Book Title: Der Svabhavika Sambandha Ein Geschichtlicher Beitrag Zur Nyaya Logik
Author(s): Gerhard Oberhammer
Publisher: Gerhard Oberhammer
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Page #1 -------------------------------------------------------------------------- ________________ DER SVĀBHĀVIKA-SAMBANDHA, EIN GESCHICHTLICHER BEITRAG ZUR NYAYA-LOGIK Von Gerhard Oberhammer Erich Frauwallner anläßlich der Vollendung seines 65. Lebensjahres in Ergebenheit angeboten. Waren es äußere Umstände, wie etwa der Niedergang des Buddhismus und damit der buddhistischen Logik, daß in Indien seit Udayana die Nyāya-Logik mehr und mehr in den Vordergrund trat, oder gab es für diese Entwicklung noch andere in der Logik des Nyāya gelegene Gründe? - Tatsache ist jedenfalls, daß der Nyāya in der Zeit nach Dharmakirti ein neues Selbstbewußtsein und eine neue Produktivität zeigt. Im Gegensatz zur Zeit vorher, wo sich der Nyāya in den wesentlichen Fragen der Schlußlehre fast völlig von der buddhistischen Logik beeinflussen ließ 1, steht er der Logik Dharmakirti's ausschließlich polemisch gegenüber und übernimmt dessen Neuerungen nicht. Darüber hinaus erscheinen im Nyāya jener Zeit neue Gedanken, von denen einige für die spätere Logik der Schule entscheidend gewesen zu sein scheinen. Unter diesen Gedanken erscheint eine Lehre, welche die Theorie der Vyāpti (Umfassung), ohne sie äußerlich zu verändern, mit einem neuen Inhalt füllt?, die Lehre vom Svābhāvikasambandha. Es ist Aufgabe der vorliegenden Arbeit, diese Lehre in ihrer historischen Entwicklung im alten Nyāya zu beschreiben. Sie gliedert sich daher in drei Abschnitte, nämlich die Schaffung dieser Lehre durch Trilocana, ihre Umformung durch Vācaspatimiśra und ihre endgültige Formulierung bei Udayana 3 1 So übernehmen alle uns bekannten Nyāya-Autoren jener Zeit Dignāga's Lehre von den drei Merkmalen des Grundes (trairūpyam) in irgendeiner Form. Vgl. G. Oberhammer: On the Sources in Jayanta Bhatta and Uddyotakara. WZKSO, Bd. 6 (1962), pp. 121ff. 2 Vgl. p. 140ff. dieser Arbeit. 3 Diese Dreiteilung ergibt sich auf Grund des erhaltenen Materials, bedeutet aber nicht, daß es nicht noch andere, nicht erhaltene Naiyāyikas gegeben haben kann, die einen Beitrag zu dieser Lehre leisteten. Die Darstellung von Trilocana's Lehre bleibt notgedrungen hypothetisch, da nur g 131 Page #2 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Ausgangspunkt der Interpretation Der älteste Naiyāyika, bei dem die Lehre vom Svābhāvikasambandha begegnet, ist Trilocana, der Lehrer Vācaspatimisra's 4, dessen Werk leider nur in wenigen Fragmenten erhalten ist. Eines dieser Fragmente, das einer Polemik gegen die buddhistische Auffassung von der Feststellung einer notwendigen Beziehung als Grundlage der Schlußfolgerung entstammt, enthält eine knappe Darstellung dieser Lehre in wenigen Sätzen. Dieses Fragment wird von Jñānaśrīmitra als Beleg für Trilocana's Lehre vom Svābhāvikasambandha zitiert 5 und scheint daher trotz seines zufälligen Charakters für Trilocana's Auffassung kennzeichnend zu sein: Trilocanas tv āha 'pratyakşānu palambhayor višeşavişayatvāt katham tābhyām sāmānyayoḥ sambandhapratītiḥ 6 ? – athānagnivyāvýttenādhūmavyāvíttasya sambandhaḥ pratīyata eveti, nanu so'pi kasya pramāṇasya vişayah? na tāvat pratyakşasya (tasya) svalaksanavişayatvāt? nāpy anumānasya, tasyāpi tatpūrvakatvāt. na ca vyāvșttaḥ 8 kaścit sambandhaḥ. wenige Fragmente dieses Denkers erhalten sind, und ebenso fehlen wichtige Teile aus dem Werk Udayana's, da sein Kommentar zu Vācaspati's Nyāyavārttikatātparyaţikā nur zu einem kleinen Teil publiziert ist. 4 Die Zeit Trilocana's läßt sich ungefähr bestimmen: Trilocana 'ist nach dem Zeugnis Vācaspati's (NVTT, p. 133, 14), der seinen Nyāyasūcini. bandhaḥ im Jahre 841 n. Chr. schreibt, dessen Lehrer gewesen. Trilocanà selbst polemisiert in einem seiner Fragmente (R, p. 128, 1-11 = NVTT, p. 484, 24-485, 13) gegen Dharmottara's Apohaprakaraṇam (tib. Text mit Übersetzung und Analyse bietet E. Frauwallner: Beiträge zur Apohalehre II. Dharmottara. WZKM XLIV, p. 233-287). Dharmottara dürfte etwa von 750-810 n. Chr. gelebt haben (E. Frauwallner: Landmarks in the History of Indian Logic. WZKSO, Bd. 5 (1961), p. 147). Da aber das Apohaprakaraņam im Katalog der Übersetzungen von Ldan-kar (ca. 800 n. Chr.) nicht erscheint, dürfte Dharmottara dieses Werk erst nach 800 geschrieben haben. Da Jayanta Bhatta (ca. 840-900) Trilocana's Lehre vom mānasapratyakşam kennt, ist auch, wenn man Vācaspati's Datierung heruntersetzen möchte, ein Terminus ante quem gegeben. Als Lebenszeit Trilocana's wäre demnach ungefähr 770-830 n. Chr. anzunehmen, wenn man eine durchschnittliche Lebenszeit von 60 Jahren ansetzt. 5J, p. 161, 17-26. Dieses Fragment begegnet auch in R, p. 99, 14-23. Es ist nicht ausgeschlossen, daß vor allem im zweiten Teil des Fragmentes der ursprüngliche Wortlaut gekürzt ist. 8 pratītiḥ: R pratipattiḥ. ? (tasya) svalakṣaṇavişayatvāt: R svalakṣanavişayatvāt tasya. 8 vyavrttaḥ: R vyavrttyoḥ. 132 Page #3 -------------------------------------------------------------------------- ________________ atha pratyakṣapṛṣṭhabhāvī vikalpo dṛṣṭe bhede'bhedam adhyavasyati, tad eva sāmānyam 9. — evam api vikalpānām na vastv eva viṣayaḥ, api tu grāhyākāraḥ sa ca na vastu. vastu tu teṣām parokşam eveti katham tenāpi sambandhagrahaḥ? asmākam tu bhūyodarśanasahāyena manasa tajjātiyānām sambandho grhito bhavati, ato dhumo nagnim vyabhicarati. tadvyabhicāre dhuma upadhirahitam sambandham atikramed iti hetor vipakṣasankanivartakam pramāṇam upalabdhilakṣaṇaprāptopadhivirahahetur anupalambhākhyam pratyakşam eva. tataḥ siddhaḥ svābhāvikaḥ sambandhaḥ.' 10 ,,Trilocana aber führt aus: Da Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung nur Besonderes zum Gegenstand hat, wie kann durch sie eine Verbindung zwischen zwei Gemeinsamkeiten erkannt werden? - [Gegner:] Lediglich die Verbindung des im Nicht-Rauch Fehlenden mit dem im Nicht-Feuer Fehlenden wird erkannt. [Antwort:] Der Gegenstand welchen Erkenntnismittels wäre selbst diese [Verbindung]? Zunächst nicht der Wahrnehmung, da diese nur das Konkretum (svalakṣaṇam) zum Gegenstand hat. Aber auch nicht der Schlußfolgerung, weil auch diese jene zur Voraussetzung hat; noch kommt dem Fehlen zweier [Gegebenheiten] eine Verbindung zu 11. Sollte [schließlich] eine Vorstellung, die auf der Wahrnehmung beruht, das Nichtunterschiedene [= Gemeinsamkeit] begrenzend festlegen, wenn das Unterschiedene wahrgenommen ist, und wäre eben dieses die. Gemeinsamkeit, so wäre ebenfalls nicht das Reale Gegenstand der Vorstellungen, sondern dessen Form als Erkenntnisinhalt (grāhyākārah). Diese ist aber nicht das Reale. Da nun das Reale diesen Vorstellungen transzendent ist, wie sollte dadurch eine Verbindung erkannt werden? Für uns aber wird die Verbindung derartiger [Gemeinsamkeiten] durch das Denkorgan erkannt, das durch mehrfache Beobachtung unterstützt ist. Und deshalb verfehlt der Rauch [als logischer Grund] nicht das Feuer. Würde er es aber verfehlen, dann würde er eine Verbindung, die von einer bedingenden Bestimmung frei ist, überschreiten. Das Erkenntnismittel, welches den Zweifel hinsichtlich des Vorkommens Vgl. p. 141 dieser Arbeit.. 10 J, p. 161, 17-26. 11 Die Übersetzung folgt R. 133 Page #4 -------------------------------------------------------------------------- ________________ des logischen Grundes im Vipaksa beseitigt, ist die ,Nichtwahrnehmung genannte Wahrnehmung. Sie ist der Grund für das Freisein [der Verbindung] von einer bedingenden Bestimmung, die das Merkmal der Wahrnehmbarkeit erlangt hat. Dadurch ist der Svābhāvikasambandha erwiesen." Insofern dieses Fragment die einzige autenthische Darlegung von Trilocana's Lehre vom Svābhāvikasambandha ist, muß die Darstellung dieser Lehre notgedrungen die Form einer Textinterpretation annehmen, um so in möglichst engem Kontakt mit dem Text die historische Form dieser Lehre wieder zu gewinnen. Grundsätzlich muß sich diese Interpretation vor Augen halten, daß der vorliegende Gedankengang nicht eine systematische Erörterung des Svābhāvikasambandha darstellt, sondern primär die Frage erörtert, wie die notwendige Beziehung, die Grundlage der Schlußfolgerung ist, erkannt werden kann, und erst an zweiter Stelle im Zusammenhang damit auch Aufschluß über den Svābhāvikasambandha selbst gibt. Einen Anhaltspunkt für die Interpretation und gleichzeitig eine Ergänzung des Textmaterials bietet eine Bemerkung Jayanta Bhatta's, die zum Ausgangspunkt unserer Interpretation des Trilocana-Fragmentes gewählt wurde. Jayanta referiert nämlich im Kapitel über die Schlußfolgerung seiner Nyāyamañjari Trilocana's Lehre über das Erkennen der Vyāpti, wenn auch ohne Namensnennung: „Einige sagen, daß die Wahrnehmung durch das Denkorgan (mānasam pratyakşam) den [logischen] Zusammenhang (pratibandhah) erfaßt. Wenn man durch Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung den Rauch als mit dem Feuer zusammen vorkommend und im Nicht-Feuer fehlend beobachtet hat, wird durch das Denkorgan erkannt, daß der Rauch notwendig mit dem Feuer verbunden ist. Oder von wem wird nicht zugegeben, daß das Denkorgan, welches alles zum Gegenstand haben kann, auch einen sinnlich nicht gegebenen Gegenstand erkennen kann? – Und dazu ist nicht eine Wahrnehmung vonnöten, die sich auf alle in den Klüften der drei Welten verborgenen Individualfälle von Rauch und Feuer richtet, denn das Erkennen der Vyāpti hängt von der Gemeinsamkeit ,,Feuertum" etc. ab.“ 12 12 NM I, p. 111, 1-6. 134 Page #5 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Löst man aus den beiden vorgelegten Texten den entscheidenden Gedanken heraus, der einen Schlüssel zu Trilocana's Lehre vom Svābhāvikasambandha bieten könnte, so erhält man die Lehre, daß die notwendige Beziehung, auf der die Schlußfolgerung beruht, durch eine Wahrnehmung des Denkorgans erkannt wird. Diese Wahrnehmung wird unterstützt durch eine Reihe von Wahrnehmungen (bhūyodarśanam), in denen bestimmte Sachverhalte in einer konstanten Beziehung zueinander beobachtet werden 13. Von dieser Wahrnehmung durch das Denkorgan heißt es, daß sie die Vyapti nicht dadurch erkenne, daß sie sich auf alle in den Klüften der drei Welten verborgenen Individualfälle richtet, sondern dadurch, daß sie sich auf die dem individuellen Sachverhalt inhärierende Gemeinsamkeit richtet.,,Denn das Erkennen der Vyapti hängt von den Gemeinsamkeiten ab." In dieser Bemerkung, die schlagartig eine jahrhundertealte Auseinandersetzung in ihrer inneren Struktur erhellt, verbirgt sich offenbar Trilocana's Lehre vom Svabhāvikasambandha. Doch um dies deutlich zu machen, muß diese Auseinandersetzung selbst in ihrer Grundstruktur gezeigt werden. ... Die extensionale Logik der Buddhisten Seit den logischen Untersuchungen und Entdeckungen Dignaga's 14 scheint der Nyaya in eine immer deutlicher werdende Auseinander 13 Die Erwähnung von Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung erinnert an Dharmakirti's Schema der fünffachen Wahrnehmung und Nicht-Wahrnehmung, das dem Nachweis des kāryakāraṇabhavaḥ dient:,,Bei der Wahrnehmung von welchen [Dingen] etwas derart Bestimmtes (tallakṣaṇam upalabdhilakṣaṇaprāptam), das [früher] nicht wahrgenommen wurde, wahrgenommen wird, und beim Fehlen eines von diesen nicht wahrgenommen wird, das ist dessen Wirkung." The Pramāṇavārttikam of Dharmakirti. ed. by R. Gnoli. Serie Orientale Roma vol. 23. Roma 1960. p. 22, 2-4. Es ist möglich, daß hier eine historische Abhängigkeit von Dharmakirti besteht, doch unterscheidet sich Trilocana's Wahrnehmung und NichtWahrnehmung wesentlich von jener bei Dharmakirti, da sie nicht ein methodisches Beobachtungsschema zu,,Nachweis" und ,,Verifikation" ist, sondern,,freie", wenn auch regelmäßige Beobachtung, welche für die Erkenntnis der festen Verbindung lediglich Anlaß und Hilfe ist. 14 Im wesentlichen sind dies die systematische Ausarbeitung der Lehre von den drei Merkmalen des Grundes, sein Schema der richtigen und falschen 1 135 Page #6 -------------------------------------------------------------------------- ________________ setzung um die logische Rechtfertigung metaphysischer Schlüsse 15 eingetreten zu sein. Diese Auseinandersetzung war zu Zeit Dharmakirti's offenbar auch schon reflex erfaßt 16 und, bedingt durch dessen Polemik, auf das entscheidende Problem der Erkenntnis der Vyāpti reduziert worden. Dignāga hatte seinerzeit die Formalisierung der Schlußfolgerung dadurch erreicht, daß er drei Merkmale des logischen Grundes aufgestellt hatte, nämlich daß der logische Grund (a) eine Eigenschaft des zu Beweisenden sein müsse, (b) in Fällen, die mit dem zu Beweisenden gleich sind, beobachtet werden müsse und (c) in keinem einzigen Falle beobachtet werden dürfe, der mit dem zu Beweisenden nicht gleich ist 17. Versucht man, im Lichte dieser Lehre Dignāga's Begriff der Vyāpti zu interpretieren, so ist man versucht, dazu den Begriff der „Klasse“ heranzuziehen. Zwar ist die Verwendung des Klassenbegriffes, sofern dieser auch in der modernen Logik verwendet wird, historisch vielleicht fragwürdig, doch eignet er sich zur Interpretation von Dignāga's VyāptiBegriff vorzüglich, sofern er in keinem anderen als dem hier gebrauchten Sinne verwendet wird. Die Berechtigung zu seiner Verwendung ergibt sich aus dem Umstand, daß Dignāga mit sapakṣaḥ und vipakṣaḥ offenbar Gruppen von Individuen meint, die jeweils dieselben logisch relevanten Eigenschaften besitzen. Außerdem verwendet Uddyotakara, welcher Dignāga's „Rad der logischen Gründe“ weiterentwickelte, ausdrücklich den Terminus „Menge“ (rāśiḥ) zur Interpretation von sapakṣaḥ und vipakṣaḥ (NV, p. 56, 2). Man ist daher genötigt, auch den Vyāpti-Begriff logischen Gründe, das er in seinem ,,Rad der logischen Gründe" (hetucakram) formuliert hatte, und seine Auffassung der Vyāpti als Koextension von Klassen. 15 Unter „metaphysischen Schlüssen" sind Schlußfolgerungen zu verstehen, durch welche metaphysische Prinzipien, beziehungsweise übersinnliche Realitäten, wie zum Beispiel Gott und Seelen, erschlossen werden können. 16 Vgl. die Diskussion um Gottes- und Seelenbeweis. Ein ausdrückliches Zeugnis enthält Jayanta's Nyāyamañjari, wo die Auffassung begegnet, daß der kevalavyatireki hetuḥ vertreten werden muß, auch wenn es nicht mit der Meinung des Bhāşya-Verfassers übereinstimmt, weil dieser zum Beweis der Seele notwendig ist. NM II, p. 138, 12f.. 17 Pramānasamuccayah II, 5. 