________________ REVIEWS 57 Wahrend zu vermuten ist, dass Bhasa, der viel Altes bewahrt hat, noch lange hinausgezogene technische Praliminarien kennt (Einsingen der Sanger und Sangerinnen, Stimmen der Instrumente usw.; Feistel II, SS 25), durfen wir beim eigentlich klassischen Schauspiel mit einer Einleitung rechnen, die nicht ganz so umstandlich war (Feistel II, SS 26) Meines Erachtens sind viele Kurzungen und Abweichungen von der Praxis des NS u.a. daraus erklarbar, dass das "Theaterstuck", die zu betrachtende Dichtung (drsya), erst langsam und sicherlich erst nach Bharata in den Rang eines vollig selbststandigen, rein poetischen Genres aufgeruckt war, was naturlich zur Eliminierung einer Reihe von altertumlichen, teils zeremoniellen, teils gesanglich-tanzerisch-musikalischen Elementen gefuhrt hat. Von Bedeutung ist ferner, dass wir das klassische indische Schauspiel als grosstenteils hofische Dichtung einschatzen mussen. Es reprasentiert ein Theater, das zwar aus Volksstuck, Posse, Tanzauffuhrung, Schattenspiel u.a. hervorgegangen war, sich in seiner endgultigen Ausgestaltung aber doch stark von diesen in teilweise ganz anderen Gesellschaftsschichten verankerten, vielfach mehr volkstumlichen Formen entfernt hat. Die These Feistels, dass das Theatervorspiel innerhalb des Zeitraums zwischen N$ und etwa Kalidasa mehrere - seiner Ansicht nach vier - Entwicklungsstufen durchlaufen hat, ist somit durchaus plausibel, doch ergeben die wenigen Vergleichspunkte, die der Verf. zum Zwecke einer genaueren Periodisierung auszunutzen bestrebt war, kaum wesentlich Neues. Uber bisher Bekanntes gehen seine Ausfuhrungen zur absoluten Chronologie (II, $ 40) der indischen Theatergeschichte eigentlich allein in der zeitlichen Einordnung der von ihm bearbeiteten Kap. V (1.-2. Halfte des 1. Jahrhunderts n. Chr.) und Kap. XX (ca. Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr.) des NS hinaus. Seine sonst durchaus grundliche und wohldurchdachte Untersuchung zerfallt in zwei Teile. Wahrend der erste eine kritische Textausgabe und Ubersetzung der das Vorspiel behandelnden Abschnitte des NS (V und XX, 25-36) zu bieten versucht, wertet der zweite Teil aus, was in den Anmerkungen zum ersten prazisiert werden konnte. Obwohl der Verf. als sein hauptsachlichstes Anliegen - vielleicht zu unrecht - die Konstituierung des Textes betrachtet, ist m. E. sehr zu bedauern, dass, insbesondere in Teil II ("Zusammenfassung und Auswertung der Ergebnisse", S. 111 ff.), fast samtliche Gesichtspunkte in denkbar kurzester Form zur Darstellung kommen, der Erorterung die erwunschte grossere Spannweite fehlt und auch nirgends die Frage gestellt wird, wieweit die so sparlich fliessenden Quellen noch durch Angaben in anderen, gar nicht der Buhnentechnik gewidmeten Texten, etwa solchen der kavyaLiteratur (ich denke hier vor allem an Bana) oder deren Kommentare, erganzt werden konnen. Auch sind nicht wenige Feststellungen nur Nutzbarmachung bzw. Weiterfuhrung von Erkenntnissen P. Thiemes, an dessen ausgezeichneter, hier oft zitierter Darstellung des indischen Theaters Feistels Dissertation inspiriert worden war. Wirklich neu und in gewisser Weise bahnbrechend erscheint mir dagegen der Beitrag, den der Verf. zur Deutung von utthapana liefert. Wahrend man bisher geneigt war, dieses Vorspielglied als die Aufrichtung des Banners Indras, des jarjara, zu interpretieren (so u.a. S. Konow und J. Gonda), bringt Feistel gewichtige Argumente gegen die Annahme vor, dass "der Jarjara fest auf der Buhne aufgestellt worden sei, und dass das Glied eben davon seinen Namen erhalten habe". Wie der Verf. in II, SS 10 ausfuhrt, "spielt der Jarjara als 'Vernichter der Widerstande' beim Vorspiel eine nicht unbedeutende Rolle, doch bleibt er nach den detaillierten Angaben' von N$ 5.59 sqq stets in der Hand, zeitweilig des einen Begleiters, zeitweilig in der des Sutradhara selbst, der mit ihm Bewegungen ausfuhrt, ihn senkt und wieder aufrichtet (5.81, 113, 121). Nach 5.121 gibt er ihn dann wieder dem einen Begleiter zuruck, und da eine gegenteilige Angabe fehlt, muss angenommen werden, dass dieser am Ende des Vorspiels mit dem Jarjara in der Hand abgeht." Dazu kommt, dass in NS V, 22 als Objekt des Verbs 2 Das indische Theater, in: Fernostliches Theater, hrsggb. v. H. Kindermann (Stuttgart, 1966).