Book Title: Der Sanskrit Text Von Nagarjunas Pratityasamutpada Hhrdayakarika
Author(s): V V Gokhale
Publisher: V V Gokhale
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Page #1 -------------------------------------------------------------------------- ________________ V. V. Gokhale, Poona: Der Sanskrit-Text von Nāgārjuna's Pratītyasamutpādahrdayakārikā In meiner Doktor-Arbeit versuchte ich das Pratit yasa - mutpāda śāstra des ULLANGHA (Bonn 1930) kritisch zu behandeln. Bei dieser Gelegenheit übersetzte ich diesen chinesischen Text, der dem 5. Jh. n. Chr. angehört, ins Deutsche. Ich gelangte zu dem Ergebnis, daß das Lehrbuch ULLANGHA'S ") ein kleines Kompendium.der in seiner Zeit bekannten scholastischen Auffassungen von der buddhistischen Theorie der zwölfgliedrigen Kausalkette darstellt. Inhaltlich ist dieses Werk aus mehreren, in verschiedenen Schulen des Buddhismus entstandenen Texten zusammengesetzt. Es wurde gleichzeitig bewiesen, daß einer der kleineren Texte, der von ULLANGHA auf diese Weise in sein Lehrbuch einverleibt wurde, von dem großen NAGARJUNA herrührt und nach tibetischen Angaben Pratity asam ut pada hşda ya heißt 2). Dieser Text be 1) Der Fragwürdigkeit dieser vorläufigen Wiedergabe des nur in chinesischer Transkription erscheinenden Namens des Verfassers bin ich mir wohl bewußt. Meines Erachtens ist die von L. DE LA VALLÉE POUSSIN vorgeschlagene Lesart: Uranga oder die japanische Lesart: Utsuryoga (Hôbôgirin) kaum befriedigender oder aufschlußfähiger als die zuerst von B. NANJIO angenommene Ullangha. Wenn die chinesische Transkription des Sanskrit-Namens, die nach NANJIO den. Sanskrit - Namen des Verfassers entweder in zwei oder in drei Schriftzeichen wiedergibt, zutreffend ist (s. Catalogue, Appendix I, Col. 377), dann könnte auch der Autor eines tibetischen Textes aus dem bsTan.-ḥGyur, näml. des Mantrana yāloka in Gyud LXXII. 6: UD(BHAȚA) SURANGA als Verfasser des Lehrbuches des Ullangha in Frage kommen. 2) Die tibetische Übersetzung dieses Textes, die erst von L. DE LA VALLÉE POUSSIN im Anhang seiner Théorie des douze causes (Gand, 1913), S. 122–24, veröffentlicht und ins Französische übersetzt wurde, besteht aus sieben Strophen. Ich hielt es für möglich, daß nur die ersten fünf Strophen dieses Textes tatsächlich von Nāgārjuna herstammen, und meine Gründe für diese Annahme habe ich auf S. 4 bis 7 meiner Dissertation angeführt. Diese Annahme wird durch die folgenden Betrachtungen weiter bestärkt. 101 Page #2 -------------------------------------------------------------------------- ________________ steht nur aus fünf Arya-Strophen, die ihrer Reihenfolge nach in dem dreißigstrophigen Lehrbuch ULLANGHA'S als Strophe 26, 6, 27, 28 und 30 erscheinen. Von diesen fünf Strophen wird nur Strophe 30 vollständig von CANDRAKIRTI in seinem Kommentar zum Mulamadhyama ka als von NAGARJUNA herstammend (e vam uktam ācārya Nagarjunapādaiḥ) zitiert. Dazu kommt die zweite Hälfte von Strophe 28, die in verschiedenen Werken als Zitat vorkommt. Außer diesen anderthalb Strophen, die in ihrem Sanskrit-Original vorgefunden werden, bleiben aber noch drei und eine halbe Strophe übrig, deren ursprünglicher Sanskrittext