136 Page #7 -------------------------------------------------------------------------- ________________ im Sinne dieser Auffassung zu interpretieren. Als Klasse müßte man dann sowohl die Gesamtheit aller Fälle auffassen, denen die beweisende Eigenschaft zukommt, wie auch die Gesamtheit aller Fälle, denen die zu beweisende Eigenschaft zukommt. Wenn nun die gesamte Klasse, die durch die als logischen Grund verwendete Eigenschaft (= beweisende Eigenschaft) konstituiert wird, mit einem Teil oder der Gesamtheit jener Klasse identisch ist, die durch die zu beweisende Eigenschaft konstituiert wird, so kann von der beweisenden auf die zu beweisende Eigenschaft geschlossen werden, falls der zu beweisende Fall in der ersten Klasse durch Identität mit einem Fall dieser Klasse enthalten ist, d. h. wenn ihm die beweisende Eigenschaft zukommt 18. Damit eine so verstandene Vyāpti für einen bestimmten Fall als möglich gezeigt werden kann, muß also die (Teil-) Identität von Klassen gezeigt werden, anders ausgedrückt, es muß jede der beiden Klassen wenigstens einen Fall mehr als den zu beweisenden enthalten. Daher ist eine Vyāpti überall dort nicht festzustellen, wo eine dieser Klassen nur aus einem einzigen Fall besteht 19, oder aber etwas hinsichtlich der ganzen Klasse bewiesen werden soll. Diese Logik von Klassen und Begriffsumfängen, wenn man Dignāga’s Logik so bezeichnen will 20, läßt daher, konsequent durchgeführt, keine metaphysischen Schlüsse zu 21. Dies umso mehr, als selbst im empirischen Bereich Dignāga's 18 Die letzte Konsequenz dieser Auffassung der Schluß-Logik ist Dignāga's Apoha-Lehre, die nichts anderes ist als der Versuch, eine BegriffsLehre mit Hilfe der „Klasse" aufzustellen. Jeder Begriff wäre dann, vereinfacht ausgedrückt, nichts anderes als ein Vorstellungs-Symbol“ für eine Klasse von Individuen, denen bestimmte, gleiche Eigenschaften zukommen, und die dadurch zustande kommt, daß alles, was nicht diese Eigenschaften' besitzt, ausgesondert wird. Dieses „Vorstellungs-Symbol", das mit einem sprachlichen Ausdruck verbunden ist, ist in sich leer und hat daher keinen objektiven Wahrheitsgehalt. Über den Ansatz der Apoha-Lehre bei Dignāga vgl. E. Frauwallner: Dignāga, sein Werk und seine Entwicklung, WZKSO, Bd. III (1959), p. 99ff. 19 Dieser einzige Fall braucht nicht notwendig ein Individuum zu sein, sondern kann eine ganze Teilklasse sein. 20 Man kann diese Logik auch mit Recht „extensional" nennen. Doch darf damit kein moderner Aspekt in den Inhalt dieses Begriffes hineingetragen werden. Vgl. dazu: 1. M. Bocheński: Formale Logik (Orbis Academicus III, 2) Freiburg/München 1956, p. 505ff. 21 Vgl. G. Oberhammer: Das Problem des Gottesbeweises in der indischen 137 Page #8 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Lehre von den drei Merkmalen des Grundes zwar durch das dritte Merkmal des logischer Grundes die Möglichkeit besaß, die KlassenKoextension nachzuweisen, aber hinsichtlich der absoluten Gültigkeit dieses Merkmals von der Kenntnis aller Fälle der durch die beweisende Eigenschaft konstituierten Klasse abhing... Etwa hundert Jahre nach Dignāga stellte sich Dharmakīrti - offenbar um dieser Schwierigkeit zu begegnen - die Frage, warum und unter welchen Umständen zwei Klassen ganz oder teilweise miteinander koextensiv sein können. Dharmakirti beantwortete diese Frage im wesentlichen dadurch, daß er die Koextension der beiden Klassen auf das faktisch existierende Eigenwesen (svabhāvaḥ) der diese Klassen bildenden Konkreta (svalakṣaṇam) zurückführte. Diesen Grundgedanken legte er aus, indem er zeigte, daß dieses Eigenwesen der Konkreta in einem dreifachen Sinne Grund für die Koextension ihrer Klassen sein könne: (a) Die beiden Klassen sind koextensiv, wenn die in ihnen enthaltenen Konkreta in ihrem Eigenwesen jeweils identisch sind. Man kann daher einen „Aspekt“ des Eigenwesens, durch den eine Klasse konstituiert ist, als logischen Grund für den ,, Aspekt“ desselben Eigenwesens nehmen, durch den die andere Klasse konstituiert wird (svabhāvahetuḥ); (b) die beiden Klassen sind koextensiv, wenn die in ihnen enthaltenen Konkreta sich in ihrem Eigenwesen zueinander verhalten wie Ursache und Wirkung (kāryakāranabhāvah). Man kann daher ein Konkretum der Klasse, welche dadurch konstituiert wird, daß die in ihr enthaltenen Fälle Wirkungen der jeweiligen Fälle der anderen Klasse sind, als logischen Grund für das als Ursache mit ihm verbundene Konkretum der anderen Klasse verwenden (kāryahetuḥ); (c) die beiden Klassen sind koextensiv, wenn die in der einen Klasse enthaltenen Konkreta, die nicht wahrgenommen werden, obwohl alle Philosophie. Numen Bd. ..., p. .... - Der Nyāya jener Zeit hatte zunächst versucht, metaphysische Schlüsse im Rahmen dieser Logik zu rechtfertigen. In diesem Sinne ist zum Beispiel Uddyotakara's Lehre von den zwei Merkmalen des logischen Grundes zu verstehen, wonach das zweite, beziehungsweise dritte Merkmal, das Dignāga gefordert hatte, fehlen kann, falls es keinen mit dem zu Beweisenden gleichartigen beziehungsweise ungleichartigen Fall geben kann. 138 Page #9 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Bedingungen ihrer Wahrnehmbarkeit erfüllt wären, in der anderen Klasse als in ihrer Existenz negiert erscheinen. Man kann daher die Nichtwahrnehmung eines Konkretum als logischen Grund für seine Nicht-Existenz (asadvyavahāraḥ) verwenden, sobald alle Bedingungen seiner Wahrnehmbarkeit erfüllt sind, denn ein und dasselbe Eigenwesen kann nicht gleichzeitig grundsätzlich wahrnehmbar und nicht-wahrnehmbar sein. Mit dieser kritischen Begründung der als Koextension zweier Klassen verstandenen Vyāpti hatte Dharmakirti zwar die Möglichkeit einer zwingenden Schlußfolgerung auch bei unvollständiger Kenntnis der die Klasse der beweisenden Eigenschaft bildenden Fälle geschaffen, indem er als Kriterion der Klassen-Koextension die faktische Existenz der diesen Klassen angehörenden Fälle gewählt und die empirische Feststellung methodisch formalisiert hatte. Da nämlich infolge Dharmakīrti's Apoha-Lehre (Nominalismus) der Begriff nicht ein allgemeines ,,Wesen" erfassen kann, sondern nur „Vorstellungs-Symbol“ für die Totalität aller in einer Klasse zusammengefaßten konkreten Fälle war, konnte bei Dharmakirti's Auffassung der Vyāpti die Koextension von Klassen nur gezeigt werden, wenn das faktisch existierende Eigenwesen entsprechend der von ihm geforderten empirischen, methodisch formalisierten Erkenntnis nachgewiesen war 22. Trilocana’s Lehre vom Svābhāvikasambandha Im Gegensatz zu diesem „extensionalen“ Typus der Logik im Buddhismus scheint sich aber im Nyāya der Zeit nach Dharmakīrti eine andere logische Tradition durchzusetzen. Dignāga hatte den logischen Nexus durch die Koextension von Klassen ausgedrückt und dadurch das Problem eines inneren Zusammenhanges zweier Gegebenheiten 22 Entsprechend der allgemeinen Forderung Dharmakirti's nach grundsätzlicher Beschränkung der Schlußfolgerung auf den empirischen Bereich legt sich für ihn die Erkenntnis des logischen Grundes aus als methodische Beobachtung eines Dinges (svabhāvahetuh), fünffache Wahrnehmung und Nicht-Wahrnehmung zweier Dinge (kāryahetuh) und als Nichtwahrnehmung (anupalabdhihetuh). 139 Page #10 -------------------------------------------------------------------------- ________________ als solches aufgelöst 23. Der Nyāya scheint die logische Richtung aufzugreifen, die erstmals in der Logik Vrşagana's 24 ausgearbeitet vorlag, und über Kumarila’s Schlußlehre und den verschiedenen Formulierungen des logischen Nexus bei den Naiyāyikas der Zeit nach Dharmakirti zur Lehre vom Svābhāvikasambandha führt. Die in dieser Tradition vertretene Auffassung der Vyāpti (auch sambandhaḥ ader pratibandhah), ist nicht die Koextension von Klassen, sondern das innerliche Verweisen eines Sachverhaltes auf den anderen 25. Im Rahmen dieser Auffassung lassen sich aber im Gegensatz zur buddhistischen Auffassung sehr wohl Gegebenheiten und Prinzipien erschließen, die nicht empirisch feststellbar sind. Denn in dieser Auffassung kommt es nicht darauf an, einen äußerlichen Zusammenhang zu beobachten oder ein empirisches Eigenwesen festzustellen, sondern einen inneren Zusammenhang zu erkennen, der auch dann als gültig erkannt werden kann, wenn ein Relationsglied dieses Zusammenhanges empirisch nicht feststellbar ist. Wenn daher Jayanta in der als Ausgangspunkt der Interpretation zitierten Stelle bemerkt, daß die Erkenntnis der Vyāpti nicht die Kenntnis aller Individualfälle fordere, da diese Erkenntnis der Vyāpti von den Gemeinsamkeiten abhänge, so ist dies ein deutlicher Hinweis dafür, daß die Vyāpti bei Trilocana nicht durch die Koextension von Klassen bestimmt ist, sondern durch dieses innerliche Aufeinander-Verweisen von Gemeinsamkeiten. Wenn dies richtig ist, dann muß sich Trilocana nicht nur gegen die Auffassung der Vyāpti als Koextension zweier Klassen wenden, sondern vor allem gegen den buddhistischen Begriff der Vorstellung als leeres „Vorstellungs-Symbol“ einer Gruppe von Individualfällen. Denn nur durch diese Auffassung war die buddhistische Logik im Gefolge Dharmakirti's möglich. Tatsächlich findet sich ein 23 Vgl. hiezu I. M. Bocheński loc. cit., p. 503, wo dies wegen mangelnder historischer Einordnung nicht deutlich erkannt ist. 24 Es ist bemerkenswert, daß Vācaspati bei Erörterung des Svābhāvikasambandha auch Vịşagana's Lehre vom siebenfachen sambandhah erwähnt und zurückweist, obwohl Vrşagana zur Zeit Vācaspati's sicher bereits ein halbes Jahrtausend zurücklag und in der logischen Diskussion der Zeit sicher keine Rolle mehr spielte. 25 Man könnte diese Auffassung der Vyāpti ,,intensional" nennen, und die damit arbeitende Logik eine Logik von Begriffsinhalten. 140 Page #11 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Fragment Trilocana's, worin er an Dharmottara's Lehre vom Begriff scharfe Kritik übt 26: ... yathāha ‘syapratibhāse'narthe’rthādhyavasāyena pravịttir iti 27 – atha ko'yam adhyavasāyaḥ. Kim grahanam āho svit karanam uta yojanā atha samāropah. Tatra svapratibhāsam 28 anartham artham katham gļhnīyāt kuryād vā vikalpaḥ, na hi pītam nilam 29 šakyam grahītum kartum vā śilpaśatenā pi 30. nāpy agphītena svalakşanena svākāram yojayitum arhati vikalpaḥ. na ca svalakṣaṇam vikalpagocara 31 iti copapõditam 32 na ca svākāram anartham artha 33 āropayati. na tāvad agļhitaḥ svākāraḥ śakya āropayitum iti tadgrahanam eşitavyam. tat kim gļhītvā āropayati atha yadaiva 34 gļhṇāti tadaivāropayati. na tāvat pūrvaḥ pakṣaḥ 35, na hi vikalpajñānam kşaņikam 36 kramavantau grahaņasamāropau kartum arhati. uttarasmiņs tu pakşe 37 vikalpasvasamvedanapratyakşād 38 vikalpākārād ahamkārās padād anahamkārāspadam 39 samāropyamāṇo vikalpo 40 nāsvagocaro 41 na śakyo’bhinnaḥ pratipattum nāpi bāhyasvalakṣaṇaikatvena 42 sakyaḥ pratipattum vikalpajñānena 43 svalakşanasya bāhyasyāpratibhāsanāt. 26 Die Stelle richtet sich gegen Dharmottara's Auffassung von der Vorstellung und ist eine polemische Bearbeitung - zum Teil im gleichen Wortlaut - eines Abschnittes von Dharmottara's Apohaprakaranam (E. Frauwallner: loc.cit., p. 255). Das Fragment wird zitiert in R, p. 128, 1-11 und erscheint mit unbedeutenden Varianten in NVTT, p. 484, 24-485, 13. 27 Dharmakirti: Pramāņaviniscayaḥ II, fol. 276 b 1 (vgl. E. Frauwallner: loc. cit., p. 259, Anm. 1). – Vgl. NBT, p. 9, 20 und 16, 5. 28 svapratibhāsam: Rom. pratio. 29 R nilam pitam. 30 silpasatena: Rokušalena. 31 vikalpagocara: R vikalpagrahanagocaraḥ. 32 Rom. iti copa păditum. 33 artha: R artham. 34 R add, svākāram. 35 na tāvat pūrvah pakşah: R nädyaḥ, 36 R: kşanikam vikalpajñānam. 37 pakşe: R kalpe. 38 vikalpao: R avikalpao. 39 anahamkārāspadam: R anahamkāräspadah. 40 vikalpo: R vikalpena. 41 R om não 42 bāhyasvalakṣaṇaikatvena: R bāhyasvalaksanakatvena. 43 vikalpajñānena: R vikal pākāre. 141 Page #12 -------------------------------------------------------------------------- ________________ wie er sagt:,[Die Vorstellung] betätigt sich hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes, das nicht Gegenstand ist, durch begrenzendes Festlegen als Gegenstand.' Was ist dieses,begrenzende Festlegen? Ist es ein Erfassen, Bewirken oder Verbinden oder eher ein Übertragen? Wie soll dabei die Vorstellung ihr eigenes Erscheinungsbild, das den Gegenstand nicht enthält, als Gegenstand erfassen oder bewirken ? Es kann nämlich nicht einmal von hundert Malern gelb als blau erfaßt oder bewirkt werden. 33... Auch kann die Vorstellung ihre eigene Form nicht mit einem Konkretum (svalakṣaṇam) verbinden, das nicht erkannt wurde. Das Konkretum ist aber nicht Gegenstand der Vorstellung; das haben wir gezeigt. Noch kann sie ihre eigene Form, die den Gegenstand nicht enthält, auf den Gegenstand übertragen. Zunächst kann nicht die eigene Form [der Vorstellung] übertragen werden, wenn sie nicht erkannt ist, [und daher] muß ihre Erkenntnis angenommen werden. Überträgt nun die Vorstellung, nachdem sie [ihre eigene Form] erkannt hat, oder überträgt sie ihre eigene Form in dem Augenblick, da sie sie erkennt? Nicht das erste, denn das Vorstellungserkennen, das augenblicklich ist, kann nicht das aufeinanderfolgende Erkennen und Übertragen vollziehen. Im zweiten Falle aber könnte der Gegenstand [der Vorstellung], der durch die Vorstellung übertragen wird und nicht in das Bereich des Ichbewußtseins fällt, nicht ununterschieden von der Erscheinungsform der Vorstellung, die durch das Vorstellungsbewußtsein wahrgenommen wird und [somit] in das Bereich des Ichbewußtseins fällt, erkannt werden. Noch auch könnte dieser als draußen [befindliches] Konkretum erkannt werden, weil sich das draußen [befindliche] Konkretum nicht in der Erscheinungsform der Vorstellung widerspiegelt." 44 Mit diesen Gedanken zeigt Trilocana, daß die Vorstellung, wie sie Dharmottara im Anschluß an Dharmakirti verstanden hatte, keinen positiven, vom Gegenstand her bestimmten Inhalt haben und daher auch keine objektive, inhaltlich bestimmte Erkenntnis vermitteln kann. 44 NVTT, p. 484, 24-485, 13. Die Übersetzung folgt von Anm. 39 einschließlich dem Text von R. 142 Page #13 -------------------------------------------------------------------------- ________________ In der Anwendung auf die Schlußfolgerung konnte dies nur bedeuten, daß mit derart verstandenen Vorstellungen eine Schlußfolgerung außerhalb des empirischen Bereiches, innerhalb dessen man den leeren Vorstellungsbegriff als ,, Zeichen“ für eine Klasse wahrnehmbarer Individuen verwenden kann, unmöglich ist, da jede Schlußfolgerung ausnahmslos mit Vorstellungen arbeiten muß. Diese Folgerung zieht Trilocana tatsächlich: „Sollte die Vorstellung, die auf der Wahrnehmung beruht, das nicht Unterschiedene begrenzend festlegen, wenn das Unterschiedene wahrgenommen ist, und wäre eben dies die Gemeinsamkeit, so wäre ebenfalls nicht das Reale Gegenstand der Vorstellungen, sondern dessen Form als Erkenntnisinhalt (grāhyākāraḥ). Diese ist aber nicht das Reale (vastu)." Soweit gibt hier Trilocana die gleichen Gedanken in Verkürzung wieder, die er in der breiten Polemik gegen Dharmottara vorgetragen hatte. Die Anwendung dieser Gedanken auf den Nexus in der Schlußfolgerung wirft ein bezeichnendes Licht auf Trilocana's Auffassung dieses Nexus: „Da nun das Reale diesen Vorstellungen transzendent ist, wie soll dadurch eine Verbindung erkannt werden ?" 