) or were commentaries on the entire Nyayasutras could not be ascertained. 103