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Albrecht Wezler
Das Vorhandensein des
den ist (d.h. das Element Wind in sich enthält)."" Windes in den Bäumen wird also durch einen expliziten Analogieschluß bewiesen, bei dem von einer bestimmten Beobachtung aus der Lebenswelt des Menschen ausgegangen wird, dem Hochsaugen von Wasser mittels einer dünnen Röhre durch Einatmen/Saugen; daß es sich bei dieser Röhre hier um einen hohlen Pflanzenstengel handelt, hat seinen Grund gewiß ausschließlich in dem Unstand, daß man allein dergleichen eben zu diesem Zweck in alt-indischen Alltag gebraucht hat. Wie bein Nachweis des Vorhandenseins von "Hohlräunen in Bäumen ist man auch, was das Vorhandensein des Elementes Wind betrifft, auf eine Schlußfolgerung angewiesen. Daß in den Bäumen Wasser vorhanden ist, und zwar bis in die von der Wurzel entferntesten 82 Teile und Spitzen, bedurfte, wie Frauwallner richtig bemerkt "keines weiteren Beweises"; denn, so wäre zu ergänzen, das ließ sich. leicht beobachten 3. Die Fließbewegung des Wassers "nach oben" aber verlangte sehr wohl nach einer Erklärung, und da bot sich die Analogie des Hochsaugens mittels eines Röhrchens durch den Menschen an: Die Kraft, die dort die Umkehrung der bekannten Fließrichtung bewirkt, muß auch hier, in den Bäumen, angenommen werden, also der Wind, der sich insofern, wie auch Arjunamiśra bemerkt, "innen (d.h. in ihnen) bewegt".
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Es gilt auch in diesem Zusammenhang zu beachten, daß Bhrgu sich primär auf Bäume, und nicht auf Pflanzen schlechthin bezieht; im übrigen läßt sich letztlich auch gar nicht übersehen, daß der hohle Nymphaeen-Stiel als solcher weder geeignet väre, das Vorhandensein von Hohlräumen in Pflanzen jeglicher Art, einschließlich von Bäumen, durch direkte Anschauung zu beweisen, noch ein taugliches Argument für das Vorhandensein von Wind in ihnen abgeben würde. Damit tritt aber eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit dieses Textstücks noch klarer hervor: Was für den Verfasser ersichtlich im Vordergrund steht, sind die Funktionen der einzelnen Elemente in lebendigen Pflanzenorganismus, so daß auch von daher gesehen Arjunamiśra durchaus als glaubwürdig erscheinen muß. Bäume, die größten und eindrucksvollsten Pflanzen, enthalten Äther, also Hohlräume; in diesen bewegt
81. Auch in diesem Fall haben Majumdar (s. Anm. 30), Singha folgend, (o.c., p. 32 und 57) und Misra (s. Anm. 71)) das Richtige getroffen.
82. 0.c., S.126.
83. Vgl. auch ChU 6.11.1ff.
Naturbeobachtungen
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sich der Kind und saugt das lebensnotwendige Wasser hoch. Eben deshalb sind die Bäume und andere Pflanzen "Fußtrinker" (pádapa), d.h. Lebewesen, die ihren Durst dadurch stillen, daß sie mit ihren Wurzeln Wasser aufnehmen; und dieser Ausdruck war ja schon mehrfach in vorangehenden Versen (12ff.) gebraucht worden, und der Vorgang als solcher (padath salilapdnam hatte in Vers 15 eines der Argumente für die These gebildet, daß Bäume auch über Geschmacksempfindung verfügen.
I'm Funktionen geht es schließlich auch im letzten der zitierten Slokas. Auch in diesem Fall geht aus Frauwallners Wiedergabe des gedanklichen Inhalts nicht klar bzw. unverzerrt hervor, wie der Verfasser selbst argu84 mentiert. Frauwallner schreibt:" "Da schließlich der Assimilationsvorgang durch Feuer und Wind erfolgt, so muß neben dem Wind auch Feuer in den Pflanen angenommen werden." Schaut man sich den Vers 18 an, dann gewinnt man zunächst einmal den Eindruck, daß in ihn zwei Propositionen nur durch ein miteinander verbunden werden, und eine kausale Relation gar nicht gegeben ist. Erst bein zweiten Hinsehen und, wenn man sich die Argumentationsweise etwa von Vers lo oder 16 wieder vor Augen führt, wird die impli zierte Struktur sichtbar, d.h. erkennt man, daß Vers 18, was den Gang der Argumentation anbelangt, von rückwärts gelesen werden muß: Aus der Beob
achtung, daß Bäume wachsen und eine gewisse Form von Ausscheidungen" 85
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54. 0.c., S. 126. Auch Majumdars Wiedergabe dieses Verses (o.c., p. 33 und 57) befriedigt nicht.
55. Deussen/Strauß geben sneha durch "klebriger Saft" wieder. Obwohl semantisch und sachlich durchaus möglich, bleibt diese Wiedergabe zumindest solange unbefriedigend, als nicht erkannt ist, daß auf jeden Fall eine Ausscheidung gemeint ist. Daß ergibt sich mit aller nur wünschenswerten Klarheit, wenn man die Spur weiterverfolgt, welche durch das hier greifbare In-Analogie-Setzen von Pflanze und Mensch ins Blickfeld gerückt ist. Es zeigt sich dann nämlich, daß sneha ein Terminus des Ayurveda, und zwar für eine bestimmte der verschiedenen körperlichen Verunreinigungen (mala) bzw. Ausscheidungen (kitta) ist; an deutlichsten ist wohl Sufrutasanhità, Sutrasth. 46.527 (bzw. 529 nach anderer Zählung), wo in einer Aufzählung der dhätundm maidh, "der Verunreinigungen der [7] Grundelemente", von tuaku sneho die Rede ist, also von "fettigen/öligen Substanzen auf der Haut". Man vergleiche Astangasangraha 3 Vols., Trichur 1913-26], Sarirasth. 6, p. 336b) sowie Carakasamhita, Cikitsasth. 15.19. Meulenbeld (The Madhavanidana and its Chief Commentary. Chapters 1-10..... Leiden 1974, p. 488ff.) dem ich letztlich diese Hinweise verdanke, ervähnt daneben auch Manu 5.135, wo der Ausdruck vasd des Grundtextes in der Tat von mehreren Kommentatoren als käyasneha, d.h. "Fett auf/an den Körper" erklärt wird. Für die indischen Mediziner ist.
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