45 Der logische Nexus (pratibandhaḥ) kann also nur gültig sein, wenn die Vorstellungen in ihrem Inhalt vom Realen her bestimmt sind, und wenn die der Schlußfolgerung zugrunde gelegte Verbindung eine Verbindung im Bereich des Realen ist, die als solche notwendig erkannt sein muß. Es wird im folgenden deutlich werden, was hier mit einer Verbindung im Bereich des Realen gemeint ist. Tatsächlich legt nämlich Trilocana diese in einer doppelten Weise aus und erst in dieser doppelten Auslegung wird Trilocana’s Logik-in ihrer Grundstruktur greifbar. Zunächst muß der ersten Auslegung dieser Verbindung nachgegangen werden: Insofern Dharmakirti im wesentlichen mit demselben Vorstellungsbegriff wie Dharmottàra arbeitet, der hier von Trilocana mit der Begründung abgelehnt wurde, daß mit ihm keine Erkenntnis einer Verbindung im Bereich des Realen erkannt werden könne, ist zu schließen, daß Trilocana mit der von ihm geforderten Verbindung etwas anderes meint als Dharmakīrti's „Verbindung durch das Eigenwesen" (svabhāva 45 Vgl. R, p. 99, 21=J, p. 161, 22–23. 143 Page #14 -------------------------------------------------------------------------- ________________ pratibandhaḥ) 46. Erinnert man sich ferner an die Begründung einer notwendigen Erkenntnis der Vyapti, die Jayanta im Zusammenhang mit Trilocana's Lehre referiert hatte, daß nämlich die Erkenntnis der Vyapti von der Erkenntnis der Gemeinsamkeiten abhänge, so ergibt sich, daß Trilocana mit der von ihm geforderten Verbindung im Bereich des Realen das Abhängen eines realen Sachverhaltes von einem anderen meint, sofern diese Abhängigkeit durch die jeweiligen Gemeinsamkeiten bedingt ist. Tatsächlich ist nämlich nach Trilocana die Gemeinsamkeit (sāmānyam), die einem bestimmten Ding inhäriert, Ursache für die Erkenntnis dieser Gemeinsamkeit 47. Der Erkenntnis der Gemeinsamkeit entspricht daher im Gegensatz zur Vorstellungserkenntnis der Buddhisten eine objektive,,Struktur" im Realen, nämlich die Gemeinsamkeit. Wenn daher Triolcana eine Verbindung im Bereich des Realen fordert, so kann dies nur jene Verbindung sein, die darin besteht, daß eine solche objektive Struktur (= die Gemeinsamkeit sofern sie einem Konkreten inhäriert) ihrem Wesen nach (= als Gemeinsamkeit) nicht ohne eine andere gegeben sein kann. Das begriffliche (= vorstellende) Erkennen des Menschen muß daher auf diese objektiven Strukturen ausgreifen, es muß die Gemeinsamkeiten im Sinne Trilocanas erkennen, und es muß die zwischen diesen objektiven Strukturen waltende,,inhaltliche" Abhängigkeit erkennen können. Dies ist offenbar der der Polemik gegen Dharmottara zugrunde liegende Gedanke. Wie ist aber eine solche Erkenntnis möglich? Nicht, wie die buddhistische Logik dachte, durch das faktische Beobachten einer Reihe von Fällen damit bleibt der Bereich der metaphysischen Erkenntnis grundsätzlich der Logik entzogen sondern eben durch das Erkennen der den Individualfällen inhärierenden Gemeinsamkeit. Die Erkenntnis dieser Gemeinsamkeit aber kann, um Grundlage der Schlußfolgerung — 46 sa ca pratibandhaḥ sadhye'rthe lingasya vastutas (v. 1. vastuṇaḥ) tādātmyāt sādhyārthad utpattes ca. NB, p. 30, vgl. ibid. p. 57. 47 aśvatvagotvādīnām sāmānyaviśeṣānām svāśrayeṣu samavāyaḥ sāmānyam ity abhidhānapratyayor nimittam iti. -,,Das Inhärieren der besonderen Gemeinsamkeiten wie Pferdtum, Kuhtum etc. in dem jeweiligen Substrat ist die Ursache für das Benennen und Erkennen der Gemeinsamkeit." J, p. 222, 10-11=R, p. 58, 25-27. 144 Page #15 -------------------------------------------------------------------------- ________________ sein zu können, nicht durch Schlußfolgerung gewonnen sein, noch durch das,,begrenzende Festlegen" (adhyavasayaḥ), sondern muß wie die Erkenntnis der empirischen Gegebenheiten direkt gewonnen werden können. Um eine solche direkte, vom Objekt her bestimmte Erkenntnis der Gemeinsamkeiten erklären zu können, führt Trilocana eine bereits in anderem Zusammenhang entwickelte Lehre ein, nämlich die Lehre von der Wahrnehmung durch das Denkorgan (mānasapratyakṣam) 48. ,,Für uns aber wird die Verbindung derartiger [Gemeinsamkeiten] durch das Denkorgan (manas) wahrgenommen, das durch mehrfache Beobachtung unterstützt ist. Und deshalb verfehlt der Rauch [als logischer Grund] nicht das Feuer." 49 Man nimmt also die notwendige Verbindung, auf die man eine bestimmte Schlußfolgerung gründet, dadurch wahr, daß man die miteinander in notwendiger inhaltlicher Verbindung stehenden Gemeinsamkeiten durch das Denkorgan wahrnimmt 50. Indem man diese durch die Wahrnehmung des Denkorgans wahrnimmt, erkennt man auch ihre innere Abhängigkeit voneinander. Es handelt sich also offenbar um das Begreifen der notwendigen Zusammengehörigkeit zweier Gemeinsamkeiten durch die Einsicht in das, was diese Gemeinsamkeiten jeweils sind. Die Vyapti ist daher für Trilocana im Gegensatz zur buddhistischen Auffassung keine Koextension von Klassen, sondern ein aufeinander Verweisen objektiver Gemeinsamkeiten in dem, was sie sind, eine Art ,,inhaltlicher Implikation". Das Erkennen der Vyapti ist daher bei Trilocana nicht mehr induktives Erfassen der Koextension zweier Klassen, sondern eine innere Einsicht in das,,Wesen" zweier Gemeinsamkeiten. Was diese innere Einsicht für die Grundlegung des logischen Nexus bedeutet, formuliert Trilocana mit folgenden Worten:,,Würde er (= Rauch) es (= Feuer) aber verfehlen, dann würde er eine Verbindung überschreiten, die von einer bedingenden Bestimmung frei ist (upādhirahitam)." ."51 Die Einsicht in den inneren Zusammenhang zwischen zwei 48 Zur Lehre von der Wahrnehmung durch das Denkorgan (mānasapratyakşam) vgl. Brahmananda Gupta: Die Wahrnehmungslehre in der Nyayamañjarī. Inaugural-Dissertation Bonn 1962. pp. 54ff. 49 J, p. 161, 23-24-R, p. 90, 20-21. 50 Vgl. auch J, p. 217, 10-17. 51 J, p. 161, 24. 10 145 Page #16 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Gemeinsamkeiten muß daher notwendig die Erkenntnis enthalten, daß dieser Zusammenhang nicht durch zusätzliche Bedingungen hervorgerufen ist, sondern sich nur aus dem „Was“ der betreffenden Gemeinsamkeiten selbst ergibt. Erst dadurch gewinnt er den Charakter der Notwendigkeit. In der Bemerkung, daß der Rauch, falls er auch ohne Feuer vorkäme, eine Verbindung überschreiten würde, die von einer bedingenden Bestimmung frei ist, deutet sich ein Gedanke an, der in der späteren Entwicklung dieser Lehre immer stärker in den Vordergrund treten wird. In ausführlicher Formulierung würde dieser Gedanke nämlich folgend lauten: Wenn der Rauch, der durch das Wahrnehmen des Denkorgans als notwendig auf das Feuer bezogen erkannt wird, also durch keine bedingende Bestimmung (upādhiḥ) mit diesem in Verbindung gebracht ist, doch ohne Feuer möglich wäre, dann müßte seine Verbindung mit dem Feuer durch eine bedingende Bestimmung sowohl hervorgerufen wie nicht hervorgerufen sein. Dies ist aber unmöglich. Dieser Gedanke ist aber nichts anderes als ein Tarka, und nimmt zu einem gewissen Grade bereits die Stellung vorweg, die Vācaspati dem Tarka bei der Feststellung des Svābhāvikasambandha einräumt. Die kritische Überprüfung, ob eine Verbindung nicht durch eine bedingende Bestimmung hervorgerufen wird, wird durch die „Nichtwahrnehmung“ einer solchen Bedingung ermöglicht 52. Diese ,,Nichtwahrnehmung“ ist wegen der deutlich im technischen Sinne zu verstehenden Bemerkung, daß sie Nichtwahrnehmung einer bedingenden Bestimmung sei, die das Merkmal der Wahrnehmbarkeit erlangt hat (upalabdhilakşaņaprāptaḥ), eindeutig dem methodischen Schema der Nichtwahrnehmung bei Dharmakirti nachgebildet 53, scheint aber keine entscheidende Bedeutung zur Erkenntnis des Svābhāvikasambandha gehabt zu haben, da bei Trilocana dieser durch die Wahrnehmung des Denkorgans bereits erkannt sein mußte. Diese Nichtwahrnehmung scheint daher mehr mit Rücksicht auf den empirischen Standpunkt 52 J, p. 161, 25. 53 tatrānu palabdhir yathā na pradesaviseşe kvacid ghata upalabdhilakşaņaprāptasyānupalabdher iti. upalabdhilaksanaprāptir upalambhapratyayantarasākalyam svabhāvavićeşaś ca. NB, p. 26--27. 146 Page #17 -------------------------------------------------------------------------- ________________ der buddhistischen Logik Dharmakīrti's eingeführt zu sein. Soweit Trilocana's Lehre vom Svābhāvikasambandha. Doch Trilocana's Ansatz des logischen Nexus als grundgelegt durch seine „Objektivität“, d. h. durch sein Begründet-Sein durch einen Zusammenhang im Bereich des Realen, läßt sich nicht nur im Sinne des Svābhāvikasambandha auslegen. In einigen Fragmenten Trilocana's, in denen es um die logische Rechtfertigung des Gottesbeweises geht, tritt nämlich noch eine zweite Entfaltung dieses Ansatzes auf: atra Trilocanaḥ: „naitad asti, yato nāsmābhir upāttabhedaḥ kartā sādhayitum istaḥ. kim tarhi ? sādhyasāmānyam. tasya ca yena višeşeņa saha vāstavaḥ pratibandho'sti so'py upādānādisākṣātkaraṇalakṣaṇo višeşaḥ sādhyasāmānye niścetavye 'vaśyaniścetavyaḥ, tattyāge sādhyasāmānyatyāgaprasangāt. na ca sakyam tyaktum, sādhyasāmānyasya kşityādidharmi vyāpakatvāt.“ „In diesem Zusammenhang [sagt] Trilocana: Dies (nämlich der vom Gegner vorgebrachte Einwand] ist nicht so, weil wir nicht einen Urheber, sofern ihm Unterschiede zukommen, beweisen wollen, sondern die zu beweisende Gemeinsamkeit. Und jene Besonderheit, mit der diese durch die Abhängigkeit auf Grund des Realen' (vāstavah pratibandhah) verbunden ist, und die (im Falle Gottes] bestimmt ist als unmittelbare Erkenntnis von Material usw., muß notwendig erkannt werden, wenn die zu beweisende Gemeinsamkeit erkannt werden soll. Denn würde man diese negieren, dann müßte man auch die Gemeinsamkeit negieren. Nun kann man aber die zu beweisende Gemeinsamkeit nicht negieren, weil sie den Eigenschaftsträger , Erde' usw. umfaßt.“ 54 Das hier in Zusammenhang mit dem Gottesbeweis behandelte Problem 55 wird in seiner allgemeinen Struktur deutlich, wenn man bedenkt, daß Trilocana seine Logik intensional, d. h. auf inhaltliche Wesensbeziehungen, aufbaut. In der extensionalen Logik eines Dignāga oder Dharmakirti stand der Begriff (= Vorstellung) als ein in sich leeres „Vorstellungs-Zeichen“ für eine Klasse von Individuen, hatte daher keinen allgemeingültigen, objektiven Inhalt. Durch die Schlußfolgerung 54 J, p. 269, 17-21. 55 Vgl. die Arbeit des Verfassers: Zum Gottesproblem in der Indischen Philosophie. Erscheint in Numen, wahrscheinlich Vol. XI (1964). 10* 147 Page #18 -------------------------------------------------------------------------- ________________ konnte daher immer nur ein empirisch feststellbarer, besonderer Sachverhalt erschlossen werden, niemals aber eine allgemeine ,,Seinsstruktur". Diese Schwierigkeit hatte Trilocana durch seine Lehre vom Svābhāvikasambandha gelöst, doch ergab sich gerade dadurch das Problem für ihn, wie ein besonderer Sachverhalt erschlossen werden könne. Trilocana hatte als einzige Theorie des logischen Nexus den Svābhāvikasambandha, der in einer inneren Abhängigkeit zweier Gemeinsamkeiten bestand, anerkannt. Wenn daher nicht eine Gemeinsamkeit erschlossen werden sollte, sondern der besondere Fall einer Gemeinsamkeit - wie z. B. eine allwissende und allmächtige Ursache der Welt und nicht nur eine Ursache im allgemeinen - dann konnte dies so geschehen, daß man einen weiteren logischen Grund für den Beweis des besonderen Umstandes vorbrachte, der seinerseits als Gemeinsamkeit mit der diesem besonderen Umstand inhärierenden Gemeinsamkeit in der Beziehung des Svābhāvikasambandha stand. Dies war aber in allen metaphysischen Schlüssen, wo es sich um Besonderheiten handelte, die grundsätzlich nur erschlossenen Gemeinsamkeiten zukamen, unmöglich, weil die Gemeinsamkeiten, welche diesen besonderen Umständen inhärierten - sofern nämlich auch diese besonderen Umstände ein allgemeines ,,Was“ besaßen-, durch die Wahrnehmung des Denkorgans grundsätzlich nicht als durch einen Svābhāvikasambandha mit der beweisenden Gemeinsamkeit (= logischer Grund) verbunden erkannt werden konnten. Um nun das Erschließen solcher besonderer Sachverhalte logisch rechtfertigen zu können, verwendete Trilocana den Gedanken, daß im Falle einer Schlußfolgerung die zu beweisende und die beweisende Gemeinsamkeit niemals als „isolierte" Gemeinsamkeiten vorkommen, sondern stets als dem zu beweisenden Subjekt inhärierende. Wenn der als allgemein geltend anerkannte Svābhāvikasambandha durch den logischen Grund auf ein bestimmtes Reales (vastu) angewandt wird, und daher die zu beweisende Gemeinsamkeit als dem zu beweisenden Subjekt inhärierend nachgewiesen ist, müssen notwendig auch die Möglichkeitsbedingungen dieses Inhärierens, damit auch gewisse Besonderheiten, ohne die die Gemeinsamkeit dem konkreten Subjekt nicht zukommen kann, gegeben sein. Die derart als Möglichkeitsbedingungen geforderten 148 Page #19 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Besonderheiten sind daher wohl notwendig, aber nicht ihrem Wesen nach, mit der betreffenden Gemeinsamkeit verbunden, sondern nur durch das faktische Inhärieren der Gemeinsamkeit in einem konkreten Subjekt. Diese Verbindung, die Trilocana „Abhängigkeit auf Grund des Realen" (vāstavaḥ pratibandhaḥ) nennt, ist daher auch nicht Grundlage des logischen Nexus wie der Svābhāvikasambandha, sondern hängt in ihrer Notwendigkeit von diesem ab: ,,tad evam yat sādhyavādinā sādhayitum iştam anumeyasāmānyam tad dūşaņavādinā pratibandhum na sakyate. yas tu dūşaņavādinā pratibandhum isto višeşaḥ, nāsau sādhyasāmānyavādinā sādhayitum istaḥ. kim tarhi? sādhyasāmānye niścetavye tena vāstava pratibandhasya višeşasya siddhir balād bhavanti nopeksyate. evam sādhanāyattām višeşasiddhim ācāryo manyamāno yad dūşanam avādīt, ,yāvatīm arthagatim sādhanam vyāpnoti tāvatīm dūşaņam api. yady asau višeşo na sādhanena visayīkrtaḥ, katham atas tatsiddhiḥ ? sidhyan vā katham avisayaḥ ? visayas cet katham svāśrayām dosagatim na spršed' iti, tan nirastam. yataḥ sādhanavādī sādhanādhinām yadi višeşasiddhim abhyu pagacchet, tadaitat syāt. na ca naiyāyikaḥ sādhanāyattām visesasiddhim upajīvati. kim tarhi? sādhyasāmānyapratibandhāksstasya višeşasya siddhim ..." ,,Derart kann die zu erschließende Gemeinsamkeit, welche von jenem, der den Beweis führt, zu beweisen gewünscht ist, vom Gegner nicht widerlegt werden. Die Besonderheit aber, welche der Gegner zu widerlegen wünscht, ist von jenem, der die zu beweisende Gemeinsamkeit vertritt, nicht zu beweisen gewünscht, sondern sie kann nur nicht übersehen werden, insofern eine Besonderheit, welche versehen ist mit einer ,Abhängigkeit auf Grund des Realen (vāstava pratibandhah), dadurch notwendigerweise (balāt) erwiesen ist, falls die zu beweisende Gemeinsamkeit [notwendig) festzustellen ist. Ebenso ist die Widerlegung zurückzuweisen, welche der Lehrer vorgebracht hat in der Meinung, daß der Nachweis der Besonderheit von einem [formellen] Beweis abhänge: ,Soweit der Beweis hinsichtlich der Erkenntnis eines Gegenstandes reicht, soweit reicht auch die Widerlegung. Wenn die Besonderheit nicht zum Gegenstand des Beweises gemacht ist, wie kann diese dann bewiesen werden, ist sie aber erwiesen, wie soll sie dann nicht, Gegenstand [des Beweises) sein? Wenn sie aber 149 Page #20 -------------------------------------------------------------------------- ________________ nun Gegenstand ist, wie soll sie dann nicht von dem in Frage stehenden Fehler berührt werden? Denn wenn jener, der den Beweis führt, die Besonderheit abhängig von einem [eigenen formellen] Beweis nachweisen wollte, dann wäre dies so. Der Naiyāyika [aber] verwendet nicht den Nachweis einer Besonderheit, der vớn einem eigenen formellen) Grund abhängt, sondern den Nachweis einer Besonderheit, welche von selbst durch die Abhängigkeit von der zu beweisenden Gemeinsamkeit vermittelt ist (akrstah)." 