mir damals als rettungslos verloren erschien. Aus diesem Grunde erschien es mir angebracht, eine Rekonstruktion des Sanskrit-Textes dieser 31/2 Strophen in meinen Anmerkungen zu der Übersetzung derselben (S. 30-31) zu versuchen. Zwanzig Jahre nach der Abfassung meiner Dissertation hielt ich mich als Vertreter der indischen Regierung in Lhasa auf. Im Sommer des Jahres 1949 legte mir der Lama (Hu-tuk-tu Taktsa-Rimpoche Lobsang Jigme Gyaltsen) des Klosters Kundeling in sehr zuvorkommender Weise eine sorgfältig aufbewahrte, kleine Sammlung von Sanskrit-Handschriften zur Untersuchung vor. Ein Band dieser Sammlung, der allem Anschein nach das Eigentum eines im 14. Jh. n. Chr. in Zentral-Indien beheimateten Pandita, Lokottara mit Namen, gewesen ist 3), bestand aus verschiedenen Papier-Handschriften von kleineren buddhistischen Werken philosophischen Inhalts. Von diesen Werken interessierte mich besonders ein aus 23 Folios bestehendes Werk eines unbekannten Verfassers, das hauptsächlich die Kausalitäts-Theorie des Buddhismus. (pratītyasamutpad a) unter Anführung verschiedener Autoritäten, wie z. B. ARYA SURA'S Jātakamālā, SANTIDEVA'S Bodhicaryavatāra, NAGARJUNA'S Mulamadhyamaka u. a. m., gegen die ketzerischen Ansichten von NichtBuddhisten verteidigt. Da ich für meine weiteren Ausführungen eine vorläufige Bezeichnung für dieses mir bis jetzt unbekannte Werk benötige, benenne ich es nach dem Sinne seiner An 3) Nähere Angaben über den PANDITA LOKOTTARA werden in einer von mir geplanten Ausgabe von NAGARJUNA'S Catuḥstava gemacht. 102 Page #3 -------------------------------------------------------------------------- ________________ fangsstrophe Tīrth ya matalak sa na nirākaraḥam (abgk. T n) 4. Dieses Tn enthält nun einen Passus, den ich zunächst nach meiner Abschrift mit den erforderlichen Verbesserungen unten anführe, und der mit Hinsicht auf das obenerwähnte Problem der Rekonstruierung der nirgendwo im Sanskrit-Original überlieferten dreiundeinhalb Strophen NĀGĀRJUNA'S von ausschlaggebender Bedeutung sein dürfte: (Fol. 20a)... (1) Dvādaśa ye 'ngavisesā Muninoddiştāḥ pratītyasambhū tāḥ Te kleśakarmaduḥkheșu (Fol. 20b) samgļhītās trișu yathāvat || 5) (2) Adyāstamanavamāḥ syuḥ kleśāḥ karma dvitīyada samau ca Seșāḥ sapta ca duḥkham trisamgrahā dvādaśa tu dharmāḥ || 9) 4) Der Anfang lautet: Om na maḥ sarvajñāya || Samlikh yate mayā tirth yamatā nāņ lak saņāni ca| nirākaranam evam ca satvānām hita kām ya yā ll. Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß sowohl dieser als auch auf ähnliche Weise rekonstruierte Titel nur als vorläufige Bezeichnungen dienen können. Wir finden z. B., daß die Bruchstücke einer Spruchsammlung, die von F. W. THOMAS unter dem Titel Kavindravacanas a muccaya (Calcutta, 1912) herausgegeben wurden, eigentlich dem Werke Subhā sitaratna kośa von VIDYAKARA angehören. Eine kritische Ausgabe dieses Werkes ist von meinem Freunde, Hn. Prof. D. D. KOSAMBI, unter meiner Mitwirkung vorgenommen worden. 5) Diese Strophe ist identisch mit ULLANGHA'S Strophe Nr. 26, die ich wie folgt rekonstruierte (op. cit. S. 31): Anga vise şā dvādaśa Munin oktās te pratit yasambhūtāḥ kle. saḥ karma ca duḥkhañ caite su trişu parisa māptāḥ. 