SearchBrowseAboutContactDonate
Page Preview
Page 13
Loading...
Download File
Download File
Page Text
________________ Zur Theorie der Kastenordnung in der indischen Philosophie 289 und tamas und den übrigen varņa „reine" guna zugeordnet werden 46). Etwas anders, und im Sinne einer weiteren Überhöhung des Brahmanenstandes, verfährt der schon erwähnte Durgāprasāda Dviveda, wenn er die Brahmanen durch sattva allein, die Ksatriya durch rajas und sattva, die Vaiấya durch rajas und tamas, die Sūdra durch tamas allein oder auch durch tamas und rajas bestimmt sein läßt 47). Wenn allerdings P. T. Raju im Zusammenhang mit solcher Anwendung der drei guna Platons gleichermaßen psychologisches wie gesellschaftliches Dreierschema von λογιστικόν, θυμός und επιθυμία als Parallele meint heranziehen zu können 48), so wird dadurch doch viel eher ein fundamentaler Unterschied illustriert. Bei Platon haben wir eine umfassende rationale Konstruktion, die das Gesellschaftliche und Politische in ursprünglicher Weise und in kritischer Selbständigkeit gegenüber bestehenden Konventionen mit umfaßt; bei den guna-Theoretikern haben wir dagegen eine nachträgliche, ganz ohne Bereitschaft zur radikalen Kritik durchgeführte Anwendung „philosophischer" Begriffe auf eine als vorgegeben akzeptierte gesellschaftliche Ordnung. Eine eigenständige Anthropologie, die mit der varna-Theorie in Konkurrenz zu treten vermöchte, wird aus der Lehre von den drei guna nicht abgeleitet; Möglichkeiten der Kritik, die sich anzudeuten scheinen, werden nicht ausgeschöpft. Es gibt hier überhaupt nichts, das der im klassischen griechischen Denken entwickelten und zu beständiger Kritik an Konventionen und Traditionen herausfordernden Gegenüberstellung von qúois und flous auch nur annähernd entspräche. — Gewiß vermag die Verwendung der Begriffe sattva, rajas und tamas dazu zu dienen, die ethischen und charakterologischen Aspekte der varna-Ordnung gegenüber ihrer bloßen Geburtsbedingtheit in Erinnerung zu bringen; und in der Tat dient sie bei modernen Autoren oft dazu, die vier hauptsächlichen Kasten geradezu im Sinne psychologischphysiologischer Konstitutionstypen auszulegen 49). Kriterien für die empirische Feststellbarkeit und eindeutige Abgrenzbarkeit dieser Typen und damit für eine wirklich durchführbare, von der geburtsmäßigen Zuordnung unabhängige gesellschaftliche Gliederung werden jedoch nicht gegeben, und die Reformbereitschaft bleibt sehr oft verbal. Selbst einer der entschiedensten Fürsprecher einer auf Charakter und Berufung bezogenen und nicht hereditär gebundenen Interpretation der vier varna, S. Radhakrishnan, räumt ein: 46) Vgl. K. Damodaran, Indian Thought, New York 1967, S. 482 (unter Hinweis auf K. M. Munshi, Foundations of Indian Culture, S. 68: ,,energy/inertia"); P. T. Raju, The Philosophical Traditions of India, London 1971, S. 209: „activity/lethargy". 47) Vgl. CV, S. 2. — Eine Verbindung der Kastenbegriffe mit den gleichfalls im Sāmkhya beheimateten Begriffen buddhi, ahamkāra usw. stellt N. V.Thadani, Mimansa: The Secret of the Sacred Books of the Hindus, Delhi 1952, S. 417-418, her. 48) The Philosophical Traditions of India, London 1971, S. 209. 49) Vgl. z. B. Vinoba Bhave, Talks on the Gītā, New York 1960, S. 191 ff. [17]
SR No.269272
Book TitleZur Theorie Der Kastenordnung In Der Indischen Philosophie
Original Sutra AuthorN/A
AuthorWilhelm Halbfass
PublisherWilhelm Halbfass
Publication Year
Total Pages40
LanguageEnglish
ClassificationArticle
File Size5 MB
Copyright © Jain Education International. All rights reserved. | Privacy Policy