56 Aus dieser Argumentation wird deutlich, daß Trilocana die zur Diskussion stehende Besonderheit nicht formell auf Grund seines Svābhāvikasambandha beweisen kann und darum auch nicht beweisen will. Nur sofern die Besonderheit notwendige ontologische Bedingung der Inhärenz der zu beweisenden Gemeinsamkeit ist, kann sie implizite als notwendig vorhanden erkannt werden. Schon Trilocana scheint aber die hier vorliegende ontologische Beziehung so formalisiert zu haben, daß er mit ihr logisch arbeiten konnte, wenngleich nur im Rahmen seiner Lehre vom Svābhāvikasambandha und nicht der extensionalen Auffassung der Vyāpti der buddhistischen Logik. Schon die Bemerkung: na ca sakyam tyaktum, sādhyasāmānyasya kşityādidharmivyā pakatvāt 57 weist auf eine logische Formalisierung hin. Denn der Ausdruck dharmivyāpakatvam zeigt deutlich einen Übergang von der ontologischen Ebene der „Abhängigkeit auf Grund des Realen“ (vāstavah pratibandhah) zur logischen Ebene der Schlußlehre. Der dharmī ist nämlich offenkundig nicht im Sinne der Substanz als Träger von Eigenschaften zu verstehen, sondern als logisches Subjekt, dem in der Schlußfolgerung die zu beweisende Eigenschaft logisch zugeordnet wird, mit anderen Worten als Pakşa. Ebenso gehört auch der Terminus vyā pakatvam dem logischen Begriffssystem an, insofern nämlich aus gedrückt ist, daß die zu beweisende Eigenschaft dem Subjekt der Schlußfolgerung ohne Einschränkung zugeschrieben werden muß. Die zu beweisende Gemeinsamkeit kann aber dem Subjekt des Schlusses nur dann zugeschrieben werden, wenn sie durch den Svābhāvikasambandha mit der beweisenden Gemeinsamkeit (= logischem Grund) 56 J, p. 240, 8-17. 57 J, p. 239, 20-21. 150 Page #21 -------------------------------------------------------------------------- ________________ verbunden ist. Dies bedeutet aber, daß die zu beweisende Gemeinsamkeit dem speziellen Subjekt der Schlußfolgerung nur dann zukommen kann, wenn ihm die beweisende Gemeinsamkeit zukommt, formal-logisch ausgedrückt, wenn der logische Grund die pakşadharmatā besitzt. Daher wird eine Besonderheit, die notwendige Möglichkeitsbedingung für das Dem-speziellen-Subjekt-Inhärieren der zu beweisenden Gemeinsamkeit ist, durch die Tatsache, daß die beweisende Gemeinsamkeit (und damit auch die zu beweisende Gemeinsamkeit) diesem speziellen Subjekt zukommt, notwendig erkannt, wenn auch nicht ausdrücklich und formal bewiesen. Dieses logische Theorem, daß man eine Besonderheitgenötigt durch das Eigenschaft-des-Subjektes-Sein" (pakşadharmatābalāt) des Grundes erkennen kann, – hier aus dem Ansatz bei Trilocana nur abgeleitet - findet sich tatsächlich belegt: . ,,Andere nehmen an, daß man die Besonderheit des geistigen Urhebers, nämlich Gottes] genötigt durch das Eigenschaft-des-Subjektes-Sein [des logischen Grundes] (pakşadharmatābalāt) erkennt ...“ 58. Die älteste ausführliche Erörterung dieses Theorems findet sich jedoch in Vācaspatimisra's Nyāyakaạikā, wo dieser die eben besprochene Stelle Trilocana's etwas umgeformt wiedergibt: na copalabdhimatpūrvakatvamātram sādhanavişayas tadviseşasya tu sarvajña pūrvakatvasyātadvisayasyāpi tataḥ siddhir iti sāmpratam. tathā hi yady asau višeşo na sādhanavyāptaḥ katham atas tatsiddhiḥ, siddhatvāt katham avişayaḥ, vişayaś cet katham na svāśrayāt taddoşagatim spršet ? tad ayuktam, sāmānyamātravyāptāv apy antarbhāvitavićeşasyaiva sāmānyasya pakşadharmatāvašena sādhyadharminy anumānāt. itarathā sarvānumānoccheda prasangāt ... ... ... tathehāpi saty apy utpattimattvasyācetanopādānatvasya copādāno pakaranasampradānaprayojanajña. kartrmātravyāpte vivādādhyasiteșu pakşadharmatābalād višişțasya tasya siddhiḥ. anyathā sāmānyasyāpi vyāpakābhimatasyāsiddhiḥ syāt, nirviseșasyāsambhavād višeşasya cānyasyānupa patteh. ... ... ... tena yady apy upalabdhimatkartykam ca vyāptivisayas tathāpi tadviseşasya pakşadharmatābalāt pratilambha iti visesavisayam anumānam. na coktadosa prasangah." 58 NM I, p. 183, 27. 151 Page #22 -------------------------------------------------------------------------- ________________ „Es ist unrichtig [zu sagen), daß das Einen-geistigen-Urheber-Haben im allgemeinen Gegenstand des Beweises ist, daß aber das Einen-allwissenden-Urheber-Haben, auch wenn es nicht dessen Gegenstand ist, dadurch erwiesen ist. Derart nämlich: Wenn diese Besonderheit durch den Beweis nicht umfaßt ist, wie soll sie dann durch diesen erwiesen sein? Wie soll sie aber nicht Gegenstand [des Beweises] sein, da sie [durch ihn] erwiesen ist? Wenn sie aber Gegenstand ist, wie soll sie dann von dem in Frage stehenden Fehler frei sein, da er sich dann auf sie bezieht? Dies ist unrichtig. Denn wenn auch nur eine Umfassung von Gemeinsamkeiten gegeben ist, so wird doch die darin enthaltene Besonderheit genötigt durch das Eigenschaft-des-Subjektes-Sein der Gemeinsamkeit hinsichtlich des zu beweisenden Eigenschaftsträgers erschlossen, da anderenfalls jede Schlußfolgerung aufgehoben würde. ... ... ... So ist es auch hier. Wenn auch das Material-WerkzeugDativobjekt-und-Zweck-kennender-Urheber-Sein' vom Entstandensein und dem Eine-ungeistige-Materialursache-Haben umfaßt ist, so wird doch, genötigt durch das Eigenschaft-des-Subjektes-Sein, dieses' als besonders bestimmt erwiesen. Anderenfalls würde auch die Gemeinsamkeit, die man als umfassend betrachtet, nicht erwiesen sein, da diese ohne Besonderheiten nicht gegeben sein kann und eine andere Besonderheit nicht möglich ist. Wenn daher auch das Geistiger-Urheber-Sein allein Gegenstand der Vyāpti ist, so wird doch dessen Besonderheit, genötigt durch das Eigenschaft-des-Subjektes-Sein, erkannt. Damit erstreckt sich die Schlußfolgerung auch auf die Besonderheit.“ 59 Aus dieser Darstellung des Theorems von der „Nötigung durch das Eigenschaft-des-Subjektes-Sein“ (pakşadharmatābalāt) durch Vāscapati ergibt sich wohl mit Sicherheit, daß dieses, ohne von Trilocana in den erhaltenen Fragmenten ausdrücklich erwähnt zu sein, bereits von diesem entwickelt wurde: Zunächst ist die Abhängigkeit dieser Stelle von dem Fragment Trilocana's unbezweifelbar 60. Es findet sich in beiden Dar 59 NK, p. 212, 20ff. 60 Diese Abhängigkeit findet sich in der viel später geschriebenen Nyāyavārttikatātparyaţikā nicht mehr, obwohl dieselbe Diskussion dort wiederkehrt. Vgl. NVTT, p. 600, 17ff. 152 Page #23 -------------------------------------------------------------------------- ________________ stellungen wörtlich derselbe Einwand und ebenso ist die Antwort auf diesen Einwand in ihrer Struktur identisch. Hatte Trilocana argumentiert: „Jene Besonderheit, mit der diese (= Gemeinsamkeit, die zu beweisen ist) durch die Abhängigkeit auf Grund des Realen verbunden ist, ... ... muß notwendig erkannt werden ... ... Denn negierte man diese, dann müßte man auch die Gemeinsamkeit negieren“, so findet sich bei Vācaspati derselbe Gedanke: „Anderenfalls würde auch die Gemeinsamkeit, die man als umfassend betrachtet, nicht erwiesen sein, da diese ohne Besonderheiten nicht gegeben sein kann und eine andere Besonderheit nicht möglich ist.“ Neben dieser grundsätzlichen Identität der beiden Darstellungen, bei der die Tatsache, daß Trilocana der Lehrer Vācaspati's ist, für die Priorität der Darstellung Trilocana's spricht, läßt sich aber noch ein zweiter, mehr systematischer Grund anführen. In der Darstellung Vācaspati's fehlt eine grundsätzliche Ableitung dieses Theorems. Wohl spricht Vācaspati davon, daß die zu beweisende Besonderheit in der Vyāpti der Gemeinsamkeiten enthalten sei (antarbhāvitavisesah), und zwar so, daß man sie nicht zurückweisen könne, da diese nicht ohne Besonderheiten gegeben sei. Doch zeigt gerade dieser letzte Gedanke eine Oberflächlichkeit in der Formulierung, daß dies kaum seine ursprüngliche Form sein kann. So wird der tragende Gedanke, die „Abhängigkeit auf Grund des Realen", durch den Trilocana die Erkenntnis der Besonderheit abgeleitet hatte, überhaupt nicht erwähnt. An ihre Stelle ist der ontologisch ungenau formulierte Satz gesetzt, daß eine Gemeinsamkeit nicht ohne Besonderheiten möglich sei und andere Besonderheiten auszuschließen seien. Sicher ist das eine Weiterentwicklung des Gedankens von Trilocana und nicht die erste Ableitung dieser Lehre. Außerdem paßt der Gedanke, daß die Besonderheiten in der Vyāpti der Gemeinsamkeiten enthalten seien, überhaupt nicht zur Lehre von der Nötigung durch das Eigenschaft-des-Subjektes-Sein, in der die entscheidende Ausgangsposition gerade die ist, daß die Besonderheit nicht in der Vyāpti der Gemeinsamkeiten enthalten ist. Andererseits trägt Trilocana's Lehre von der „Abhängigkeit auf Grund des Realen“, auf der bei ihm das Theorem von der ,,Nötigung durch das Eigenschaft 153 Page #24 -------------------------------------------------------------------------- ________________ des-Subjektes-Sein" beruhen würde, falls die Annahme richtig ist, daß bereits er dieses Theorem entwickelt hat, dieser Schwierigkeit Rechnung. Denn gerade durch die „Abhängigkeit auf Grund des Realen“ kann Trilocana erklären, wieso die Besonderheit erkannt werden kann, ohne Gegenstand des Grundes zu sein, d. h. ohne in der Vyapti der Gemeinsamkeiten enthalten zu sein. Damit scheint aber in der Tat Vācaspati's Darstellung sekundär zu sein und darauf hinzuweisen, daß auch das Theorem von der ,,Nötigung durch das Eigenschaft-des-Subjektes-Sein" von Trilocana entwickelt wurde und nicht nur die Lehre von der ,,Abhängigkeit auf Grund des Realen“, welche Vācaspati offenbar aufgegeben hatte. Damit ist aber die Darstellung von Trilocana's Lehre vom Svābhāvikasambandha und den damit verbundenen Theoremen abgeschlossen, und es kann nunmehr die Veränderung dieses logischen Systems im Werk Vācaspatimisra's untersucht werden. Die Neuformung der Lehre bei Vācaspati In dem Maße als Trilocana's Lehre und Werk aus den Fragmenten wiedergewonnen wird, erscheint die Abhängigkeit Vācaspati's von seinem Lehrer immer deutlicher. Dies zeigt sich sowohl aus wörtlichen Entlehnungen 61 wie auch aus der Übernahme einer der zentralsten logischen Theorien Trilocana's, nämlich der Lehre vom Svābhāvikasambandha. Dadurch wird Vācaspati zum entscheidenden Zeugen für die Entwicklung dieser Lehre, sofern er nämlich die Lehre vom Svābhāvikasambandha in ihrem Grundgedanken bewahrt, sie aber in einer Weise weiterbildet, die bereits auf die Form dieser Lehre bei Udayana hinweist. In seiner Nyāyavārttikatātparyatīkā macht Vācaspati eine Bemerkung, welche die Grundhaltung der Nyāya-Logik wie in einem Brennpunkt zusammenfaßt und bloßlegt: ,,svābhāvikarūpasampannam hi 61 ZB. NVTT, p. 484, 25---485, 13 ist ein wörtliches Zitat aus dem Werk Trilocana's vgl. dazu R, p. 128, 1-11. – NK, p. 212, 20 ff. ist eine Bearbeitung einer Stelle von Trilocana's Werk, vgl. J, p. 240, 12ff. - Es scheint nicht unwahrscheinlich, daß die Darstellung des Svābhāvikasambandha bei Vācaspati stark von der Darstellung bei Trilocana beeinflußt ist. Vgl. NVTT, p. 165, 4-167, 7 mit J, p. 161, 23-26. 154 Page #25 -------------------------------------------------------------------------- ________________ pramāņam tattvajñānarūpaphalaya kalpate na kalpitarupasampadā, tasyaḥ sarvatra sulabhatvad iti. tattvaviṣayatvam canumānasyopapādayisyate." ,,Das Erkenntnismittel [der Schlußfolgerung] wird als für eine objektive Erkenntnis [geeignet] betrachtet, wenn es versehen ist mit der Form des Wesens [der Dinge] und nicht, wenn ihm eine nur vorgestellte Form zukommt. Denn diese ist überall leicht zu erlangen. Auch wird gelehrt werden, daß die Schlußfolgerung einen objektiven Gegenstand besitzt." 62 Dies bedeutet so wie bei Trilocana eine Absage an die buddhistische Lehre, daß der Gegenstand der Schlußfolgerung die Vorstellung sei, und die ausdrückliche Forderung, daß die Schlußfolgerung mit dem objektiven Wesen (svabhavaḥ) der Dinge arbeiten müsse. Es deutet sich daher hier die Grundauffassung Trilocana's an, daß die Schlußfolgerung in ihrer Schlüssigkeit nur durch einen objektiven Zusammenhang begründet werden kann. Damit scheidet die Auffassung der Vyapti als Koextension von Klassen für die Interpretation von Vacaspati's Logik aus, weil die Klasse als Einheit immer nur in der Vorstellung gegeben ist. Es muß daher auch für Vacaspati eine intensionale Auffassung der Vyapti angenommen werden 63. Dies wird bekräftigt, wenn Vacaspati die extensionale Formalisierung des logischen Nexus durch Anvaya und Vyatireka 64 ausdrücklich durch die Lehre vom Svabhāvikasambandha ersetzt was nur möglich ist, wenn er die Vyapti wie Trilocana intensional auffaßt, und diese extensionale Formalisierung lediglich als ein praktisches und fakultatives Schema anerkennt: na hi vyatireko'stity eva gamako bhavati, ma bhud asādhāraṇasyāpi gamakatvam kim tu svasadhyena saha svābhāvikasambandhaśālitayā sā canvayavyatirekābhyām ivänvayamatreṇāpy upadhirahitena sakyā jñātum 62 NVTT, p. 172, 24-173, 1. Die Stelle, auf die hier Vacaspati verweist, ist mir nicht bekannt. 63 Dies ist wichtig festzuhalten, weil es den Anschein haben könnte, daß Vacaspati durch das Aufgeben des manasapratyakşam als Mittel den Svabhāvikasambandha festzustellen auch Trilocana's intensionale Auffassung der Vyapti aufgegeben hat. 64 Mit anderen Worten, Dignaga's zweites und drittes Merkmal des Grundes, nämlich das Vorhandensein des logischen Grundes im Sapakşa und sein vollständiges Fehlen im Vipaksa. 