6) Diese Strophe entspricht ULLANGHA'S Nr. 6 (ibid.). In unserem Tn kommt diese Strophe schon einmal früher vor, wo sie als ein in einem unbekannten Sri-tantra befindliches Zitat erwähnt zu sein scheint. Beide Strophen sind identisch bis auf ein Wort. Im. Sritantra - Zitat heißt es trisamgrahā, während das Manuskript an obiger Stelle trisa ņgrahāt liest. Diese Lesart des Ms. wurde von mir auf Grund der Parallel-Stelle in trisamgrahā umgeändert, zumal da die letztere im unten angeführten Kommentar zitiert wird. Meine Rekonstruktion lautete wie folgt: Prathamāsta ma na vam āḥ syuḥ kleśāḥ karma dvitiya daśa mau ca seşāś ca sapta duḥkham trişu dharmā dvāda saivamatāḥ 1). 103 Page #4 -------------------------------------------------------------------------- ________________ (3) Tribhyo bhavati dvandvam dvandvāt prabhavanti sapta saptabhyaḥ | Traya udbhavanti bhūyas tad eva (tu) bhramati bhavacakram || 7 (4) Hetuphalañ ca [hi] sarvam jagad anyo nāsti kaścid iha satvah Sūnyebhya eva sūnyā dharmāḥ prabhavanti dharmebhyaḥ || 8) (5) Svādhyāyadīpamudrādarpaņaghoṣārkakāntabījāmlaiḥ Skandhapratisamdhir asamkramaś ca vidvadbhir avadhāryau || 9) (Unmittelbar darauffolgt der Kommentar 19). zu Strophe (1) bis (4:) 7) Diese entspricht ULLANGHA'S Nr. 27 (ibid.). Nach meiner Rekonstruktion: Traya to dva y am prabha vati dva y ataḥ saptodbhavo 'pi saptabhyaḥ | tray as a ņ bha va evam bhavaca krañ caitat paribhramatill. Die im Ms. ausgefallene Partikel tu wird richtig im folgenden Kommentar angeführt und erklärt. Wie hier, erscheinen Hinzufügungen im Text in eckigen Klammern. 8) Diese entspricht ULLANGHA'S Nr. 28 (ibid.). Ich füge die Par; tikel hi hinzu (die in den chinesischen Versionen: TTP 1651 und 1654 durch „nur“ übersetzt wird), um das mangelhafte Metrum zu berichtigen. Meine Rekonstruktion war: Jagad a khilam hetuphalatvāt sattvam kim api vidyate nā nyat. Wie oben bemerkt, findet man die zweite Hälfte dieser Strophe vielfach zitiert. 9) Diese ist identisch mit ULLANGHA'S Nr. 30. Ms. verderbt: vidvādbhavadhāryaḥ !). Die ganze Strophe ist in der buddhistischen Literatur als die NĀGARJUNA'S wohlbekannt. 10) Mit diesem Bruchstück des Kommentars, das nur bis zur 4. Strophe des Pratit yasamutpada hrda ya von NAGARJUNA hinreicht, sind zu vergleichen TTP Nr. 1651 u. 1654, und bs Tan. ḥGyur, Mdo XVII. 14 (gleich XXXIII. 90). Es fällt auf, daß die erste, dem sogenannten , Suddhamati" zugeschriebene Version (TTP Nr. 1651) von unserem Sanskrit-Original etwas abweicht, während die beiden anderen (TTP 1654 zusammen mit der tibetischen) wörtliche Ubersetzungen desselben darstellen. Eine englische Ubertragung der letzten beiden bietet N. AIYASWAMI SASTRI in K. V. Rangaswami Aiyanger Commemoration Volume, S. 485-491 (Ma. dras, 1940). 