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________________ Die Gottesidee im Yoga des Patanjali 201 Erst in Vyasa's Kommentar zu den YS erscheinen andere Aussagen von Gott, welche der Gotteslehre des Yoga neue Aspekte hinzufügen, jedoch den von den YS geprägten Charakter dieser Lehre nicht verändern, sondern ihn eher akzentuieren. Aufgabe dieses Aufsatzes ist es, diese Gotteslehre des Patañjala-Yoga in ihrer typischen Erscheinung herauszuarbeiten und so einen Beitrag zur philosophisch-historischen Phänomenologie der Gottesidee zu leisten 13. In YS I 23 ist Gott in seinem Sein als eine ,, besondere Seele" definiert, wobei für „Seele" der Samkhya-Terminus purusaḥ verwendet wird 18. Durch die Anwendung dieses Begriffes auf das Sein Gottes ist jedoch ipso facto eine merkwürdige Spannung in die philosophische Gotteslehre des Yoga hineingetragen. Ihrem Wesen nach enthält die Gottesidee jene Dynamik, wie sie jedem existenziellen Gottesbegriff eigen sein dürfte, während sie in der Interpretation durch den samkhyistischen Begriff des purusaḥ als statisches, nicht wirkendes Bewußtsein erscheint. Um nun diese Spannung thematisch zu machen und als verborgene Ursache der spezifischen Züge der Gotteslehre des Yoga zu zeigen, mag ein zunächst unbedeutsam erscheinender Text aus Vyasa's Kommentar zur Sprache kommen: „Hat er (nämlich Gott) dann den Zustand der Emanzipation (kaivalyam) erreicht ? - Emanzipierte Seelen (kevalinah) gibt es viele, (doch) diese haben den Zustand der Emanzipation nach Sprengung der drei Bindungen erreicht. Eine solche Bindung war Gott dem Herrn aber nicht eigen, noch wird sie ihm je eigen sein. Nicht in gleicher Weise, wie man von unzähligen früheren Bindungen eines Befreiten (muktah) weiß, (weiß man es auch) von Gott dem Herrn ... Vielmehr ist dieser immer befreit (muktah), ist er immer der Herr."15 Aus diesem Text ergibt sich zunächst, daß der auf Gott angewandte Begriff des purusah in seiner schulgebundenen Auffassung zu verstehen ist - anderenfalls hätte der Einwand, daß nach der Sutren-Definition Gottes dieser von den Seelen im Zustand ihrer Emanzipation nicht unterschieden sei, keinen Sinn-, und daß zweitens tatsächlich das Sein Gottes in seiner ontologischen Struktur nicht vom Sein einer Seele unterschieden zu denken ist. Der vom Kommentator formulierte Unterschied ist kein ontologischer, sondern ein existenzieller, insofern Gott in seiner Existenz niemals Raum und Zeit, d. h. dem Spiel der Materie, unterworfen war, während eine Seele nur durch die raumzeitliche Existenz als und dem Wirken unterworfen zu sein. (Vgl. S. 202f.) Die ,,Erlösung" geschieht durch die rationale Analyse der empirischen Existenz, verbunden mit einer dadurch ermöglichten ,mystischen" Seinserfahrung (letztere vor allem im Yoga), wodurch sich die Erkenntnis und existenzielle Gewißheit ergibt, daß das Sein der Geistseele (purusah) in absolutem, unwandelbarem Bewußtsein besteht, das sich selbst genügt. Dieser Zustand wird im vorliegenden Aufsatz ,,Emanzipation" oder „Emanzipiertsein" genannt. - Wenn daher die YS Gott durch den Begriff des purusaḥ definieren, dann ist damit gesagt, daß auch die Vorstellung vom Sein Gottes im wesentlichen jener des Seins der Geistseele im allgemeinen gleicht. Dadurch ist aber a priori vom Gottesbegriff die Vorstellung des Weltschöpfers und des wirkenden Gottes ausgeschlossen. Die Ys bestimmen daher Gott auch nicht als Schöpfer, sondern als allwissenden Lehrer, und schließen von seinem Sein jede Bestimmung aus, die auf eine ,,wandernde" Seele zutrifft, also alle jene Bestimmungen, welche mit dem werk-immanenten Vergeltungsmechanismus (karma) gegeben sind. 12 Die vorliegende Interpretation läßt prinzipiell die späteren Kommentare, die nicht mehr der lebendigen Schule des Patañjala-Yoga angehören, unberücksichtigt und stützt sich ausschließlich auf die beiden einzigen uns erhaltenen Werke der Schule, nämlich die Ys und den Kommentar des Vyasa zu den YB. 13 Vgl. Anm. 11. 14 Es handelt sich hier um die Samkhya-Lehre von der Bindung durch die Urmaterie, die Bindung durch die Umwandlungen der Urmaterie und die Bindung durch den Opferlohn. Vgl. Yuktidipika 150f. 15 Y Bh 54. 5 Zeitschrift für kath. Tbeologie, 86. Jahrg. 1964
SR No.269270
Book TitleGott Urbild Der Emanzipierten Existenz Im Yoga Des Patanjali
Original Sutra AuthorN/A
AuthorGerhard Oberhammer
PublisherGerhard Oberhammer
Publication Year
Total Pages11
LanguageEnglish
ClassificationArticle
File Size2 MB
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