155 Page #26 -------------------------------------------------------------------------- ________________ iti krtam atra vyatirekena. vipakṣasambhave tu tatrapi hetuvṛttisankānirākaraṇāya vyatirekagrahanam upasanīyam iti." ,,Denn ein [logischer Grund] ist nicht deshalb schlüssig, weil ein Vyatireka gegeben ist darf doch auch ein logischer Grund, der keinen Anvaya besitzt (= ein logischer Grund der nur einen Vyatireka,besitzt) nicht schlüssig sein -, sondern infolge des Versehenseins mit dem Svābhāvikasambandha mit seinem zu Beweisenden; und ein [solcher] kann ebenso gut wie durch Anvaya und Vyatireka auch durch den Anvaya allein erkannt werden, sofern dieser von einer zusätzlichen Bedingung frei ist. Daher ist ein Vyatireka nicht notwendig. Ist aber ein Vipaksa möglich, dann ist zur Ausschaltung des Zweifels, ob der logische Grund [im Vipakṣa] vorhanden ist, das Feststellen des Vyatireka heranzuziehen." 65 Damit hat sich die Lehre vom Svabhāvikasambandha auch für Vacaspati als das entscheidende Theorem enthüllt, auf dem die Schlußfolgerung begründet ist. Dadurch sind die extensionalen Theoreme der Buddhisten für ihn nicht wertlos schließlich hatte Uddyotakara diese in seinem Nyayavārttikam, das Vacaspati kommentiert, ebenfalls übernommen doch sind sie für die Begründung des logischen Nexus in der Schlußfolgerung sekundär geworden. Das, worauf es ankommt und was letztlich auch diesen extensionalen Formalisierungen des logischen Nexus ihre Geltung verleiht, ist der Svābhāvikasambandha : svabhāvataś ca pratibaddha hetavaḥ svasādhyena yadi sādhyam antarena bhaveyuḥ, svabhāvād eva pracyaveran iti tarkasahāyā nirastasādhyavyatirekavṛttisandeha yatra dṛṣṭās, tatra svasadhyam upasthapayanty eva. ,,Wo man logische Gründe beobachtet, die auf Grund des Wesens mit ihrem zu Beweisenden verbunden sind, und bei denen der Zweifel, ob sie im Vipakṣa (sadhyavyatirekaḥ) vorkommen, mit Hilfe des Tarka beseitigt ist, daß sie von ihrem Wesen abweichen müßten, falls sie ohne das zu Beweisende vorkommen würden, dort lassen diese ihr jeweiliges zu Beweisende erkennen." 66 - Bevor jedoch die Frage beantwortet werden kann, wie Vacaspati's Lehre vom Svābhāvikasambandha aussieht und worin sie sich von jener Trilocana's unterscheidet, muß erst der entscheidende Text aus der 65 NVTT, p. 173, 3-8. 66 NVTT, p. 167, 5-7. 156 - Page #27 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Nyāyavārttikatātparyaṭīkā herangezogen werden, in dem seine Lehre mit mehr Details dargelegt ist: tasmād yo vā sa vāstu sambandhaḥ, kevalam yasyāsau svābhāviko niyataḥ sa eva gamako gamyaś cetaraḥ sambandhīti yujyate. tatha hi dhūmādīnām vahnyadisambandhaḥ svābhāvikaḥ na tu vahnyādīnām dhūmādibhiḥ. te hi vināpi dhūmādibhir upalabhyante. yadā tv ārdrendhanādisambandham anubhavanti, tada dhumadibhiḥ saha sambadhyante. tasmād vahnyādīnām ārdrendhanādyupādhikṛtaḥ sambandho na svābhāvikaḥ, tato na niyataḥ. svābhāvikas tu dhūmādinam vahnyādibhiḥ sambandha, upadher anupalabhyamānatvāt kvacid vyabhicārasyādarśanād anupalabhyamānasyāpi kalpanānupapatteḥ, ato niyataḥ sambandho'numānāngam. na cadṛśyamāno'pi darśanarhataya sadhakabadhaka prāmāṇābhāvena sandihyamāna upādhiḥ svābhāvikatvam pratibadhnātīti sāmpratasmad upadhim prayatnenänviṣyanto'nupalabhamānā nāstīty avagamya svābhāvikatvam sambandhasya niścinumaḥ . tam ,,Mag daher die Verbindung sein, wie dem wolle, einzig und allein jenes Relationsglied, dem eine aus dem Wesen kommende und konstante Verbindung (= Svābhāvikasambandha) zukommt, ist Erschließendes (= logischer Grund), das andere [Relationsglied] ist das zu Erschließende. So ist es richtig. Derart ist nämlich die Verbindung von Rauch usw. mit Feuer usw., nicht aber jene von Feuer usw. mit Rauch usw. Denn dieses wird auch ohne Rauch usw. beobachtet. Wenn dieses aber in Verbindung mit feuchtem Brennholz beobachtet wird, dann ist dieses auch mit Rauch usw. verbunden. Darum ist die Verbindung von Feuer usw. [mit Rauch usw.] durch das feuchte Brennholz usw. als bedingende Bestimmung hervorgerufen, kommt nicht aus dem Wesen und ist daher nicht konstant. Die Verbindung von Rauch usw. mit Feuer usw. aber kommt aus dem Wesen, weil eine bedingende Bestimmung nicht wahrgenommen wird, weil man nirgends ein Getrennt-Vorkommen [der beiden Relationsglieder] beobachtet, und weil man ein solches, das nicht wahrgenommen würde, nicht vorstellen kann. Daher ist diese konstante Verbindung das die Schlußfolgerung [begründende] Glied. Auch kann eine bedingende Bestimmung, von der man zweifelt, [ob sie vorhanden ist], obwohl sie nicht zu sehen ist, wegen des Fehlens eines beweisenden und ausschließenden Erkenntnismittels ist sie doch nicht feststell - 157 Page #28 -------------------------------------------------------------------------- ________________ bar das Zum-Wesen-Gehören [der Verbindung] nicht aufheben. Dies ist richtig Daher stellen wir fest, daß eine Verbindung zum Wesen gehört, wenn wir uns bemüht haben, eine zusätzliche Bedingung zu suchen und wir, wenn eine solche nicht festgestellt wurde, zur Erkenntnis gekommen sind, daß es eine solehe nicht gibt << 67 Bei aller grundsätzlichen Übereinstimmung mit Trilocana's Lehre vom Svābhāvikasambandha, zeigt sich eine gewisse Umformung der Lehre. Obgleich es bei der unzulänglichen Materiallage durchaus möglich ist, daß gewisse neu scheinende Gedanken bereits bei Trilocana vorgekommen sind, oder auf einen seiner Zeitgenossen zurückgehen, wird man diese doch am besten Vacaspati selbst zuschreiben, da z. B. Jñānaśrīmitra in seiner Vyapticarca Vacaspati's Darstellung des Svabhāvikasambandha jener Trilocana's gegenüberstellt. Dies wäre aber sehr ungewöhnlich, wenn die wesentlichen Gedanken dieser Darstellung auf einen anderen Naiyāyika oder auf Trilocana zurückgingen. Die Umformung dieser Lehre äußert sich in einem Zurücktreten des ontologischen Aspektes des Svabhāvikasambandha. War dieser bei Trilocana noch deutlich als eine innere und objektive Beziehung zwischen Gemeinsamkeiten (sāmānyam) erschienen, so ist dies bei Vacaspati nirgends mehr ausgesprochen, sondern nur mehr als selbstverständlicher Hintergrund der Lehre vorausgesetzt. Der einzige deutliche Hinweis auf die ontologische Fundierung des Svābhāvikasambandha findet sich bei Vacaspati in einer gegnerischen Formulierung: yady ucyeta na bhāvasvabhāvāḥ paryanuyojyāḥ, tasmād anyatvāviseṣe'pi kimcid eva karanam karyam ca kimcid... 68. Diese Forderung, daß das Wesen (svabhavaḥ) der Dinge nicht mehr in Frage gestellt werden dürfe, ist wohl nur sinnvoll will man darin nicht eine philosophische Plattheit sehen - wenn man sie so versteht, daß der ,,Inhalt" jener Gemeinsamkeit, die ein bestimmtes Etwas zu diesem Etwas macht (dies scheint der Sinn von svabhāvaḥ zu sein), unveränderlich und vorgegeben ist, weil ... 158 1 67 NVTT, p. 165, 4-15 und 24-25. 68,,Wenn gesagt werden sollte, daß das Wesen der Dinge nicht in Frage gestellt werden darf, und darum etwas Ursache ist und etwas (anderes) Wirkung, auch wenn es hinsichtlich der Andersheit keinen Unterschied gibt, ."NVTT, p. 166, 4-6. Page #29 -------------------------------------------------------------------------- ________________ dieses Etwas sonst aufhören würde, dieses Etwas zu sein. Hat man daher den ,,Inhalt“ dieser Gemeinsamkeit erkannt, dann ist die Frage, warum ein bestimmtes Etwas so ist und nicht anders, sinnlos. Mit dem Zurücktreten des ontologischen Aspekts des Svābhāvikasambandha ist gegeben, daß dieser nicht so sehr positiv als eine notwendige, inhaltliche Beziehung zwischen Gemeinsamkeiten erscheint, sondern negativ als eine Verbindung, die von einer bedingenden Bestimmung frei ist (upādhirahitaḥ). Allerdings erscheint dieser Gedanke bereits bei Trilocana. Damit verlagert sich aber das Hauptgewicht der Darstellung vom Problem, wie eine Wesensverbindung zwischen Gemeinsamkeiten positiv erkannt werden kann (bei Trilocana gelöst durch die Wahrnehmung durch das Denkorgan und der Nichtwahrnehmung), auf das Problem, wie das Fehlen einer zusätzlichen Verbindung mit Sicherheit festgestellt werden kann. Auch in diesem Punkt der Lehre hat sich bei Vācaspati eine kaum merkliche Veränderung vollzogen. Trilocana hatte das Fehlen einer bedingenden Bestimmung (upādhiḥ) durch die Nichtwahrnehmung (anupalabdhiḥ) im Sinne Dharmakirti's nachgewiesen und dadurch den Zweifel behoben, daß der logische Grund auch im Vipakşa, d. h. ohne sein zu Beweisendes vorkommen könnte 69. Vācaspati hatte, soweit sich aus seiner Darstellung erschließen läßt, die Nichtwahrnehmung im Sinne Dharmakirti's aufgegeben. Hatte er vielleicht erkannt, daß diese Nichtwahrnehmung (anu palabdhihetuh) selbst auch ein logischer Grund war, wenn sie die Nichtexistenz einer zusätzlichen Bedingung beweisen sollte, und daß diese daher nicht zur Sicherung des logischen Nexus, den sie ihrerseits voraussetzte, verwendet werden durfte? Es muß dies eine Vermutung bleiben, jedenfalls hat bei Vācaspati die Nichtwahrnehmung der zusätzlichen Bedingung nicht mehr den dharmakirtischen Sinn wie bei Trilocana, sondern ist das einfache Nicht-Sehen dieser Bedingung, woraus eigentlich noch nicht notwendig folgen würde, daß eine solche Bedingung nicht existiert. Um dies zu zeigen, weist Vācaspati nach, daß, falls keine bedingende Bestimmung (upādhiḥ) festgestellt werden konnte, ein Zweifel, ob es 69 hetor vipakşaśankānivartakam pramānam upalabdhilaksanapratopādhivirahahetur anupalambhākhyam pratyakşam eva. J, p. 161, 25-26. 159 Page #30 -------------------------------------------------------------------------- ________________ nicht eine solche gäbe, die der Wahrnehmung nicht zugänglich wäre, nicht möglich sei. Denn für die Annahme einer solchen würde jedes Erkenntnismittel fehlen, und ein Zweifel wäre, sofern dieser eine frühere Erkenntnis und damit eine Erinnerung voraussetzte, in einem solchen Falle gar nicht möglich 70. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Gedanke, daß es für die Annahme einer bedingenden Bestimmung, die grundsätzlich nicht wahrnehmbar ist, weder ein positives noch ein ausschließendes Erkenntnismittel gäbe, und daher eine solche Annahme sinnlos und nicht möglich ist. Tatsächlich ist eine bedingende Bestimmung nur Quelle eines logischen Fehlers, wenn sie eine Bedingung für die Beziehung zwischen zwei Gemeinsamkeiten ist, die nicht unveränderlich mit einer dieser Gemeinsamkeiten verbunden ist. Ist sie aber nur gelegentlich mit einer der Gemeinsamkeiten verbunden, dann muß bei ihrem Fehlen ein Abweichen des logischen Grundes und damit die Tatsache des Vorhandenseins einer bedingenden Bestimmung erkannt werden. Dieser Gedanke, obwohl nicht mit allen Implikationen ausgeführt, ist deshalb so bemerkenswert, weil er in nicht formalisierter Weise einen Gedankengang Udayana's vorweg nimmt 71. Der Svābhāvikasambandha, der auf diese Weise als von einer zusätzlichen Bedingung faktisch frei erkannt ist, erhält die notwendige Geltung als Gesetz, durch einen Tarka, der sich in ähnlicher Form bereits bei Trilocana 72 findet:,,Wären logische Gründe, die mit ihrem zu Beweisenden durch einen Svabhāvikasambandha verbunden sind, ohne ihr zu Beweisendes gegeben, dann würden sie von ihrem Wesen (svabhāvaḥ) abweichen." 73 Dieser Tarka scheint zunächst eine Art petitio principii zu sein, da er mit dem Svābhāvikasambandha arbeitet, den er erst in seiner Notwendigkeit ausweisen sollte. Hält man sich aber vor Augen, daß der Svabhāvikasambandha eine Beziehung ist, welche allein auf dem,,Wesen" (svabhavaḥ) des Beweisenden und zu Beweisenden beruht, und daß dieses,,Wesen" nichts anderes als eine Gemeinsamkeit (sāmānyam) ist, so wird der Gedanke deutlich. 70 NVTT, p. 165, 14-23. 71 Cf. p. 169ff. dieser Arbeit. 72 J, p. 161, 24f. 73 NVTT, p. 167, 4-7. 160 Page #31 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Der Tarka hat nicht die Aufgabe, die Zweifelsfreiheit des Svābhāvikasambandha, d. h. das Zum-Wesen-Gehören der zwischen Beweisendem und zu Beweisendem bestehenden Beziehung zu zeigen, sondern hat lediglich nachzuweisen, daß die Beziehung, die auf andere Weise bereits als Svābhāvikasambandha erkannt ist, notwendig und konstant ist. Die Tatsache, daß es sich bei einer Beziehung um einen zweifelsfreien Svābhāvikasambandha handelt, muß bereits durch die Beobachtung des gemeinsamen Vorkommens von Grund und Folge nachgewiesen, und der Zweifel, ob dieses gemeinsame Vorkommen durch eine bedingende Bestimmung hervorgerufen sein kann, in der beschriebenen Weise behoben sein. Erst dann, wenn man erkannt hat, daß der „Inhalt" einer Gemeinsamkeit selbst eine andere Gemeinsamkeit als gegeben fordert (,,inhaltliche Implikation"), ist der Tarka, daß diese Gemeinsamkeit aufhören würde, sie selbst zu sein, wenn sie auch ohne diese andere Gemeinsamkeit gegeben wäre, zwingend. Wenn man dem Trilocana-Fragment, in dem der Nachweis des Svābhāvikasambandha dargelegt ist 74, glauben darf, scheint es, daß die deutliche Formulierung dieses Tarka, wie sie Vācaspati gibt, bei Trilocana noch nicht vorliegt und diese daher ein Ergebnis der Entwicklung der Lehre durch Vācaspati sein dürfte. Aus dem, was bisher über die Funktion des Tarka gesagt wurde, zeigt sich deutlich die Bedeutung, welche der Beobachtung für das Erkennen des Svābhāvikasambandha zukommt. In diesem Punkte hat Vācaspati die vielleicht einschneidendste Umformung vorgenommen. Diese Umformung wird vor allem bei der Erörterung der Frage sichtbar, durch welches Erkenntnismittel der Svābhāvikasambandha erkannt werden kann. Trilocana hatte gelehrt, daß dieser durch eine Einsicht des Denkorgans, das durch eine mehrfache Beobachtung unterstützt ist, beinahe ,,intuitionalistisch“ in einer Art „Wesensschau“ erkannt werden könne. Vācaspati wählt eine andere Lösung der Frage, indem er die Einsicht des Denkorgans als Erkenntnismittel für den Svābhāvikasambandha aufgab und die gewöhnlichen Erkenntnismittel an ihre Stelle setzte. Der en nde Text in der Nyāyavārttikatātparyatīkā lautet: 74 J, p. 161, 17–26., 11 161 Page #32 -------------------------------------------------------------------------- ________________ kena punaḥ pramāṇena svābhāvikaḥ sambandho grhyate? pratyaksasambandhiṣu pratyakṣena.. yadā tavat prathamam vahnidhūmayoḥ sardrendhanayoḥ sambandham pasyati, tada dvayor api kim svābhāvikaḥ sambandha aupadhiko vā na sakyam nirdhārayitum. tatra vahner anãrdrendhanasya vina dhumam ayogolakadau darśanad ärdrendhanopadhir asya dhūmena sambandho na tu svābhāvika iti niścīyate. tad idam avadhāraṇam na mānasam tasmad abhijñātamanibhedatattvavadbhūyodarśanajanitasamskārasahitam (v. 1. sahāyam J. p. 163) indriyam eva dhūmādīnām vahnyādibhiḥ svābhāvikasambandhagrāhīti yuktam pasyāmaḥ. evam mānāntaraviditasambandhiṣu mānāntarāny eva yathasvam bhūyodarśanasahāyāni svābhāvikasambandhagrahane pramaṇāny unnetavyāni. ,,Durch welches Erkenntnismittel wird der Svabhāvikasambandha erkannt ? Wenn es sich um sinnlich wahrnehmbare Relationsglieder handelt, durch die Wahrnehmung Wenn man das erste Mal die Verbindung zwischen einem Rauch und einem Feuer, die mit feuchten Brennholz gemacht sind, sieht, kann man nicht entscheiden, ob die Verbindung zwischen diesen beiden auf dem Wesen oder auf einer bedingenden Bestimmung beruht. Da man dann aber im Falle einer glühenden Eisenkugel usw. ein Feuer, das nicht mit feuchtem Brennholz gemacht ist, ohne Rauch beobachtet, erkennt man, daß die Verbindung dieses Feuers mit dem Rauch das feuchte Brennholz als bedingende Bestimmung besitzt, aber nicht auf dem Wesen [des Feuers] beruht Diese Erkenntnis geschieht jedoch nicht durch das Denkorgan Darum betrachten wir es als richtig, daß wie beim Erkennen der Art einer bestimmten Perle allein die sinnliche Wahrnehmung, unterstützt durch die psychischen Engramme, die aus öfterem Sehen entstanden sind (= Erfahrung), den Svabhāvikasambandha des Rauches usw. mit dem Feuer usw. erkennt. Ebenso sind bei Beziehungsgliedern, die durch andere Erkenntnismittel erkannt sind, eben diese Erkenntnismittel, jeweils unterstützt durch öfteres Sehen, als Mittel, den Svābhavikasambandha zu erkennen, anzuführen." 