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________________ Zur Theorie der Kastenordnung in der indischen Philosophie 279 II. Zur Vorgeschichte der philosophischen varna-Theorien Die Frage nach den Ursprüngen des Kastensystems liegt ebenso außerhalb unserer Themenstellung wie das Problem seiner weiteren geschichtlichen Entwicklung und seiner tatsächlichen Rolle in der indischen Gesellschaft. Hinsichtlich seiner Darstellung in den mythologischen, kosmologischen und ritualistischen Texten der Frühzeit und seiner theoretischen Ausgestaltung im Dharmaśāstra müssen wir uns darauf beschränken, auf die vorliegenden Standardwerke, vor allem auf die Darstellung P. V. Kanes), sowie auf die älteren, aber immer noch nützlichen Zusammenstellungen von J. Muir?) und A.Webers) zu verweisen. Es dürfte jedoch angebracht sein, wenigstens einige grundsätzliche Hinweise zu solchen Aspekten der varņa-Konzeption zu geben, die für spätere philosophische Fragestellungen und insbesondere für die Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Hindus wichtig geworden sind. Von Anfang an ist im Begriff der vier varna, beispielhaft vor allem im Begriff des Brahmanen, Kosmisches und Gesellschaftliches, ethische Norm und „biologischer" Tatbestand miteinander verbunden. Das entspricht ganz einem Weltbild, dessen Leitbegriffe Normatives und Faktisches, Ethisches und Physisches ineinander verweben, und es bleibt innerhalb dieses Weltbildes grundsätzlich unproblematisch und fügt sich insbesondere auch der alsbald ausgebauten Lehre von der Tatvergeltung und vom Kreislauf des Daseins (karman und samsāra) harmonisch eino). Gleichwohl gibt es schon in der Literatur der Brāhmaṇa-Periode mehrere Termini, die eine entschiedene begriffliche Trennung der Aspekte bzw. Bedeutungsmomente anzeigen: Dem lediglich durch seine Abstammung oder auch durch das Erfüllen rein äußerlicher Funktionen bestimmten Brahmanen (jātibrāhmaṇa; brahmabandhu) wird der durch adäquates Wissen und Handeln ausgezeichnete und erst dadurch zum vollen Sinn seines Brahmanentums gelangte Brahmane kontrastiert 10). Das ethische und das hereditäre Moment treten insofern auseinander, und sie werden, in einer für die Entwicklung philosophischer Fragestellungen bemerkenswerten Weise, einander begrifflich nebengeordnet. Dabei scheint die Bedeutung der geburts 6) P. V. Kane, History of Dharmaśāstra, vols. 1-5, Poona 1930-1962; bes. vol. 2, S. 19–164. 7) J. Muir, Original Sanskrit Texts on the Origin and History of the People of India, vol. 1, London 1874 (repr. Amsterdam 1967). 8) Weber, Collectanea (s. Abkürzungsverzeichnis). Der Zusammenhang mit diesen Lehren ist für die folgenden Erörterungen stets im Auge zu behalten. Zu erinnern ist auch an den Ursprungsmythus, demzufolge die Entstehung der verschiedenen Kasten durch ein karmanbedingtes Absinken aus dem Brahmanenstande zu erklären ist; vgl. z. B. Mahābhārata XII, 181, 10-20; wohlbekannt ist dieser Mythus auch bei den Buddhisten, wie vor allem das Aggaññasutta des Dighanikāya zeigt. - Ein kosmogonisches Vorbild dafür gibt es bereits im Satapathabrāhmana XIV, 4, 2, 23-27; vgl. dazu Weber, a. a. O., S. 9-10. 10) Weber, Collectanea, bes. S. 97 ff.
SR No.269272
Book TitleZur Theorie Der Kastenordnung In Der Indischen Philosophie
Original Sutra AuthorN/A
AuthorWilhelm Halbfass
PublisherWilhelm Halbfass
Publication Year
Total Pages40
LanguageEnglish
ClassificationArticle
File Size5 MB
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