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Wirklichkeit und Begriff bei Dharmakirti
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4. svabhāvahetuḥ und kāryahetuḥ Aus den beiden Formen des svabhāvapratibandhaḥ sind aber auch die beiden Arten 94 von logischen Gründen, Begriff (svabhāvahetuḥ) und Wirkung (kāryahetuh), abzuleiten. Nur diese beiden Gründe sind nämlich durch ihren Svabhāva mit der entsprechenden Folge verbunden. Beide Gründe sind Begriffe. Ihr Unterschied ist der von Akzidens und Substanz 95 und ist bedingt durch die Art des Folgebegriffes.
Der Svabhāva als Grund steht dann in einer logischen Verbindung mit der Folge, wenn diese bloß mit seinem Vorhandensein gegeben ist:
,,Ferner ist auch eine Beschaffenheit (bhāvaḥ) Grund mit Bezug auf einen Svabhāva, der sich an sihr] bloßes Vorhandensein anschließt. Die reale Identität (tādātmyam) dieser Sache besteht nämlich nur mit dem, was sich bloß an sie anschließt, nicht [aber] mit dem, was von einem anderen abhängt 96."
Der Grund-Begriff ist also nicht real-identisch mit einem Folgebeizustellen: „Durch den Beleg weist man die Erkenntnis auf, daß das, was einen erzeugten Svabhāva hervorbringt, [diesen] als [zugleich] mit einem vergänglichen Svabhāva versehen hervorbringt ... Und durch diese Erkenntnis wird deutlich gemacht, daß sich die zu beweisende Beschaffenheit bloß an die [beweisende Beschaffenheit] anschließt." (yaḥ krtakam svabhāvam janayati so 'nityasvabhāvam santam janayatiti pramänam drstāntenopadarśyate. ... tena ca pramānena sādhyadharmasya tanmātrānubandhah khyāpyate. PVSV 17, 21-18, 2.)
Der Beleg hat also den Zweck, zu zeigen, daß die beiden Begriffe von etwas ausgesagt werden, das nur eine einzige Ursache hat. Dharmakirti stützt sich dabei auf seinen Satz von der Verschiedenheit", der die Verschiedenheit der Dinge als Zuschreibung von sich ausschließenden Beschaffenheiten bestimmt und sie aus der Verschiedenheit der Ursachen begründet (ayam eva khalu bhedo bhedahetur vā bhāvānām viruddhadharmā. dhyāsaḥ kāranabhedas ca. PVSV 20, 21 f.). Dieser ,,Satz von der Verschiedenheit“ enthält natürlich den „Satz des Widerspruchs“. Seine Formulierung macht aber deutlich, daß für Dharmakirti der Satz des Widerspruchs nicht den Sinn eines Denkgesetzes hat. Er hat vielmehr ontologische Bedeutung und drückt aus, wie die Dinge sind. Für das Denken gewinnt der Satz nur dadurch seine Bedeutung, daß das Denken, Vorstellen, nur dann zum Erkennen, richtig Vorstellen, wird, wenn es die Dinge in einer Weise bestimmt, welche sich in der Praxis bewähren kann. Richtiges Vorstellen ist durch den Satz des Widerspruchs insofern gebunden, als es den „Satz von der Verschiedenheit der Dinge“ berücksichtigen muß.
04 Dharmakirti lehrt an sich drei Arten von Gründen, faßt aber die dritte, den Grund „Nichtbeachtung eines Beobachtbaren" (drśyānupalabdhih) als im svabhāvahetuh enthalten auf. Vgl. PVSV 105, 1f. und zur Interpretation dieser Subsumption HB II, 154 ff.
95 Vgl. oben p. 191 f. und p. 200.
96 svabhāve bhāvo 'pi bhāvamātrānurodhini || (v. 21c-d=4c-d) hetur iti vartate. tādātmyam hy arthasya tanmātrānurodhiny eva nānyāyatte. PVSV 4, 1-3.