75 Die auffallendste und eindeutigste Veränderung, die Vacaspati an 75 NVTT, p. 166, 8-167, 4. 162 Page #33 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Trilocana's Lehre vom Svābhāvikasambandha vorgenommen hatte, war wohl die Ablehnung der ,,Einsicht durch das Denkorgan" (mānasapratyakşam) als Mittel, den Svābhāvikasambandha festzustellen. Damit hatte er den intuitionalistischen Zug von Trilocana's Lehre aufgegeben und an seine Stelle ein mehr empirisches Verfahren gesetzt. Doch ist auch dieses stets vor dem Hintergrund der Lehre von den Gemeinsamkeiten zu sehen und schließt damit die Ansicht ein, daß eine objektive Wesenserkenntnis dem menschlichen Geist möglich ist. Im Prinzip hatte sich aber nicht viel geändert. Hatte Trilocana gelehrt, daß das Denkorgan unterstützt durch mehrfache Beobachtung, (bhūyodarśanasahāyena manasā) den Svābhāvikasambandha erkenne, so lehrte Vācaspati nunmehr, daß ihn jedes Erkenntnismittel, unterstützt durch mehrfache Beobachtung (bhūyodarsanasahāyāni ... pramāṇāni) erkennen könne. Verändert hatte sich ledigleich der Weg, wie man zu einer Erkenntnis des Wesens (svabhāvaḥ, sāmānyam) und damit zu einer Erkenntnis des Svābhāvikasambandha gelangen konnte. Vācaspati lehrt, daß die Erfahrung zur Erkenntnis des Svābhāvikasambandha führe, indem sie eine immer komprehensivere Erkenntnis des Wesens vermittelt, bis eine volle Erkenntnis des Wesens und damit die Erkenntnis der mit diesem Wesen gesetzten Abhängigkeit von einem anderen Wesen erworben ist. Dies wird von ihm zwar nicht ausdrücklich formuliert, doch weist der Vergleich mit der Erkenntnis einer Perle in diese Richtung. Auch die Erkenntnis einer Perle wird nur durch die Erfahrung und das immer wieder Beobachten verschiedener Perlen zu einer gesicherten und untrüglichen. Dieselbe Auffassung findet sich später bei Udayana ausdrücklich erwähnt. Wenn man nun auf diese Weise das Wesen (svabhāvaḥ) eines Dinges erkannt hat und sich gezeigt hat, daß seine Abhängigkeit (sambandhaḥ, pratibandhaḥ) vom Wesen eines anderen durch nichts anderes bedingt ist, als durch eben es selbst, dann kann mit Sicherheit gesagt werden, daß diese Abhängigkeit zu diesem Wesen gehört 76. Ist dies aber der Fall, dann kann durch den 76 Dieses alleimiģe Annehmen der Erfahrung und der gewöhnlichen Erkenntnismittel als Möglichkeit, einen Svābhāvikasambandha zu erkennen, scheint letztlich der Grund dafür zu sein, daß seit Vācaspati die Formulierung des Svābhāvikasambandha als einer Beziehung, die durch keine bedingende 11. 163 Page #34 -------------------------------------------------------------------------- ________________ oben genannten Tarka gezeigt werden, daß diese Abhängigkeit konstant und notwendig ist, solange es sich um dieses selbe allgemeine Wesen handelt. Mit dieser Modifizierung von Trilocana's Lehre hatte Vacaspati zwar die intuitionalistisch gewonnene Gewißheit,' die Trilocana durch seine,,Wahrnehmung durch das Denkorgan" zu erreichen glaubte, aufgegeben, dafür aber die Schlußlehre ein für allemal ausschließlich auf den Boden der Wirklichkeitserkenntnis durch die normalen Erkenntnismittel gestellt. Die Gestalt der Lehre bei Udayana Die volle Ausformung innerhalb des alten Nyaya erhält die Lehre vom Svābhāvikasambandha im Werk Udayana's. Es ist hier nicht möglich, diese Lehre in ihrer vollen historischen Konkretheit zu beschreiben, doch muß der Versuch gemacht werden, sie wenigstens in ihren Grundzügen zu skizzieren, soll die bereits bei Vacaspati angedeutete Richtung der Entwicklung voll sichtbar werden. Als Ausgangspunkt dieser Skizze mag ein kurzer Abschnitt aus Udayana's Atmatattvavivekaḥ dienen: Kaḥ punar ayam pratibandhaḥ? svabhāvikasambandhaḥ, kaḥ svabhāvārthaḥ? nirupadhitvam. kaḥ punar upadhiḥ? sadhyaprayojakam nimit-` tāntaram. kim vasya lakṣaṇam? sadhanavyāpakatve sati sadhyavyāpakatvam. katham punar evamlakṣaṇako'rthaḥ pratyetavyo nirakartavyo veti? viparyayavirodhabadhakābhyām. kim badhakam? anvayavyatirekaviṣayabhuyodarśanasahāyyakam acaran anuttaras tarkaḥ, sa ca ... pañcavidho'pi kvacid vyabhicaram niracakṣāṇaḥ kvacit tannibandhanam upādhim avadhunayan sahāyībhavatiti phalato na kascid viseṣaḥ ,,Was ist nun diese [logische] Verbindung? Die Abhängigkeit auf Grund des Wesens. Was ist mit,,Wesen" gemeint? - Das Freisein von einer bedingenden Bestimmung. Was ist eine bedingende Bestimmung? Ein anderer [zusätzlicher] Grund, der zum zu Beweisenden hinführt. - Und was ist ihr Kennzeichen? - Umfassen des zu Beweisen Bestimmung (upadhiḥ) hervorgerufen ist, stärker in den Vordergrund tritt. Das Fehlen einer bedingenden Bestimmung war unter diesen Umständen leichter festzustellen, als die positive innere Abhängigkeit. 164 Page #35 -------------------------------------------------------------------------- ________________ den beim Nichtumfassen des Beweisenden. - Wie kann man etwas derart Bestimmtes erkennen beziehungsweise ausschließen? - Durch das Nicht-im-Widerspruch-Stehen [des logischen Grundes] mit dem Gegenteil (des zu Beweisenden wird es erkannt) und durch ein ausschließendes Argument [ausgeschlossen). - Was ist ein ausschließendes Argument? - Der Tarka, welcher unwidersprochen ist und sich der Hilfe einer wiederholten Beobachtung bedient, die sich auf das gemeinsame Vorkommen beziehungsweise Fehlen (von Beweisendem und zu Beweisendem] richtet. Auch wenn dieser ... ... ... fünffach ist, so ist er doch wieder ein einziger, sofern er ein irgendwo Abweichen [des logischen] Grundes zurückweist beziehungsweise dessen Grund, die bedingende Bestimmung, ausschaltet. Denn im Endeffekt besteht kein Unterschied.“ 77 Mit diesen wenigen Sätzen ist Udayana's Lehre vom Svābhāvikasambandha in ihrer wesentlichen Struktur charakterisiert. Dabei fallen vor allem drei Umstände ins Auge: (a) Das Untergeordnetsein der mehrfachen Beobachtung unter den Tarka; (b) die deutlich definierte und formalisierte Lehre von der bedingenden Bestimmung (upādhiḥ) und schließlich (c) die entscheidende Bedeutung des Tarka. Bevor jedoch diese Eigenheiten von Udayana's Lehre untersucht werden können, müssen zwei allgemeine Eigenheiten erwähnt werden, welche Udayana's Schlußlogik ihr charakteristisches Gepräge geben. Die Schlußlogik Udayana's ist so wie jene Trilocana’s und Vācaspati's grundsätzlich intensional, auch wenn gewisse Formalisierungen den Gedanken an extensionale Theoreme nahelegen. Dies zeigt schon der Begriff des Svābhāvikasambandha selbst, bei dem es sich ganz im Sinne der bisherigen Tradition um eine inhaltliche Beziehung von Gemeinsamkeiten (sāmānyam) handelt, auch wenn er bei Udayana durch das Von-einer-bedingenden-Bestimmung-Freisein bestimmt wird. Diese negative Charakterisierung des Svābhāvikasambandha ist keine Neuerung. Neu ist lediglich die ausschließliche Verwendung dieser Bestimmung. Ihr negativer Charakter kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich beim Svābhāvikasambandha tatsächlich um eine inhaltlich erfüllte Beziehung, handelt. Ist nämlich eine Abhängigkeit 77 ATV, p. 403, 9-405, 1. 165 Page #36 -------------------------------------------------------------------------- ________________ zwischen Gemeinsamkeiten frei von einer diese Abhängigkeit bedingenden Bestimmung, dann kann dies nur bedeuten, daß die Abhängigkeit in den betreffenden Gemeinsamkeiten selbst begründet sein kann. Der intensionale Charakter von Udayana's Schlußlogik zeigt sich außerdem in der Lehre von der bedingenden Bestimmung (upādhih), die eine inhaltliche Einschränkung einer Gemeinsamkeit durch eine zusätzliche Bestimmung darstellt, eine zusätzliche Bestimmung, welche Bedingung dafür ist, daß die eingeschränkte Gemeinsamkeit von einer anderen Gemeinsamkeit inhaltlich abhängt, oder abzuhängen scheint. Wenn daher Udayana Begriffe wie Umfassung (vyāptiņ), Umfassendes (vyāpakam), zu Umfassendes (vyāpyam) u. ä. verwendet, so sind diese grundsätzlich intensional zu verstehen, im Sinne von Beziehungen zwischen Inhalten von Gemeinsamkeiten (inhaltliche Implikation) und nicht im Sinne von Beziehungen zwischen Klassen von Individuen (extensionale Implikation). Ein zweiter allgemeiner Zug von Udayana's Schlußlogik ist das Inerscheinungtreten einer von der buddhistischen Art abweichenden Formalisierung, welche man bei seinen Vorgängern noch kaum findet 78. Diese Formalisierung wird dadurch ermöglicht, daß Udayana logisch relevante Sachverhalte nicht sosehr ihrem Wesen" nach de: finiert, als vielmehr durch die ihnen zukommende logische Funktion. Dies zeigt sich zum Beispiel beim zentralen Begriff des Svābhāvikasambandha, dessen ,,Wesen" nicht weiter erörtert wird, sondern der rein negativ durch das Fehlen einer bedingenden Bestimmung (niru pādhitvam) bestimmt wird. Dadurch wird der entscheidende Begriff der bedingenden Bestimmung (upādhih) allein Kriterion für das Gegebensein, beziehungsweise Nicht-Gegebensein eines Svābhāvikasambandha, und es verlagert sich die Frage seiner Feststellung von der erkenntnismetaphysischen auf die logische Ebene. Auch der bereits erwähnte zweite zentrale Begriff von Udayana's 78 Leider fehlen die Werke anderer Naiyāyikas aus der Zeit Udayana's und sind Werkę seiner Vorgänger außer der Nyāyavārttikatātparyaţikā, der Nyāyamañjari und dem Nyāyasāraḥ Bhāsarvajna's nicht erhalten, beziehungsweise nicht publiziert. Aus diesem Grunde muß die Zuschreibung dieser Formalisierung an Udayana hypothetisch bleiben. 166 Page #37 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Schlußlogik, die bedingende Bestimmung (upādhiḥ), wird nicht in seinem ,,Wesen" definiert, sondern durch eine formallogische Funktion bestimmt. Zwar gibt Udayana von diesem Begriff auch eine Art,,Wesensdefinition", nämlich sadhyaprayojakam nimittantaram, doch ist die funktionelle Bestimmung sadhanavyāpakatve sati sadhyavyāpakatvam jene, mit der Udayana arbeitet 79. Ganz im Sinne dieser Formalisierung, ist auch die von Udayana bevorzugte Methode, den Zweifel hinsichtlich des Freiseins einer logischen Verbindung (pratibandhaḥ, sambandhaḥ) von einer bedingenden Bestimmung zu beheben. Diese Methode ist nämlich nicht eigentlich die Nichtwahrnehmung, sondern der Tarka, welcher,,die Form einer unerwünschten Folge hat, [die sich] gestützt auf die Kraft der Vyapti [ergibt]." .80 Durch diese Formalisierungen und die an Stelle einer besonderen Erkenntnisart getretene formale Argumentationsstruktur zum Nachweis des Svābhāvikasambandha ist es Udayana gelungen, ein System der Schlußlogik zu entwickeln, aus dem die nicht-logischen Aspekte weitgehend ausgeschaltet sind, und das die abschließende Form der Lehre von Svabhāvikasambandha im alten Nyāya darstellt. Die neue historische Gestalt dieser Lehre zeigt sich jedoch erst bei näherer Betrachtung. Als erstes mag jener Umstand untersucht werden, daß in der erwähnten Darstellung des Svabhāvikasambandha durch Udayana die mehrfache Beobachtung (bhuyodarśanam) dem Tarka untergeordnet und die Nichtwahrnehmung einer bedingenden Bestimmung nicht mehr ausdrücklich erwähnt wird und somit offenbar nicht mehr das entscheidende Mittel ist, den Zweifel hinsichtlich des Freiseins einer logischen Beziehung von einer bedingenden Bestimmung (upadhiḥ) zu beheben. Ist dies nur auf die Kürze der Darstellung zurückzuführen oder ist dies eine charakteristische Entwicklung der Lehre bei Udayana ? Jedenfalls kann gesagt werden, daß die Nichtwahrnehmung einer bedingenden Bestimmung für die Lehre Udayana's in seinen beiden älteren Werken, nämlich Atmatattvavivekaḥ und Nyāyakusumāñjaliḥ, nicht 79 ATV, p. 403, 11-12. 80 ATV, p. 235, 1. 1 167 Page #38 -------------------------------------------------------------------------- ________________ charakteristisch ist. Sie fehlt in der Sväbhāvikasambandha-Darstellung beider Werke 81. Es kann sein, daß die Nichtwahrnehmung in ihnen, wie in der späteren Tatparyapariśuddhiḥ als Teilfunktion der mehrfachen Beobachtung (bhūyodarśanam) gedacht ist 82, doch hat sie jedenfalls nicht mehr wie bei Trilocana und Vacaspati bei letzterem noch verbunden mit dem Nachweis der Unmöglichkeit der Annahme einer nicht wahrnehmbaren bedingenden Bestimmung die entscheidende Bedeutung für die Behebung des Zweifels hinsichtlich des Vorliegens eines Svabhāvikasambandha. Merkwürdigerweise findet sich aber die Nichtwahrnehmung einer bedingenden Bestimmung, wie bereits angedeutet, in Udayana's Tatparyapariśuddhiḥ, einem Kommentar zu Vācaspati's Nyāyavārttikatātparyaṭikā, ausführlich behandelt. Nun wird die Nichtwahrnehmung einer bedingenden Bestimmung in diesem Spätwerk Udayana's als eine Teilfunktion der mehrfachen Beobachtung (bhuyodarśanam) gesehen, und es wird ausdrücklich gesagt, daß der Tarka geeigneter sei, die Befürchtung, es könnte doch eine nicht beobachtete bedingende Bestimmung geben, zu beseitigen.,,Siegreich bleibt der Tarka, der geeigneter ist [als die Nichtwahrnehmung] zur Ausschaltung der Befürchtung, [es könnte eine unsichtbare bedingende Bestimmung geben]." 83 Es scheint daher richtig anzunehmen, daß es sich hier nicht um eine Entwicklung von Udayana's Anschauungen handelt, sondern daß Udayana in seiner Tatparyaparisuddhiḥ nur im Anschluß an Vacaspatis Darstellung die Nichtwahrnehmung einer bedingenden Bestimmung so breit behandelt, und nicht wegen seinem Gedankensystem immanenter Gründe. Wenn daher diese Darstellung der Nichtwahrnehmung einer bedingenden Bestimmung auch nicht typisch scheint für Udayana's Lehre vom Svābhāvikasambandha, insofern sie nämlich im Grunde für diese Lehre nicht notwendig ist, so ist sie doch typisch für die Art seines logischen Arbeitens und bietet eine logisch formalisierte Ableitung der Unmöglichkeit einer grundsätzlich nicht empirisch feststellbaren bedingenden Bestimmung. Sie soll daher an erster Stelle behandelt werden, bevor 81 ATV, p. 406, 9ff. und NKM, p. 341, 6ff. 82 NVTP, p. 702, 2. 