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Da somit eine auf äußeren Kriterien basierende Literaturgeschichte des Yogācāra über den allergröbsten Rahmen hinaus anscheinend keine völlig gesicherten Ergebnisse zeitigt, muß die Ideengeschichte dieses Systems von inneren Kriterien – von den Lehren und (soweit es angesichts des teilweisen Verlustes der Sanskritoriginale möglich ist) von der Terminologie der einzelnen Texte bzw. Textstücke – ausgehen. Sie muß versuchen, diese in ihren individuellen Zügen zu erfassen, auf diese Weise die ungegliederte Masse des Stoffes aufzulösen und schließlich durch einen Vergleich der verschiedenen Schichten den Gang der philosophischen Entwicklung zu rekonstruieren. Dieses Verfahren wird dann auch zur Rekonstruktion der äußeren Geschichte des Yogācāra beitragen, etwa dadurch, daß es die verschiedenen auf Grund äußerer Kriterien gestellten Alternativen bestätigt oder ausschließt.
Für das Maitreyanātha-Asanga-Problem hat Frauwallner in seiner „Philosophie des Buddhismus" 8 und seinem Aufsatz „Amalavijñānam und Alayavijñānam 9 bereits mit einem solchen Verfahren begonnen und gezeigt, daß zum mindesten zwischen Madhyāntavibhāgaḥ und Mahāyānasūtrālamkāraḥ einerseits und Mahāyānasamgrahaḥ andererseits gewichtige lehrmäßige Unterschiede bestehen. Im vorliegenden Aufsatz hingegen soll ein Beitrag zur ideengeschichtlichen Sichtung des Vasubandhu-Komplexes geleistet werden, und damit gleichzeitig ein Beitrag zur Lösung der diesbezüglichen literargeschichtlichen und datierungsmäßigen Probleme.
Lamottes Untersuchungen zu Vasubandhus Karmasiddhiḥ haben gezeigt, daß dieses Werk, obwohl von der buddhistischen Tradition als Yogācārawerk eingestuft 10, im wesentlichen ein Sautrāntika-Text ist 11 und mit Sicherheit von demselben Verfasser stammt wie der
8 PhB, p. 296ff.; vgl. auch p. 6f.
• Beiträge zur indischen Philologie und Altertumskunde, Walther Schubring zum 70. Geburtstag dargebracht, Hamburg 1951, p. 148-159.
10 E. Lamotte, Le Traité de l'Acte de Vasubandhu (Karmasiddhiprakaraṇa)', Mélanges chinois et bouddhiques, Bd. 4 (1935-36), p. 176. - Im tibetischen Tripitaka ist die Karmasiddhiḥ in der Abteilung "Sems team" (cittamätram) enthalten, in der Taisho-Ausgabe des chinesischen Tripitaka in der Abteilung ,,Yogācāra“.
11 Vgl. Lamotte, op. cit., p. 176-179.
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