104 Page #5 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Iha kaścic chravanadhāraņohāpohaśaktisampannaḥ śişyas tathāgataśāsanopalabdhabhāvam ācāryam āryam 11) vinayenopagamya idam uktavān „Tad Bhagavan Dyādaśa ye 'ngavise şā Muninoddiştāḥ pratity as am bhūtāḥ kva teşām samgraho veditavya iti śrotum icchāmi" || Tasya tām dharmabubhutsām avetya ācārya idam uktavān, Srņu vatsa - Te kleśa karma duḥkhe su samgrhītās trişu yathāvat" | Tatra dvābhyām adhikā daśa dvādaśa, angāsnya]vayavās tāny. eva viśeşā anga vise şāḥ rathāngavad angabhāvam višeşayanti te vā anga višeşāḥ 12) Kāyāvānmanomaunān Muniḥ, tena Munin o ddiştāḥ kathitāḥ prakāśitā iti paryāyāḥ | Te ca na puruşaprakstīśvaraniyamadikkālasvabhāvāņuprasūtā 13) dvādaśāngaviśeşāḥ kim tarhi kleśesu karmasukhaduḥkhesu cānyo'nyam pratītya samutpannāḥ santas tridandakanyāyena trişu yathāvat samgraham gacchanti (1) | Atha ke punas te kleśāḥ, kāni karmāņi, kim tad duḥkham yeşu yathāvad ete trişu samgraham gacchanti ucyanta Ādyāstamana vam āḥ syuh kleśā yeşām dvādaśānām angavišeşāņām madhye ādyā avidyā aştami tȚşņā navamam upādānam ime trayaḥ kleśāḥ pratyavagantavyāḥi Kiñ ca karma dvitiyadasa - mau samskāro dvitīyaḥ, bhavo daśamaḥ, imau karmasamgshītau veditavyauli Sesāḥ sapta ca duḥkham eşām klesakarmasamgrhīstā]nām ye se şā angaviśesāḥ saptaca duḥkhasamgrhītā veditavyāḥ tadyathā vijñānam nāmarūpam saņāyatanam sparso vedanā jātir jarāmaraṇam ceti ca - śabdaḥ priyaviyogāpriyasamyogecchāvighātādīni samuccinoti | Evam ete klesakarmaduḥkhākhyās trisamgra hā dvādaśa tu dharmaḥ anyūnādhikajñāpanārthas tu. śadbdahetävanta eveme sūtranirdiştā nātahparam astīti pari 11) Es handelt sich offenbar um den Bericht eines Schülers über die Erklärungen seines Meisters. Der Meister wird ehrerbietig mit den Worten ācārya und ārya angeredet. Es ist demnach als wahrscheinlich anzusehen, daß , Suddhamati" ein Schüler NĀGĀRJUNA'S ist. 12) Ms.: rathānga vad angam bhāvam vises ayanti tam vā scheint korrumpiert zu sein. Der Kommentar bringt zwei Erklärungen für das Kompositum angavise şāḥ. Als Genetiv-Tatpuruşa heißt es der Unterschied der Glieder'. Nach der verbesserten Lesart wird das Kompositum als Karmadhāraya aufgefaßt: ,GliederUnterschied'. 13) - dik - (Raum) und -aņu - (Atom) fehlen in den chinesischen Kommentaren und ebenfalls im Tibetischen. Diese Kommentare bringen dafür andere Agenten: Substanz“, „Willkür“, „Zufall“. 105 Page #6 -------------------------------------------------------------------------- ________________ gaaitam etad itidam ucyate | (2) || Esam klesakarmaduhkhanam kutah kim udbhavatiti ucyate Tribhyo bhavati dy and a ml klesakhyebhyas tribh yah karmakhyam dvand vam utpadyate Dvandvat prabhavanti sapta ta eva duhkhakhyah purvanirdistah saptabhyas tray a udbhavanti duhkhakhyebhyah klesakhya iti il bhuyas tad eva tu bhramati bha vaca kram, tatra bhavah kamaruparupyasamsabditahte ca anavasthana[s] cakrabhutah | tesu yah pethagjano lokah paribhramati tu - sabdas ca aniyamajnapanarthah | yatha cakram anupurvya paribhramati na tatha bhavesv anubhuyate kim tarhi niyamo nastiti jnapayati tu-sabdah || (3) || Atha ka idanim sarvadehesvarah satva ..... 14). Damit sehen wir den funf-strophigen Original-Text der Pratity as a mut pada hrda ya karika von NAGARJUNA zusammen mit einem Teil des Kommentars daruber von einem seiner Anhanger gerettet. 14) Hier bricht der Kommentar mit dem ublichen vertikalen Strich ab, dem ein langes, aus einem anderen Werke herstammendes Zitat in Anustubh-Strophen uber die Begriffsbestimmungen der zwolf Glieder der Kausal-Kette unmittelbar folgt. 106