83 NVTP, p. 695, 7. - 168 Page #39 -------------------------------------------------------------------------- ________________ die eigentliche Lehre Udayana's vom Svābhāvikasambandha dargestellt wird. Bei Vacaspati hieß es, daß eine logische Verbindung dann als Svābhāvikasambandha zu betrachten sei, wenn man eine sie bedingende Bestimmung trotz angestrengten Suchens (upadhim prayatnenänviṣyantaḥ) nicht gefunden und daher erkannt habe, daß es eine solche bedingende Bestimmung nicht gäbe 84. Diese Stelle aus Vacaspati's Tatparyaṭīkā kommentiert Udayana und greift für seine Argumentation letztlich den von Vacaspati nicht weiter ausgeführten Gedanken auf, daß eine grundsätzlich nicht empirisch feststellbare bedingende Bestimmung nicht möglich ist 85: tad ayam samkṣepaḥ. vyabhicāra eva pratibandhābhāvaḥ, upādher eva vyabhicāraśankā, pramāṇaniscita evopadhitvena sankaniyaḥ. sādhane sopadhiḥ sadhye nirupādhir eva upadhitvena niśceyaḥ, ato'nyaś canyathātveneti. pramānaparidṛṣṭesv eva kaścid upadhir bhāviṣyatīty ata aha prayatneneti. ayam prayatnarthaḥ. pratyakṣopalambhās tāvad yogyānupalabdher eva nirastāḥ. pramāṇāntaraparidṛṣṭānām api vyāpakānām upādhitve vahneḥ sarvatrikatvaprasangaḥ. avyāpakānām api nityānām upādhitve vahneḥ sadānuvṛttiprasangaḥ. anityās trividhāḥ. ubhayāvyabhicāriņa, anyatarāvyabhicāriņa, ubhayavyabhicāriṇaḥ. tatra prathamadviṭīyā upādhilakṣaṇābhāvād eva nopādhayaḥ. anyatarāvyabhicāriņaś ca dvividhāḥ. dhūmamātrāvyabhicāriņo vahnimātrāvyabhicāriņaś ca. tatra pūrve purvavat. vahnimātrāvyabhicāriņo'pi dvividhāḥ. vyāpyamātrarūpā ubhayarūpas ceti. pūrvavad eva pūrve. ubhayarupās tu sāmagrītaḥ, napi pare vidyante 85b. să ca na kvacid upadhir dhūmasya vahnineva tayāpi svabhāvasambandhāt, vahnijananasāmagryām vahner apy antarbhāvāc ca. 858 ... 84 NVTT, p. 165, 24-25. 85 NVTT, p. 165, 12-13. Vgl. auch p. 160 dieser Arbeit. 85a In der Ausgabe der NVTP wird die Variante prathamatṛtiyāḥ angegeben, der die vorliegende Übersetzung folgt. Die Parallelstelle in der Kiraṇāvali (Benares Sanskrit Series, Benares 1919, p. 301, 6f.) liest hingegen ubhayāvyabhicarinaḥ, ubhayavyabhicāriṇaḥ, anyatarāvyabhicāriņas ceti und daher auch prathamadvitiyaḥ. 85b Hier bietet der Text der Kiranavali die bessere Lesart samagrito'pare na vidyante, der die vorliegende Übersetzung folgt. 169 Page #40 -------------------------------------------------------------------------- ________________ ata evopadhim apy apasyanto virodhipramānasadasadbhāvaniscayavyagrataya muhurtam anumitau vilambamahe. tad eva sarvathopadhyanupalambhat tadabhavaniścayo yatha dhumasambandhe tathānyatrāpi draṣṭavyaḥ. tarkaś ca sankānirākaraṇapaṭāyān vijayate. So verhält es sich in Kürze: Das Fehlen einer logischen Verbindung ist nur im Falle des Abweichens [des logischen Grundes] gegeben. Die Befürchtung, ein Abweichen [des logischen Grundes könnte möglich sein, ergibt sich] nur auf Grund einer bedingenden Bestimmung. Nur wenn etwas durch Erkenntnismittel festgestellt ist, kann gezweifelt werden, ob es sich um eine bedingende Bestimmung handelt. Festgestellt ist, daß es sich um eine bedingende Bestimmung handelt, wenn diese im Falle des Beweisenden gegeben und im Falle des zu Beweisenden nicht gegeben ist. Eine davon verschiedene ist als andersgeartet zu bestimmen. Nachdem nun eine bedingende Bestimmung nur im Falle von durch Erkenntnismittel Erkanntem gegeben sein dürfte, sagt er ,mit Anstrengung'. Mit dem Gegenstand der Anstrengung [beim Feststellen des Fehlens einer bedingenden Bestimmung] verhält es sich so: Jene [bedingenden Bestimmungen], die der Wahrnehmung zugänglich sind, werden ausgeschlossen, insofern sie, obwohl wahrnehmbar, nicht wahrgenommen werden. Auch beim Bedingende-Bestimmung-Sein solcher, die durch andere Erkenntnismittel erkannt werden, [ergibt sich ein Ausschluß]; bei solchen, die allverbreitet sind, würde sich nämlich ergeben, daß das Feuer überall sein müßte. Beim Bedingende-Bestimmung-Sein solcher, die nicht allverbreitet, aber ewig sind, würde sich ergeben, daß sie ständig vom Feuer gefolgt sein müßten. Die Nicht-Ewigen aber sind dreifach: Von beiden (= Beweisendem und zu Beweisendem) nicht abweichend, von einem der beiden nicht abweichend, und von beiden abweichend. Von diesen sind die ersten und die dritten keine bedingenden Bestimmungen, weil ihnen das Merkmal einer bedingenden Bestimmung 86 fehlt. Jene, die von einem der beiden nicht abweichen, sind zweifach: solche die 86 sädhanävyäpakatve sati sädhyavyāpakatvam. 170 Page #41 -------------------------------------------------------------------------- ________________ vom Rauch als solchem (= beweisender Gemeinsamkeit) nicht abweichen, und solche, die vom Feuer als solchem (=zu beweisender Gemeinsamkeit) nicht abweichen. Von diesen sind die ersten wie früher [keine bedingenden Bestimmungen). Diejenigen, die vom Feuer als solchem nicht abweichen, sind zweifach: solche, die nur die Form des Umfaßten haben und solche, die beide Formen haben (= die des Umfaßt- und die des Umfassend-Seins). Die ersten sind wie früher [keine bedingenden Bestimmungen). Jene, die beide Formen haben, finden sich nur als Ganzes (= Gesamtheit der das konkrete Reale konstituierenden Ursachen) 87. Das Ganze ist aber nirgends eine bedingende Bestimmung, weil auch mit ihm ein Svābhāvikasambandha besteht wie der des Rauches mit dem Feuer, und weil das das Feuer ergebende Ganze auch das Feuer enthält. ... ... ... Und hat man auch keine bedingende Bestimmung gesehen, so zögert man beim Schlußfolgern doch einen Augenblick wegen des Absorbiertseins (vyagratayā) durch das Feststellen von Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein einer Erkenntnis des Gegenteils. Dann aber wird auch anderswo die Gewißheit festgestellt wie bei der Verbindung des Rauches, daß es keine bedingende Bestimmung gibt, weil eine solche in keiner Weise beobachtet wird. Der Tarka aber, der zur Ausschaltung der Befürchtung [, es könnte doch eine bedingende Bestimmung geben,] geeigneter ist, erweist sich als überlegen.“ 88 Analysiert man diesen Abschnitt hinsichtlich seines Aufbaues, so gliedert er sich deutlich in drei Teile. Den Beginn bildet eine knappe systematisierende Zusammenfassung der Lehre Vācaspati's, daß eine bedingende Bestimmung grundsätzlich erkennbar sein müsse, und daß eine solche fehlt, wenn sie nicht wahrgenommen wird. Dieser Gedankengang kehrt abschließend im dritten Teil der Stelle wieder, wo aber bereits das für Udayana typische methodische Theorem, der Tarka, erwähnt wird. Als zweiter Teil ist eine systematische Erörterung der Möglichkeit, bedingende Bestimmungen (upādhih) auszuschließen, eingeschoben. Diese ist im Grunde die erste in der Nyāya-Literatur bezeugte logische Ableitung des Theorems, daß eine bedingende Bestimmung 87 Scil. das mit feuchtem Brennholz gemachte Feuer. 89 NVTP, p. 676, 18+695, 8. 171 Page #42 -------------------------------------------------------------------------- ________________ grundsätzlich nur im empirischen Bereich vorkommen kann und daher grundsätzlich durch die sinnliche Erkenntnis ausgeschlossen werden kann (pratyakışopalambhās tāvad yogyānupalabdher eva nirastāḥ). Vergleicht man Vācaspati's Lehre mit der Form der Lehre, die ihr Udayana gegeben hat, so zeigt sie zwar die gleiche Grundtendenz, doch wurde sie logisch präziser. Das Berufen auf den Hausverstand“ oder „common sense“ (pramāņikalokayātram anupālayata yathādarsanam sankarīyam. NVTT, p. 165, 21) und die psychologische Erklärung des Zweifels (višeşasmộtyapekṣo hi sambayo nāsmrte bhavati, NVTT, p. 165, 22) ist für die Ableitung der empirischen Feststellbarkeit einer jeden bedingenden Bestimmung ohne wesentliche Bedeutung geworden. Ausgangspunkt 89 der Ableitung bei Udayana ist die Feststellung eines Abweichens (vyabhicāraḥ) eines bestimmten logischen Grundes, ein Abweichen, welches logisch nur möglich ist, weil die logische Verbindung im Falle des betreffenden logischen Grundes eine zusätzliche Bestimmung enthält (sādhane sopādhiḥ), während ihr diese Bestir 89 Die Begründung dieses Ausgangspunktes bietet Udayana durch die logische Ableitung des Theorems, daß Abweichen und Nicht-Abweichen des logischen Grundes (vyabhicārāvyabhicārau) logische Äquivalente sind für das Hervorgerufensein, beziehungsweise Nicht-Hervorgerufensein einer logischen Verbindung durch eine diese bedingende Bestimmung (aupādhikatvānaupādhikatve): ,,... svābhāvikah bedeutet frei von einer bedingenden Bestimmung (nirupādhih). Es besteht die notwendige Relation, daß das Hervorgerufensein, beziehungsweise Nicht-Hervorgerufensein durch eine bedingende Bestimmung (aupādhikatvānaupādhikatve) umfaßt ist (vyāpte) durch das Abweichen, beziehungsweise Nicht-Abweichen [des logischen Grundes] und daß das Abweichen, beziehungsweise Nicht-Abweichen [des logischen Grundes] durch diese umfaßt ist. Diese beiden können nämlich nicht ohne Ursache sein, da sie sonst überall eintreten könnten. [Tatsächlich] werden sie aber mit festen Bereichen beobachtet. Sie können aber auch nicht eine andere Ursache haben, weil sonst, falls ein Nicht-Abweichen (avyabhicārah) auch auf Grund des Vorhandenseins einer bedingenden Bestimmung (sopādheh) gegeben wäre und ein Abweichen (vyabhicāraḥ) auf Grund des Nichtvor. handenseins einer solchen (nirupadeh) keine notwendige Relation bestünde. Würde dem aber so sein, dann müßte auch im Falle der Wirkung und der eigenen Natur ein Abweichen der Ursache und der eigenen Natur (käranätmavyabhicārah) eintreten. Daher besteht im Falle einer bedingenden Bestimmung (upādhih) notwendigerweise ein Abweichen (vyabhicārah) und im Falle des Fehlens 172 Page #43 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Beweisenden nicht zukommt (sādhye nirupādhiḥ) 90, so zum Beispiel, wenn man von Feuer auf Rauch schließt. Kommt jedoch dem Feuer, als dem logischen Grunde, die zusätzliche Bestimmung „mit feuchtem Brennholz gemacht“ zu, dann kommt zwischen Feuer und Rauch eine lung zustande, die nur durch die zusätzliche Bestimmung bedingt und daher nicht notwendig ist. Eine solche zusätzliche, bedingende Bestimmung (upādhiḥ) kann aber nur endlich (anityaḥ) - und zwar dem Raume wie der Zeit nach , und muß grundsätzlich der sinnlichen Erkenntnis zugänglich sein, da sich alle anderen Möglichkeiten ausschließen lassen. Dieser Ausschluß erfolgt durch eine vollständige Disjunktion der verschiedenen Möglichkeiten bedingender Bestimmungen, von denen die unerwünschten durch Reduktion auf einen Widerspruch ausgeschaltet werden. Diese Reduktion wird für Udayana gerade in den entscheidenden Möglichkeiten, nämlich den endlichen, sinnlich nicht wahrnehmbaren bedingenden Bestimmungen, erst dadurch möglich, daß er die bedingende Bestimmung im allgemeinen rein logisch mit Hilfe der sie charakterisierenden logischen Funktion als sādhanāvyāpakatve sati sādhyavyāpakatvam bestimmt und formalisiert hatte. Erst dadurch stand ihm ein für die bedingende Bestimmung charakteristisches logisches Schema zu Gebote, zu dem er die verschiedenen Alternativen der Möglichkeit bedingender Bestimmungen durch einen Tarka, denn um einen solchen handelt es sich, auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt wird, in Widerspruch setzen konnte. Was also Vācaspati in seiner Darstellung mit der kurzen Bemerkung einer bedingenden Bestimmung (upādhyabhāvah) notwendigerweise ein Nicht-Abweichen (avyabhicārah), und ebenso im Falle eines Abweichens notwendigerweise eine bedingende Bestimmung und im Falle eines NichtAbweichens notwendigerweise das Fehlen einer bedingenden Bestimmung. So ist denn auch dort, wo ein Abweichen gewiß ist, das einer bedingenden Bestimmung Nachlaufen zwecklos, da dieses nur diesen Zweck hat (nämlich zu wissen, ob ein Abweichen gegeben ist). Wo aber ein Abweichen ungewiß ist, muß dies getan werden. Man braucht aber nicht nach Abweichen beziehungsweise Nicht-Abweichen [des logischen Grundes] zu suchen, um eine bedingende Bestimmung oder ihr Fehlen nachzuweisen, da das Untersuchen einer bedingenden Bestimmung oder ihres Fehlens keinen Sinn hat, wenn [einmal] das Abweichen usw. erwiesen ist." NVTP, p. 671, 7-673, 2. 90 NVTP, p. 683, 1-3. 173 Page #44 -------------------------------------------------------------------------- ________________ kvacid vyabhicārasyādarsanād anupalabhyamānasyā pi kalpanānupa patteḥ angedeutet hatte, ohne es näher auszuführen, das hatte Udayana mit Hilfe seiner exakten Definition der bedingenden Bestimmung logisch abgeleitet. Es gab tatsächlich keine Möglichkeit des Vorhandenseins einer bedingenden Bestimmung, die Quelle eines fehlerhaften Schlusses werden konnte und die nicht am Abweichen (vyabhicārah) des logischen Grundes erkannt werden konnte. Eine Schwierigkeit scheint jedoch auch bei dieser Ableitung zu bestehen. Wenn man sich vor Augen hält, daß der Svābhāvikasambandha als eine inhaltlich notwendige Beziehung (,,inhaltliche Implikation“) zweier Gemeinsamkeiten aufgefaßt war, dann erhebt sich die Frage, ob es genügend sein konnte, sich nur auf das empirische Feststellen des faktischen gemeinsamen Vorkommens von Grund und Folge zu verlassen, um eine Beziehung als einen Svābhāvikasambandha, d. h. als eine inhaltlich notwendige Beziehung zu bestimmen. Konnte man sich wirklich darauf verlassen, daß die empirisch-induktiv gewonnene Kenntnis der betreffenden Gemeinsamkeiten vollständig war, und konnte man daher sicher sein, daß eine vorhandene und grundsätzlich feststellbare bedingende Bestimmung (upädhih) nicht übersehen worden war? Es ist wahrscheinlich, daß es eine derartige Schwierigkeit war, die Udayana dazu bestimmte, als entscheidende Methode, das Nichtvorhandensein einer bedingenden Bestimmung festzustellen, nicht ihre Nichtwahrnehmung zu betrachten, sondern für den logischen Nachweis des Freiseins der logischen Verbindung von einer bedingenden Bestimmung einen Tarka 91 zu verwenden, und die Nichtwahrnehmung als eine Teilfunktion der diesem untergeordneten mehrfachen Beobachtung zu betrachten. Will man daher Udayana's eigene Auffassung vom Svābhāvikasambandha darstellen, so bietet sich die Untersuchung dieser beiden Theoreme, nämlich der mehrfachen Beobachtung und des Tarka, als geeignetste Methode an. Welche Funktion besitzt die mehrfache Beobachtung im System von Udayana's Schlußlogik ?: tathā hi prathamatas tāvad bhūyodarsanam kākatālīyanyāyavyudāsāya, tataḥ sātatyorddhagatyādiviseşāvasāyāya, tata 91 Vgl. p. 176ff. dieser Arbeit. 174 Page #45 -------------------------------------------------------------------------- ________________ upādhisankānirāsāya. tatraca na vārasamkhyāniyamābhyu payogah, mrdumadhyātimātrabuddhibhedena pumsām vicitrašaktitvāt. ,,So nämlich [dient] die mehrfache Beobachtung dazu, einen Schluß wie den von der durch eine Kokosnuß erschlagenen Krähe auszuschließen, die Besonderheiten des logischen Grundes] wie z. B. das beständige Aufsteigen [des Rauches] usw. festzustellen und die Befürchtung [einer möglicherweise vorhandenen bedingenden Bestimmung] zu zerstreuen. Dabei ist nicht eine bestimmte Anzahl von Beobachtungen] notwendig, weil die Menschen, je nachdem sie eine schwache, mittlere oder große Geisteskraft besitzen, verschieden sind.“ 92 Die mehrfache Beobachtung stellt also jene Erfahrung dar, aus der die Einsicht gewonnen wird, daß zwischen zwei Sachverhalten eine Verbindung besteht, die nicht durch eine zusätzliche Bestimmung (upādhih) bedingt ist. Die Anzahl der Beobachtungen ist dabei nicht in ein zahlenmäßig festgesetztes Schema der Beobachtung gebracht, sondern ist lediglich durch das Eintreten der Einsicht begrenzt (nirupādhisambandhabodhāvadhiniyamāt NVTP, p. 702, 6). Im Grunde handelt es sich also wie bei Vācaspati um ein induktives, positives Feststellen einer Verbindung zwischen Sachverhalten, die sich im Laufe der wiederholten Beobachtung als durch einen Svābhāvikasambandha verbunden erweisen. Dies wird erreicht durch die Erkenntnis, daß die betreffende Verbindung konstant beobachtet wird und daher nicht zufällig sein kann wie das Auffliegen der Krähe und das Erschlagen werden durch eine Kokosnuß, und schließlich durch das Feststellen, daß die betreffende Verbindung keine bedingende Bestimmung aufweist. Außerdem vermittelt das mehrfache Beobachten (bhūyodarsanam) jene Erfahrung, die es ermöglicht, die im Verhältnis von Grund und Folge stehenden Sachverhalte einwandfrei zu identifizieren und so eine diesbezügliche mögliche Ungenauigkeit auszuschalten. Doch enthält diese durch die mehrfache Beobachtung induktiv gewonnene Erkenntnis, daß es sich in einem bestimmten Falle um einen Svābhāvikasambandha handeln müsse, letztlich keine Gewißheit über die allgemeine Notwendigkeit und Geltung dieser Verbindung. Daran 92 NVTP, p. 701, 4–702, 4. 175 Page #46 -------------------------------------------------------------------------- ________________ ändert auch der Umstand nichts, daß die mehrfache Beobachtung ebenfalls den Zweck hat, einen Zweifel hinsichtlich des Vorkommens einer bedingenden Bestimmung auszuschließen. Sie gewährt nämlich lediglich die Sicherheit, daß die Verbindung in den beobachteten Fällen frei ist von einer möglicherweise nicht wahrnehmbaren bedingen den Bestimmung (upādhih). Die Geltung des Svābhāvikasambandha in allen möglichen Fällen kann auch sie, für sich genommen, nicht nachweisen. Vielmehr ergibt sich diese mit Hilfe des Tarka, welcher als ausschließendes Argument die Möglichkeit einer bedingenden Bestimmung notwendig beseitigt 93 Worin besteht aber dieser Tarka, von dem Udayana sagt, daß er sich der Hilfe der mehrfachen Beobachtung bedient 94 ? Bei Vācaspati enhang ist formulierung durchgemacht 03 In diesem Zusammenhang ist es interessant, rückblickend die Entwicklung zu verfolgen, welche die Formulierung des Nachweises der allgemeinen Geltung des Svābhāvikasambandha durchgemacht hat. Bei Trilocana wird der Svābhāvikasambandha bhūyodarsanasahayena manasā erkannt, und in seiner allgemeinen Geltung dadurch ausgewiesen, daß er als von einer bedingenden Bestimmung frei erkannt wird (upādhirahitaḥ sambandhah). Die Nicht wahrnehmung einer solchen Bedingung (upalabdhilaksanapraptopädhivirahahetur anupalambhākhyam pratyakşam) ist das Erkenntnismittel, welches die allgemeine Geltung des Svābhāvikasambandha ausweist (hetor vipakşasarkānivartakam pramānam). Cf. J, p. 161, 23-26. Bei Vācaspati sind es die gewöhnlichen Erkenntnismittel, welche, unterstützt durch die mehrfache Beobachtung, den Svābhāvikasambandha erkennen lassen: bhūyodarsanajanitasamskārasahitam indriyam ... svābhāvi. kasambandhagrāhi ... evam ... mānāntarāny eva ... bhūyodarsanasahāyāni ... svābhāvikasambandhagrahane pramānāny unnetavyāni (NVTT, p. 167, 1-4). Die allgemeine Geltung der erkannten Verbindung wird aber durch den Tarka, daß etwas nicht von seiner Natur abweichen könne, gesichert: svabhāvataś ca pratibaddhā hetavaḥ svasādhyena yadi sādhyam antarena bhaveyuḥ svabhāvād eva pracyaveran iti tarkasahāyā nirastasādhyavyatirekavrttisandehā ... (NVTT, p. 167, 5-7). Diese Formulierungen sind bei Udayana auf die kürzeste Form gebracht, wobei sich der Akzent noch weiter zu Gunsten des Tarka verschoben hat. Das Mittel, den Svābhāvikasambandha zweifelsfrei und in seiner allgemeinen Geltung zu erkennen, ist der Tarka, welcher verstanden ist als vyāptibalam ālambyāniştaprasangarūpah (ATV, p. 235, 1). Die entscheidende Formulierung dieses den Svābhāvikasambandha ausweisenden Tarka im ATV lautet: anvayavyatirekavişayabhūyodarsanasāhāyyakam ācaran, anuttarah tarkaḥ (ATV, p. 403, 14-404, 1). 94 ATV, p. 404, 1. 176 Page #47 -------------------------------------------------------------------------- ________________ war er letztlich nur die methodische Überlegung, daß die empirisch als frei von einer bedingenden Bestimmung erkannte Verbindung in jedem Falle gelten müsse, weil sich sonst die Gemeinsamkeiten (svabhāvah = samānyam), durch die diese Verbindung bedingt ist, ändern müßten, was nicht möglich ist 95. Bei Udayana ist der Tarka in seiner Struktur verändert und schließt typologisch – vielleicht selbst historisch 96 - an den Begriff des badhakapramānam der buddhistischen Logik im Anschluß an Dharmakirti an: 80’pi vyāptibalam ālambyānişta prasangarūpaḥ. aniștam ca dvividham: prāmāņika parityāgo 'prāmāņikaparigrahaś ca ... - „Dieser [Tarka] hat die Form einer unerwünschten Folge, die sich auf die Kraft der Umfassung (vyāptih) stützt. Mit ,unerwünscht' ist ein zweifaches (gemeint]: Das Aufgeben von etwas, das den Erkenntnismitteln entspricht, beziehungsweise das Annehmen von etwas, das den Erkenntnismitteln nicht entspricht ..." 97 In dieser kurzen Charakterisierung wird das, was Udayana in diesem Zusammenhang unter Tarka versteht, deutlich. Der Tarka ist für ihn eine unerwünschte Folgerung (anista prasangaḥ), die in einer Rückführung auf Unmögliches besteht und sich zu diesem Zwecke der jeweils nachzuweisenden Umfassung selbst bedient (vyāptibalam ālambya), insofern die unerwünschte Folgerung nur durch Annahme der Umfassung vermieden werden kann. Bei Vācaspati hatte der Tarka, der dem Svābhāvikasambandha RegelCharakter verleihen sollte, in der Erwägung bestanden, daß ein induktiv (bhūyodarśanena) erkannter Svābhāvikasambandha überall gelten 95 NVTT, p. 167, 5-6. Cf. p. 160f. dieser Arbeit. 96 Darauf würde das Fragment eines anonymen Naiyāyika hinweisen, in welchem dieser den Gebrauch des ausschließenden Argumentes (bādhakapramāņam) ausdrücklich von der buddhistischen Logik übernimmt. aparas tv evam tāvad dhūmader iva kāryatvasya svābhāvikaḥ pratibandhaḥ pratipäditah. idānim saugatamano 'nurañjanärtham badhakāny api pramāṇāny abhidhiyante ... (J, p. 237, 19-239, 2). Die Struktur der von ihm verwendeten Argumente ist aber die eines Tarka im Sinne Udayana's. 97 ATV, p. 235, 1. Leider ist der Tarka-Abschnitt aus Udayana's NVTP noch nicht publiziert, sodaß sich über Udayana's Lehre vom Tarka noch nichts abschließendes sagen läßt. 12 177 Page #48 -------------------------------------------------------------------------- ________________ müsse, weil sonst die Gemeinsamkeiten, durch die er bedingt ist, aufhören müßten, sie selbst zu sein. Es war somit die Unwandelbarkeit jener Gemeinsamkeiten, die das „Wesen" (svabhāvah) der Dinge bestimmten, jene notwendige Norm gewesen, zu der ein Nicht-Anerkennen der allgemeinen Geltung des jeweiligen Svābhāvikasambandha in Widerspruch gesetzt war. Die metaphysische Lehre von den Gemeinsamkeiten konnte jedoch letztlich den Svābhāvikasambandha in seiner logischen Notwendigkeit nicht ausweisen, da diese Lehre selbst auf der Notwendigkeit des logischen Nexus beruhte. Bei Udayana ist zwar die Grundstruktur des Tarka, daß es sich um einen anista prasangaḥ handelt, dieselbe geblieben. Inhaltlich aber hat sich der Tarka geändert. Es ist nun nicht mehr das Sich-gleichBleiben der Gemeinsamkeiten im allgemeinen, welches die absolute Gültigkeit des Svābhāvikasambandha sichert. Vielmehr wird nun mehr die jeweilige inhaltliche Relation (vyāptibalam), welche durch den Tarka als notwendig erwiesen werden soll, selbst auf ihre jeweilige Gültigkeit hin untersucht und gezeigt, daß man bei ihrer Nicht-Annahme entweder etwas für wahr halten muß, das den Erkenntnismitteln widerspricht, beziehungsweise etwas nicht für wahr halten kann, das durch die Erkenntnismittel als wahr erwiesen ist. Damit wird aber im Gegensatz zu Vācaspati, welcher nur ganz allgemein eine Konstanz von Beziehungen zwischen Gemeinsamkeiten nachweisen und dadurch den Zweifel, ob es sich bei der beobachteten Beziehung auch tatsächlich um eine notwendige Beziehung zwischen Gemeinsamkeiten handelte, nicht ganz ausschließen konnte, die inhaltliche ,,Implikation“ (vyāptiḥ) der betreffenden Gemeinsamkeiten in sich, in ihrem allgemein geltenden Wahrheitscharakter nachgewiesen. Diesen Gedanken abschließend widerlegt Udayana in seinem Nyāyakusumāñjalih noch einen möglichen Einwand, der die Funktion des Tarka in Udayana's Lehre vom Svābhāvikasambandha noch verdeutlicht: tathāpi atīndriyopādhinişedhe kim pramānam ity ucyatām iti cet – na vai kaścid atīndriyopādhiḥ pramānasiddho'sti, yasyābhāve pramāņam anveşanīyam. kevalam sāhacarye nibandhanāntaramātram sankyate tataḥ sankaiva phalatah svarūpataś ca nivarttanīyā. tatra, phalam asyā vipaksasyāpi jijñāsā tarkād āhatya nivarttate, tato'numāna pravrttau sankāsva 178 Page #49 -------------------------------------------------------------------------- ________________ rūpam apiti sarvam sustham. – „Einwand: Auch so muß gesagt werden, welches Erkenntnismittel es gibt, eine sinnlich nicht feststellbare bedingende Bestimmung auszuschließen. - Antwort: Es gibt keine sinnlich nicht feststellbare bedingende Bestimmung, die rational(=durch Erkenntnismittel nachweisbar) wäre, und für deren Nichtvorhandensein man ein Erkenntnismittel suchen müßte. Es wird lediglich gezweifelt, ob es für das gemeinsame Vorkommen [von Grund und Folge] einen anderen Grund gibt [als deren Gemeinsamkeiten). Daher braucht allein der Zweifel seinem Ergebnis und seiner Form nach zum Schwinden gebracht werden. Dabei schwindet das Ergebnis [des Zweifels), nämlich der Wunsch auch das vom Paksa Verschiedene zu erkennen, eindeutig durch den Tarka und daher schwindet beim Vollzug der Schlußfolgerung auch der Zweifel an sich (sankāsvarūpam)." 98 Dieser Gedankengang ist im Grunde das Gegenstück jener Lehre, die Udayana im Anschluß an Vācaspati's Tātparyatīkā dargelegt hatte, und die am Beginn der vorliegenden Skizze besprochen ist 99, nämlich der Lehre von der Nichtwahrnehmung einer bedingenden Bestimmung als Erkenntnismittel für ihr Nicht-Vorhandensein. Im Zusammenhang mit dieser Lehre wurde die Vermutung geäußert, daß Udayana diese Lehre, genötigt durch den kommentierten Text, in dieser breiten Form behandelt hatte. Tatsächlich entspricht der hier vorgetragene Gedankengang, welcher im Nyāyakusumāñjalih die Darstellung des Tarka als Mittel, die notwendige Geltung des Svābhāvikasambandha nachzuweisen (tad anena vipaksadandabhūtena tarkena sanāthe bhūyodarsane ... ... lingam iti niņsankam avadhāranīyam. NKM, p. 365, 4–6), abschließt, wesentlich besser der inneren Form von Udayana's Lehre. Natürlich ist auch für Udayana eine empirisch nicht feststellbare bedingende Bestimmung (upādhiḥ) nicht möglich, doch der Zweifel, ob es nicht doch eine bedingende Bestimmung gibt, die man zwar feststellen könnte, die man aber faktisch nicht erkannt hat, wird nicht durch die Nichtwahrnehmung beseitigt. Gerade dies ist aber der Zweifel, der beseitigt werden muß, hat man einmal aus der Erfahrung (bhūyodarsanena) das gemeinsame 98 NKM, p. 348, 1-5. 99 Cf. p. 169ff. dieser Arbeit. 12* 179 Page #50 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Vorkommen von zwei Sachverhalten erkannt. Dieser Zweifel kann aber allein durch den Tarka beseitigt werden, wie ihn Udayana definiert. Damit ist die kurze Skizze der Lehre Udayana's vom Svābhāvikasambandha, soweit sie zum Verständnis der Entwicklung dieser Theorie nötig war, abgeschlossen. Seine Lehre ist, wie einleitend bemerkt, die letzte Entwicklungsstufe einer Theorie, durch die der alte Nyaya am Ende einer langen Entwicklung über die Logik des Samkhya und der Mīmāmsā Kumārila's die,,Neue Logik" der Schule einleitet und nach langen Anstrengungen der buddhistischen extensionalen Schlußlogik eine ebenbürtige Leistung gegenüberstellt. In ihr und ermöglicht durch sie dürfte sich auch der Ansatzpunkt einer neuen Formalisierung der Schlußlogik ergeben haben, welche nicht mehr mit dem buddhistischen extensionalen Schema arbeitet, sondern mit dem Begriff der Gemeinsamkeit, der,,inhaltlichen Implikation" und der Negation. Verwendete Ausgaben und Abkürzungen: ATV The Atmatattvaviveka of Sri Udayanacharya with the (Nārāyaṇi) Commentary of Sri Nārāyaṇacharya Atreya etc. Chowkhamba Sanskrit Series No. 84. Benares 1940. J NB - NM NBT Dharmottara's Nyayabinduṭikā. Ausgabe: Kashi Sanskrit Series No. 22. Benares 1954. NK NV Jñānaśrīmitranibandhavali. Ed. by Anantalal Thakur. Tibetan Sanskrit Works Series Vol. 5. Patna 1959. Vacaspatimiśra's Nyayakaṇikā. Ausgabe: Vidhivivekaḥ śrimadAcarya-Maṇḍanamiśra-viracitaḥ pūjyapādaśrīmad Vacaspatimiśranirmitaya Nyayakaṇikākhyaya vyākhyaya samalankṛtaḥ etc. Kāshi 1907. NKM The Nyayakusumāñjali of Sri Udayanacharya with four Commentaries the Bodhini, Prakāśa, Prakāśikā (Jalada) and Makaranda by Varadarāja, Vardhamanopadhyaya, Meghathakkura and Ruchidattopadhyāya etc. Kashi Sanskrit Series No. 30. Benares 1957. The Nyayamañjarī of Jayanta Bhaṭṭa ed. by Pt. Śri Surya Nārāyana Sukla. Kashi Sanskrit Series No. 106. Benares 1934-36. Nyāyavārttikam. Ausgabe: Nyāyadarśanavātṣyāyanabhāṣyopavṛmhanam paramarși-Bharadvājoddyotakara-viracitam etc. Kashi Sanskrit Series No. 33. Benares 1915-16. 180 Dharmakirti's Nyayabinduḥ. Ausgabe: The Nyayabindu of Sri Dharmakirti with a Sanskrit Commentary of Śri Dharmottaracharya ed. by Chandrasekhara Sastri. Kashi Sanskrit Series No. 22. Benares 1954. Page #51 -------------------------------------------------------------------------- ________________ NVTP Nyaya-varttika-tatparya-parisuddhi by Udayanacharya with a Gloss called Nyayanibandhaprakasa by Vardhamanopadhyaya ed. by Pt. Vindhyesvari Prasad Dvivedin and Pt. Lakshamana Sastri Dravida. Bibliotheca Indica. Calcutta 1911 ff. NVTT Nyayavarttikatatparyatika by Sri Vacaspati Misra ed. by Rajeshwara Sastri Dravida. Kashi Sanskrit Series No. 24. Benares 1925. Ꭱ . . Ratnakirtinibandhavali ed. Anantalal Thakur. Tibetan Sanskrit Works Series Vol. 3. Patna 1957. 181